Marc Aurel
Marcus Aurelius Antoninus wurde am 26. April 121 nach Christus in Rom geboren und lebte bis 180 nach Christus. Er zählte zu den letzten Vertretern der jüngeren Stoa und war schließlich römischer Kaiser. Seine Familie entstammte einer spanischen Provinz. Allerdings war es zu dieser Zeit nicht unüblich, dass auch Fremde in der Hauptstadt einflussreich waren. Verantwortlich dafür war die Machtübernahme durch Kaiser Augustus, weshalb sich neue Eliten bildeten. Als Marc Aurel acht Jahre alt war, verstarb sein Vater bereits. So wurde er anschließend von seinem Großvater Verus adoptiert. Marc Aurel erlebte eine behütete Kindheit. Sein Erzieher Diognetus konfrontierte ihn zuerst mit der Philosophie. Er bewirkte, dass Marc Aurel kein anderes Nachtlager als ein Bretterbett und eine Tierhaut begehrte. Beide hegten auch Jahre später ein freundschaftliches Verhältnis. Marc Aurel besuchte auf Willen seines Stief-Urgroßvaters Lucius Catillius Severus hin keine öffentliche Schule. Während seiner gesamten Schulzeit wurde er stets von tüchtigen Privatlehrern unterrichtet. Marc Aurel war ein sehr ernstes Kind, weshalb er bereits zu Kindheitstagen positiv auffiel. Talentierte Menschen wurden in den Kreisen der höheren Familien sehr stark gefördert, deshalb wurde Marc Aurel als Kind in ein Priesterkollegium aufgenommen
Bereits im Alter von zwölf Jahren interessierte er sich für die stoische Philosophie. Deshalb beschloss er, ein Leben wie ein Stoiker zu führen. Kaiser Hadrian war zu dieser Zeit der Machtherrscher in Rom. Da kein leiblicher Nachfolger das Amt einnehmen konnte, sah er sich anderweitig um. Marc Aurel geriet ins Visier des Kaisers, da sein Großvater Annius Verus politisch erfolgreich war. So trat Marc Aurel Jahre später mit seinem Adoptivbruder Lucius Verus in die Fußstapfen des Adoptivsohns Hadrians, Antoninus Pius, der ihn auf Anregung des Kaisers Hadrian mit 17 Jahren adoptiert hatte. Durch Kaiser Hadrian wurden Marc Aurel sowie Lucius Verus im Jahr 161 nach Christus zum Nachfolger bestimmt. Dieses Doppelkaisertum kam erstmalig in der römischen Geschichte vor und blieb auch einmalig. Bei Marc Aurel handelte es sich um den letzten Adoptivkaiser. Bereits sein ganzes Leben hegte er die Liebe zur Philosophie. In seiner Regentschaft hat sich dies ebenfalls niedergeschlagen. Marc Aurel schützte sein Reich erfolgreich vor dem Zusammenbruch.
In dem letzten Jahrzehnt seines Lebens hat er einen griechischen Text in loser Blattform verfasst. Dieser erhielt vom Autor keinen Titel, weshalb er unter verschiedenen Titeln veröffentlicht wurde. Dieser Text ist bekannt als „Meditationen“, „Wege zum Selbst“ oder „Selbstbetrachtungen“ und besteht aus zwölf Büchern. Ein großes Spektrum von Forschungsgebieten beschäftigt sich mit dem Leben und Wirken dieses römischen Kaisers. Marc Aurel war Vater von insgesamt dreizehn Kindern. Schließlich erkrankte er an der Pest, der er schließlich auch erlag. Seinem Tod sah er mit stoischer Ruhe entgegen. Er legte sich aufs Bett, bedeckte seinen Kopf mit einem Leinentuch und wartete, bis der Tod am 17. März 180 nach Christus einsetzte.
Marc Aurels Philosophie als Leitfaden der Politik
Marc Aurel wurde wegen seiner Schrift „Selbstbetrachtungen“ zum Philosophenkönig. Ursprünglich wurde das Werk von ihm in zwölf Bücher aufgeteilt. In der Wissenschaft erfolgte allerdings nur eine Aufteilung in zwei Blöcke. Das erste Buch wurde vermutlich zum Schluss verfasst. Dieses bildet gleichzeitig den ersten Block. In diesem Buch dankt Marc Aurel seiner Familie, Freunden und auch Lehrern für den Einfluss in seinem Leben. Aus rhetorischer Sicht sind die übrigen Bücher, zwei bis zwölf, an ihn selbst gerichtet. So fordert er sich selbst zu einem tugendhaften Verhalten auf. Er gibt sich Regeln und strebt es an, ein besserer Mensch zu sein. Dies soll im stoischen Sinne geschehen. Marc Aurel ermahnte sich selbst: „Pass auf, dass du nicht verkaiserst!“ Die römischen Imperatoren hatten nämlich in der Regel die Eigenschaft, sich vom Volk im Laufe der Zeit abzuwenden. So ließen sie sich eher zu Gräueltaten hinreißen oder von ihren Regierungsgeschäften ablenken.
Nicht nur für die Stoa, sondern auch für Marc Aurel selbst war das Freisein von Affekten und Leidenschaften ein zentraler Punkt. Die Spätstoiker, wie Marc Aurel, drängten immer mehr zur Apathia. Dies geschah noch extremer als in der mittleren Stoa. So wurde in der mittleren Stoa die Gemütsruhe in einer abgemilderten Form propagiert. Marc Aurel ist hingegen ein Anhänger der radikalen Affektlosigkeit. In der alten Stoa waren Leidenschaften und Affekte unter dem Begriff Pathos bzw. Pathe zusammengefasst. Diese würden den Menschen hindern, seine naturgemäße Vernunft zu nutzen. Damit er als Herrscher gut und gerecht herrschen und seinen Mitmenschen gerecht begegnen kann, hält sich Marc Aurel weitestgehend an die Stoa. Jedoch beruft er sich nur konkret an einer Stelle auf sie. Für Marc Aurel enthält alles in der Natur das welterschaffende sowie -erhaltende Prinzip. Der Mensch könne nur ethisch gut und glücklich werden, wenn er dem Weltprinzip folge. Dafür sei er nämlich schicksalhaft bestimmt. Sofern er gegen die Natur handele, wird er das Lebensziel, welches für ihn bestimmt ist, niemals erreichen können.
Marc Aurel verstand es als seine Aufgabe, als Imperator der Gemeinschaft zu dienen. Er entwickelte in seinen „Selbstbetrachtungen“ allerdings kein abgeschlossenes eigenes oder komplexes ethisches System. Vielmehr handelt es sich hierbei um Leitlinien, welche sich an den Gedanken seiner stoischen Vorgänger orientieren.
Marc Aurel vernachlässigt fast komplett Logik und Physik, die alten Disziplinen der Stoa. Das Prinzip des Lebens, welches er als Fließen und als eine Einheit des Kosmos versteht, nimmt er in seiner Ethik auf. Auch ist er der Überzeugung, dass die Menschen, die Natur sowie das All eine untrennbar geschaffene Einheit seien. Eine soziale Komponente fügt er allerdings noch hinzu: Für Marc Aurel ist es eine natürliche Pflicht, der Gemeinschaft zu dienen. Denn laut seiner Auffassung leben Mensch und Natur in einer Gemeinschaft. Logik und Physik sind für ihn selbständige Forschungsgebiete. Die Philosophie hingegen versteht er als Kunst des Lebens. Diese Disziplin gibt dem Menschen die Regeln für ein rechtes Dasein.
Marc Aurel gibt seine Philosophie als eine Art Lebensregel zu verstehen. Und diese spricht wie ein persönlicher Maßstab zu ihm selbst. Er nimmt sich vor, seinen Freunden und auch Widersachern mit der sprichwörtlichen stoischen Gleichmut zu begegnen. Er will jeden Menschen gleich gerecht behandeln. Ruhmsucht, Rachegelüste oder Geldgier sind hier völlig fehl am Platze.
Er sieht sich selbst als einen Teil der Gemeinschaft. Andere Herrscher hingegen haben sich oftmals als einen übergeordneten Gottkaiser gesehen. Er strebt danach, den Zweck der Gemeinschaft zu verwirklichen. Dieser besteht aus einem friedvollen Leben miteinander. Der römische Philosoph erkannte, dass er der erste Diener seines Volkes war.
Unterschied der stoischen Ethiklehre gegenüber der Philosophie Marc Aurels
Die Ethik, welche Marc Aurel in seinen „Selbstbetrachtungen“ dargestellt hat, deckt sich nicht vollständig mit der stoischen Ethik.
Der Kaiser bezieht sich wiederholt auf fremde Philosophen, wie die Peripatetiker oder auch Platon. Marc Aurel ist sich hinsichtlich der Beschaffenheit des Todes ebenfalls eher unschlüssig. Er führt in seinen „Selbstbetrachtungen“ verschiedene Möglichkeiten hinsichtlich der Geschehnisse nach dem Eintritt des Todes an. Ein Weiterleben als Ganzes, ein Erlöschen der Seele oder auch der Übergang in einen anderen Zustand werden von ihm in Erwägung gezogen. Im achten Buch seiner „Selbstbetrachtungen“ schildert er dies wie folgt: „Wer sich vor dem Tode fürchtet, fürchtet sich entweder vor dem Erlöschen jeglicher Empfindung oder vor einem Wechsel des Empfindens. Aber wenn man gar nichts mehr fühlt, ist auch ein Schmerz nicht mehr möglich. Erhalten wir aber ein anderes Fühlen, so werden wir andere Wesen.“
Ein Fortbestehen der Seele als Ganzes ist indes in der herkömmlichen Stoa unbekannt. Dies ist ein Fehler, denn die Seele besteht als Ganzes nach dem Tode fort und Marc Aurel übersieht die Möglichkeit, dass die Seele unverändert weiter besteht, aber ihre gerechte Strafe bzw. ihren gerechten Lohn erhält (vgl. Matthäus 25,46).
Ebenfalls spricht Marc Aurel den Menschen Gefühle als natürlich gegeben zu. In diesem Punkt unterscheidet er sich ebenfalls von den Stoikern. Sich selbst rät er sogar im siebten Buch zu Verzeihung und Mitleid.
„Sobald Dir jemand wehgetan hat, musst Du sogleich untersuchen, welche Ansicht über Gut und Böse ihn zu diesem Handeln zu bringen vermochte. Denn sobald Dir dies klar geworden ist, wirst Du Mitleid fühlen mit ihm und Dich weder wundern noch erzürnen.
Entweder nämlich findest Du, dass Du über das Gute gar keine wesentlich andere Ansicht hast als er und dann musst Du ihm verzeihen. Oder Du siehst den Unterschied; dann aber ist es ja nicht so schwer, freundlich zu bleiben dem, der sich geirrt hat.“
Nach Ansicht der herkömmlichen Stoa hingegen sind diese Gefühle irrationale Affekte. Diese verhindern das Erreichen des obersten Lebensziels, der Apathia.
Korrekt ist es, die Handlungen eines anderen Menschen anhand der Lehre des Christus zu prüfen, da Gott Liebe ist (1. Johannes 4,16) und nur nach diesem Maßstab geprüft werden kann, ob jemand „gut“ oder „böse“ handelt. Bemerkt ein gläubiger Christ also beispielsweise, dass ihm ein ungläubiger Mensch Böses tut (nach biblischem Maßstab), so sollte er ihm dies genau anhand der Bibel aufzeigen und kann für ihn bitten, dass er zum Umdenken kommt. Handelt ein gläubiger Bruder böse gegen ihn, so kann er ihm dies ebenfalls anhand des Wortes Gottes aufzeigen und der Bruder sollte sich dann einsichtig zeigen, ansonsten wird die Versammlung mit einbezogen. Zunächst zwei oder drei Brüder als Zeugen und dann, falls keine Einsicht erfolgt, die Versammlung, um das Verhalten zu beurteilen (vgl. Matthäus 18,15-17).
Gefühle sind also per se nicht falsch oder richtig. Man sollte diese jedoch immer prüfen, ob sie mit dem Willen des Herrn in Einklang sind. Seine Entscheidungen rein anhand von Gefühlen zu fällen und sich nicht vom Geist Gottes zu leiten, ist indes eine Eigenschaft von seelischen Menschen, nicht von geistigen.
In dem Punkt, wo es um die Haltung der Menschen geht, weicht Marc Aurel erneut von der Stoa ab. So bestehe nach der Stoa kein Anlass hinsichtlich der Änderung der Haltung, sofern man einmal frei von allen Dingen ist, die der Verstand erfasst hat. Ist diese Geisteshaltung einmal eingetreten, bleibe sie dauerhaft bestehen. Der Kaiser ist einer anderen Auffassung. Seiner Meinung nach handelt es sich um einen kontinuierlichen Lernprozess. Jeder Mensch hat die Möglichkeit, bei jeder Begegnung mit einem anderen Menschen rational etwas dazuzulernen. Der wahre geistliche Erkenntnisprozess ist ein Weg, bei dem der Nachfolger Christi lernt, die Gebote des Herrn Jesus Christus zu halten. Am Ende dieses Weges steht die Verheißung des vollkommenen Wandels, weil uns der Herr durch den Glauben an sein Wort vollkommen machen kann, wenn wir bereit sind, ihm völlig nachzufolgen (vgl Matthäus 5,48). Bei diesem Weg sollen sich die Brüder gegenseitig unterstützen und dementsprechend soll man einem Bruder auch aufzeigen, wenn er vom einzig wahren schmalen Weg abirrt (vgl. Jakobus 5,19).
Die Stoa verfolgt eher ein friedliebendes Prinzip. Davon ist Marc Aurel während seiner Zeit als Herrscher abgewichen. Denn als kriegführender Imperator ist es kaum möglich, ausschließlich ein friedliebendes Leben zu führen. Weil der Herr Jesus seinen Nachfolgern die Feindesliebe geboten hat und weil weltliche Machthierarchien immer mit Gewaltausübung einhergehen, kann ein wahrer Christ in keiner weltlichen Machthierarchie vertreten sein, andernfalls es immer zur Übertretung eines Gebotes führt. Vielmehr sollen Christen einander dienen, indem sie sich dem anderen unterordnen. Diese Unterordnung kann in einer Machthierarchie selbstverständlich nicht gewährleistet werden, sodass sich Marc Aurel zwar als erster Diener seines Volkes sieht, obwohl er das Gewaltmonopol inne hat und somit eine faktische Unterordnung ausgeschlossen ist (vgl. Matthäus 20,25-28). Dies beweist sein Leben als Kaiser, der nun mal herrscht, notfalls mit Gewalt.
Politische Verwirklichung stoischer Ideale
Darüber, wie der römische Kaiser Marc Aurel seine selbstverfassten Aufforderungen in seiner politischen Praxis verwirklichte, kann nicht klar Aufschluss gegeben werden. Der Grund dafür ist, dass wenig über sein politisches Tagesgeschäft überliefert ist. Lediglich zahlreiche Feldzüge gegen jene, die ins Römische Reich eindringen wollten sowie die Christenverfolgungen wurden überliefert. Seine „Selbstbetrachtungen“ verfasste Marc Aurel ausschließlich in verschiedenen Feldlagern. Er hatte zu diesem Zeitpunkt die Mitte seines Lebens bereits überschritten. Bereits vor der Kaiserkrönung war Marc Aurel in rhetorischer und philosophischer Hinsicht sehr gebildet. Dies ist einer der Hauptgründe, weshalb sein Vorgänger Antoninus Pius ihn auf Drängen des Kaiser Hadrians adoptierte. Auf Grund seiner rhetorischen Künste und seiner Intelligenz wurde Marc Aurel im Alter von 14 Jahren als mündig erklärt. So machte er sich zur Aufgabe, zusammen mit seinem Adoptivbruder Lucius Verus das bröckelnde Riesenreich zusammenzuhalten.
Beiden Kaisern wird im Jahre 166 nach Christus die Bürgerkrone verliehen. Marc Aurel wird der Titel Pater patriae verliehen. Dies steht für seine große Beliebtheit beim römischen Volk. Weiterhin pflegte er zu dieser Zeit einen bescheidenen Lebensstil. Der Kaiser unterschied sich in dieser Hinsicht stark von anderen Kaisern. Dem Adel wirft Marc Aurel vor, dass sie sich von den massiven Begierden des Körpers bestimmen lassen. Außerdem handeln sie gemeinschaftswidrig.
Es lässt sich feststellen, dass der Kaiser einer gemeinnützigen Aufgabe folgte. Er ließ die kaiserlichen Schätze versteigern. Das Geld verwendete er einerseits für neue Feldzüge, andererseits ließ er damit die Kranken in Rom mit Öl und Wein kostenlos versorgen. Zu beachten ist, dass er damit im Grunde lediglich die Schätze, die vorher durch hohe Steuern eingetrieben wurden, im Prinzip nur zurück- bzw. umverteilte. So wie es der Sozialstaat heute auch tut und damit die individuelle Nächstenliebe stark einschränkt, da der Einzelne sich denkt, „soll der Bedürftige sich doch an den Sozialstaat wenden.“
Nachdem die Pest das Volk stark geschwächt hatte, nahm Marc Aurel Sklaven und Gladiatoren mit auf seine Feldzüge. Denn nur so war der Schutz des Imperium Romanum gewährleistet.
Die Literatur gibt hinsichtlich konkreter Zivilleistungen keinen Aufschluss darüber. Allerdings sind Aussagen über seine Qualität als Herrscher zu finden. Cassius Dio schrieb, dass er an Marc Aurel dessen Optimismus bewunderte. In außergewöhnlichen Schwierigkeiten hielt dieser durch und blieb optimistisch. Cassius Dio war allerdings einer der wenigen Befürworter von Marc Aurel zu dessen Lebzeiten. Denn sein hauptsächlicher Ruhm entstand erst nach seinem Tod. Kritisch betrachtet wurden das fehlende Weltmachtstreben, die sparsame Haushaltspolitik sowie die Ernennung seines unfähigen Sohnes Commodus zum Kaiser. Der Kaiser war sich dieser Kritik definitiv bewusst. Er empfand es allerdings als kaiserlich, derartige Schmähungen über sich ergehen zu lassen.
Inwieweit Marc Aurel sein...