Persuasionsstrategien im vormodernen Theater (14.–16. Jh.)
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Persuasionsstrategien im vormodernen Theater (14.–16. Jh.)

Eine semiotische Analyse religiöser Spiele im deutschen und französischen Sprachraum

  1. 430 Seiten
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Persuasionsstrategien im vormodernen Theater (14.–16. Jh.)

Eine semiotische Analyse religiöser Spiele im deutschen und französischen Sprachraum

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Seit dem Spätmittelalter besaß das Theater in Europa eine solche Breitenwirkung, dass es als vormodernes Massenmedium gilt. Trotz dieses Befunds fehlen bisher Untersuchungen, die die kommunikativen Strategien der Spiele über Landes- und Sprachgrenzen hinweg systematisch analysieren. Die vorliegende Studie greift dieses Desiderat auf, indem sie zentrale Persuasionsstrategien in deutsch- und französischsprachigen religiösen Spielen (Passionsspiele, eschatologische Spiele) des 14. bis 16. Jahrhunderts ermittelt. Sie präsentiert eine innovative Methodik für komparatistische Analysen des vormodernen Theaters, die den etablierten, aber beschränkten historisch-genetischen Ansatz ergänzt und auch auf andere Kommunikationsformate anwendbar ist. Ausgehend von einem semiotischen Zugriff wird das Schauspiel als ein multimodales Zeichensystem analysiert. Davon ausgehend untersucht die Studie in transnationaler Perspektive die Konstruktion und Funktion antijüdischer und antiprotestantischer Topoi und Stereotype sowie Autorität als Legitimationsmechanismus. Die Ergebnisse erlauben eine Neuperspektivierung bisheriger einzelphilologischer Studien und weisen einen Weg für künftige komparatistische Analysen in der internationalen Mediävistik

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Information

1 Einleitung

Das zwanzigste und junge einundzwanzigste Jahrhundert sind durch die Entwicklung des Fernsehens und Internets von bedeutenden Veränderungen in der medialen Kommunikation geprägt, deren gesellschaftliche Auswirkungen immer wieder und im Jahr 2019 sehr akut diskutiert werden. Ein ‚Framing Manual‘, das die ARD 2017 von der Linguistin Elisabeth Wehling erstellen ließ, hat Anfang 2019 zu kontroversen Debatten um den strategischen Einsatz von Sprache und seinen intransparenten Gebrauch durch einen öffentlich-rechtlichen Sender geführt. Die Bild-Zeitung nannte das interne Dokument ein ‚Geheimpapier‘, mit dessen Hilfe „die ARD uns umerziehen“ wolle.1 Das allgemeine Interesse an den Prinzipien integrer Pressearbeit und die Angst vor illegitimer Manipulation erklärt sich aus der großen Bedeutung, die den öffentlichen Medien als der ‚vierten Gewalt‘ in demokratischen Gesellschaften zugesprochen wird. Im Jahr 2010 formulierte Jürgen Habermas in einem Essay, den die Süddeutsche Zeitung publizierte:
Die Öffentlichkeit leistet zur demokratischen Legitimation des staatlichen Handelns ihren Beitrag, indem sie politisch entscheidungsrelevante Gegenstände auswählt, zu Problemstellungen verarbeitet und zusammen mit mehr oder weniger informierten und begründeten Stellungnahmen zu konkurrierenden öffentlichen Meinungen bündelt. Auf diese Weise entfaltet die öffentliche Kommunikation für die Meinungs- und Willensbildung der Bürger eine stimulierende und zugleich orientierende Kraft, während sie das politische System gleichzeitig zu Transparenz und Anpassung nötigt.2
Wenn die medial vermittelte Öffentlichkeit ein konstitutives Element jeder funktionierenden Demokratie darstellt, ist der Einfluss von Medien auf das Denken und Handeln aller darin lebenden Menschen und letztlich auch auf politische Entscheidungsprozesse kaum zu unterschätzen. Es verwundert folglich nicht, dass in journalistischen und wissenschaftlichen Diskursen des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts unter Labels wie ‚politische Semantik‘, ‚Propaganda‘, ‚public relations‘ und ‚politisches framing‘ intensiv über die Einflussnahme von Massenmedien nachgedacht, geforscht und gestritten wurde.3 Um heutige Formen des öffentlichen persuasiven Sprechens und in erweiterter Perspektive auch des persuasiven Gebrauchs weiterer Zeichenformen (z. B. Bilder) zu verstehen und kulturell einordnen zu können, erscheint eine Historisierung sinnvoll, denn nicht zuletzt „basiert der manipulative Umgang mit Wahrheit und Lüge, Authentizität und Täuschung, Veröffentlichung von Geheimhaltung zumindest teilweise auf Techniken, die bereits vor der digitalen Medienrevolution genutzt wurden.“4
Eine Kommunikationsform, die im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit äußerst populär war und eine vergleichsweise beeindruckende Rezeption erfuhr, ist das Theater. Nicht grundlos werden die ‚Spiele‘ in der Forschung häufig als vormoderne Massenmedien bezeichnet.5 Eingebunden in das Kirchenjahr organisierte man in vielen Städten und Gemeinden ganz Europas ein breites Spektrum von didaktisch-erbaulichen bis hin zu komisch-obszönen Darbietungen, die bisweilen auch unverhohlen politisch-religiöse Propaganda betrieben.6 Aufgrund seiner großen Breitenwirkung ist das Theater ein geeigneter Gegenstand, um persuasive Strategien in einem historischen Medium zu untersuchen.
Zugleich steckt in der Übertragung von Vokabular und Methoden, die an modernen Quellen entwickelt und angewandt wurden, auf historische Epochen die Gefahr des Anachronismus. Die bedeutende Rolle der Massenmedien ist in modernen demokratischen Systemen an die Existenz einer Öffentlichkeit gebunden, also an einen tatsächlichen oder virtuellen Kommunikationsraum, über den allgemein zugänglich Informations- und Meinungsaustausch stattfinden kann und der den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber dem Staat eine Stimme verleiht.7 Dieses Konzept lässt sich offenkundig nicht ohne Weiteres auf das Mittelalter und die beginnende Frühe Neuzeit übertragen, deren Gesellschaften weder demokratisch noch nationalstaatlich organisiert waren.8 In seiner einflussreichen Schrift Strukturwandel der Öffentlichkeit hat Habermas das Konzept der Öffentlichkeit zu einem Unterscheidungskriterium zwischen Moderne und Vormoderne erklärt, indem er die moderne, bürgerliche Öffentlichkeit von einer vormodernen, repräsentativen abgrenzte. ‚Repräsentative Öffentlichkeit‘ im Sinne Habermas’ ist kein sozialer Bereich, innerhalb dessen politische Kommunikation erfolgt, sondern ein Statusmerkmal weltlicher und geistlicher Herrschaft, die über Attribute der Person einem Publikum vorgeführt wird.9 Wenn in Mittelalter und Früher Neuzeit keine politische Öffentlichkeit existierte und jene die Voraussetzung massenwirksamer Kommunikation ist, erscheint es folgerichtig, eine solche Form der Kommunikation für vormoderne Gesellschaften auszuschließen.
Dennoch hat die mediävistische und frühneuzeitliche Forschung das analytische Vokabular, welches zunächst auf die Massenmedien des neunzehnten bis einundzwanzigsten Jahrhunderts angewandt wurde, verstärkt aufgegriffen.10 Ermöglicht haben dies kontroverse Debatten, die in der Geschichts- und Literaturwissenschaft bis heute um die Existenz von Öffentlichkeit vor Beginn der Moderne geführt werden.11 Sie haben nicht nur die Unschärfe des Öffentlichkeits-Begriffs und den unterkomplexen Schematismus des Habermas’schen Dualismus konstatiert, sondern im Rahmen begriff‌licher Differenzierungen auch verschiedene Modi öffentlicher Kommunikation beschrieben, die neben oder an die Stelle der repräsentativen Öffentlichkeit treten. In diesem Zuge wurden differenzierte Öffentlichkeits-Konzepte anhand zeitlicher und räumlicher Kriterien -- wie das der ‚okkasionellen‘12 Öffentlichkeit oder lokal begrenzter ‚Teilöffentlichkeiten‘13 -- gebildet. Die Identifikation lokaler Öffentlichkeiten trägt der im Mittelalter vorrangigen Kommunikation unter Anwesenden Rechnung. Die bisherige mediävistische Forschung hat neben höfischen besonders städtische Formen von Öffentlichkeit in den Blick genommen.14 Es liegen zahlreiche Arbeiten vor, die sich mit den mündlichen und schriftlichen Formen städtischer Kommunikation beschäftigen.15 Theatrale Aktivitäten sind allerdings bisher in geringerem Ausmaß als Kommunikationsmedien einer städtischen Öffentlichkeit auf persuasive Strategien hin analysiert worden.16 Mit Beginn der Neuzeit rücken neben lokalen Öffentlichkeiten die Distanzmedien, die der Buchdruck hervorbrachte, in den Blick, welche die Erschließung bis dahin ungekannter Dimensionen von Öffentlichkeit ermöglichten.17
Ausgehend von dem hier nur kurz umrissenen Forschungsstand, kann für das Spätmittelalter und den Beginn der Frühen Neuzeit, die den Untersuchungszeitraum dieser Arbeit bilden, die Existe...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Vorwort
  5. 1 Einleitung
  6. 2 Theoretisch-methodologische Grundlegung
  7. 3 Bedrohungsszenarien als instruktive Persuasionsstrategien
  8. 4 Der Autoritäts-Topos als axiomative Persuasionsstrategie
  9. 5 Stereotypisierung als evaluativ-emotive Persuasionsstrategie
  10. 6 Rück- und Ausblick
  11. 7 Verzeichnisse
  12. 8 Anhang
  13. Stichwortverzeichnis