Peter Unfried
Wann regnet es endlich?
Die begrenzte Wirksamkeit grüner Bewegungen von 68 bis heute
Die Woodstock-Kultur
Als während des Musikfestivals in Woodstock ein Orkan einsetzte, rief ein Ansager in die Menge: »Hey, if you think really hard, maybe we can stop this rain!« Und dann skandierte die Masse: »No rain! No rain! No rain!« Selbstverständlich regnete es weiter, aber seit diesen Tagen des berühmtesten Rockfestivals der Geschichte im August 1969 wird in bestimmten Post-68er-Milieus der Glaube weitergetragen, eine alternative Welt in ihrem Sinne entstehe dadurch, dass die richtigen Leute sich etwas ganz fest wünschen und das dann zusammen ganz laut sagen. Schließlich: Hat nicht Habermas etwas in diesem Sinne gesagt? Und hat es in Woodstock nicht doch irgendwann zu regnen aufgehört?
Zugegeben: Mit diesem Grundprinzip hat die Befreiungsbewegung von 1968 im Westen diverse emanzipatorische und kulturelle Fortschritte auf den politischen Weg gebracht, die zu einer grundlegenden Liberalisierung westlicher Gesellschaften (und ihrer Wirtschaften) geführt haben. Bewegungen, Individuen an den richtigen Stellen, zu Gesetzen und zu Kultur gewordene Veränderung – all das hat die Institutionen verändert. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich durch den Politisierungs- und Liberalisierungsschub von 1968 in wirklich vielerlei Hinsicht ordentlich entwickelt.
Aber die in den 1970ern entstandene Umwelt- und vor allem die spätere Klimabewegung sind nicht sehr weit gekommen. Was ihre Aktivisten selbstverständlich anders sehen und wofür sie auch gute Gründe nennen können. Klimapolitik ist in Deutschland institutionalisiert wie kaum sonst irgendwo. Dann der Atomausstieg.
Die Umweltbewegung »ist zur Signatur einer Ära geworden«, schreibt der Ökologie-Historiker Joachim Radkau. Daran sei »kaum zu zweifeln.«
Daran muss man sehr wohl zweifeln.
Auch wenn bisweilen der Eindruck entsteht, es werde doch schon ganz schön viel getan gegen die Klimakrise: Das Gegenteil ist richtig. Es wird ganz schön viel für die Klimakrise getan. In der physikalischen Realität steigen und steigen die globalen CO2-Emissionen, obwohl sie zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens und einer Begrenzung der Erderhitzung auf 2 °C oder gar 1,5 °C radikal sinken müssten.
Ich werde in diesem Essay nicht mit einer umfassenden Analyse dienen können, warum die moderne Umweltbewegung seit 1970 und die Klimabewegung seit 2009 nicht mehr erreicht haben, als sie erreicht haben. Vor allem werde ich nicht ihre ganzen Verdienste aufzählen, die sie zweifelsohne erwirkt haben. Ich bitte dafür, Radkaus Die Ära der Ökologie zu konsultieren.
Was ich versuchen werde: einige Grundirrtümer zu identifizieren und Gründe darzulegen, warum es – neben den natürlichen Beharrungskräften von Gesellschaften – mit der Zielerreichung so langsam oder auch gar nicht geht. Es ist nicht zu beweisen, dass wir heute bei der Bearbeitung der Klimakrise weiter wären, wenn diese Fehler früher abgestellt oder von Anfang an vermieden worden wären, dafür ist diese Krise zu komplex und es sind zu viele Systeme, die dafür zusammengebracht werden müssen. Auch gibt es viele Bewegte, Ökos und Ökopolitiker, die dafür gekämpft haben und kämpfen, den Abstand zwischen gesellschaftlicher und politischer Wirksamkeit und dem Beharren auf der Woodstock-Utopie zu verringern. Dieser andere, innere Emanzipationsprozess aber hat viel Zeit und Kraft gekostet. Ich bin mir inzwischen sicher, dass die eingangs skizzierte »1968ff-Kultur«, wie ich sie nenne, für die begrenzte Wirksamkeit der grünen Bewegungen und damit auch für die wenigen Lösungen der Probleme eine mitentscheidende Rolle spielt.
Die berüchtigte 1968ff-Kultur-Formel »Das Private ist politisch« soll auch bes...