GESCHICHTE
Grob kann man zwei Gruppen unterscheiden, die der eigentlichen Pferde und die Esel-Zebra-Gruppe. Das Hauspferd geht nach überwiegender Lehrmeinung auf unterschiedliche Stammformen zurück, die an verschiedenen Orten um ca. 3000 v. Chr. domestiziert wurden. Eine populäre Theorie geht von vier Stammformen aus, die nach Michael SCHÄFER und anderen als Ur-Pony, Tundren-Pony, Ramskopf-Pferd und Ur-Orientale bezeichnet werden können. Die präzise Darstellung der Abstammung der domestizierten Pferde ist recht schwierig, denn die archäologischen Funde sind zwar zahlreich, aber die Ähnlichkeit der Wildformen untereinander und zu Hausformen lässt keine eindeutige, lineare Abstammungstheorie zu; hier sind moderne Methoden der Genforschung gefragt. Sie haben bereits interessante Resultate erbracht, welche die Theorien der Hippologen zu bestätigen scheinen.
Lange Zeit herrschte in der deutschen Wissenschaft die Meinung, dass das wilde Pferd der innerasiatischen Steppen (Equus przewalskii Poljakoff; Mongolisches Wildpferd) und der Tarpan (Equus gmelini Antonius; das Europäische Wildpferd) die Urformen aller rezenten Pferde seien. Im Tarpan sah man den möglichen Stammvater der Warmblüter und Ponys, im Mongolischen Wildpferd jenen der Kaltblüter. Es gab auch ergänzende Theorien aufgrund der Knochenfunde von kleinen, leichten oder großen, schweren Urpferden. Sicher ist heute aufgrund genetischer Analysen, dass das Przewalski-Pferd wenig oder nichts mit unseren domestizierten Pferden zu tun hat, hingegen der Tarpan für eine Reihe von europäischen und orientalischen Rassen mit verantwortlich ist. Dabei ist auch er nicht als uniformes Wildpferd zu sehen, sondern als Überbegriff verschiedener Wildpferde-Arten oder -formen, und evtl. auch als Wildstandsverkreuzung mit frühen Hauspferden. Die ersten Domestikationsereignisse nimmt man für die osteuropäischen und asiatischen Steppengebiete und evtl. auch für die iberische Halbinsel an. Grabungsfunde aus dem Altai, dem Ural und der Ukraine beweisen eine reiche kultische Bedeutung früher Hauspferde. Frühe Darstellungen sind die Standarte von Ur, ägyptische Hieroglyphen und Reliefs aus Vorderasien, alle in den beiden Jahrtausenden vor Christi Geburt entstanden. Die Steppenvölker Asiens, wie auch die Griechen, Iberer, Kelten und Germanen waren gute Pferdezüchter und Reiter, denen die reiterlich weniger kompetenten Römer nur durch überlegene Taktik beikamen – wenngleich sie beachtliche Züchter waren. Im Mittelalter war das kräftige Ritterpferd ein teurer und seltener Luxusartikel; die Landwirtschaft kannte neben Zugrindern vorwiegend eher kleine Pferde. Später wurden Pferde als Reit-, Pack- und Zugtiere in enormen Zahlen im Krieg verwendet – und getötet, weshalb man überall große Hof-, Staats- und Militärgestüte einrichtete, auch um die Landeszuchten zu fördern.
Der Pferdesport kam mit den Rennen und der Jagdreiterei um ca. 1650 in Mode und entwickelte sich ab ca. 1850 zum modernen Turnierwesen. In dieser Ära entwickelte man sowohl die barocken Parade- und Kriegspferde als auch die Rennpferde, welche man „Vollblut“ nennt. Im 19. Jh. kamen aufgrund der Industrialisierung und der Modernisierung der Landwirtschaft (Transportwesen, Rübenanbau, moderne Fruchtfolgen, Handelsdünger etc.) schwere Kaltblutrassen in Mode. Als Arbeitstiere verloren Pferde in Europa und Nordamerika ab ca. 1950 ihre Bedeutung völlig; in Asien, Südamerika und Afrika ist dies noch weit weniger der Fall. In den westlichen Industrieländern sind sie überwiegend als Sportpferde im Einsatz und nur selten in land- und forstwirtschaftlicher Nutzung, obwohl sie dort durchaus auch heute ihren Wert haben können, wie z. B. die Amish in den USA beweisen.
TARPAN (STAMMFORM)
Das Verbreitungsgebiet der unterschiedlichen Tarpanformen war sehr groß und reichte von den südrussischen Steppen und der Krim bis Spanien und nördlich bis Polen, umfasste also beinahe den gesamten europäischen Raum bis weit nach Osten. Unter dem Einfluss von Klima und Landschaft entstanden Unterarten, wie z. B. der Waldtarpan, der Bergtarpan oder der Steppentarpan. Solche Formen wurden in verschiedenen Regionen, zu unterschiedlichen Zeitpunkten und zu mancherlei Zwecken domestiziert, ähnlich wie dies vermutlich auch bei den Auerochsen geschah. Mögliche Orte sind u. a. die Steppengebiete der Ukraine, die Schwarzmeer-Region und Spanien/Portugal. Die echten Tarpane, deren Merkmale wir noch in osteuropäischen und iberischen Primitivrassen, wie Konik, Panje, Vjatka, Huzule und Sorraia finden, wurden später systematisch ausgerottet, das letzte freilebende Exemplar in Osteuropa wurde 1879 auf der Krim erlegt, 1887 starb das unwiederbringlich letzte Tier in Gefangenschaft. Schon bald darauf begannen erste Versuche, aus Hauspferden mit viel Tarpanblut diesen zu rekonstruieren. Prof. Thadeusz VETULANI in Polen und die Brüder Lutz und Heinz HECK in Deutschland verwendeten um 1930 unterschiedliche Ausgangsrassen, kamen aber dem Ziel, eine der Stammform ähnliche Rekonstruktion zu schaffen, vermutlich sehr nahe; es sind nur ganz wenige zeitgenössische Originalporträts (darunter nur ein Foto) von Tarpanen vorhanden, weshalb Vergleiche schwierig sind.
(Foto: Haller)
Sorraia-Pferde im portugiesischen Staatsgestüt Altér Real
Heute werden die Rückzüchtungstiere zwar recht zahlreich in diversen Tierparks und Naturschutzgebieten gehalten und vermehrt, die Wissenschaft lehnt sie aber als „echte“ Tarpane ab, denn es handelt sich ja „nur“ um äußerlich wiederhergestellte, nicht genetisch idente Formen. Die Tiere vermitteln jedoch einen sehr guten Eindruck des Aussehens der ehemaligen Stammform eines Teils unserer Hauspferderassen. Mit dem portugiesischen Sorraia-Pferd steht laut Hardy OELKE eine originale iberische Form des Tarpans an der Wurzel mancher iberischen und amerikanischen Pferde. Diese Rasse wurde von. Dr. Ruy D’ANDRADE 1920 im Sorraia-Tal wiederentdeckt und als primitive Population erkannt. Er fing eine kleine Herde ein und vermehrte sie halbwild auf seinen Ländereien. Später gelangten die Tiere – inzwischen als hippologische Rarität erkannt – auch in portugiesischen Staatsbesitz. Nur wenige, sehr kleine Zuchtgruppen sind vorhanden, der Gesamtbestand dürfte weltweit ca. 250 Tiere nicht übersteigen. OELKE führt an, dass auch einige amerikanische Mustangs und südamerikanische Criollos dieselben Merkmale aufweisen.
Die Rückzüchtungen des Tarpans weisen die urtümliche Falbfarbe in allen Schattierungen auf, von gelblich bis blaugrau; Aalstrich, Zebrierung und dichtes Langhaar sind typisch. Im Winter kann es zu deutlichen Aufhellungen kommen, manche Tiere haben dann ein fast weißes Winterfell. Die Mähne ist nahezu immer fallend, der dichte Schweif weist eine schützende Haarglocke an der Schweifrübe auf (das Przewalski-Pferd hat dagegen eine Stehmähne und einen schütter behaarten Schweif). Die Pferde sind klein, meist zwischen rund 125 und 135 cm im Stockmaß, und stämmig, dabei durchaus edel im Ausdruck. Der Kopf ist meist gerade und recht edel, mit kleinen Ohren, kräftigem Gebiss und großen Augen. Der Hals ist kurz bis mittellang und kräftig, der Rumpf kompakt und voluminös. Die Hufe sind mittelgroß und sehr hart; geringer Kötenbehang. Die Tiere sind extrem widerstandsfähig und können auf großen Flächen ganzjährig ohne Zufutter und Pflege überleben. Sie sind fruchtbar, kaum krankheitsanfällig und lebenstüchtig. Bei früher Zähmung können sie als leichte Zugpferde oder Reitponys verwendet werden. Das Sorraia-Pferd zeigt ähnliche Merkmale, ist aber insgesamt etwas größer, drahtiger und mit einem Ramskopf versehen.
(Foto: Haller)
„Rückgezüchteter“ Tarpan – dem Wildpferd ähnlich
ARENBERG-NORDKIRCHENER UND LEHMKUHLENER PONY (D)
Diese beiden deutschen Ponyrassen sind selbst Fachleuten kaum bekannt. Sie entstanden vor einigen Jahrzehnten aus planmäßigen Kreuzungen mit Dülmener „Wildpferden“. Somit stellen sie den Versuch eines „Deutschen Reitponys“ im eigentlichen Sinne dar. Leider sind beide Rassen heute nahezu ausgestorben; wenn überhaupt, so existieren nur mehr Einzeltiere, eine Zucht gibt es nicht mehr.
Der Lehmkuhlener entstand Ende des 19. Jh.s auf dem Gut Lehmkuhlen der Baronin Agnes von DONNER in Ostholstein; ihre Nachfahren halten dort noch immer Ponys. Dort veredelte sie einige Dülmener Stuten mit Arabern, Zwerghackneys und Vollblütern, um gängige Jugendponys zu erhalten. Der bedeutendste Stammhengst war jedoch der aus Westmoreland/Nordengland stammende Fell-Hengst The Mikado. Die neue Gestütsrasse gelang so gut, dass die Nachzucht bald Eingang in zahlreiche adelige Stallungen fand. Die Ponys waren energisch, gängig und hübsch, bei vorwiegend dunkler Jacke. Sie bewegten sich gut und eigneten sich für alle Sparten, auch das Fahren, sind somit als frühe deutsche Reitponys zu verstehen, die ja bis heute auch als Fahrpferde brillieren. Die ursprüngliche Robustheit der Dülmener blieb weitgehend erhalten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Lehmkuhlener Ponys mit dem Besitz verkauft, darunter einige an die bekannte Spedition NEELSEN, die sie zu Werbezwecken verwendete. Ein Teil der Herde und ein Hengst wurden von Friedrich LILIENTHAL gekauft, der die Zucht auf Eiderstedt mit viel Engagement jahrzehntelang weiterführte. Leider fehlte ihm die staatliche Anerkennung bzw. Unterstützung, sodass es ein rein privates Liebhaberprojekt bleiben musste. Lehmkuhlener Ponys wurden oft sportlich erfolgreich eingesetzt, so auch von den Kindern des berühmten Sportreiters Fritz THIEDEMANN. LILIENTHAL musste später die Zucht aufgeben, sodass seine kleine Population in private Hände gelangte und vermutlich in Reitponybeständen aufgegangen ist.
(Foto: Haller)
Arenberg-Nordkirchener Pony
Die Arenberg-Nordkirchener Rasse geht auf ein Zuchtexperiment des Herzogs von ARENBERG zurück. Dieser richtete 1923 in Nordkirchen im Münsterland ein Wildgestüt ein. Dort bildeten osteuropäische Panje- und Konikstuten den Grundstock einer Population, die mit zugekauften Dülmener Hengsten aufgebaut wurde. Somit ging man hier den umgekehrten Weg zu Dülmen, wo ja immer wieder Konikhengste auf die örtlichen Stuten gesetzt wurden. Das Zuchtziel war ein gängiges Kleinpferd, das vor allem ...