Das Geld in der Geschichte
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Das Geld in der Geschichte

  1. 110 Seiten
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Das Geld in der Geschichte

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Über dieses Buch

Die Tempel Griechenlands, die Kathedralen des Mittelalters, die Sixtinische Kapelle - ohne Geld hätten diese Kunstwerke nicht entstehen können. Erst mit dem Zirkulieren von Geld und einer hoch entwickelten Arbeitsteilung entstanden kulturelle und wirtschaftliche Blütezeiten. Einleuchtend und umfassend erzählt der Autor im vorliegenden Werk, was Geld im Laufe der Zeit alles bewirkt hat - von der Antike über das Mittelalter (mit Schwerpunkt auf der Gotik) bis zur Neuzeit. Wer dieses Buch liest, gewinnt das eine oder andere Aha-Erlebnis.

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Information

Jahr
2015
ISBN
9783037600382
DIE DEUTSCHE HANSE
Es versteht sich von selbst, dass sowohl der Reichtum der Städte als auch der Glanz solcher Kulturwerke, wie sie in diesen drei Jahrhunderten aus der Erde wuchsen, nicht allein aus dem engen Raum nachbarlicher Zusammenarbeit innerhalb der Stadt oder auch aus gegenseitiger Förderung zwischen Stadt und Land entstehen konnten. Es gehört noch mehr dazu. Wohl kann Arbeitsteilung und Leistungsaustausch im verhältnismäßig kleinen Raum beginnen; aber um den vollen Segen der größten Ergiebigkeit der Arbeit und der reichen Mannigfaltigkeit der Erzeugung auszuschütten, bedurfte es auch einer in die Ferne reichenden Handelsverzweigung.
Und jetzt ist wieder etwas Besonderes bemerkenswert, das gleichfalls in den Bereich unserer Betrachtungen und in den Zeitabschnitt dieser reichen Jahrhunderte fällt: die Entwicklung der deutschen Hanse.
Der Fernhandel ist auch von anderen Völkern früherer Kulturen schon gepflegt worden. Die Landeserzeugnisse fernab gelegener Gebiete gehörten bereits in den großen Städten des klassischen Altertums zu jenen Dingen, die ein verfeinerter Lebensstil für unentbehrlich hielt. Trotzdem gibt es in der Wirtschaftsgeschichte wenig Vergleiche, die der Blütezeit des mittelalterlichen Welthandels, dem machtvollen Wirken der deutschen Hanse, gegenübergestellt werden könnten.
Eine Reihe glücklicher Umstände haben zusammengewirkt. Handel, Handwerk und Gewerbe, überall in rühriger Geschäftigkeit, bilden die Grundlage wachsenden Wohlstandes. Ohne Unterbrechung räumt die Nachfrage, die in Gestalt der rastlos zirkulierenden geprägten Silberplättchen auftritt, den Markt. Es gibt keine Stockung des Absatzes wie zuweilen in unserer modernen Wirtschaft; es gibt auch keine Hemmung der weiteren Produktion und Zufuhr. Die Erzeugnisse werden kunstvoller und gediegener, die Käufer anspruchsvoller. Man begehrt das Besondere, das Seltene, das Produkt fremder Landstriche und verfeinerter Herstellung. So ziehen denn die Kaufleute mit Ross und Wagen und bewaffneten Knechten in die Welt hinaus, nehmen heimische Erzeugnisse mit und je weiter sie vordringen, desto kostbarer wird ihre Ware am Ort des Absatzes; und was sie dort einhandeln und nach langer und beschwerlicher Reise zurückbringen, das hat in der Heimatstadt jenen höheren Marktwert, der sich in klingenden Gewinn umsetzen läßt.
So bildeten sich im Laufe der Jahrhunderte die Straßen des erstarkenden Handels, über Gebirgspässe hinweg, die Flusstäler entlang, wie ein von starkem Leben durchpulstes Aderwerk, das von der vitalen Kraft des ganzen Raumes der mitteleuropäischen Wirtschaftsverfassung Kunde gab und bis an die Peripherie der damals bekannten Kulturwelt reichte.
Da war über die Alpenpässe hinweg die Handelsstraße von Norditalien, Genua, Venedig, Florenz zum Rheintal diesseits der Alpen, den Rhein entlang bis zu seiner Mündung und damit zum Anschluss an die Seefahrtswege nach England. Über diese Handelsstraße brachten die Kaufleute viel Gewürz und Spezereien, Duftstoffe, Heilmittel aus dem Orient auf die Märkte von Frankfurt, Köln, Brügge, Antwerpen, ebenso auch Rohstoffe, Baumwolle, Alaun, das lange Zeit nur von den Türken zu bekommen war und zur Gerberei und Färberei gebraucht wurde, Seide und kunstvolle Brokatstoffe aus Alexandrien und Byzanz. Den entgegengesetzten Weg machten die Webereierzeugnisse aus Flandern, das Pelzwerk aus dem hohen Norden. Pelze galten schon frühzeitig als vornehmste Bekleidung, als Zeichen von Würde, Pracht und Reichtum und wurden stets mit hohem Gewinn abgesetzt. Doch die Kaufleute, die sich mit der Beschaffung dieser begehrten Artikel befassten, hatten auch viele Mühen zu tragen.
Wie am Rhein, so bildete sich auch an der Donau, an Elbe, Oder und Weichsel und an der Küste des Nordmeeres und der Ostsee das Geäder der Handelswege. Und die Schnittpunkte, an denen sich solche Handelsstraßen überquerten, entwickelten ein Leben, wie wir es uns kaum mehr vorstellen können. Nicht von ungefähr wurde Wien die blühende Handelsstadt im Südosten, an der großen Völkerstraße der Donau gelegen, die durch Ungarn bis zum Schwarzen Meer reichte und die Handelsbeziehungen über die Grenzen des christlichen Abendlandes hinausführte. In nord-südlicher Richtung aber ging die Handelsstraße gleichfalls über Wien hinweg und verband die Städte an der Oder und an der Weichsel mit den Pässen über die Alpen bis zur Adria.
In gleicher Weise war Frankfurt der große Markt der mittelalterlichen Weltwirtschaft im Westen; hier trafen sich die Kaufleute mit ihren Handelszügen aus Italien, aus Frankreich, aus Flandern, aus dem Norden und aus dem Osten. Für Nürnberg kam der Reichtum jahrhundertelang durch seine nach allen Richtungen offenen Stadttore. Durchs Frauentor kamen von Regensburg her die Kaufmannszüge mit den Erzeugnissen der fernen Türkei, der Donauländer in die Stadt; durchs Laufer Tor von Breslau her, aus Prag und Krakau; nach der Alpenstraße und nach Italien öffnete sich das Spitteler Tor, das auch von Augsburg her die Kaufmannsware aus dem Westen, von Frankreich und Spanien, hereinließ; den Weg nach Mitteldeutschland, nach Erfurt, Magdeburg und weiter nach dem Norden bis nach Dänemark und Schweden schlugen die Wagenzüge ein, die an der Burg vorbei durchs Tiergärtner Tor Nürnberg verließen.
An solchen Schnittpunkten der Handelsstraßen zu liegen, war Geldes wert. Dennoch wäre es falsch, völlig außer Acht zu lassen, welcher Fleiß und Aufwand, welche Klugheit und kraftvolle Rührigkeit erforderlich gewesen sein dürfte, einen Platz mit so viel Leben und Anziehungskraft zu erfüllen, dass er zu einem großen Sammelpunkt, zu einem weltoffenen, über die lokale Bedeutung hinausreichenden Markt und Umschlagplatz werden konnte. Diejenigen Städte, die das zustande brachten, verdanken in der Tat ihren Glanz und ihre Größe nicht dem manchmal überschätzten Umstand, Wohnsitz des Bischofs oder des Fürsten zu sein, sondern sie verdanken dies der kühnen Regsamkeit ihrer Kaufherren und dem Fleiße ihrer Handwerker und Künstler. Neben den vielen materiellen Gütern, die auf hochbepackten Lastwagen und von starken Gespannen gezogen aus der Ferne anrollten, haben die fahrenden Kaufleute auch ideelle Werte, Erfahrungen, Beobachtungen aus anderen Ländern mit nach Hause gebracht und die selbstbewusste Entschlossenheit zu gemeinsamem zielbewussten Handeln.
Um aber noch ein wenig bei den wirtschaftlichen Verhältnissen zu verweilen und jene Zeit aus der Perspektive des 20. Jahrhunderts zu betrachten: Wenn Handwerk und Gewerbe solcher Art für einen Absatz arbeiten konnten, den die Kaufherren nach fremden Märkten verfrachteten, dann war dies doch nach heutigen Begriffen eine Erzeugung für den »Export«, während die Zufuhr fremder Waren nach dem heimischen Markt den »Import« darstellte. Diese Begriffe mit ihrer heute nur zu oft auftretenden Problematik kannte die mittelalterliche Weltwirtschaft indessen noch nicht. Auch die Mannigfaltigkeit in der Münzprägung war dem Handel jener Zeit keinesfalls in besonderem Maße hinderlich, obwohl der Geltungsbereich einer Münze oft sehr begrenzt war. Vielleicht liegt die Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit der mittelalterlichen Weltwirtschaft zu einem wesentlichen Teil gerade darin begründet, dass noch keine reglementierende Politik in die Handelsbeziehungen der Kaufleute eingriff. Gewiss lag hierzu auch keine Veranlassung vor, solange die Geldwirtschaft in dem Sinne in Ordnung war, mit ihrem ungestörten Kreislauf die Erzeugung vom Markte zu nehmen. So nahm auch der Kaufmann, der den Fernhandel pflegte, die heimischen Produkte vom Markt, bezahlte sie mit dem hier gültigen Geld und lieferte für das gleiche Geld die Erzeugnisse, die seine Wagenzüge aus der Fremde brachten. Nach denselben Grundsätzen ließ sich die heimische Ware auf dem fremden Markt absetzen, wodurch das Geld erworben wurde, die Erzeugnisse zu bezahlen, die die Rückfracht nach der Heimat darstellten. Die Probleme der »Devisenbewirtschaftung« und -beschaffung für die Bezahlung der Exporte lösten sich lächerlich einfach und die merkantilistischen Überlegungen von der »Schädlichkeit« des Importes und von der »Notwendigkeit« des Exportes, die den reglementierenden Staat auf den Plan riefen, schlummerten um diese Zeit noch im Schoße der Zukunft. Vielleicht wäre es besser gewesen, die törichten und widerspruchsvollen Theorien wären nie zur Wirkung und Anwendung gekommen.
Die Wirtschaft dieser Jahrhunderte des späten Mittelalters war ein großes Ganzes, und wenn auch die Entfernungen für damalige Verkehrsverhältnisse weitaus größer waren, als sie es heute sind, so wusste sich dieses Geschlecht wagemutiger Kaufleute, das die Welt nach allen Himmelsrichtungen durchzog, doch besser zu helfen, als wir es heute mit allen Errungenschaften des modernen Verkehrs und Nachrichtenwesens vermögen.
Wo organisierte Zusammenarbeit notwendig war, kam sie nicht durch obrigkeitliche Gesetzgeberei zustande, sondern durch die Initiative der in eigener Sache mit freier Selbständigkeit handelnden Kaufleute. Da war als Dringlichstes die Notwendigkeit des Schutzes auf der Landstraße, auf den Flüssen und auf der See. Noch war es nicht ungefährlich, kostbare Waren über weite Wege zu den Städten zu bringen. An den befahrensten Handelsstraßen und Flüssen hat mancher reisende Kaufmann seine Fracht mit Wagen und Rossen an den Ritter verloren, der von seiner Raubburg herab den Weg überwachte. Mit allmählich um sich greifender Gesittung wurde dann späterhin ein Zolltribut daraus und schließlich ein durch Reichsrecht sanktionierter Wege- und Brückenzoll, der für die Instandhaltung der Verkehrswege und als Entgelt für die Verkehrssicherheit bezahlt werden musste. Aber bis dahin dauerte es noch eine ganze Weile; und die Kaufmannschaft war auf ihre eigene Stärke auf gegenseitigen Beistand in Rat und Tat und auch auf die Unterstützung der Bürgerschaft der Städte angewiesen. Von diesen Zuständen aus entwickelte sich die »Schar in der Fremde«, die Gilde der Kaufleute, zur »Deutschen Hanse«, zu jener achtunggebietenden Organisation, von deren Ruhm und Größe ihre alten Städte heute noch träumen.
Da Einkauf und Verkauf gänzlich verschiedene Aufgaben darstellten und die weiten, zeitraubenden Reisen die sorgfältige Wahrnehmung beider Aufgaben kaum erlaubten, haben die Kaufleute der Hanse früh schon begonnen, Niederlassungen in der Ferne zu gründen, ihre Handelskontore und Faktoreien; in London den Stalhof an der Themse, in Flandern das Kontor in Brügge, in Norwegen befand sich das nördlichste Hansekontor in Bergen, und im Osten war die letzte Niederlassung der Hanse bis nach Nowgorod vorgeschoben, nahe dem Ilmensee, durch den Handel mit Russland lohnend genug.
Zwischen all diesen Orten, den speziellen Produktionsstätten oder Stapelplätzen, und den großen Märkten der fernen Städte waren ständig die Wagenzüge und zur See die Schiffe der hansischen Kauffahrer unterwegs; und von allen Gewerbezweigen war der Handel als methodisch und weiträumig organisierter Güteraustausch entscheidend für alle Gewerbetätigkeit, der vornehmste und anspruchsvollste, der Kühnheit, Wagemut und Klugheit zugleich erforderte. Nicht umsonst berief die Heimatstadt ihre Kaufherren in der Regel auch in den Rat des Gemeinwesens. Der Handel brachte nicht nur Reichtum für den Kaufmann, sondern er brachte auch die Aufträge für das heimische Gewerbe. Kaufleute waren es auch, die als Woll-Importeure die Weberei in den Städten ihrer Heimat begründeten und zum Blühen brachten und mancherlei andere Förderung des Handwerks vermittelten.
Welch großartige Befruchtung der Wirtschaft ging doch allein von der Entwicklung des Fischhandels aus, den die Hanse unter der Führung Lübecks im 13. Jahrhundert in die Hand nahm; Saxo Grammaticus, der Vater der dänischen Geschichte, erzählte von der Ostsee-Meerenge zwischen Seeland und Schonen, dass dort alljährlich reiche Fischzüge zu beobachten seien: »Der ganze Meeresraum füllt sich gewöhnlich so mit Fischen, dass manchmal die Schiffe feststehen und kaum mit angestrengten Rudern herauszubringen sind und die Beute nicht mehr mit der künstlichen Vorrichtung gefangen, sondern ohne weiteres mit der Hand gegriffen wird« (siehe E. Hering: »Die deutsche Hanse«, S. 61).
Der Reichtum dieser Fischgründe war aber bis zum Auftreten der hansischen Kaufleute, die jetzt erst einen Markt, und zwar einen riesenhaften Markt, für Jahrhunderte eröffneten, in den Händen der Dänen wertlos. Jetzt jedoch entstanden – nach einem ersten Vertrag der Dänen mit Lübeck im Jahre 1225 – die Niederlassungen der hansischen Fischhändler auf Schonen und eine von kluger und straffer Organisation zeugende Entwicklung ließ bald ein anderes Bild entstehen.
Da kamen die Koggen der Hanse mit Lübecker Salz, das in riesigen Mengen gebraucht wurde; aus den Städten Pommerns wurden Hunderttausende hölzerner Tonnen geliefert, alle von gleichem Maß nach der mustergültigen Rostocker Tonne. Zugleich wurden freilich auch andere Waren, Tuch aus Flandern, niederdeutsche Leinewand, fertige Kleider, Pelzwerk, Seidenstoffe, Gewürze und orientalische Spezereien, Lebensmittel und Getränke, insbesondere Wein und Bier, und mancherlei sonstige Kostbarkeiten, Brokate, Gold- und Silberwaren, Schmuck und Hausrat nach dem Markt geliefert, auf dem sich während der Heringsfangzeit die ganze Ostseeküste ein jährliches Stelldichein gab. Man arbeitete wohl, um zu leben; aber man vergaß auch nicht, sich des Lebens zu freuen.
Die Bearbeitung, das Sortieren, Salzen und Einlegen der Heringe war sorgfältig organisiert. Nur die von »Wraker« geprüfte, verschlossene und gesiegelte Tonne konnte als »gut schonensche« den Weg in die weite Welt antreten. So gingen die vollbeladenen Schiffe zurück in die Heimatstädte, der Hering schwamm flussaufwärts und rollte per Achse bis weit in den Süden, über die Alpen nach Frankreich, nach Italien, nach Polen und nach Russland; auch nach England, der meerumspülten Insel, lieferten die Kaufherren der Hanse den schonenschen Hering.
Noch größere Bedeutung als Schonen bekam weiter oben im Nordosten des baltischen Meeres das von der Hanse gegründete Wisby auf Gotland, von dem auch die Fäden des Seehandels zu den weiteren hansischen Gründungen Reval und Riga, Königsberg, Elbing und Danzig reichten, von Riga die Düna aufwärts über Livland, Litauen nach Russland führend, von Danzig an der Mündung der Weichsel zu den Hansestädten Thorn, Warschau und Krakau tief im Herzen Polens.
Hoch oben an der Küste Norwegens war das bereits erwähnte Bergen die nördlichste Niederlassung. Von dort kam der schon im Mittelalter gern gegessene Kabeljau als »Stockfisch« auf die Märkte. Dieser Fisch wurde vornehmlich in der Lofotengegend gefangen; er wurde geköpft, ausgenommen und einfach am Schwanzende mit einem anderen zusammengebunden, über Gerüsten hängend im steifen Wind des nordischen Frühjahres getrocknet. Danach ging er, in Ballen verpackt, auf die Reise. Auch der Heilbutt, von kundigen Händen zugerichtet, getrocknet, geräuchert, war eine sehr begehrte Ware. Aus dem Hinterland Bergens kamen aber auch alle denkbar möglichen Felle, Bären-, Wolf-, Fuchs-, Marder-, Biber- und Otterfelle, nach dem Handelshof der Hanse und fanden mit den Produkten der See und ihrer Küste, mit Walspeck, Robbentran, mit Seehundsfellen, Federn und Daunen der Singvögel ihren Absatz durch die hansischen Kaufleute.
Während so die Erzeugnisse des Nordens durch die kaufmännische Organisation der Hanse in die fernsten Städte geleitet wurden, brachten die in den bergischen Hafen einlaufenden Schiffe Korn und Mehl, Malz, Lübecker Bier, Lüneburger Salz und, wie Ernst Hering in seinem erwähnten Werk berichtet, »eine erstaunliche Mannigfaltigkeit allein schon in Tuchen, graue Laken aus Lüneburger Heidewolle, braune Laken aus guter weißer und schwarzer Stralsunder Wolle, weiße Laken aus guter weißer Wolle wurden aus Braunschweig und Magdeburg bezogen. Dazu kam gebleichte und ungebleichte Leinewand aus der Lüneburger Heide, aus Ülzen und Lüchow, Lübecker Schuhe waren als Ausfuhrgut sehr begehrt. Taue aus Bast und Hanf, kupferne Kessel, Kannen, Schwerter und Anker, Angelschnüre, Teer für den Bau und die Instandhaltung von Holzhäusern gehörten ebenfalls zur Fracht nach Bergen« (siehe a.a.O. S. 75).
Bei solchen Güterumsätzen versteht es sich wohl, dass die hansische Niederlassung, das Kontor von Bergen, eine gewaltige Anlage mit großer Verwaltung darstellte: 60 große Speichergebäude nahmen die Waren auf, die im mittelalterlichen Welthandel auf ihrem Weg zu den Märkten über den Stapelplatz und Versandhafen Bergen liefen.
Werfen wir noch einen Blick nach dem Westen und nach dem Süden, nach Flandern und nach England. Es wäre verwunderlich, wenn wir nicht überall das gleiche Bild von emsiger Geschäftigkeit, von beträchtlichen Güterumschlägen und machtvoll wachsendem Reichtum erblicken würden. Seit die Kaufleute der Hanse 1367 in Köln mit der denkwürdigen »Kölner Konföderation« ein Städtebündnis gegen die gekrönten Herren von Dänemark und Norwegen geschlossen hatten, war das Bürgertum, das in seinen vornehmsten und aktivsten Vertretern, seinen welterfahrenen und weitschauenden Kaufleuten vor die Rampe der mittelalterlichen Weltpolitik getreten war, als geschichtsbildende Kraft nicht mehr hinwegzudenken.
Rund 170 Städte schlossen sich dem Bund der Hanse an. In ihnen war der Geist der neuen, gestaltenden Kräfte, des gewerbetreibenden Bürgers, des fleißigen Handwerkers und welterfahrenen Kaufherrn maßgebend und führend. Der Feudalismus, Adel und Grundherren, haben kaum noch einen bescheidenen Bruchteil von dem aufzuweisen, was der Bürger für den allgemeinen Wohlstand zustande bringt.
Der hansische Handel legt Regeln fest für den Umschlag bestimmter Waren; und die Städte, die die anerkannten Stapelplätze hansischen Kaufmannsgutes wurden, lebten Generationen lang von den Besonderheiten ihres Marktes. Hier wurde Korn und Getreide aus dem Hinterland gestapelt und verschifft, dort Fische, Pelzwerk, Bernstein und Zinn.
Ein althansischer Spruch zählt knapp und bündig auf: Lübeck ein Kaufhaus, Köln ein Weinhaus, Braunschweig ein Honighaus, Danzig ein Kornhaus, Magdeburg ein Backhaus, Rostock ein Malzhaus, Lüneburg ein Salzhaus, Stettin ein Fischhaus, Halberstadt ein Frauenhaus – was natürlich nicht besagen will, dass die Frauen hier als Stapelware gehandelt worden seien –, Reval ein Flachs- und Wachshaus, Krakau ein Kupferhaus, Wisby ein Pech- und Teerhaus.
Es lag klar zutage, wie sehr die allgemeine Wohlfahrt in Stadt und Land durch den Fernhandel der Kaufmannschaft gefördert wurde, und so wussten die Städte auch die Verpflichtungen zu würdigen, die aus der Teilnahme am Segen des Handels hervorgingen, wie sie in der erwähnten Kölner Konföderation beschlossen worden waren: »Um mancherlei Unrecht und Schaden, den die Könige dem gemeinen Kaufmann tun und angetan haben«, heißt es da, »wollen die Städte ihre Feinde werden und eine der andern treulich helfen … Welche Stadt von der wendischen Seite von Preußen, von Livland und von der deutschen Hanse im Allgemeinen, von der Südersee, von Holland und von Seeland nicht dazu tun will, deren Bürger und Kaufleute sollen keine Gemeinschaft mehr haben mit allen Städten in diesem Bunde. Man soll ihnen nichts abkaufen noch verkaufen. In keinen Hafen sollen sie ein- oder ausfahren, laden oder löschen zehn Jahre lang.«
Das war gewiss ein anderer Einsatz kraftvoller Selbsthilfe als in den Anfängen, da es galt, ab und zu gegen Raubritter und Wegelagerer zusammenzustehen. Aus der kleinen »Schar in der Fremde« war ohne jede politische Zielsetzung eine Großorganisation von gleichwohl politischer Bedeutung geworden. Jetzt war die Hanse stark genug, mit dem Bund ihrer Städte den Dänenkönig Waldemar und de...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelblatt
  3. Urheberrecht
  4. Inhalt
  5. Vom Münzwesen der Griechen
  6. Zur Geldwirtschaft der Römer
  7. Die Barbaren und das Geld
  8. Wiedererwachende Geldwirtschaft
  9. Die Brakteaten
  10. Mittelalterliche Wirtschaftsblüte
  11. Unvergängliche Kulturschöpfungen
  12. Die Entwicklung der Städte
  13. Die Deutsche Hanse
  14. Die Besiedlung Ostelbiens
  15. Arbeit und Einkommen
  16. Essen und Trinken
  17. Geselligkeit und Kleiderluxus
  18. Lebensfreude und Sittlichkeit
  19. Beginnender Niedergang
  20. Das verlorene Maß
  21. Versiegende Nachfrage – böse Folgen
  22. Die Wege der Falschmünzerei
  23. Das Geld in der Renaissance
  24. Gold und Silber aus der Neuen Welt
  25. Befruchtung der Nationalwirtschaften
  26. Eroberung oder Handel
  27. Handelskriege und Zollpolitik
  28. John Law – und sein Papiergeld
  29. Die Assignaten – das Geld der Revolution
  30. Geldzufluss und Bevölkerungsvermehrung
  31. Vom Kampf ums Gold zum Ersten Weltkrieg und zur Inflation
  32. Zurück – zum alten Spiel
  33. Fazit
  34. Literaturverzeichnis
  35. Über den Autor