DIE FAMILIE VON PASSOW IM DIENSTE MECKLENBURGS
Unscheinbar, vom Weg kaum zu erkennen, die Grabsteine als schlichte Kissen, so sieht es aus, das Grab der Familie von Passow auf dem Alten Friedhof in Schwerin; kaum zu vermuten, dass hier ein königlich-preußischer General der Infanterie begraben liegt. Es handelt sich um Hans Karl Wilhelm von Passow, geb. am 22. April 1827 zu Wredenhagen, im Großherzogtum Mecklenburg Schwerin, zwischen Röbel und Wittstock an der Elde gelegen.
Als Sohn des bürgerlichen mecklenburgischen Oberlandforstmeisters Passow und der adligen Luise von Bülow besuchte Passow das Gymnasium in Schwerin. Am 1. Juli 1846 trat er als Portepeefähnrich in das mecklenburgische 2. Musketierbatallon ein. Am 19. Oktober 1847 – bereits Sekondeleutnant – erhielt er sein Patent als Fechtmeister an der Militär-Bildungsanstalt zu Schwerin.
Passow nahm 1848 am Feldzug gegen Dänemark teil, wurde 1859 Ordonnanzoffizier beim Großherzog von Schwerin und am 31. Mai 1860 Hauptmann und Kompaniechef im Mecklenburgischen Jägerbataillon. Im Krieg 1866 gegen Österreich focht Passow in Bayern. Am 10. Oktober 1868 als Major in den Verband der Preußischen Armee übernommen, wurde er dem zweiten Garderegiment zu Fuß zugeteilt.
In den Annalen dieses Regiments heißt es: „Als der General von Passow noch in Mecklenburg in Garnison stand, bemerkte er bei einem Manöver, welchem König Wilhelm I von Preußen beiwohnte, dass das Pferd desselben einen Stein in den Huf sich getreten hatte und bereits einen Fehltritt machte. Er sprang vom Pferd und bat den Stein entfernen zu dürfen. Der König ließ sich den Stein reichen und sagte: Dieser Stein, der mir ein Stein des Anstoßes wurde, soll Ihnen ein Stein des Glückes werden.“ (Kurt von Priesdorff, „Soldatisches Führertum", Hanseatische Verlagsanstalt Hamburg 1935–1942, Band 9 Seite 512) Wilhelm, der spätere erste deutsche Kaiser, hielt Wort und übernahm Passow in seine königliche Garde.
Passow heiratete am 9. April 1869 Erica Magdalena Theodora Stever. Sie war die älteste Tochter des Gutsbesitzers Stever auf Nikrenz und besaß ebenso wie ihr Gatte mit Magdalene von Nußbaum eine adlige Mutter. Vater Stever war Deputierter der Ritterschaftlichen Eingesessenen des Amtes Ribnitz und galt in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts als einer der erfolgreichsten Rennreiter Deutschlands. Aus dieser Ehe gingen neun Kinder hervor, von denen ein Sohn allerdings im ersten Lebensjahr starb.
Im Feldzug gegen Frankreich konnte Passow sich als Führer des Füsilierbataillons des 2.Garderegiments zu Fuß in der Schlacht bei Gravelotte - St. Privat durch die Erstürmung des Vorwerkes Ferme Jerusalem besonders auszeichnen. Noch auf dem Schlachtfeld übernahm Passow für den schwer verwundeten Oberst Graf von Kanitz die Führung des Regiments, welche er die längste Zeit des Krieges beibehielt.
Nach seiner Rückkehr erfolgte die Erhebung in den erblichen Adelsstand. Passow wählte sein altes bürgerliches Familienwappen in welches auf allerhöchsten Befehl das Eiserne Kreuz mit aufgenommen wurde. Auch wurde bestimmt, „… daß für wegen ihrer militärischen Verdienste geadelten Offiziere das Adelsdiplom völlig kostenfrei auszufertigen sei“.
Adelswappen von Passow (GStA PK, I. HA Rep. 176 Heroldsamt Nr.7099 (ehem.VI J Nr.47)
1875 avancierte Passow zum Oberst und Chef des Infanterieregiments Nr. 16. Bereits ein Jahr zuvor wurde er durch die Verleihung des Roten Adler Ordens II. Klasse mit Eichenlaub, seine „Halsschmerzen“ los, eine scherzhafte Redewendung der Offiziere, welche den Wunsch beinhaltete, ein Komturkreuz, also einen Orden am Hals zu tragen. Seine letzte Dienststellung bekleidete von Passow, inzwischen Generalleutnant, als Kommandant der 22. Division in Kassel. Im Frühjahr 1889 trat Passow als General der Infanterie in den Ruhestand. Er zog nach Schwerin in die Alexandrinenstraße 9, wo er am 18. Januar 1896 starb. Erica von Passow überlebte ihren Gatten über 44 Jahre und starb am 28. April 1940, zuletzt wohnhaft in der Schelfstraße 26 in Schwerin. Auf der Grabstelle auf dem alten Friedhof zu Schwerin wurden einige Mitglieder der Familie beigesetzt.
Aber nicht jeder Grabstein birgt auch einen Toten unter sich. Bereits 1892 traf Hans und Erica von Passow das große Unglück, ihren ältesten Sohn Ludwig zu Grabe tragen zu müssen. Dieser war in die Fußstapfen des Vaters getreten und diente als Secondeleutnant im zweiten Garderegiment in Berlin. Zu Besuch im Elternhaus weilend, erkrankte er schwer und starb erst im 22. Lebensjahr am 8. Januar 1892. Den mit Palmen, Blumen und Kränzen geschmückten Sarg geleitete ein großes Gefolge von Verwandten, Offizieren und Beamten. Dem Leichenwagen voran schritten Spielleute und ein Hoboistencorp, abwechselnd Choräle und Trauermärsche spielend. Neben Ludwig von Passow ruhen sein ein Jahr jüngerer Bruder Hans und dessen Frau Clara. Hans von Passow starb am 22. Februar 1935 als Hauptmann a.D. und Besitzer des Rittergutes Madsow im Kreis Wismar. Clara von Passow war eine geborene von Arnim. Vorne rechts gelegen der Stein für Erika von Passow, der zweitältesten Tochter des Generals von Passow. Unter diesem Stein ruht niemand, denn Erika gilt als verschollen, wie auch die Inschrift besagt, „verschollen in Türkistan seit Mai 1919 – um sich der Kriegsgefangenen Not in sich der Liebe heilig Gebot, so fand sie in russischer Erde den Tod.“
Der erste Weltkrieg brachte bekanntlich unsägliches Leid über die Menschen. Erika von Passow stellte sich als Rotkreuzschwester zur Verfügung, um Not und Elend der deutschen Kriegsgefangenen in Russland lindern zu helfen. Anfang September 1915 fuhren die Rotkreuzschwestern Oberin Gräfin Üxküll, Schwester Magdalene von Walsleben und Schwester Erika von Passow zusammen mit neutralen dänischen Rotkreuzdelegierten nach Petersburg. Vor Ort wurden drei Delegationen gebildet, jeweils bestehend aus der deutschen Schwester, einem dänischen Delegierten und einem russischen Begleitoffizier. Der Delegation um Schwester von Passow wurden die in den südlichen Gouvernements des europäischen Russland und in Turkestan liegenden Kriegsgefangenenlager zugewiesen. Die Mission endete 1916 wieder auf Anweisung der zaristischen Regierung. Für ihre Verdienste um die Gefangenenfürsorge in Russland erhielt Erika von Passow das preußische Verdienstkreuz. 1917 erwirkte sie von den russischen Behörden die Bewilligung zur Ausreise von 13 deutschen Kindern in Astrachan, deren Eltern bereits verstorben waren. Auch gelang es auf ihre Initiative hin im Mai selben Jahres anlässlich der 38. Generalversammlung des mecklenburgischen Marien-Frauen-Vereins vom Roten Kreuz im Nordischen Hof in Schwerin eine kleine Ausstellung mit von deutschen Kriegsgefangenen in Russland gefertigten Gegenständen zu organisieren.
Nach dem Friedensschluss galt es, mit der an die Macht gekommenen Sowjetregierung die Rückholung der deutschen Kriegsgefangenen aus Russland in die Wege zu leiten. Zu diesem Zweck wurden im Frühjahr 1918 achtzehn Kommissionen gebildet, eine jede bestehend aus einer Rotkreuzschwester, einem Arzt sowie einigen mit der russischen Sprache und den russischen Verhältnissen vertrauten Personen. Schwester Erika von Passow ging wieder nach Turkistan. Von ihrer dreizehn Köpfe zählenden Kommission sollte kein einziger zurückkehren. Im von Krieg und Bürgerkrieg zerrütteten Land wird die viel Geld aber keine Waffen mitführende Gruppe marodierenden Banden in die Hände gefallen sein. Erika von Passow war nicht die einzige Schweriner Rotkreuzschwester, die Ihren Einsatz in Russland mit dem Leben bezahlte. Schwester Ella Luise von Schack schaffte es immerhin noch in die Heimat zurück, ehe sie am 5. Juli 1921 ihren in sibirischer Kriegsgefangenschaft erworbenen Leiden erlag.
In der oberen Reihe der Grabanlage, ganz rechts, ruht der Oberlandforstmeister und Oberjägermeister Wilhelm von Passow. Wilhelm wurde, wie auch sein drei Jahre jüngerer Bruder Hans, in Wredenhagen bei Röbel geboren. Da sein Vater 1837 als Forstrat in das Forstkollegium berufen wurde, konnte Wilhelm das Schweriner Fridericianum besuchen und 1845 sein Abitur ablegen. Den Beruf des Vaters ergreifend, begann er eine forsttechnische Ausbildung an der 1830 als höhere Forstlehranstalt errichteten Forstakademie in Neustadt-Eberswalde. Nach bestandener Prüfung als Forstauditor 1853 startete seine berufliche Laufbahn, welche nach über vierzig Jahren am 1. Juli 1896 mit seiner Pensionierung als Oberlandforstmeister mit dem Prädikat Exzellenz endete. Als Oberjägermeister trat er allerdings erst zwei Jahre später in den Ruhestand. 1892 wurde Wilhelm geadelt, Familienüberlieferungen zufolge, um an Hoffesten teilnehmen zu können.
In den letzten Jahren seines Lebens wohnte er am Großen Moor 48, standesgemäß ganz in der Nähe des Schweriner Marstalls gelegen. Hier starb Wilhelm von Passow am 3. Juni 1907, ohne jemals verheiratet gewesen zu sein. Dem Leichenzug vom Trauerhaus aus folgten, außer den Verwandten des Verstorbenen, Oberlandforstmeister von Monroy als Vertreter des Großherzogs, dann die Forstbeamten des Landes sowie Offiziere und Staatsbeamte. Zahlreiche Herren jeden Standes beschlossen den Zug. In der Mitte der Grabstelle, gewissermaßen e...