Solvejg Nitzke
Gut Wetter machen
Eine Reise zu den letzten Narrativen des Klimawandels
Verständigungsschwierigkeiten
Der menschengemachte Klimawandel ist nur noch mit Mühe zu ignorieren. Spätestens seit dem »Dürresommer« 2018 steht auch hierzulande die Frage ernsthaft im Raum: Waren wir das? Die Beantwortung der Frage ist alles andere als trivial. Denn was Klima »eigentlich« ist, beantwortet jede historische Epoche, jede Disziplin, jede »Klimakultur« anders. Dass aus dieser Feststellung trotzdem kein Klimarelativismus folgen darf, gebietet der Ernst der drohenden Veränderungen. Wer also das Klima »retten« will, muss sich fragen, welches Wetter dazu nötig wäre und wie man es »machen« kann. Aber Wetter machen, um das Klima zu retten – ist das nicht Science-Fiction? Ja. Und genau deswegen lässt sich aus so einem Ansatz auch etwas gewinnen.
Wenn ich im Folgenden einige Schlaglichter der imaginären und imaginierten Manipulation der Atmosphäre »zwischen« Wissenschaft und Fiktion bespreche, dann um zu zeigen, wie und warum diese beiden Größen notwendig aufeinander bezogen sind. Es wird nicht, wie es zum Beispiel Andreas Malm in seiner lesenswerten Streitschrift The Progress of this Storm fürchtet, darauf hinauslaufen, das Klima zu einem »reinen« Konstrukt zu erklären. Im Gegenteil, den Fiktionscharakter von Klima und Wetter anzuerkennen, heißt nicht, meteorologische und klimatologische Erkenntnisse anzuzweifeln. Im Gegenteil: »Klima« (wieder) jenseits einer statistischen Abstraktion zu verstehen, eröffnet nicht zuletzt Handlungsräume. In anderen Worten: Alternativen werden denkbar.
Eines der Klischees des Schreibens über die Atmosphäre liegt in der Feststellung, dass man Wetter, nicht aber Klima unmittelbar erleben kann. Das ist nicht nur deswegen ein Klischee, weil es so oft wiederholt wird, sondern weil es so grob vereinfacht ist, dass es bequeme Evidenz produziert: Geht man vor die Tür, spürt man Wetter; will man etwas über das Klima wissen, muss man Informationen darüber auf anderem – kompliziertem – Wege einholen. Temperatur, Niederschlag und Wind rufen direkte körperliche Reaktionen hervor. Die spontane Veränderung des Wetters ist beobachtbar und bestimmt Garderobe und Wohlbefinden. Das Klima hingegen erscheint entzogen, künstlich, unverfügbar. Es betrifft zeitliche und räumliche Größenordnungen, die die eigene Lebenszeit weit übersteigen: Eiszeiten, Warmzeiten, unvorstellbare Bedingungen längst vergangener Epochen oder entfernter Zukünfte umspannen Jahrtausende und Jahrmillionen und verändern das Klima des gesamten Planeten.
Die klischeehafte Gegenüberstellung von konkretem Wetter und abstraktem Klima produziert spontane Evidenz ebendeshalb, weil sie dort eine Unterscheidung einzieht, wo widersprüchliche Begriffe und Konzepte miteinander verwoben sind. Dabei ist sie nicht per se falsch: Wenn »Wetter« die wechselnden Zustände der Atmosphäre zu einem gegebenen Zeitpunkt an einem bestimmten Ort meint, Klima aber den Durchschnitt all dieser Phänomene über große Zeiträume hinweg und sogar global bestimmt, dann ist die Grenze der Wahrnehmbarkeit keine schlechte Orientierungsgröße. So bemerkenswert die Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns sein mag, an die Datenverarbeitungskapazität der »vast machine« (Paul Edwards) der Klimawissenschaften reicht sie bei Weitem nicht heran. Das Klima bleibt also angewiesen auf Zusammenstellung, Vermittlung, (kulturelle) Übersetzung und Erklärung. Es wäre aber ein Fehler, das ausschließlich für ein Problem der Moderne zu halten. »Klima« ist nicht erst durch moderne Technologien und Disziplinierung produziert oder »entzogen« word...