Frau ohne Welt. Teil 3: Der Krieg gegen die Zukunft
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Frau ohne Welt. Teil 3: Der Krieg gegen die Zukunft

  1. 298 Seiten
  2. German
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Frau ohne Welt. Teil 3: Der Krieg gegen die Zukunft

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Über dieses Buch

Das Feminine ehren, den Feminismus als Ideologie des Hasses aber verabscheuen: Bernhard Lassahn zeigt, wie's geht. Er schäumt nicht, er beschreibt so amüsiert und heiter wie andererseits scharfsinnig, warum der Feminismus nicht zukunftsfähig ist – und das auch gar nicht sein will.Wir haben Zustände wie vor einem Bürgerkrieg, es hagelt Extremismusvorwürfe aller Art: Sexismus, Rassismus, Faschismus, Frauen-, Homo-, Transphobie, menschengemachte Erderwärmung, Weltuntergang! Die Stimmung ist aufgeheizt. Wir erleben einen Kulturkrieg, der ans Eingemachte und aufs Ganze geht, er verfeindet Mann und Frau sowie Eltern und Kinder – und setzt damit unsere Zukunft aufs Spiel. Das erste Opfer in diesem Krieg ist wie immer die Wahrheit. Die geht noch jedesmal verloren, wenn die Gespräche verstummen. Der Krieg wird weitergehen, solange Vorurteile überwiegen und die Parteien nicht einsehen, dass sie ohnehin niemals hätten gegeneinander antreten dürfen.Bernhard Lassahn gibt mit trotzigem Humor einen Lagebericht, der aufzeigt, was der vierzigjährige Krieg angerichtet hat. Zwischen den Geschlechtern, zwischen den Generationen. Die Bilanz könnte kaum bitterer sein. Und doch bleibt Lassahn zuversichtlich, dass die Welt nicht untergehen wird, denn "the only engine of survival" – das meint auch Leonard Cohen – bleibt weiterhin die Liebe.Frauen, liebt Männer! Männer, liebt Frauen! Lest Frau ohne Welt!

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Schuld und Schulden der Vergangenheit

»Die Vergangenheit entflieht nicht, sie bleibt und verharrt bewegungslos«, heißt es bei Marcel Proust in seinem zehnbändigen Werk Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Wir müssen schon einiges von unserer Lebenszeit investieren, wenn wir das alles lesen wollen. Die Vergangenheit bliebe demnach auf rätselhafte Art erhalten, es änderte sich lediglich unser Verhältnis dazu – das täte es sogar zwangläufig, weil wir uns ständig in Bewegung befinden.
Vergeht denn wenigstens unsere schuldhafte Verstrickung, wenn die Jahre ins Land gehen? Wächst nicht doch irgendwann Gras darüber? Ist es jemals wieder gut, so wie uns die Mutter einst tröstete und Frieden stiftete, wenn sie sagte: So, Kinder, nun vertragt euch wieder, jetzt ist alles wieder gut? Gibt es so etwas wie Verjährung?
Normalerweise nach zwanzig Jahren. Selbst bei Kapitalverbrechen. Wer nach zwanzig Jahren seine Strafe abgesessen hat, kann wieder – sofern er nicht vorher schon wegen guter Führung entlassen wurde – zurück in die Freiheit, zurück in die Gesellschaft, deren Regeln er verletzt hat und kann versuchen, wieder Teil von ihr zu werden. Die böse Tat gilt dann als abgebüßt, als vergangen. So sehen wir es beispielsweise im Fall des Mörders im so genannten Kreuzworträtsel-Fall, einem der spektakulärsten und grausigsten Mordfälle in der DDR, der mit einem enormen Ermittlungsaufwand, in den eine halbe Millionen Leute einbezogen waren, verbunden war. Nach 17 Jahre Haft konnte der Täter unerkannt unter neuer Identität als freier Mensch ein neues Leben anfangen. Auch verurteilte Terroristen erhalten die Chance auf einen Neuanfang.
Selbst ein Täter, der nicht erwischt wurde, kann Verjährung geltend machen, auch wenn er nicht im Gefängnis gesessen hat und nicht verurteilt wurde. Nach zwanzig Jahren gilt die Vergangenheit als vergangen, egal wie Proust das sehen würde. Die Unschuldsvermutung und die Möglichkeit der Verjährung sind bedeutende zivilisatorische Errungenschaften, die das Zusammenleben erträglich machen, auch wenn dabei Schlupflöcher gelassen und nicht restlos alle Taten bestraft werden. Die Rückkehrmöglichkeit in die Gemeinschaft ermöglicht auf lange Sicht gesehen ein Zusammenleben, das weniger schädliche Nachwirkungen aufweist, als es bei einer lückenlosen Durchsetzung von Strafen der Fall wäre. Anhörung der Beschuldigten, faire Prozesse, Unschuldsvermutung, Schutz von Unschuldigen, Verjährung und Rückkehr-Möglichkeit schaffen die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben.
Feministen sehen das anders. Sie streben auch kein friedliches Zusammenleben an. Wenn sie die Axt anlegen, tun sie das gründlich: Ihr Bruch mit der Vergangenheit geht so weit, dass nicht nur Kunstwerke zerstört werden, obendrein werden wichtige zivilisatorische Errungenschaften zerschlagen, die für den Zusammenhalt einer Gesellschaft nicht nur vorteilhaft, sondern unerlässlich sind. Von der Kommunistin und Frauenrechtlerin Dolores Ibárruri, die für ihre Parole ¡No Pasarán! bekannt wurde, ist der Satz überliefert: »Es ist besser, dass hundert Unschuldige sterben, als dass ein Feind unserer Partei entkommt«. Damit markiert sie die extreme Gegenposition zum Wunsch nach sozialem Frieden: In einer humanen Gesellschaft scheut man das Risiko, Unschuldige zu bestrafen. Der Schutz von Unschuldigen wird so hoch wie nur irgend möglich angesetzt; so dass man es im Einzelfall – wenn auch zähneknirschend – in Kauf nimmt, auf eine Bestrafung zu verzichten. Denn eine Gesellschaft verroht und versinkt ins Bodenlose, wenn Unschuldige sich nicht mehr sicher fühlen können.
Soweit ist es gekommen. Für Männer. Heute kann ein Mann nicht mehr sicher sein, er kann sich nicht mehr sagen: Mir kann nichts passieren, solange ich mir nichts zuschulden kommen lasse, mich an Gesetze halte und alles richtig mache. Es kann ihm sehr wohl etwas passieren.
Das Damoklesschwert eines Sexismus-Vorwurfs hängt ständig über ihm. Einem unschuldigen Mann kann heute jederzeit etwas zugefügt werden, das ihn an den Rand seiner Existenz – und auch darüber hinaus – bringt. Wir haben uns fast daran gewöhnt. Damit wir uns auch richtig dran gewöhnen, hatte Alice Schwarzer 2012 – wie ironisch das auch immer gemeint war, bei ihr weiß man das nicht so genau – das Wort »Unschuldsvermutung« zum Unwort des Jahres vorgeschlagen.
Wir nähern uns Zuständen, die denen nach der französischen Revolution ähneln: Im November 1793 war jedweder religiöse Kult verboten. Es sollte nur noch die reine Vernunft herrschen, sonst nichts. Das Verbot war zwar gezielt gegen das Christentum gerichtet – Kirchen wurden entweiht, geplündert, gebrandschatzt; es wurde unsittliche Akte in den heiligen Räumen vollzogen –, es wurde jedoch pauschal als Verbot »aller« religiösen Kulte ausgegeben. Es sollte zukünftig nur noch ein einziger Kult gelten: der Kult der Vernunft. Er hatte auch schon seine eigenen 10 Gebote festgeschrieben, die für den wahren Republikaner gültig waren und streng befolgt werden sollten. Das vierte Gebot lautete: »Du sollst die Treulosen denunzieren, ohne die geringste Schonung.« So soll es wieder werden. Denunziation steht erneut hoch im Kurs und kann speziell in Deutschland auf ausgeprägte Traditionen zurückblicken. Womöglich spielt hier sogar eine spezielle Mentalität eine Rolle: Wenn in Deutschland denunziert wird, dann gründlich. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz reicht nicht. Um die Säuberung des Internets noch weiter voranzutreiben, soll es demnächst eine Anzeigepflicht geben.
Nicht nötig. Die Deutschen zeigen auch freiwillig an. Gerne, sogar sehr gerne, wie es aussieht. Auch nachträglich. Eigentlich sollte man nach zwanzig Jahren keine Strafe fordern und keine Klage führen können – es wird dennoch getan. Eigentlich sollte man keine neuen Gesetze rückwirkend anwenden dürfen – auch das wird getan. Es galt einmal das Rückwirkungsverbot, das für die Behandlung von Straftaten, die in der DDR begangen worden waren, große Bedeutung hatte, es galt einmal der Grundsatz nulla poena sine lege, nachdem eine Tat nur dann bestraft werden konnte, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde – das gilt alles nicht mehr. Heute werden, um es salopp zu sagen, »ohne Ende« Beschuldigungen nachgereicht und nachträgliche Umwertungen vorgenommen. Eine Obergrenze für Schamlosigkeit gibt es nicht. Eine Untergrenze für Bedeutungslosigkeit ebenfalls nicht. Sexismus kennt kein Vergessen, keine Gnade, kein Ende.
Der älteste Fall liegt 71 Jahre zurück, der älteste Übeltäter ist mittlerweile verstorben und saß zur Tatzeit bereits im Rollstuhl. Bei dem ältesten Fall handelt es sich um Gina Lollobrigida, die keine genauen Angaben mehr machen kann, nur noch so viel: »Das erste Mal war ich 19 Jahre alt, ich war unschuldig, kannte die Liebe nicht. Es war also schlimm«. Bei dem ältesten Übeltäter handelt es sich um George Bush Senior, der einen Fototermin mit der Schauspielerin Heather Lind hatte, die sich anschließend beklagte: »Er fasste mich aus seinem Rollstuhl von hinten an. Obendrein habe er einen »schmutzigen Witz« erzählt. Der Ex-Präsident hat sich daraufhin »aufrichtig« entschuldigt und darauf hingewiesen, dass er vom Rollstuhl aus seinen Arm nicht um ihre Schultern legen kann und er sowieso immer denselben Witz erzähle – vermutlich ein Herrenwitz. Um die Ernennung des Republikaners Brett Kavanaugh zum Obersten Bundesrichter zu verhindern, wurden Sexismus-Vorwürfe erhoben, die bereits über 36 Jahre alt waren. Die Professorin Christine Fair, die als »Friedensforscherin« (Anführungsstriche von mir) bekannt ist, rief dazu auf, alle Anhänger des »Serienvergewaltigers Kavanaugh« (Zitat von ihr) zu töten, außerdem »die Leichen weißer Männer zu kastrieren und an Schweine zu verfüttern« (ebenfalls Zitat von ihr). Dies ist kein Einzelfall einer unbedeutenden Stimme, die sich im Ton vergriffen hat, es ist der unverkennbare Sound der Feministen von heute.
Noch ein Beispiel. Nicht aus Hollywood. Aus Karlsruhe. Im Protokoll einer polizeilichen Vernehmung gibt eine Frau an, dass sie den Verdacht habe, ein entfernter Bekannter von ihr hätte einem anderen entfernten Bekannten vor mehr als zehn Jahren pornographisches Material, bestehend aus dem Foto einer vermutlich Minderjährigen, angeboten. Es klingt dermaßen banal, dass es ausgedacht wirkt. Der Fall ist echt und ist charakteristisch für eine Zeit, die ganz im Zeichen von MeToo steht. Auf die Frage, warum sie erst so spät eine Anzeige erstatte, antwortete sie: Damit müsse sie leben – als wäre sie diejenige, die leiden muss und könnte auch noch Mitgefühl für ihr Leid, das sie so lange mit sich herumtragen musste, beanspruchen. Wird es jemals aufhören? Wird niemals mit der Vergangenheit abgeschlossen?
Viele sehen das Jahr 1965 als ein Jahr, das mindestens so entscheidend war wie 1968, auch wenn es nicht den Legendenstatus hat. Weshalb? Kinder, die nach dem Krieg geboren wurden, erreichten 1965 die Volljährigkeit. Zwanzig Jahre wären vergangen. Damit würde auch Verjährung gelten, selbst für Kapitalverbrechen. Es wäre eine Art Schlussstrich, und so etwas war – aus welchen Gründen auch immer – damals nicht gewollt. Also wurde der Termin moderat angepasst. Eine pauschale Verjährung von Kriegsverbrechen sollte erst wenig später, also ab 1969 gelten, als wäre der Krieg nicht mit der Kapitulation, sondern erst mit der Gründung der Bundesrepublik 1949 beendet worden.
Dann kam 1968. Die viel zitierten Achtundsechziger haben es nicht so genau genommen mit der Geschichte, weder mit ihrer eigenen, noch mit der vor ihrer Zeit, erst recht nicht mit der Geschichte der DDR. Sie halten sich zugute, dass sie es waren, die Verbrechen des Nationalsozialismus aufgearbeitet hätten, die ansonsten im aufkommenden Wohlstand unter den Teppich gekehrt worden wären – doch so einfach ist es nicht. Es ist eines der Verdienste von Bettina Röhl, dass sie in ihrem Buch Die RAF hat euch lieb ausführlich darstellt, dass es sich in dem Fall um einen Lorbeerkranz handelt, den sich die 68er nicht aufs Haupt setzen sollten. Ihr Beitrag bestand vor allem darin, die Gesellschaft der BRD besinnungslos als »faschistoid« und als »tief braun« zu beschimpfen und das Verständnis für die Besonderheiten einer faschistischen Gesellschaft eher vernebelt als erhellt zu haben.
Rudi Dutschke war der Meinung, dass der neue Faschismus schon in der »mangelnden Kommunikation« der »Herrschenden« mit den »Massen« läge, Biermann sprach von einem »braunen Sumpf«, in den er in der BRD hineingeraten wäre, was er mit der Bemerkung, er wäre vom »Regen in die Jauche« gekommen, später noch einmal bestätigte. Das waren nicht gerade zutreffende Einschätzungen von den tatsächlichen Verhältnissen in der BRD, es war DDR-Propaganda, die unreflektiert übernommen wurde. Die DDR wurde durch eine rosarote Brille gesehen, die BRD durch eine braune. Es gehörte zur notwendigen Selbstrechtfertigung der DDR, stets aufs Neue zu beteuern, dass der alte Faschismus in der neuen Bundesrepublik ungebrochen weiterlebt. Um das Schreckgespenst am Leben zu halten, hat die Stasi selbst für Hakenkreuz-Schmierereien im Westen gesorgt und die NPD unterwandert. Der kapitalistische Westen sollte sich schuldig fühlen, auch wenn Hannah Arendt meinte: »Moralisch gesehen ist es ebenso falsch, sich schuldig zu fühlen, ohne etwas Bestimmtes angerichtet zu haben, wie sich schuldlos zu fühlen, wenn man tatsächlich etwas begangen hat. Ich habe es immer für den Inbegriff moralischer Verwirrung gehalten, dass sich im Deutschland der Nachkriegszeit diejenigen, die völlig frei von Schuld waren, gegenseitig und aller Welt versicherten, wie schuldig sie sich fühlten.«
Im Jahr 1969 konnte in der aktuellen Stimmung jedenfalls kein Schlussstrich gezogen werden. Das Problem wurde vertagt. Der Bundestag gab noch einmal zehn Jahre drauf und setzte einen neuen Termin an. Eine Verjährung sollte erst ab dem Jahre 1979 gelten. Doch just in dem Jahr brach Marvin Chomskys Vierteiler Holocaust mit Meryl Streep, der die Familiengeschichte der jüdischen Familie Weiss nachzeichnete, sämtliche Rekorde und brachte die Gemüter in Rage. Es wurde eine öffentliche Diskussion um die Judenverfolgung in Gang setzt, wie es sie in diesem Ausmaß bisher nicht gegeben hatte. Etwa 250 Millionen Zuschauer haben den Film gesehen – also fast jeder zweite Erwachsene. An die Ausstrahlung einer jeder Folge schlossen sich Expertenrunden an, zu denen sich dermaßen viele Anrufer zu Wort meldeten, dass die Funkhäuser dem Andrang nicht mehr gewachsen waren. Der »Holocaust« – ein Wort, das die meisten vorher noch gar nicht gehört hatten – kam auf die Titelseiten der Magazine und ging in den Wortschatz ein. Die Diskussion erreichte auch den Bundestag, der sich entschied, die für 1979 vorgesehene Verjährung doch nicht zu gewähren. Frank Bösch, Verfasser des Buches Zeitenwende 1979. Als die Welt von heute begann, meint, dass ab Ende 1979 keine NS-Täter mehr verurteilt worden wären, wenn es die Serie nicht gegeben hätte. »Sie hat dazu beigetragen, dass der Bundestag die Verjährung von Mord aufhob.« Es wurden weiterhin Täter verurteilt, sofern man ihrer noch habhaft werden konnte. Eine Verjährung der Verbrechen der Nazi-Zeit ist nicht eingetreten.
Faschismus vergeht nicht. Sexismus auch nicht. Warum nicht? Warum ist ausgerechnet der Sexismus derartig schlimm, dass zu seiner Bekämpfung sogar zivilisatorische Grundwerte und bestehende Rechtssysteme, die sich bewährt haben, aushebelt werden? Was ist überhaupt Sexismus?
Den folgenden Text habe ich mit copy & paste übernommen, als wollte ich in betrügerischer Absicht eine Doktorarbeit schreiben (es gibt also keine Tippfehler meinerseits). Ich gebe nicht meine eigene Meinung wieder, ich habe eine Passage ausgesucht, um einen anderen Autor, den ich ansonsten schätze, erklären zu lassen, was Sexismus ist. Alexander Grau schreibt:
»Und in der Tat: Sexismus ist keine Einbildung wild gewordener Feministinnen. Wenn Frauen aufgrund ihres Geschlechtes Schuldbildung verweigert wird, wenn sie kein Auto fahren und nur die hintere Hälfte eines öffentlichen Verkehrsmittels nutzen dürfen, wenn ihnen der Zugang zu Berufen versperrt ist, die sie genau so gut ausüben könnten wie Männer, dann handelt es sich schlicht um Sexismus: um Diskriminierung aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit, fast immer verteidigt im Namen der Kultur und der Tradition.«
Das also soll Sexismus sein. Solche und ähnliche Erklärungen kennen wir vermutlich schon. Ich gebe zu, dass ich den Text beim ersten Lesen nicht überzeugend fand, doch dann blinzelte mir Sigmund Freud zu. Ich hatte die Fehlleistung zunächst nicht bemerkt. Es heißt: »Wenn Frauen aufgrund ihres Geschlechtes …« – Achtung, nun kommt es! – »Schuldbildung« verweigert wird …«
So ergibt der Satz überhaupt erst einen Sinn; denn »Schulbildung«, wie ich beim flüchtigen Überfliegen zunächst gelesen hatte, wird Frauen keineswegs verweigert, die Zeiten sind vorbei, »Schuldbildung« wird ihnen sehr wohl verweigert, sowohl in Hinblick auf »Schuld« als auch auf »Bildung«.
Das Schuldprinzip wurde mit der Scheidungsreform von 1977 abgeschafft. So sagt man. Doch das Schuldprinzip wurde nicht grundsätzlich abgeschafft, der Mann wurde vielmehr grundsätzlich zum Schuldigen. Das war das Neue an der Reform. Sie brachte es mit sich, dass für den Mann eine Scheidung gar keine ist und er weiterhin zahlen muss, auch wenn die Frau »schuldig« ist und mit einem neuen Liebhaber durchbrennt. Das hatte es vorher nicht gegeben. Aus der Frage »Wer hat die Schuld?« wurde »Wer hat mehr Geld?«
Georg Friedenberger hat die Fehlentwicklung in seinem Buch Die Rechte der Frauen. Narrenfreiheit für das weibliche Geschlecht? ausführlich beschrieben. An zwei Stellen wurde das Rechtssystem ausgehebelt, um Frauen grundsätzlich straffrei zu stellen und pauschal für »unschuldig« zu erklären: bei der Frage der Abtreibung und der Scheidung. Das Schuldprinzip wurde – so gesehen – tatsächlich abgeschafft. Jedoch nur für Frauen.
Sie sind nicht schuldig, sie sind immer Opfer. Eine persönliche Schuld wird ausgeschlossen, weil bei einer sexistischen Betrachtungsweise eine Frau stets als Mitglied der Gruppe »die Frauen« gesehen wird, für die nicht etwa eine Kollektivschuld, sondern eine Kollektivunschuld gilt. Wenn ich sagen würde, dass »Frauen« keinen Zugang zu höherer Bildung haben sollten (was ich natürlich nie tun würde, es tut auch sonst niemand…), dann wäre das in der Tat eine sexistische Bemerkung, die zu Recht »sexistisch« genannt würde. Wenn ich jedoch nicht von »Frauen« spräche, sondern vorschlüge, dass »alle, die nicht lesen und schreiben können«, keinen Zugang zu höhere Bildung haben sollten, dann ist das nicht sexistisch; es käme dann noch ein weiterer Faktor ins Spiel (die Lese- und Schreibfähigkeit) und Männer würden ebenso berücksichtigt (es gibt auch Männer, die nicht lesen können).
Sexismus entsteht also erst in dem Moment, wenn ich radikal zwischen Männern und Frauen trenne, Männer gänzlich unberücksichtigt lasse und alle Kennzeichen außer der Geschlechtsangabe ignoriere. Nach diesem Muster sind die Sexismus-Vorwürfe gestrickt. Bei der Betrachtung eines Einzelfalles wird das besonders deutlich: Verweigerte jemand einer Frau den Zugang zum Studium aufgrund ihres Geschlechts, hätten wir einen waschechten Fall von Sexismus. Sollte es an anderen Faktoren liegen, wäre es weder ein Fall von Diskriminierung noch von Sexismus. Die Gruppenzugehörigkeit schützt sie vor der Bewertung als Einzelfall.
Manche Frauen glauben auch, dass sie schon deshalb unschuldig wären, weil sie gar nichts getan haben und auch weiterhin nichts tun. Dann nämlich – so denken sie – machen sie auch nichts falsch. Deshalb sind ihre Sätze vorzugsweise im Passiv-Modus gehalten und sie verschleiern, wer derjenige ist, der da etwas tut. Zu ihrer ausgeprägten Vorliebe für die Passiv-Form (manche ihrer Sätze sind gar nicht aktivfähig und somit unvollständig, man kann nicht sagen, wer Täter ist) kommt noch etwas hinzu, das Karen Straughan auf ihrem Blog GirlWritesWhat als hyperagency bezeichnet, was so viel heißt wie Unterverantwortlichkeit.
Als sie in jungen Jahren Gruppenausflüge in die kanadischen Wälder unternommen hatte, so erzählt sie, hatte ihr Scout gleich zu Anfang die wichtigste Überlebensregel erklärt: Wenn jemand verloren gehen würde, sollte er sich nicht von der Stelle rühren und Laut geben. Keinesfalls sollte er besinnungslos herumirren und auf eigene Faust versuchen, wieder Anschluss an die Gruppe zu finden. Dann wäre er endgültig verloren. Diese Lebensregel, so erklärt es Straughan, gelte für Leute, die sicher sein können, dass andere sich um sie kümmern und nach ihnen suchen werden; es wäre die weibliche Art, sich i...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. INHALT
  4. Willkommen im Vorgarten
  5. Schlaflose Nächte und Schreie in der Nacht
  6. Die Schrecken der Flut und die Schrecken der Ebbe
  7. Hände hoch! Keine falsche Bewegung!
  8. Männer machen nicht mehr mit
  9. Rotes Licht für die Liebe. Grünes Licht für Sex
  10. Die nackte Lüge
  11. Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose
  12. Die geheimen Träume der Halbweltfrauen
  13. Der böse Blick einer Frau mit Augenklappe
  14. The Winner Takes It All
  15. Bielefeld gibt es. Die Welt dagegen gibt es nicht
  16. Keine Empathie für niemand
  17. Etikettenschwindel, wenn es ans Eingemachte geht
  18. Das Argument der großen Axt
  19. Die Freiheit zu tun, was einem gesagt wird
  20. Das dunkle Geheimnis des Frauenkalenders
  21. Mach mit! Es gibt Geld und ein gutes Gewissen
  22. Der Vergewaltiger im Sammeltaxi
  23. Die Waffe der Ölweiber
  24. Die Empfindlichkeit der Schneeflocken in Zeiten der Erderwärmung
  25. Von »Yeah, Yeah, Yeah!« zu »Nein heißt Nein!«
  26. Die Revolution hat keine Kinder, die sie fressen könnte
  27. Der Blick durch die Tuba
  28. Schuld und Schulden der Vergangenheit
  29. Die Schrift an der Wand
  30. Von der Apo zur Apokalypse zur Fempokalypse
  31. Der Weltuntergang als Kleinkunstprogramm
  32. Kaputte Retourkutschen
  33. Von nichts kommt nicht nichts
  34. Das unfassbare Risiko der Hausfrau und Mutter
  35. Auf der Suche nach dem guten Menschen
  36. Return to Paradise – zurück im Garten
  37. Impressum