Hellblaue Blitze vor rotem Himmel
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Hellblaue Blitze vor rotem Himmel

Briefroman aus der Zeit der Schlacht um Moskau (1941)

  1. 240 Seiten
  2. German
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  4. Über iOS und Android verfügbar
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Hellblaue Blitze vor rotem Himmel

Briefroman aus der Zeit der Schlacht um Moskau (1941)

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

23 Original-Feldpostbriefe, die eine junge Berliner Pianistin ihrem Liebsten an die Front vor Moskau schickte, haben sich von 1941 bis heute erhalten. Erschütternde Zeugnisse tiefer Liebe, verbunden mit angstvoller Sorge um den geliebten Mann, der zunächst noch in naivem Vertrauen, bald aber erfüllt von Zweifel und Wut, für Hitlers Wahnsinns-Blitzkriegs-Idee vor Moskau in Dreck und Schnee steckt …Die Briefe reflektieren zunehmend und erstaunlich offen auch die Gräuel des Naziregimes und Kriegserscheinungen wie Rationierung von Lebensmitteln und Bombenangriffe an der "Heimatfront" Berlin. Die Kapitel zwischen den Briefen aber erzählen realistisch und Packend vom Frontgeschehen, vom siegessicheren Beginn des Moskau-Feldzuges bis zu seinem sehr bitteren Ende nach nur wenigen Monaten …

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783956559976
Auflage
2
Thema
Arte

1 Die Briefe. Ein Prolog

Sie wären fast vermodert, zusammen mit dem uniformierten, leblosen Körper des Soldaten. Nicht mehr liebevoll ans Herz gedrückt, sondern verfault, zerfallen in der blutgetränkten Erde vor Moskau.
Sicher hatte der tote Soldat die Rufe des deutschen Exil-Schriftstellers nicht gehört, der von der sowjetischen Seite aus mittels eines Megafons die Deutschen aufforderte, den sinnlosen Kampf zu beenden
Nun kniet der Autor vor ihm …
Er nimmt dem toten Gefreiten die Erkennungsmarke ab.
Der Soldat hat nichts dagegen …
Sanft zieht er dann die Hand aus dem Innern der Uniformjacke.
Die starre Hand umklammert ein Päckchen kleiner, hellblauer Feldpostbriefe.
Der Autor entnimmt die Briefe der starren Hand, ganz sachte, sanft, aber mit notwendiger Kraft. Der tote Soldat hat nichts dagegen …
Feldpostbriefe:
An den Gefreiten
Hans Treskatis
07862 D
Feldpost, keine normale Post. Das hat nichts mit dem Feld zu tun, das der Bauer bestellt. Hier geht es um das Feld der sogenannten Ehre.. .es ist das Feld, auf dem nur einer Ernte hält: der Tod.
Der tote deutsche Soldat wird begraben werden, irgendwie, man hofft es.
Der deutsche Schriftsteller in Filzstiefeln und wattiertem weißem Mantel schaut kurz in den ersten Brief.
Der tote Soldat hat auch dagegen nichts …
 
Geheimnisse. Süße Geheimnisse. Liebesbriefe, Sorgenbriefe aus Berlin. Die Briefe der fleißigen Schreiberin vom Pariser Platz.
 
Im Augenblick des Todes hatte Hans in die Uniformjacke gegriffen, die Briefe umklammert, vielleicht mit einem letzten hoffnungsvollen, sinnlosen Gedanken:
Eli, du und deine süßen, lieben Briefe, lasst mich nicht sterben für diesen Wahnsinn, lasst mich leben für euch, für dich, bitte …
Der Autor mit dem weißen Mantel konnte Hans und seine Kameraden nicht retten.
Aber er rettet die Briefe.
Verlässt das „Feld der Ehre“.
Verwahrt sie sorgfältig unter seinem Mantel. Nimmt sie mit nach Moskau.
 
Feldpostbriefe.
Hellblaues Schreibpapier und ebensolche Umschläge in kleinem Format, kauften die Lieben in der Heimat in den Schreibwarengeschäften. Konnten die Briefe portofrei an die Front schicken. Portofrei! Welch ein Vorzug! Nur leider wurden die meisten dieser portofreien Briefe zerfetzt oder verbrannt mit ihren Empfängern. Die an Hans Treskatis geschriebenen blieben erhalten.
2015, siebzig Jahre nach Kriegsende, als ich dieses Buch schrieb, sahen die Briefe noch wie neu aus. Auch heute, fast achtzig Jahre seit dem Beginn des 2. Weltkrieges, liegen die Briefe vor mir wie gerade geschrieben: saubere Blätter, eng bedeckt mit der klaren, steilen Handschrift der Elisabeth Hoernemann, der jungen Pianistin, die in Berlin am Pariser Platz wohnte, ziemlich nahe an Reichskanzlei und Führerbunker …
 
Hitler hatte eine Woche vor Beginn des Moskau-Feldzuges zu seinen Generälen gesagt:
Was ich von Ihnen verlange, ist nur eins: die Tür mit einem kräftigen Stoß einzutreten. Das Haus fällt dann ganz von allein zusammen!
 
So begann der Blitzkrieg.
Es ging tatsächlich alles recht schnell.
Stalin zog sich zurück. Sammelte Kräfte. Entwickelte Strategien. Nach einem halben Jahr hatte Hitler die Blitzkriegsschlacht verloren. Das Haus war nicht zusammengefallen. Die Deutschen zurückgeworfen. Zurückgelassen auf der blutgetränkten Erde: unzählige Gefallene, deutsche Soldaten, von Kugeln durchsiebt, von Granaten zerfetzt, von Panzern zermalmt, in Schnee und Eis begraben; manchmal ragten Teile von den Gefallenen heraus aus dem Eis, ein Arm, ein Fuß, bis „General Winter“ sie mit neuem, barmherzigen Schneefall bedeckte.
 
Der deutsche Schriftsteller Willi Bredel, gebürtiger Hamburger, ehemaliger Häftling im KZ Hamburg-Fuhlsbüttel, Pazifist, Emigrant, Frontagitator gegen den Krieg, rettet Elisabeths Briefe aus der Hand des toten Gefreiten …
Wieder in Moskau, liest er sie, ist erschüttert: Zweiundzwanzig Briefe, eng beschrieben, zwischen Juli und Oktober gesendet an ihren geliebten Hans an der Ostfront.
 
Die junge Berlinerin bangt um ihren Geliebten, spricht ihm Mut zu, ist überzeugt, sie werde ihn wiedersehen, ihn gesund in die Arme schließen; all das Schreckliche wird Vergangenheit sein und vergessen, auch jene furchtbaren Ereignisse in Berlin …
Ja, vom ersten bis zum letzten Brief schreibt sie nicht nur von ihrer Liebe und von einfachen Dingen des Tages, nicht nur von ihrer Angst und Sorge um ihren Liebsten; sie schreibt auch zunehmend offener über Dinge, die sie hier im „friedlichen Berlin“ erlebt: von Rationierung der Lebensmittel, von der Diskriminierung von Juden, der Häufung von Todesanzeigen in den Zeitungen, schreibt von Bekannten, die plötzlich einfach verschwunden sind, von beginnenden Bombenangriffen und angstvollem Ausharren in Luftschutzkellern …
Manchmal schreibt sie so offen in ihrer gewachsenen Verzweiflung, dass man sich wundert, dass die Briefe die Zensur passierten …
 
Nach der Kapitulation Nazideutschlands im Mai 1945 kehrt der Schriftsteller Willi Bredel zurück in die Heimat; er kommt über Rostock nach Mecklenburg-Vorpommern, mit ihm die Briefe.
 
Er gründet in Schwerin zusammen mit dem Pfarrer Karl Kleinschmidt und dem Grafiker Herbert Bartolomäus und anderen antifaschistischen Kulturschaffenden den „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“. In den folgenden Jahren sind seine Tage durch unglaubliche Arbeitsfülle gekennzeichnet; die Briefe geraten zunächst in Vergessenheit. Doch um 1950 herum recherchiert er intensiv, um eventuell Elisabeth und ihre Angehörigen zu finden, vergeblich.
 
Bredel geht später nach Berlin, wird Präsident der Akademie der Künste der DDR, gerät zunehmend in Widerspruch zur Doktrin der Ulbricht-Partei, regt sich oft sehr auf über Engstirnigkeit und Intoleranz auf, erleidet 1964 mit nur 62 Jahren einen tödlichen Herzinfarkt.
Seine schwedische Ehefrau May, nun Witwe, lebt jetzt allein in der großen Wohnung in der Berliner Ifflandstraße, umgeben von Bredels riesiger Bibliothek, in der irgendwo Elisabeths Briefe schlummern.
 
Fast dreißig Jahre später.
May ist in einem Pflegeheim, die Tochter muss die Wohnung auflösen. Ich werde gebeten, Bredels Bibliothek zu katalogisieren und nach Schwerin, der langjährigen Wirkungsstätte des Autors, zu schaffen. Am letzten Tage meiner Berliner Arbeit halte ich die Feldpostbriefe in der Hand. Ich frage die Tochter: Was soll damit geschehen?
Nimm sie an dich,
meint sie,
der Vater wollte etwas draus machen, ist nicht dazu gekommen; vielleicht gelingt es dir …!
 
Ich nehme die Briefe nach Schwerin mit. Lese sie, bin erschüttert. Lege sie weg. Andere, immer neue Aufgaben bewegen mich, unter anderem meine Arbeit im Kulturbund in Mecklenburg, dem ich später einige Jahre als Präsident vorstehe, bis zum Jahre 1990 …
Wieder vergeht viel Zeit, 25 Jahre!
Wieder mahnen, erinnern mich die Briefe, sie irgendwie zu veröffentlichen, doch erst 2015, nachdem meine Frau mich nach schwerer Krankheit verlassen hatte, nahm ich sie wieder zu Hand.
Ist es die Verzweiflung über den Verlust, ist es das wieder erwachte Trauma aus der zerbombten Berliner Kindheit, was mich nun treibt? Vielleicht auch das Wissen und Erleben, dass immer noch Gewalt und schreckliche Kriege diese Welt erschüttern?
 
Die steile Handschrift der Elisabeth Hoernemann muss in den Computer übertragen werden. So erfasse ich erneut die ganze Tragik zweier Liebender inmitten eines verbrecherischen Krieges. Die literarische Nachempfindung der Geschehnisse an der Moskauer Front ergibt sich fast wie von selbst.
Liebe, Hass, Angst, Verbrechen, Hoffnung, Glauben und Irrglauben; und doch immer wieder Hoffnung durch die Liebe …
 
Inzwischen sind 77 Jahre vergangen, seit die Briefe der eisstarren Hand eines toten deutschen Soldaten vor Moskau entnommen wurden.
Und in diesem Jahre, am 1. September, wird es 80 Jahre her sein, seit der Verbrecher Hitler den schlimmsten Krieg begann, den die Welt bisher gesehen hat.
So bin ich wieder erschüttert.
Bin auch froh, darüber geschrieben zu haben. Glaube, dass das Buch seine Leser finden wird. Hoffe auch, dass so etwas nie mehr geschieht, dass überhaupt alle Kriege aufhören.
 
Aber wer weiß das schon?
 
Februar 2019

2 Der Zug

Das laute Treiben seiner Abteilkameraden hatte ihn nicht aus seiner grüblerischen Versenkung reißen können. Er war vielmehr in eine Art Trancezustand verfallen, der ihn weder Hunger noch Durst noch die harten Stöße spüren ließ, die von den Schienenabsätzen herrührten, welche sich über die schlechte Federung des 3.-Klasse-Waggons bis in das Rückgrat fortsetzten. Wurde er angesprochen, so winkte er nur mit einer apathischen Handbewegung ab, und nachdem dies das dritte oder vierte Mal geschehen war, ließ man ihn in Ruhe.
Hans Treskatis war in Gedanken bei Elchen. Immerzu dachte er ihren Namen, den kein Fremder hätte verstehen können, denn sie war ja nur als Elisabeth bekannt. Wie vieles, so war auch dieser seltsame Name ihrer beider absolutes Geheimnis.
Blicklos sah er auf die vorbeiziehenden Felder und Wälder, er nahm nichts von dem wahr, was jetzt um ihn war, vielmehr drängte sich einzig Elchens Bild vor seine Augen, w...

Inhaltsverzeichnis

  1. Impressum
  2. 1 Die Briefe. Ein Prolog
  3. 2 Der Zug
  4. 3 Der Aufenthalt
  5. 4 Elchens erster Feldpostbrief
  6. 5 Goldchen
  7. 6 Elchens zweiter Brief
  8. 7 Elchens dritter Brief
  9. 8 Der Feind
  10. 9 Elchens vierter Brief
  11. 10 Elchens fünfter Brief
  12. 11 Der Abschied
  13. 12 Elchens sechster Brief
  14. 13 In Berlin
  15. 14 Elchens siebter Brief
  16. 15 Der Marsch
  17. 16 Elchens achter Brief
  18. 17 Elchens neunter Brief
  19. 18 Elchens zehnter Brief
  20. 19 Im Schlamm
  21. 20 Elchens elfter Brief
  22. 21 Die Nacht
  23. 22 Elchens zwölfter Brief
  24. 23 Elchens dreizehnter Brief
  25. 24 Elchens vierzehnter Brief
  26. 25 Elchens fünfzehnter Brief
  27. 26 Der Kommandeur
  28. 27 Elchens sechzehnter Brief
  29. 28 Elchens siebzehnter Brief
  30. 29 Elchens achtzehnter Brief
  31. 30 Elchens neunzehnter Brief
  32. 31 Die Zweifel
  33. 32 Elchens zwanzigster Brief
  34. 33 Herbstregen
  35. 34 Elchens einundzwanzigster Brief
  36. 35 Elchens zweiundzwanzigster Brief
  37. 36 Die Schlacht beginnt
  38. 37 Hellblaue Blitze
  39. 38 Epilog
  40. Manfred Kubowsky