Literarische Herrschersakralität – Erzählen von Karl dem Großen
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Literarische Herrschersakralität – Erzählen von Karl dem Großen

Rolandslied des Pfaffen Konrad – Strickers Karl der Große – Zürcher Buch vom heiligen Karl

  1. 380 Seiten
  2. German
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Literarische Herrschersakralität – Erzählen von Karl dem Großen

Rolandslied des Pfaffen Konrad – Strickers Karl der Große – Zürcher Buch vom heiligen Karl

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Über dieses Buch

Die Studie knüpft an Forschungen zur Hagiographisierung in den oberdeutschen Chanson de geste -Bearbeitungen an. Sie erschließt die literarische Traditionsreihe – Rolandslied des Pfaffen Konrad (1170/1185), Strickers Karl der Große (zw. 1215/1220 u. 1233), Zürcher Buch vom heiligen Karl (1475) – unter dem Leitbegriff 'Herrschersakralität' in einem close reading noch einmal neu. Dieser von Max Webers Herrschaftstypologie ausgehende Zugriff erlaubt es, soziale, politische und religiöse Anforderungen von Herrschaft zu analysieren. Es zeigt sich, dass die Bewährung eines Amtscharismas auch über persönliche Heiligung funktioniert, jedoch heilige Lebensführung der Herrschaft auch entgegenstehen kann. Höhepunkt dieser spannungsvollen Relationierung ist Karls blutige Herzenspassion als Kern seiner charismatischen Bewährung. Ein strukturalistisches Instrumentarium identifiziert im diachron vergleichenden Blick auf das Corpus eine Transformation des Erzählens im Paradigma zur Syntagmatisierung des Erzählens vom Leben des heiligen Herrschers. Über diese Perspektiven gewinnen die Texte als Modellierungen eines historischen Karlsdiskurses ihr je eigenes Profil – besonders das bisher kaum erforschte Buch vom heiligen Karl wird so erschlossen.

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Information

Jahr
2022
ISBN
9783110768572
Auflage
1

III Literarische Herrschersakralität: Perspektiven auf das Erzählen von Karl dem Großen

1 Textanfänge: Erzählen von Karl als Heilsvermittlung

Das vorliegende Kapitel nimmt die Prologe als rezeptionssteuernde Texteröffnungen der zur Rede stehenden Bearbeitungen des Karlsstoffs in den Blick. Da die Chanson de Roland sowie das Buch vom heiligen Karl keine Prologe aufweisen und beide Erzählungen, besonders die altfranzösische, in medias res einsetzen, konzentriert sich die Untersuchung auf die Prologe des Rolandslieds des Pfaffen Konrad und des Strickerschen Karl.1 Die Betrachtung dieser metapoetischen und programmatischen Textelemente ist dabei zweifach begründet: Zum einen soll das Konzept einer Herrschersakralität fokussiert werden. Gibt der Prolog Hinweise darauf, dass sie in der Erzählung thematisch wird? Wird Karl der Große bereits im Prolog in spezifischer Weise herrscherlich, sakral oder gar heilig inszeniert? Zum anderen soll untersucht werden, wie das Erzählen von Karl motiviert wird: Werden Gründe für den Erzähl- bzw. Schreibanlass angeführt (causa scribendi), die mit Karls herrscherlichem Status verbunden sind? Werden eine mit dem Erzählanlass in Verbindung stehende Auswahl des Stoffs sowie Inhalt und Form der Narration expliziert und in ihrer Bedeutung für einen Rezipientenkreis reflektiert? Die Prologe eröffnen unter Zusammenführung beider Fragekomplexe Analyseperspektiven im Hinblick auf die jeweilige Narration und einen Bezugspunkt für die dort entfalteten Herrschafts- und Sakralitätsentwürfe.

1.1 wie er daz gotes rîche gewan: Heils- und Herrschaftsmethodik im Prolog des Rolandslieds

Im deutschsprachigen Raum fehlt ein Karlszyklus und damit ein Kontext für das Rolandslied, das der Pfaffe Konrad entsprechend vorstellen muss, um Verständnis zu sichern und literarische Kommunikation gelingen zu lassen.2 Die Herausforderung besteht darin, den Stoff der Chanson de Roland für ein deutschsprachiges Publikum zu motivieren und den nach „epischem Formelstil“ arrangierten Prätext formal wie inhaltlich zu transponieren sowie (legitimierende) Anknüpfungspunkte in der deutschen Literaturlandschaft zu suchen.3 Der gewichtige erste Vers, der Teil einer Inspirationsbitte (invocatio) ist, setzt mit der rubrizierten Initiale S des angerufenen Schephære aller dinge (RL 1) ein:4
Schephære aller dinge,
keiser aller küninge,
wol du oberester êwart,
lêre mich selbe dîniu wort.
(RL 1–4)
Die Einführung des Schöpfers der Welt als erstes Lexem gibt Hinweise auf Bedeutung und Anspruch der Dichtung. Es geht darum, dass der Verfasser, Konrad, mit Hilfe des ‚heiligen Zeugnisses‘‚ der heilege[n] urkunde (RL 6),5 die wârheit scrîbe / von eineme tiurlîchem man, / wie er daz gotes rîche gewan (RL 8–10).6 In Verbindung mit der Anrufung des Schöpfers wird stofflich das Terrain der Erzählung eines Heiligenlebens, einer Legende, aufgerufen, die den Weg eines Gottesmannes zum ewigen Leben zu beschreiben verspricht.7 Mit dem Anspruch, die ‚Wahrheit‘ zu schreiben, wird nach Ott-Meimberg die „Wahrheit der Heilsgeschichte“8 bezeichnet: „‚Wahr‘ ist alles, was sich in heilsgeschichtliche Zusammenhänge einordnen und hier deuten läßt.“9 Über dieses „Wahrheitsverständnis“ knüpfe der Text an das Annolied und die Kaiserchronik an, die ebenfalls einen Wahrheit-Lüge-Diskurs in ihren Prologen behandeln.10 Da die Kaiserchronik die Karlsgeschichte „mit heilsgeschichtlichem Sinn aufgefüllt“ bietet, beansprucht das Rolandslied durch den Rückbezug auf die Kaiserchronik analog „für alle Beteiligten (Autor, Auftraggeber, Publikum) Heilsgewinn in der Teilhabe an der suoze der Geschichte“.11 Dadurch wird die Rezeption des Textes heilsrelevant und attraktiv gemacht. Zugleich könnte mit dem vorliegenden ‚Legendenprolog‘ eine Gattungsverschiebung von der heldenepischen Chanson de Roland hin zum Rolandslied als Legende indiziert werden.12
Im Rolandslied folgt dann die Explizierung des tiurlîche[n] man (RL 9): daz ist Karl, der keiser (RL 11). Von ihm heißt es weiter:
vor gote ist er,
want er mit gote überwant
vil manige heideniske lant,
dâ er die cristen hât mit gêret,
alse uns daz buoch lêret.
(RL 12–16)
Damit ist nun klar, dass es sich um eine Erzählung über Kaiser Karl den Großen handelt, der deshalb bei Gott ist, weil er im Namen Gottes bzw. mit Gott im Bunde den Christen zur Ehre ‚Heidenländer‘ unterworfen hat. Der Fokus liegt damit auf einer Heilsmethodik, die es Karl ermöglichte, in das Reich Gottes aufgenommen zu werden. Diese Methodik meint spezifische Handlungen im Diesseits, die als Arbeit am Seelenheil eine erfolgreiche Aufnahme ins Jenseits, ins Himmelreich, garantieren. Diese Praxis weist strukturell eine Triangulierung von Gott, Karl und christlichem Kollektiv auf: Karls Handlungen sind gottgewollt und zugleich Gottesdienst, wobei sie sich in heilsindividueller Dimension auf sein Seelenheil beziehen. Zudem ist die Mission Dienst an der Christenheit, deren Ausbreitung und Geltung befördert werden – damit sind Karls Handlungen auf ein Kollektiv bezogen und weisen neben einer heilsindividuellen auch eine heilskollektive Wirkung auf.13 Der Herrscher handelt also von Gottes Gnaden zum Nutzen der Christenheit. Dass Heidenmission als Gottesdienst mit dem Einzug in das Reich Gottes belohnt wird, formulieren hier die ersten Verse programmatisch als jene Logik, die alle christlichen Märtyrer im Rolandslied betrifft und ihr Streben motiviert. Nachdem Karl zu Lebzeiten Gott auf seiner Seite hatte, als er Heidenländer eroberte, erscheint das aktuelle – im Präsens formulierte – himmlische Nahverhältnis Karls zu Gott (vor gote ist er; RL 12) als Perpetuierung dieser bereits auf Erden eingegangenen Verbindung mit gote (RL 13). Karl offenbart sich somit als eine bereits zu Lebzeiten der Sphäre des Heiligen verbundene und damit sakrale Herrscherfigur. Karls Gottesnähe zu inszenieren, ist ein wichtiges Anliegen des Prologs, das die Häufung des Lexems ‚Gott‘ sowie Periphrasen seiner Bezeichnung augen- und ‚ohrenfällig‘ macht. Die Omnipräsenz Gottes im Prologauftakt hüllt Karl göttlich ein und garantiert eine wahrheitsgemäße Erzählung des Pfaffen Konrad.14 Herrscher- und Textsakralisierung korrelieren hier: Denn neben der invocatio des Schöpfergottes wird der Schreibprozess mit der Bitte um Gottes heilege urkunde (RL 6) legitimiert. Die göttliche Inspiration wird zusätzlich zur schriftlichen Aufzeichnung (daz buoch; RL 16) der Taten Karls herangezogen, wodurch der Adaptationsprozess stabilisiert und geistlich von höchster Instanz autorisiert wird.15
Mit dem zweiten Abschnitt werden nun neue thematische Fäden eingeschossen sowie bestehende aufgenommen und weitergeknüpft. Setzte der erste Abschnitt mit dem Schephære ein, so beginnt der zweite, eine Sinneinheit bildende Abschnitt in der Handschrift P mit der rubrizierten Initiale K von Karl (RL 17). In einem hierarchisch-kosmologischen Verhältnis nimmt Karl den zweiten Rang nach dem Schöpfer ein,16 was somit auch über das Textbild nahegelegt wird – der Herrscher figuriert als vicarius Dei, als Stellvertreter Gottes. Damit wird das Thema einer sakralen Herrschaft Karls profiliert: Der Prolog nimmt deskriptiv – und das Textbild illustriert dies – eine Scheidung der Welt in einen Höchsten (Gott) und einen Geringeren (Kaiser Karl) vor, der auf diese Weise als Höchster in der Immanenz erscheint. Karl wird göttlicher universaler Herrschaft unmittelbar subordiniert und durch Gottesnähe ausgezeichnet. Zudem wird seine Herkunft in genealogischer Abbreviatur behandelt: Karl der was Pipines sun (RL 17). Diese irdische Verwandtschaftsbeziehung tritt jedoch hinter der heilsgeschichtlichen Bedeutung des Kaisers deutlich zurück: „Erwartet der Rezipient auf Grund dieser genealogischen Eingangsbemerkung weitere Informationen über die Sippe des Herrschers, so wird er enttäuscht.“17 Karl wird gerade nicht über eine genealogische Linie geadelt – wie es für die Begründung traditionaler Herrschaft kennzeichnend wäre –, sondern erhält eine charismatische, sich aus göttlicher Begnadung speisende Herrschafts- und Heilsaufgabe. So gründet sein Ruhm in der oben bereits angeführten heilsmethodischen Praxis der Bekämpfung und Missionierung der grimmigen heiden (RL 20). Als ‚Werkzeug‘ Gottes (instrumentum Dei) trägt er daz wâre liecht (RL 21) in die Welt und bringt Selbsterkenntnis zu den Heiden, denn sîne wessen ê nicht, / wer ir schephære was (RL 22 f.).18
Karls Leben verläuft von Kindheit über Jugend bis ins Alter in linearem Aufstieg auf Tugend zu:19
ie baz unt baz
steic der hêrre ze tugente
von kintheit ze jugente,
von der jugent in daz alter.
(RL 24–27)
Als vita perfecta mündet Karls Weg im himmlischen Reich Gottes, wo er sich nun iemer êwichlîche (RL 30) befindet. Das irdische Leben ist in dieser Hinsicht eine rasch durchmessene Phase und die Herrscherbiographie nimmt sich so als Stufenweg zum Heil aus. Es steht in Frage, inwiefern Karl im Prolog als Heiliger anzusprechen ist. Ohly erkennt in Karl als „Bekenner und Bekehrer“ zwar den „Titelhelden“, nicht jedoch den „Titelheiligen“.20 Dagegen begreift Ott-Meimberg Ka...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. I Einleitung
  5. II Theoretische und methodische Grundlagen
  6. III Literarische Herrschersakralität: Perspektiven auf das Erzählen von Karl dem Großen
  7. IV Zusammenfassung