Unterwegs mit Fontane von der Ostsee bis zur Donau
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Unterwegs mit Fontane von der Ostsee bis zur Donau

  1. 643 Seiten
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Unterwegs mit Fontane von der Ostsee bis zur Donau

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Über dieses Buch

100 Jahre nach Fontane scheint es aktueller denn je, auf seinen Spuren "von der Ostsee bis zur Donau zu wandern, die von ihm beschriebenen Wege nachzuvollziehen.Die Autorin führt den Leser nach Swinemünde, Rügen, Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Dänemark, Friedrichsruh, Hamburg, Niedersachsen, in die Altmark, nach Burg, in den Harz, nach Sachsen, Thüringen, Bayern, Wien, Böhmen, ins Riesengebirge, nach Küstrin, Sonnenburg und Tamsel.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783956558672

Schleswig–Holstein

„Es zieht mich nach dem Norden hin, und ich empfind ihn mehr und mehr als meine Herzensheimat“, bekennt Melanie van der Straaten. („L’Adultera“, Kapitel 18) Aus Melanie spricht der Autor; „Ich bin Nordlandsmensch, und Italien kann, für mich, nicht dagegen an“, bekannte er am 11. 2. 1896 Ernst Gründler gegenüber.
Die Liebe zum Norden begann schon in Kindertagen; die kleine, so gänzlich unkonventionelle Hafenstadt Swinemünde war für ihn gleichbedeutend mit Freiheit, Weite und Abenteuer, und unvergesslich blieben ihm das poetisch versunkene Vineta und die Raufereien in Störtebekers Kul. Zwar sah er – sehr viel später – auch Paris und Wien, Rom und Venedig, doch seine Balladenstoffe fand er nicht auf diesen Tummelplätzen des Bildungsbürgertums, sondern im kühlen Edinburgh, auf der Heide von Culloden, in Schleswig und Roskilde. Der große Roman über die Likedeeler beschäftigte ihn ein Leben lang, blieb allerdings Fragment; auch ein anderer Entwurf, „Korfiz Uhlefeld“, der in Seeland, Jütland, Malmö, Kopenhagen, Roskilde und Frederiksborg spielen sollte, wurde nicht ausgeführt; doch findet sich die nordische Szenerie in „Unwiederbringlich“ wieder, und sie ist mehr als nur Kulisse.
Nicht nur die herbe Schönheit der Landschaft, auch der Charakter des dort lebenden Menschenschlages sagte ihm zu. Über die den Niedersachsen verwandte schleswig-holsteinische Bevölkerung bemerkte er: „Es ist eine ruhige Art, fest, oft trotzig, allem Geprahle feind, aber selbstbewusst. Muth und Freiheitsliebe sind ein jahrtausend altes Erbe; jedes Jahrhundert sah diese sächsischen Stämme bereit, für ihre Unabhängigkeit in oft ungleichen Kampf zu zihen. Länger als anderswo hielt sich hier der hohe Freiheitssinn, der immer bereit ist, das eigne Leben um des Ganzen willen einzusetzen …“ („Der Schleswig–Holsteinsche Krieg im Jahre 1864“, Kapitel „Land und Leute“)
Diesem Mut und Freiheitswillen hatte er 1851 ein großes Poem gewidmet: „Der Tag von Hemmingstedt“. Es war der 17. Februar 1500, an dem die Bauern von Dithmarschen ihr dem Meer abgerungenes Land gegen Fürstenhabgier verteidigten. Auch in dem Buch „Der Schleswig-Holsteinsche Krieg im Jahre 1864“ schildert Fontane zuerst die Menschen der „cimbrischen Halbinsel“, die, solange sie denken konnten, ihr Land zwischen Nord- und Ostsee gegen den Machtanspruch Dänemarks schützen mussten. Dänemark wiederum sah sich seit der Zeit Karls des Großen gezwungen, den nach Norden drängenden deutschen (manchmal auch slawischen) Heeren Einhalt zu gebieten. Die Natur kam ihm dabei zu Hilfe: Die zur Nordsee fließende sumpfige Eider und die in die Ostsee mündende breite, buchtenreiche Schlei bildeten einen unüberwindlichen Schutzwall. Die dazwischenliegende gefährdete Landenge versperrte „ein Wunder der Fortifikation“, das Danevirke (Dannewerk). Über tausend Jahre hielt es stand und gab den Dänen das Gefühl der Sicherheit.
Unabhängig davon flammten jedoch immer wieder Streitigkeiten darüber auf, wem das Land nördlich der Eider untertan sein sollte. Im Ripener Vertrag von 1460 „gaben endlich die Stände von Schleswig und Holstein den Ausschlag. Sie wählten Christian I. zum Herrn beider Landestheile“. („Der Schleswig-Holsteinsche Krieg von 1864“, Kapitel „Schleswig-Holstein von 1460 bis zum ‚Königsgesetz’ 1665“) Er war der Mächtigste weit und breit, sein Arm reichte über die Ostsee bis ins Baltikum. Es wurde aber auch festgeschrieben, dass beide Landesteile „up ewich tosamende ungedeelt“ bleiben sollten. – Was so einfach und unmissverständlich schien, wurde im Laufe von vier Jahrhunderten immer komplizierter: Es ergab sich, dass Schleswig weiterhin zum Königreich Dänemark gehörte, die Herzogtümer Holstein und Lauenburg hingegen nur unter dänischer Oberhoheit standen, aber deutsche Bundesländer waren. Solange der jeweilige König von Dänemark weise genug war, die deutsche Bevölkerung zu tolerieren – wie Friedrich VI., der allseits geliebte –, konnten ernsthafte Konflikte vermieden werden. Als Friedrich 1839 starb, ließ sein Nachfolger keinen Zweifel darüber, dass er willens war, Holstein und Lauenburg enger mit Dänemark zu verbinden. Damit verstieß er nicht nur gegen die Interessen des Deutschen Bundes, er goss auch Öl ins Feuer der schleswig-holsteinischen Unabhängigkeitsbewegung. Ermutigt von den revolutionären Erhebungen in Paris, Wien und Berlin forderte sie in Kopenhagen das „up ewich ungedeelt“ ein, was so gedeutet wurde, dass auch Schleswig dem ersehnten Deutschen Nationalstaat angehören sollte. Der Dänenkönig drohte „mit Gewalt der Waffen... Die Herzogtümer rüsteten dagegen, so entstand der erste schleswig-holsteinsche Krieg.“ (Kapitel „Die Epoche von 1765 bis 1852“) Das Deutsche Bundesheer beeilte sich, die Dänen bis Düppel und Alsen zurückzudrängen. Fontane, dessen „Herz mit den Freischaren war“, versetzte sich in einen Schleswiger hinein und begrüßte mit dichterischer Emphase die konzertierte Hilfsaktion, vor allem den Führer der Freischar, den Freiherrn von der Tann, in einem doppelten Hurra:
„Hurra, hurra,
Von der Tann ist da!
Von der Tann ist da, den schicket uns Bayern,
Nun werden die andern nicht lange mehr feiern,
Die Schwaben und Franken, die Sachsen und Hessen,
Die werden am Ende uns auch nicht vergessen...“
(Gedichte I)
Er täuschte sich über die wahren Hintergründe dieser „Hilfsaktion“. Bereits im August wurde das Bundesheer zurückgezogen und die Armee der bürgerlich dominierten Unabhängigkeitsbewegung ihrem Schicksal überlassen. Fontane empörte sich, dass Preußen dieses schäbige Spiel mitspielte und bat seinen Freund Lepel um „eine alte, aber gute Büchse“, um den Freischärlern beizustehen; im Sommer 1850 machte er sich selbst auf den Weg, um von der Tann seine Dienste als Feldapotheker anzutragen. Doch die Niederlage der Schleswig–Holsteiner war bei Idstedt bereits besiegelt. Die europäischen Herrscher, die den Schock der Revolution schnell überwunden hatten, erledigten den Rest auf diplomatischem Wege und gaben die aufständischen Provinzen dem König von Dänemark preis.
Die dort lebende deutsche Bevölkerung wurde nun mit drakonischen Maßnahmen gestraft. Viele suchten im Ausland ihr Heil. Auch Theodor Storm musste seine Anwaltspraxis in Husum aufgeben und fand in Potsdam eine (bescheiden dotierte) Stellung am Kreisgericht und in den Künstlervereinigungen „Tunnel“ und „Rütli“ wahre Freunde.
Der „Frieden“ von 1851 trug schon den Keim zu neuem Kriege in sich. Der brach aus, als König Friedrich VII. von Dänemark im November 1863 starb, ohne männliche Erben zu hinterlassen. Die Großmächte einigten sich auf den Erbprinzen Christian aus dem Hause Glücksburg, der als Christian IX. König von Dänemark und gleichzeitig Herr über die „incorporirten Herzogthümer Schleswig-Holstein und Lauenburg“ war. Prinz Friedrich, „der Augustenburger“, als Oberhaupt der Unabhängigkeitsbewegung, begehrte auf und verlangte wenigstens für die zum Deutschen Bund gehörenden Herzogtümer Freiheit und Autonomie. Der Deutsche Bund bestätigte den Augustenburger umgehend und ließ Holstein und Lauenburg von sächsischen und hannoverschen Truppen besetzen; auch Österreich und Preußen machten mobil, um in der zu erwartenden kriegerischen Auseinandersetzung nicht zu kurz zu kommen. Die Truppentransporte geschahen nachts. Es war im Winter 1863 auf ’64. Fontane, der als Redakteur der „Kreuz-Zeitung“ sein karges Brot verdiente und in den Abend- und Nachtstunden über den ersten Kapiteln seines ersten Romans saß, konnte von seiner Wohnung aus auf die Gleise des Anhalter Bahnhofs sehen, auf denen die österreichischen Brigaden nordwärts fuhren, „...und wenn zuletzt die Geschütze kamen, zitterte das ganze Haus, und ich lief ans Fenster und sah auf das wunderbare Bild: die Lowries, die Kanonen, die Leute hingestreckt auf die Lafetten, und alles von einem trüben Gaslicht überleuchtet.“ (an Ernst Gründler, 11. 2. 1896) Zu dem Zeitpunkt wusste er noch nicht, dass er bald ihren Spuren folgen würde...
Die Entscheidung in Schleswig-Holstein fiel – mit Waffengewalt. „Zwischen Rendsburg und Kiel, an der Eider entlang, stand am 31. Januar die verbündete Armee. In und um Rendsburg ... standen die Oestreicher, ... in und um Kiel ... standen die Preußen.“ (Kapitel „Die verbündete Armee“) Dazwischen lag das Dannewerk. Auch diesmal waren sich die Dänen sicher: „Eine starke Armee, eine noch stärkere Stellung“ und als Befehlshaber General de Meza, dem sie den Sieg von Idstedt im Jahre 1850 verdankten. „Auf die Frage eines fremdländischen Officiers: ‚wie lange er die Dannewerkstellung zu halten glaube?‘ sollte de Meza geantwortet haben: sechs Tage. ‚Und am siebenten?‘ Am siebenten werden wir in Holstein einrücken.“ (Kapitel „Das Dannewerk und die dänische Armee“) Er sollte sich irren. Österreicher und Preußen griffen zwar vergebens frontal an, doch ihre Hauptkräfte mit dem Ziel, die Jahrtausendfestung mit dem Gros der dänischen Armee einzuschließen, überwanden die natürlichen Hindernisse Eider und Schlei. De Meza erkannte die Gefahr im letzten Augenblick und gab den höchst unpopulären Befehl zum Rückzug auf der einzigen Straße über Oeversee nach Flensburg und weiter nach Fredericia und Düppel, wo sich der Feind an den Schanzen die Zähne ausbeißen sollte.
Der Weg dorthin war eine einzige Verfolgungsjagd mit blutigen Intermezzi bei Schneestürmen und Eisglätte, später bei Dauerregen und grundlosem Morast. Opferreich und nervenaufreibend war die Belagerung für die preußischen Truppen. Endlich, am 18. April, konnte zum Sturmangriff mit aufgepflanztem Bajonett geblasen werden. Als dieser an der Undurchlässigkeit der Schanzen zu versiegen drohte, gab es Todesmutige, die mit einem Pulversack am Leib eine Bresche in die Palisaden sprengten, durch die sich die Nachfolgenden einen Weg bahnten.
Der Redakteur Fontane verfolgte das Geschehen nicht nur mit journalistischem Interesse, sondern auch mit emotionaler Anteilnahme. Unter dem unmittelbaren Eindruck schrieb er das Gedicht „Der Tag von Düppel“, in dem er Heldenmut und Tapferkeit auf beiden Seiten rühmte, den dänischen Leutnant Anker von Schanze II und den preußischen Pionier Klinke...:
„... Sie fallen tot, sie fallen wund, –
Ein Häuflein steht am Alsensund.
Palisaden starren die Stürmenden an,
Sie stutzen; wer ist der rechte Mann?
Da springt von achten einer vor:
‚Ich heiße Klinke, ich öffne das Tor!’ –
Und er reißt von der Schulter den Pulversack,
Schwamm drauf, als wär’s eine Pfeif Tabak.
Ein Blitz, ein Krach – der Weg ist frei, –
Gott seiner Seele gnädig sei!
Solchen Klinken für und für
Öffnet Gott selber die Himmelstür.“
Am Ende schaut deutlich „der Kreuz-Zeitungszipfel“ heraus:
„Von Schanze eins bis Schanze sechs
Ist alles deine, Wilhelmus Rex;
Von Schanze eins bis Schanze zehn,
König Wilhelm, deine Banner wehn.
... Und durch die Lande, drauß und daheim,
Fliegt wieder hin ein süßer Reim:
‚Die Preußen sind die alten noch,
Du Tag von Düppel lebe hoch!’ –“
(Gedichte I)
Später, als er die Kriegsschauplätze gesehen und viele Augenzeugen befragt hatte, war seine Sicht der Dinge nicht mehr so poetisch-fanfarenhaft und die obligate Huldigung an König Wilhelm blieb maßvoll. Sie wäre zweifellos noch zurückhaltender ausgefallen, wenn er von einem Gespräch Kenntnis gehabt hätte, das am 5. April im Berliner Stadtschloss stattfand: Flügeladjutant Prinz Kraft von Hohenlohe-Ingelfingen gab S.M. den täglichen Frontbericht und bat dringend, von einem Sturm auf die Düppeler Schanzen Abstand zu nehmen, da diese zu fest gebaut und auch vom Meer her nicht einzunehmen wären; er halte dafür, lieber Jütland zu besetzen, dies sei leichter und unblutiger und nähme dem Feind so viel Land und Mittel, dass er zum Frieden gezwungen würde. „Der König wurde darauf sehr lebhaft und sagte, ob Düppel eine Bedeutung habe oder nicht, das sei ihm ganz egal. Darauf käme es ihm gar nicht an. Er habe es aber nötig, der Welt zu zeigen, dass die preußischen Truppen noch imstande seien, Festungen zu stürmen... Damit ganz Europa Respekt vor den preußischen Armeen habe, dazu brauche er Düppel. Dabei schlug er mit der Faust auf den Tisch.“ Diese Bekenntnisse veröffentlichte Hohenlohe-Ingelfingen sehr viel später in seinen Lebenserinnerungen.
Fontane kannte diesen Hintergrund nicht, und so machte er sich am 19. Mai 1864 unbeeinflusst und unbefangen auf zu den Schauplätzen des Krieges, der soeben von einem Waffenstillstand unterbrochen worden war; in seiner Begleitung Redaktionskollege Dr. Heffter. Über Hamburg, Pinneberg, Elmshorn, Neumünster brachte sie der Zug nach Kiel, wo sie spät abends in Muhls Hotel Quartier fanden. Von da an kann man sich an Fontanes Reisetagebuch halten, in dem der Krieg eigentlich nur am Rande vorkommt: „Freitag d. 20. Flanirt in den Straßen Kiels und am Hafen. Das alte Schloss... Jetzt ist es Lazareth. So sieht es auch aus. Oder Zuchthaus oder Landarmenhaus; ... Die Stadt voll von Militair... Bald nach 11 Dampfschifffahrt den Kieler Hafen hinunter. Erst: Schloss, dann Bade-Anstalt, dann Düstern-Broock, dann Bellevue, dann Holtenau, dann Friedrichsort, dann rüber nach Laboe auf der Propsteier Seite ... heut war dort Pfingstfest ... die Propsteier Mädchen in rothen Röcken und allem Pomp ihrer Nationaltracht... Auf der Rückfahrt in Bellevue abgestiegen. Sehr gutes Diner ... durch den Buchenwald von Düstern-Broock zurück in die Stadt.“
”... Sonnabend d. 21. von Kiel nach Schleswig.“ In Rendsburg versuchte er, sich im Vorbeifahren über die Lage der Festungswerke klar zu werden. „Von Klosterkrug aus ... passirt man nun den Kern der Dannevirke-Linie namentlich den alten Margarethenwall. Vorher hat man den dominirenden Königsberg zur Rechten, den die Oestreicher erstürmten und dadurch die Sache au fond entschieden.“ Dieser „au-fond-Sieg“ bezog sich auf das Jahr 1848; 1864 floss am Königsberg viel Blut – auf beiden Seiten. „Gegen 1 Uhr Ankunft in Schleswig ... zuerst nach Schloss Gottorp... Es liegt auf einer Insel... nach der Front hin fällt das Erdreich in Böschungen ab... Im Schloss ... liegen kranke Oestreicher; aber man sieht auch Gesunde von allen Waffengattungen; ungarische Grenadiere – wunderschöne Leute – ... steirsche Jäger mit Stutzhut und Federbusch ... Auf Wache waren 35er, bitterböse auf die 8.er. ‚Diese Kerle sind nur 2 mal im Feuer gewesen; sie kommen, laufen unsinnig vor, werden zurückgeschlagen, nehmen nachher mit 2 Kompanien am Sturm Theil, und nun hat das Leib-Regiment alles gemacht, zieht nach Kiel, kriegt gute Quartiere, Blumen und Lorbeerkränze. Als wir in Schleswig einzogen, haben wir kaum ein Glas Bier gekriegt.“ – Nichts mehr von poetischer Beleuchtung, sondern das ungeschminkte Soldatenleben.
In Schleswig wohnte er in dem berühmten Hotel Esselbach, in dem auch zahlreiche höhere und höchste Offiziere abgestiegen waren. „Um 3 '/2 zu Boot (Dampfschiff) um nach Missunde und nach Cappeln zu fahren“, wo die Preußen Anfang Februar bei Eiseskälte in einem dramatischen Versteck-und-Fangen-Spiel schließlich bei Arnis über die Schlei setzten. Doch die Bootsfahrt endete in Louisenlund, „wohin fast alle Passagiere wollten, um den Prinzen Friedrich Carl (der in Louisenlund sein Hauptquartier hat) ihre Huldigungen durch Blumen, weiß gekleidete Jungfrauen etc. darzubringen“. Fontane schloss sich den jungen Damen an („einige recht hübsch, alle munter, manierlich und ohne jede dumme Ziererei“) und traf unterwegs auf Turnvereine, Sängerbünde und Veteranen, die mit Musik vor Schloss Louisenlund marschierten. Doch war kein Prinz zu sehen. Moltke milderte die peinliche Situation, indem er wenigstens die Damen empfing. Alles war „sichtlich aigrirt“, brachte dennoch einen Hochruf auf den Prinzen aus, denn sie wussten, dass er, nicht der uralte Wrangel, die Kriegsgeschicke siegreich entschieden hatte. Dann begab man sich auf den Heimweg. Zuerst wurden Marschlieder gesungen, später Spottlieder auf die Dänen, was Fontane ärgerte: „Hass lass ich mir gefallen; aber die Dänen zu verspotten, ich bezweifle, dass die Schl. Holst, ein Recht dazu haben.“
„Sonntag d. 22.te Schlechtes Wetter. Im Hotel geblieben. Zu Tisch mit lauter Offizieren: Artillerie, 35er, ein Kaplan, Graf Spee, General v. Hobe, General v. Canstein; alles heiter und Kreuz-Zeitung lesend. Der alte Wrangel geht vorüber im Reisekostüm ... kommt aber nicht in den Esssaal.“ Fontane notiert die Ausstattung des Hotels mit schweren Nussbaummöbeln und verschossenen Damastgardinen; Porträts von Prinzen und Prinzessinnen, Alhambra-Szenen und Lola Montez; Riesenschinken, auf denen dänische Waffentaten verherrlicht werden. Bis vor Kurzem verkehrten noch dänische Offiziere hier. Das alles hatte nichts mit dem Krieg zu tun, aber: Man weiß nie, wie und wo man es wieder brauchen kann.
„...gegen 3 Uhr Fahrt nach Missunde. ... Das schöne Angeln. Kostbares, frisches saftiges Hügel- und Heckenland; saubre Bauernhäuser... Bald nach 5 im Fährkrug von Missunde... Alles sauber: Stube, Küche. Das Dach-Zimmer wo die Granate einschlug...“ Was er besonders betonte: die gebildeten Fährleute „mit einer Sprechweise, wie sie unsre Exzellenzen sehr oft nicht haben.“
„Montag d. 23. Mai Regenwetter. In den Schleswiger Dom. Sehr schön. Der berühmte Schnitzaltar. Die Kette und das rothe Stückchen Mütze...“ Die großen Grabkammern der Herzoge, selbst den prachtvollen, von Karyatiden umstellten Kenophag mit der Liegefigur König Friedrichs I. notierte er nur, verweilte hingegen bei dem roten Mützchen im Reliquienschrein des Bordesholmer Altars. König Erich Plogpenning soll es getragen haben, als er von seinem machthungrigen Bruder 1250 beim Schachspiel auf Schloss Gottorp entführt und, mit Ketten an ein Boot gefesselt, ermordet wurde. Brudermord aus Macht- und Habgier zieht sich dann auch als balladeskes Leitmotiv durch Fontanes sich an den Erzählton der „Wanderungen“ anlehnende Aufsätze „Missunde“ und „Aus dem Sundewitt“, die einzige publizistische Ausbeute dieser Reise.
Noch Montag d. 23. „nach Flensburg. Abgestiegen in Rasch-Hotel. Zu Tisch mit Zedlitz–Neukirch, ... 2 Söhnen vom Grafen Hardenberg (beide vom 18.) verschiedenen andren Ärzten und Offizieren. Gang nach Bellevue ins Johanniter-Lazareth... Der Flensburger Friedhof. Das Dänen-Monument...“
Während Dr. Heffter sich auf aktuelle Berichterstattung beschränkte, schwebte Fontane ein umfassendes Buch über diesen Krieg und seine Ursachen vor, mit weitreichender Vorgeschichte, mit Schilderung von Landschaften und heimischen Volksstämmen – deren Lebensumstände zwar seit jeher spannungsreich, abe...

Inhaltsverzeichnis

  1. Impressum
  2. Vorwort
  3. Swinemünde
  4. Rügen
  5. Mecklenburg
  6. Schleswig–Holstein
  7. Dänemark
  8. Friedrichsruh
  9. Hamburg
  10. Niedersachsen
  11. Altmark
  12. Burg
  13. Harz
  14. Sachsen
  15. Thüringen
  16. Bayern
  17. Wien
  18. Böhmen
  19. Riesengebirge
  20. Jenseits der Oder
  21. Editorische Notiz
  22. In eigener Sache
  23. Register
  24. Gisela Heller
  25. E-Books von Gisela Heller