Lösungsfokussierte Führung
Dort, wo ältere Führungskräfte auf ihren reichhaltigen Erfahrungsschatz zurückgreifen, aus Fehlern der Vergangenheit lernen und Entscheidungen scheinbar aus dem Bauch heraus treffen, benötigt die junge, weniger erfahrene Führungskraft konkrete Hilfsmittel. Einige der effizientesten Werkzeuge zur Führung von Mitarbeitenden bietet die Lösungsfokussierte Führung.
Der meistgehörte Satz, wenn ich Teilnehmerinnen und Teilnehmer in meinen Seminaren darauf anspreche, lautet:
„Lösungsorientiert? Mach ich doch sowieso schon! Ich muss täglich Probleme lösen.“
Dieser Gedanke ist sicherlich richtig. Die Lösungsfokussierung bezieht sich jedoch weniger auf die eigene Fähigkeit der Problemlösung als vielmehr darauf, die individuelle Lösungsfindungskompetenz Ihrer Mitarbeitenden zu fördern und zielgerichtet zu führen.
Lösungsfokussierung, oder Solution Focus, ist eine hochwirksame und effiziente, praxiserprobte Methodik, um selbstständig Ansätze und Lösungen zu entwickeln oder die Herangehensweise, als anleitenden Unterstützung, im Team oder bei den eigenen Mitarbeitenden einzusetzen. Dafür notwendige Ressourcen werden gefördert und bei den jeweiligen Personen gezielt freigesetzt. Darüber hinaus arbeiten im Kontext der Lösungsfokussierung die Personen an der persönlichen Kompetenz zur Innovation und Kreativität. Die sich entwickelnde Denkweise und Gesprächsführung bauen auf der Haltung und Erkenntnis auf, dass in der Führung und im Organisationskontext das Finden von Lösungen nicht von einer Analyse der Probleme abhängig ist.
Was ist an dieser Stelle mit „Denkweise“ und „Haltung“ gemeint? Eine klassische und bekannte Herangehensweise beim Auftreten von Problem ist, dieses im ersten Schritt detailliert zu analysieren.
Im zweiten Schritt werden Ansätze für eine passende Lösung abgewogen und in den Kontext des Problems und des gewünschten Zustandes gesetzt. Dabei handelt es sich um die Denkweise in Ursache-Wirkung-Zusammenhängen.
Primär in technisch-naturwissenschaftlichen Systemen ist diese Analyse, das Suchen nach Fehlerquellen sinnvoll. In sozialen Systemen, wie es Führungsverhältnisse sind, führt Ursachenforschung jedoch häufig eher zu Anschuldigungen und zu aufreibenden Rechtfertigungen – das empfindliche Gleichgewicht der zwischenmenschlichen Interaktion und Kommunikation wird gestört. Doch lassen Sie uns dies, der Reihe nach, im Detail betrachten.
Sie sind als Führungskraft Teil eines sozialen Systems, auf welches Sie, aus positiver wie aus negativer Sicht, sehr großen Einfluss haben. Tritt in diesem sozialen System ein Problem auf, werden Sie unterschiedlichste Aussagen erhalten, je nachdem, wen Sie fragen oder aus welchem Blickwinkel Sie die beschriebene Situation betrachten. Wer kann in einem Geflecht von Arbeitsbeziehungen schon mit Sicherheit sagen, womit die Dinge ihren Anfang nahmen – rational und nicht wertend betrachtend? Und handelt es sich hierbei wirklich um eine sinnvolle Frage? Selbstverständlich können Sie in einem solchen Moment problemorientierte Fragen stellen, wie zum Beispiel: „Wie kam es zu diesem Problem?“ oder „Wer ist dafür verantwortlich?“ – verpflichtet hierzu sind Sie jedoch nicht.
Vielmehr ist es möglich und effizient, sich auf einem direkteren Weg in Richtung des erwünschten Zustandes zu begeben. Für das Management im Allgemeinen und einzelne Führungskräfte wie Sie erfordert diese Verfahrensweise häufig ein Umdenken in den bekannten und üblichen Lösungsprozessen. Hierfür ist es notwendig, eine veränderte Haltung einzunehmen und einige neue Frage- und Zuhörtechniken lernen. Vereinbaren Sie nach wie vor Ziele, legen Sie Zwischenetappen fest, delegieren Sie Aufgaben, halten Sie Meetings ab und geben Sie weiterhin Leistungs-Feedback. Behalten Sie die positiven Aspekte bei – handeln Sie jedoch ab jetzt lösungs- und ressourcenfokussiert.
Es vermag im ersten Moment nur eine einfache Verschiebung oder Ergänzung Ihres bestehenden Führungsstils zu sein und nicht viel Neues zu erfordern, leicht ist es dabei nicht für jeden. Was sind Ihre ersten Schritte zur Lösungsfokussierten Führung? An dieser Stelle möchte ich Sie direkt zu einer Art Experiment einladen.
Lösungsorientiert vs. problemorientiert
Ich habe Ihnen ein praktisches Beispiel / einen Leitfaden vorbereitet, mit denen ich Sie an den Themenbereich Lösungsfokussierte Führung mit Hilfe der eigenen Wahrnehmung und Differenzierung von methodischen Herangehensweisen führen möchte. Nehmen Sie sich für die folgenden Aufgaben etwas Zeit, machen Sie diese bitte nicht in der U-Bahn auf dem Weg zur Arbeit oder zwischen anderen Tätigkeiten. Je konzentrierter Sie die einzelnen Übungen absolvieren, desto höher wird der jeweilige Mehrwert für Sie ausfallen. Die Aufgabenstellung ist in zwei Teilbereiche unterteilt – wichtig an dieser Stelle ist, dass Sie die Aufgabe in chronologischer Reihenfolge angehen und erst danach mit dem Kapitel fortfahren.
Denken Sie an ein aktuelles Problem, bei dem Sie gerne einen oder mehrere Schritte weiterkommen möchten. Reflektieren Sie das Problem im Ganzen und beantworten Sie die folgenden Fragen stichpunktartig, gerne auch in ausformulierter Form.
Teilbereich I
Wie ist das Problem entstanden? Warum haben Sie das Problem noch nicht gelöst? Wer hat Schuld an der schwierigen Situation? Welche Mängel müssen behoben werden? Was sind die Ursachen des Problems? Teilbereich II
Was möchten Sie an Stelle der jetzigen Situation? Wie könnte eine Lösung aussehen? Was hat in letzter Zeit trotz allem gut funktioniert? Gibt es Ausnahmen des Problems, in denen es nicht so schlimm ist, und was genau ist dann anders? Was wäre ein erster kleiner Schritt in die gewünschte Richtung? Wenn Sie an die zwei Teilbereiche der Aufgabe denken – welche Unterschiede sind Ihnen dabei aufgefallen? Wie haben sich Ihre Gedanken im Verlauf der Aufgabe und vor allem bezogen auf die Unterteilung verhalten? Was ist Ihnen in Bezug auf Ihre Stimmung aufgefallen, welche Emotionen oder Empfindungen wurden bei Ihnen ausgelöst?
Sicherlich ist Ihnen im Verlauf der Aufgabe aufgefallen, dass die ersten Fragen problemorientiert ausgerichtet sind, wohingegen der zweite Frageteil auf mögliche Lösungen fokussiert ist und sich um die Behebung oder allgemeine Lösungsansätze bemüht. Dazu sagt Steve De Shazer, einer der Mitbegründer der Lösungsfokussierten Führung:
„Problemsprache schafft Probleme – Lösungssprache Lösungen.“
Lösungssprache verwendet andere Wörter und erschafft damit andere Wirkungen. So setzt sie sich unter anderem mi...