1.1.1 Einführung
Der Suchbegriff »Immobilie« ergibt in der Suchmaschine von Google in Sekundenbruchteilen ungefähr 128 Mio. Treffer – auf den ersten Seiten handelt es sich fast ausschließlich um Immobilienportale, die dem Nutzer helfen sollen, die für ihn passende Immobilie zu finden. Man geht also davon aus, dass das Interesse an Immobilien nach wie vor hoch ist und ein entsprechender Markt nicht nur existiert, sondern auch stark frequentiert wird.
Akteure auf diesem Markt sind einerseits Privatpersonen. Die Gründe dafür, (als Privatperson) eine Immobilie zu kaufen, können vielfältig sein. Sie reichen von der Immobilie als Vermögensanlage und Altersvorsorge über die Versuche, die individuelle Steuerlast zu reduzieren oder Spekulationsgewinne zu erzielen, bis zum verständlichen Wunsch, in den eigenen vier Wänden zu wohnen, also Wohneigentum zu erwerben.
Andererseits ist der Immobilienmarkt geprägt von professionellen Akteuren. Dazu gehören sowohl gewerbliche Vermieter von Immobilien als auch Projektentwickler und Bauträger bis hin zu gewerblichen Wohnungsverwaltungen. Darüber hinaus dienen Immobilien als Anlageklasse für Asset Manager. Das hat dazu geführt, dass sich Konstruktionen wie Immobilienfonds oder Immobilien-AGs in Form von Real Estate Investment Trusts (REIT) herausgebildet haben. Im gewerblichen Bereich sind die Motive und auch die Handlungsmöglichkeiten also noch weiter gestreut, als bei Privatpersonen.
In vielen Fällen unterscheidet sich die Herangehensweise von Privatpersonen und gewerblichen Akteuren auf dem Immobilienmarkt jedoch nicht grundsätzlich. So sind z. B. der Wert und die Wertermittlung von Immobilien immer den gleichen Prinzipien unterworfen, lediglich die im Raume stehenden Summen weichen deutlich [18]voneinander ab. In diesem Buch wird versucht, beide Seiten, die privaten Immobilieninvestoren und die gewerblich tätigen Immobilienunternehmen, gleichermaßen zu berücksichtigen.
Da der Kauf von Immobilien im Privatbereich kein alltägliches Geschäft ist (wie z. B. der Erwerb von Kleidung oder Lebensmitteln) fällt es vielen Menschen schwer, sich generell für einen Kauf und dann für eine bestimmte Immobilie zu entscheiden. Verschärft wird das Problem dadurch, dass die dafür erforderlichen Summen zumeist nicht bar vorhanden sind, das Objekt also finanziert werden muss.
Die Informationsasymmetrie zwischen dem »normalen« privaten Käufer einerseits und dem professionellen Immobilienhändler und der auf die Finanzierung von Immobilien spezialisierten Bank auf der anderen Seite führt schnell zu Unsicherheit und mangelnder Entscheidungsfreude.
Der Erwerb von privatem Wohneigentum ist erklärtes staatliches Ziel. Der Anteil der von den Eigentümern selbst bewohnten Wohnungen an der Gesamtzahl aller Wohnungen lag 2016 in Deutschland bei 51,7 Prozent. Zum Vergleich: Norwegen weist eine Quote von 82,7 Prozent und Rumänien als europäischer Spitzenreiter eine Quote von 96,0 Prozent auf.1
Das vorliegende Buch soll einige wesentliche Aspekte des Immobilienmarkts und der damit im Zusammenhang stehenden Besonderheiten beleuchten. Es beginnt mit einem Überblick über wesentliche Aspekte des Immobilienmarkts und stellt seine volkswirtschaftliche Bedeutung heraus. Anschließend wird der Frage nachgegangen, was eine Immobilie wert ist und welches die entscheidenden wertbeeinflussenden Faktoren sind. Die wichtigsten Verfahren der Wertermittlung werden vorgestellt.
Fast alles, was mit Immobilien im Zusammenhang steht, ist staatlich reglementiert. Mit diversen Maßnahmen, die letztlich in die unserem Wirtschaftssystem zugrunde liegende Vertragsfreiheit eingreifen, versucht der Gesetzgeber, den schwächeren Verhandlungspartner zu schützen. Genannt seien beispielhaft die Makler- und Bau[19]trägerverordnung (MaBV), aber auch eine Vielzahl von Regelungen zum Bau- und Planungsrecht, das Grundbuch als öffentliches Verzeichnis oder einschränkende Bedingungen bei den Kauf- und Mietverträgen.
Des Weiteren befasst sich diese Schrift mit den diversen Varianten der Immobilienfinanzierung. Auch die Beweggründe für ein Engagement im Immobilienbereich, sowohl auf privater Seite als auch als Immobilienunternehmen, finden Beachtung. Den Abschluss bildet ein Kapitel über Immobilienpolitik und aktuelle Probleme.
Das Buch wendet sich einerseits an Lernende und Studierende der Immobilienwirtschaft und andererseits an Praktiker aus dem weiten Umfeld der Immobilienwirtschaft. Die Autoren haben das Werk mit Sorgfalt und nach bestem Wissen zusammengestellt. Sollten trotzdem Fehler auftauchen, gehen Sie zulasten der Verfasser. Ein Anspruch auf Vollständigkeit wird nicht erhoben, was bei einem in ständigem Wandel befindlichen Gebiet wie der Immobilienwirtschaft wohl auch kaum möglich sein sollte.
1.1.2 Begriffliche Basis
Eine Immobilie ist ein unbewegliches Sachgut. Immobilie ist der Oberbegriff, sie kann aus zwei Bestandteilen bestehen:
- dem Grundstück und
- dem Bauwerk.
Ein Grundstück ist ein abgegrenzter Teil der Erdoberfläche. Diese Abgrenzung erfolgt nicht willkürlich, die Grundstücksgrenzen finden sich in einem Grundstückskataster. Das ist ein amtliches Grundstücksverzeichnis mit Angaben über die örtliche Lage des Grundstücks. Die Identifizierung erfolgt über die Gemarkung, die Flur und das Flurstück. Das Kataster gibt lediglich die tatsächlichen räumlichen Verhältnisse an. Das Eigentum und mit dem Grundstück verbundene Rechte sind im Grundbuch verzeichnet (siehe Kapitel 3.3).
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regelt in § 93, dass wesentliche Bestandteile eines Wirtschaftsguts dadurch definiert sind, dass bei ihrer Trennung das Wirtschaftsgut zerstört oder in seinem Wesen verändert wird. Speziell auf wesentliche Bestandteile von Grundstücken geht § 94 BGB ein. Dort wird festgelegt, dass Sachen, die mit dem [20]Grund und Boden fest verbunden sind, wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind. Explizit genannt werden in diesem Zusammenhang Gebäude.
Grundsätzlich kann ein Grundstück bebaut oder unbebaut sein, also ohne aufstehendes Bauwerk. Andererseits kann es kein Bauwerk geben, das nicht fest mit einem Grundstück verbunden ist. Bauwerk und Grundstück bilden also eine untrennbare Einheit.
Unter einem Bauwerk wird allgemein eine Konstruktion verstanden, die von Menschen errichtet wurde und einen dauerhaften Kontakt zum Untergrund hat. Dabei ist es nicht relevant, ob dieser Kontakt durch konstruktive Maßnahmen erfolgt oder allein aufgrund des Gewichts des Bauwerks. Bauwerken ist eine lange Nutzungsdauer eigen. Ist die Konstruktion leicht demontierbar und kann an einem anderen Ort wieder errichtet werden, spricht man in der Regel nicht von einem Bauwerk. Die Übergänge sind jedoch fließend.
Gebäude sind eine (wenn auch große) Untergruppe von Bauwerken. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie Räume umschließen. Sie bilden also eine geschlossene Gebäudehülle, die zumeist dem Schutz vor Witterung und anderen Naturgewalten dient.
Im deutschen Baurecht wird von »Gebäuden und baulichen Anlagen« gesprochen. Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) wiederum trifft eine Unterscheidung nach Gebäuden und Ingenieurbauten, Verkehrsanlagen und Freianlagen. Die einzelnen Teildefinitionen überschneiden sich teilweise. Für die grundlegenden Aussagen dieses Buchs ist das nicht relevant. Ist jedoch eine genauere Abgrenzung erforderlich, wird an entsprechender Stelle darauf hingewiesen.
Unabhängig von der gewählten Differenzierung ist das Hauptkennzeichen der Immobilie die Immobilität, also die nicht vorhandene Möglichkeit, das Sachgut an einen anderen Ort zu verbringen. Damit ist der Wert der Immobilie erheblich abhängig von der Lage.
Bedeutsam ist, dass die zur Verfügung stehende Grundfläche begrenzt und grundsätzlich nicht veränderbar ist. In Deutschland sind mit ca. 4,5 Mio. ha etwa 12,5 Prozent der Gesamtfläche des Landes Siedlungs- und Verkehrsfläche.2 Eine Ausdehnung [21]der Siedlungs- und Verkehrsfläche geht demnach immer zulasten anderer Flächen (landwirtschaftliche Nutzflächen, Flächen zur Erholung usw.) oder ist aufgrund geografischer Gegebenheiten nicht sinnvoll möglich. Diese prinzipielle Begrenztheit der zur Verfügung stehenden Fläche führt im Zeitablauf zu einem tendenziellen Anstieg der Bodenpreise.3 Synonym werden Immobilien auch als »Liegenschaften«, »Anwesen« oder (in Österreich und Südtirol) als »Realitäten« tituliert.
Eine gängige Form der Differenzierung von Immobilien erfolgt nach der üblichen Nutzung:
- Wohnimmobilien: Sie dienen ausschließlich oder überwiegend4 Wohnzwecken. Das entscheidende Merkmal ist dabei die Wohnnutzung, nicht die Eigentumsfrage.
- Wohn- und Geschäftshaus: Streng genommen ist das keine eigene Kategorie. Die Bezeichnung macht deutlich, dass es sich um gemischt genutzte Objekte handelt, wobei keine eindeutige Zuordnung zu Wohn- oder Gewerbeimmobilien möglich ist.
- Gewerbeimmobilien: Hier überwiegt im Gegensatz zu den Wohnimmobilien die gewerbliche Nutzung. Sie können weiter untergliedert werden in Handelsimmobilien, Industrieimmobilien, Logistikimmobilien und Güterverkehrszentren, Büroimmobilien usw.
- Sozialimmobilien: Dazu gehören einerseits Kliniken und Krankenhäuser, aber auch Objekte, die der Fürsorge von alten oder kranken Menschen oder der Betreuung von sozialen Randgruppen dienen. Ebenso zählen Kindertagesstätten, Jugendheime und Ähnliches zu den Sozialimmobilien.
- Sonderimmobilien: Diese sind auf einen speziellen Zweck ausgerichtet. Eine Umnutzung ist nur mit erheblichem Aufwand oder gar nicht möglich. Beispiele sind Bahnhöfe, Hotels, Sportstätten, Kraftwerke usw.
Da sich immer wieder Mischnutzungen finden, ist eine eindeutige Abgrenzung oft schwierig. Im Zweifel wird die Hauptnutzung als Kriterium dienen, wobei oft die für die jeweilige Nutzung belegte Nutzfläche als Maßstab dient.
[22]Eine andere Form der Differenzierung kann im überwiegenden wirtschaftlichen Zweck des Immobilieninvestments liegen:
- Anlage- oder Renditeimmobilien: Sie sind nicht zur Selbstnutzung vorgesehen. Ihr Hauptzweck liegt in der Verzinsung des angelegten Kapitals. Die Immobilie ist damit lediglich ein Mittel zum Zweck (Anlagevehikel). Eine Sonderform des Investments in Renditeimmobilien ist die indirekte Kapitalanlage in Immobilien, z. B. in Form von Immobilienfonds oder Immobilienaktien. Dabei erwirbt der Investor kein direktes Eigentum an Immobilien, sondern kauft Anteile an einem offenen Immobilienfonds, an einem definierten Immobilienportfolio oder an einem Unternehmen, das in Immobilien investiert.
- Immobilien zur Selbstnutzung: Ihr Hauptzweck liegt darin, einen individuellen Nutzen aus dem Objekt zu ziehen, indem man selbst darin wohnt oder indem man ein Unternehmen in ihm betreibt. Die Eigentumsquote deutscher Unternehmen ist im Weltmaßstab hoch. Sie beträgt etwa 70 Prozent – in den USA sind es ca. 30 Prozent und im entwickelten asiatischen Raum lediglich 20 Prozent.5 Die Frage, ob das Eigentum an der Betriebsimmobilie sinnvoller ist als z. B. das Mieten oder Pachten wird an dieser Stelle nicht betrachtet.
Aus dem wirtschaftlichen Zweck von Immobilien folgen die Funktionen, die eine Immobilie erfüllen kann:
- Primärfunktionen: Sie liegen in der Erfüllung materieller Bedürfnisse, wie Raum zu bieten für Wohnen, Arbeit, Handel, Ver- und Entsorgung, Freizeit,...