Kapitel
7
Man schrieb das Jahr 1962, der Geschmack des Publikums hatte sich verändert und damit auch die Filmbranche. Audrey, Bill und einige wenige andere waren Überlebende des Studiosystems, das für ihren Erfolg gesorgt hatte. Aber die Tage, in denen Stars, Produzenten, Autoren und Regisseure Langzeitverträge bekamen, waren vorbei. Ebenso gab es keine Absicherung durch die Studios mehr, denn nun wurden die Kreativen, auch die ganz berühmten, mit allen Vor- und Nachteilen nur noch für einzelne Filme verpflichtet.
Seit Mitte der 1950er-Jahre hatte Audrey ihren Wohnsitz in der Schweiz; dort wollten sie und Mel ein Grundstück kaufen, sobald sich das richtige gefunden hatte. Für Audrey war die Schweiz das sicherste und zivilisierteste Land, das ihr größte Privatsphäre erlaubte: Wenn man sich in der Öffentlichkeit bewegte, erkannten einen die Leute vielleicht, doch sie ließen einen in Ruhe. Außerdem waren die Steuergesetze mehr als freundlich. Andere europäische Metropolen waren nur wenige Stunden entfernt, und vor allem war die Schweiz ein großartiger Ort, um Kinder großzuziehen, es gab exzellente Schulen und die besten Kliniken und Ärzte.
Bill war mittlerweile ein Weltenbürger, und auch er hatte aus steuerlichen Gründen seinen Wohnsitz in der Schweiz. Nahe Lausanne kaufte er für seine Familie ein wunderschönes Haus in Saint-Prex. Er war komplett zufrieden damit, dass er nun im Ausland Filme drehte. »Ich habe den Eindruck, dass Hollywood nicht mehr das Zentrum der Filmbranche ist«, beobachtete er zutreffend. Von der Screen Actors Guild wurde er jedoch lautstark kritisiert: Er ermuntere dazu, »mit Produktionen auszureißen«. Außerdem beschuldigten ihn, den Millionär, Kongressmitglieder der Steuerflucht. Robert F. Kennedy, jüngst ernannter Justizminister der USA, nannte Holden als Beispiel für einen wohlhabenden Mann, der »die Steuergesetze pervertiert«. Kennedys Frau Ethel wurde zitiert, sie habe, »weil er sich entschied, in der Schweiz zu leben, William Holden einen Verräter genannt«. Erst viele Jahre später wurde deutlich, dass die Kennedys auch persönliche Motive hatten, sich derart gegen Holden zu stellen. Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass ihre feindselige Einstellung auf der Tatsache beruhte, dass Jacqueline Kennedy eine Affäre mit Bill (und nicht nur mit ihm) hatte – als Reaktion auf die Liebeleien ihres Gatten mit vielen anderen Frauen, unter anderem Marilyn Monroe. Dies fanden die Biografen des Präsidenten Edward Klein und Arthur Schlesinger Jr. heraus.
Bill scherte sich kein bisschen darum, was man über ihn sagte, ob nun die Kennedys oder andere – er folgte Billy Wilders Rat und reiste viel, um mit Werbung seine Filme bekannt zu machen. Für ihn wurde es immer schwerer, im Leben einen Sinn zu sehen, doch gab es eine vielversprechende Entwicklung: Bevor er in die Schweiz zog, war Bill Ende 1958 mit seinen Freunden Ray Ryan, einem Ölmagnaten, und dem Schweizer Bankier Carl Hirshmann nach Kenia gereist. Bill war von den Tieren dort fasziniert und betrachtete deren Leben als das genaue Gegenteil von Hollywood und seinen Bewohnern.
Sein Verhältnis zu wilden Tieren basierte auf einem sehr grundlegenden Verständnis: Sie hatten ähnliche Wesenszüge wie er, sie urteilten nicht, waren nicht am Wettbewerb interessiert und »gewinnen sofort deine Seele«, wie viele Tierliebhaber sagen. Gegenüber dem Journalisten Joe Hyams äußerte Bill: »Eigentlich hatte ich geplant, ein großer weißer Jäger mit der Nikon-Kamera zu werden, aber als ich in Afrika ankam, begriff ich, dass die Leute dort von den Jägern abhängig waren wegen des Fleischs. Bevor ich mich versah, war ich draußen und schoss, um etwas zu essen für das Camp, eine Decke für meine Kinder und Zebrafelle für Billy Wilders Büro zu bekommen. Ich glaube nicht daran, etwas zu schießen, das man nicht essen, auf dem man nicht herumlaufen oder das man nicht aufhängen kann.« Eine Trophäe, die er an die Wand hängte, war der Kopf einer wunderschönen Gazelle, die er die Audrey Hepburn aller Gazellen nannte, weil sie einen so zarten langen Hals hatte. Sogar wilde Tiere erinnerten ihn an Audrey.
Doch schon bald erkannte Bill, dass er Tiere aus welchem Grund auch immer nicht schießen konnte oder wollte. Er wollte ihr Leben schützen, um »die Natur vor dem Menschen zu retten«. Gemeinsam mit seinen Partnern Ryan und Hirshmann kaufte er das Mawinga Hotel in Kenia. Es befand sich auf einem Grund von über vierhundert Hektar, auf 2100 Meter am Fuße des Mount Kenya. Die Geschäftsleute planten, das Hotel in den Mount Kenya Safari Club umzuwandeln und dem Tierschutz zu widmen.
Zwar war er immer noch mit Ardis verheiratet und nahm seine Verantwortung den drei Kindern gegenüber sehr ernst, doch hatte Bill immer wieder andere Beziehungen außerhalb der Ehe. Und wie er hörte, stand es um Audreys Ehe auch nicht besonders gut.
Als Audrey von ihrem Agenten erfuhr, dass sie aufgrund ihres alten Vertrags Paramount noch einen Film schulde und das Studio sie wieder mit Bill Holden, der in der gleichen Lage war, zusammenbringen wollte – wie mag sie sich gefühlt haben? War es ihr recht? In den neun Jahren, die seit der Produktion von Sabrina vergangen waren, hatten Audrey und Bill kaum Kontakt gehabt. Bei einigen raren Gelegenheiten in Los Angeles waren sie herzlich und höflich miteinander umgegangen. Nie hatte sie die Haltung »Egal was, ich werde mit Bill Holden niemals mehr zusammenarbeiten« vertreten. Ihm gegenüber hegte sie keinen Groll, immer würde er in ihrem Herzen einen besonderen Platz einnehmen.
Sie hatte ihr Leben ohne ihn weitergeführt. Als sie Bill erzählte, nichts sei ihr im Leben so wichtig wie Mutter zu werden, sagte sie die Wahrheit. Schließlich hatte sie ein Kind bekommen, nach einer sehr schwierigen und zum Teil gefährlichen Schwangerschaft; zuvor, nach einer früheren Schwangerschaft, hatte sie eine Totgeburt gehabt. Ihre Ehe hatte diverse Krisen überstanden und funktionierte ganz gut – jedenfalls redete sie sich das ein. Von Anfang an waren ihr Gerüchte über Mel und andere Frauen zu Ohren gekommen, aber angesichts des Berufs, den sie hatten, war das nicht anders zu erwarten. Beide waren sehr kultivierte Menschen. Mel passte wie ein Wachhund auf Audrey auf: Alle wollten etwas von ihr, und aufgrund ihrer Persönlichkeit musste jemand anderes an ihrer Stelle Nein sagen, was Mel mit großem Erfolg tat.
In den Jahren nach Sabrina hatten die Karrieren von Audrey und Bill Fahrt aufgenommen, in kommerzieller Hinsicht besonders die seine. Nach den beiden Filmen mit Grace Kelly drehte er mit Jennifer Jones Alle Herrlichkeit auf Erden (Love is a Many-Splendored Thing). Allerdings hätte sich Bill eine andere Filmpartnerin gewünscht. Nachdem er die Autobiografie A Many-Splendoured Thing von Han Suyin gelesen hatte, schlug er das Buch Paramount für sich und Audrey vor. Doch 20th Century Fox war schneller gewesen und hatte die Rechte bereits eingekauft.
In Picknick (Picnic), einem weiteren großen Erfolg, spielte Bill mit der schönen dreiundzwanzigjährigen Kim Novak zusammen, was seinen Status als einer der begehrenswertesten und romantischsten Hauptdarsteller Hollywoods festigte. In den 1950er-Jahren trat er auch häufiger im Fernsehen auf, etwa bei Lucille Ball in der Sitcom I Love Lucy als er selbst. Sechs Jahre zuvor hatten Holden und Lucy den Film Miss Grant Takes Richmond gedreht, und beide hatten die Zusammenarbeit genossen. Es geschah nicht häufig, dass er die Gelegenheit bekam, in einer Komödie zu spielen. Die »leichte« Seite von Bill, und die gab es, sollte in der Episode mit dem Titel »LA at Last!« (Los Angeles – Endlich!) gezeigt werden. Die Aussicht, etwas Komödiantisches live vor Publikum zu spielen, versetzte Bill in Angst und Schrecken, doch Lucille konnte sich durchsetzen. Die Episode wurde sofort zum Klassiker. In der Schlüsselszene trägt Lucy eine falsche Nase. Als Holden ihr mit einem Feuerzeug die Zigarette anzündet, brennt er »aus Versehen« die Nase an, die vor sich hin schwelt. Bills und Lucilles Reaktionen und Interaktion sind großartig. Die Einschaltquoten waren enorm, am nächsten Tag war die Folge in aller Munde – sowohl bei den Medien als auch beim Publikum.
Bill trat in weiteren TV-Shows seiner Freunde auf: unter anderem bei Bob Hope, Jack Benny und dem noch unbekannten Steve Allen. Gut gelaunt lieferte er sich Wortgefechte und glänzte mit selbstironischen, schlagfertigen Antworten. Bei solchen Gelegenheiten wirkte er äußerst einnehmend und zeigte dem Publikum einmal mehr, dass er nahbar, ein wirklich netter Bursche war, was auch einfach stimmte.
Bei einer Umfrage unter Kinobesitzern wurde Bill 1956 zum größten männlichen Filmstar gewählt. Im Jahr darauf bekam er riesiges Lob für Die Brücke am Kwai (The Bridge on the River Kwai), dem weltweiten Kinoerfolg des Regisseurs David Lean. Bei diesem Film sollte Cary Grant die Hauptrolle spielen, aber er lehnte das Angebot aufgrund der, wie er annahm, anstrengenden Dreharbeiten an Originalschauplätzen ab. Bei Kwai gab es keine Filmpartnerin, die hätte Bill in Versuchung führen können, und Ardis besuchte ihn häufiger am Drehort. Der Film erwies sich schließlich für viele als der beste Kriegs- bzw. Antikriegsfilm seiner Zeit. Er bekam zahlreiche Oscars und wurde zu einer Goldgrube für Bill. Laut Vertrag war er prozentual an den Erlösen beteiligt, was ihm jährlich 50 000 Dollar für den Rest seines Lebens bescherte – allein für diesen Film. Er gehörte zu den bestbezahlten Schauspielern in den USA und stand an der Spitze der Beliebtheit. Allerdings sorgte dies nicht dafür, dass seine Unsicherheit bezüglich seines Könnens verschwand. Holden zog nur wenig Befriedigung daraus, seinen Einfluss als Superstar auszunutzen, und war nicht bekannt dafür, seine Macht zu instrumentalisieren, es sei denn, er wurde provoziert. In seinem Inneren tobte ein Konflikt, denn er hielt die Schauspielerei nie für einen angemessenen Beruf für einen Mann.
Manchmal musste Bill über die Strapazen lachen, die jemand auf sich nahm, um als Schauspieler Erfolg zu haben. Als er das Set von Billy Wilders Manche mögen’s heiß (Some Like It Hot) besuchte, posierte er mit Tony Curtis, der das Kostüm für seine (Frauen-)Rolle als Geraldine trug: Während Curtis mit geschminkten Lippen einen Schmollmund machte, schaute Bill todernst in die Kamera. Bill zufolge hätte er nicht den Mumm, eine solche Rolle in Angriff zu nehmen, hauptsächlich, weil er dann wie eine Frau aussähe, die kein Mann, der bei Sinnen war, jemals eines zweiten Blickes würdigen würde.
Bill war sich bewusst, dass sein Beruf von Natur aus einem glücklichen Familienleben nicht zuträglich war. Während der Produktion von Der letzte Befehl (The Horse Soldiers), gemeinsam mit John Wayne und unter Regie von John Ford, wurde er von der Journalistin Phyllis Battelle zu den über seine Ehe kursierenden Gerüchten befragt. Bill wand sich mit einer Lüge heraus: »Ich habe nicht vor, eine Ehe mit jemand anderem zu erwägen als meiner Frau.« Er beschwor, dass sie viel Glück hätten, eine Familie zu haben, und dass sie in der Lage gewesen seien, jegliche »Meinungsverschiedenheiten« zu klären, während er betonte, dass dies nicht selbstverständlich sei, da er wegen seines Berufs häufig reisen müsse.
Nach Sabrina bekam Audrey einen Eindruck davon, wie es mit der Arbeit an Projekten lief, die weitaus problematischer waren. Während Holden die Sorte von Star war, die sich selten mit Produktionsdingen beschäftigte, nahmen Audrey und Mel gemeinsam das Projekt Krieg und Frieden (War and Peace) in Angriff. Es war ein millionenschweres Spektakel, basierend auf dem Roman von Tolstoi, produziert von Dino De Laurentiis unter der Regie von King Vidor.
PR-Manager David Hanna war unmittelbar dabei und erinnerte sich: »Es gibt nicht noch einmal zwei Stars, die sich so sehr mit etwas beschäftigen konnten wie Mel und Audrey. Sie hatten ihre Finger in jeder Kleinigkeit der Produktion.« Dazu gehörten das Script, Besetzung und Kostümdesign. »Ihren Adleraugen entging nichts, und ihrem Einfluss war es zu großen Teilen zu verdanken, dass Henry Fonda gecastet wurde – eine vollkommene Fehlbesetzung.« Hanna hatte sich darauf gefreut, Audrey kennenzulernen. Ferrer und er kannten sich bereits aus der Zeit, als Hanna noch Journalist und Filmkritiker war. Damals beschrieb er Ferrer als »einen klugen, charmanten und erfahrenen Schauspieler und Regisseur«. Die beiden Männer interessierten sich für das alte Vaudeville-Theater. »Wir sprachen über unsere Erinnerungen, die Namen der Stücke,...