Zitate der ›Aeneis‹ in den Briefen des Hieronymus
Eine digitale Intertextualitätsanalyse zur Untersuchung kultureller Transformationsprozesse
- 407 Seiten
- German
- ePUB (handyfreundlich)
- Über iOS und Android verfügbar
Zitate der ›Aeneis‹ in den Briefen des Hieronymus
Eine digitale Intertextualitätsanalyse zur Untersuchung kultureller Transformationsprozesse
Über dieses Buch
In his extremely rhetorically adept letters, the Doctor of the Church Jerome addresses a deep inner conflict between Virgil and the Gospels, between Cicero and the apostles. This volume traces these cultural transformation processes using Jerome's strategy of intertextuality. The research interest is divided into a methodological and a content-related part. On the one hand, digital methods of citation analysis are (further) developed and evaluated. Using computer-aided methods, the number of quotations of the Aeneid will be significantly increased by more than a third and at the same time the theoretical concept of quotation will be significantly sharpened. On the other hand, hermeneutic methods are used to create a typology of quotations, which not only reveals the 'limits' of text interpretation, but also draws a more differentiated picture of Jerome's citation technique. The work reveals a linguistic-stylistic hybridisation that enables a modified and deeper insight into the actual, subterranean adaptations of the classical-pagan literary heritage by the early Christian author.
Häufig gestellte Fragen
Information
1 Einführung
interim parabantur exsequiae et uitalis animae calor toto frigente iam corpore in solo tantum tepente pectusculo palpitabat, cum subito raptus in spiritu ad tribunal iudicis pertrahor, ubi tantum luminis et tantum erat ex circumstantium claritate fulgoris, ut proiectus in terram sursum aspicere non auderem. interrogatus condicionem Christianum me esse respondi.(Hier. ep. 22,30,3–4)Mittlerweile traf man Vorkehrungen zu meiner Beerdigung und während mein gesamter Leib schon kalt war, flackerte die Glut des Lebensgeistes allein noch in der schwachen und nur mehr lauwarmen Brust, als ich plötzlich fortgerissen und im Geiste vor den Richterstuhl geschleppt wurde, wo mich so viel Licht und aus der Vorzüglichkeit der Umstehenden so viel Glanz umstrahlte, dass ich mich zu Boden warf und nicht wagte, aufzublicken. Befragt nach meiner persönlichen Lage antwortete ich, ich sei Christ.1
et ille, qui residebat: ‚mentiris‘, ait, ‚Ciceronianus es, non Christianus; ubi thesaurus tuus, ibi et cor tuum. ‘(Hier. ep. 22,30,4)Aber der Vorsitzende entgegnete: ‚Du lügst! Ein Ciceronianer bist du, kein Christ. Wo dein Schatz ist , dort ist auch dein Herz (Matth 6,21).‘
ilico obmutui et inter verbera – nam caedi me iusserat – conscientiae magis igne torquebar (. . .) ego, qui tanto constrictus articulo uellem etiam maiora promittere, deiurare coepi et nomen eius obtestans dicere: ‚domine, si umquam habuero codices saeculares, si legero, te negaui‘.(Hier. ep. 22,30,4–5)Sogleich verstummte ich und unter den Hieben – denn er ließ mich schlagen – quälte mich mehr noch das Brennen des Gewissens. (. . .) Ich wollte in meiner tiefen Not noch Bedeutenderes versprechen und begann daher zu schwören und bei seinem Namen zu bezeugen: ‚Herr, wenn ich je wieder heidnische Schriften besitze, wenn ich sie lese, habe ich dich verleugnet.‘
- – Welche frühchristlichen Verarbeitungsstrategien der kulturellen Hybridisierung können anhand der Integrationsformen heidnischer Zitate in christlichasketischen Texten beobachtet werden?
- – Inwiefern können diese literarischen Strategien produktionsästhetisch als Instrumente der Autorisierung und Legitimierung des eigenen Schreibens oder als Praktiken kultureller Abgrenzung und Distanzierung aufgefasst werden?
- – Welche Rolle spielt das Zitieren für die hieronymianische Konzeption christlicher Autorenschaft? Welches Selbstbewusstsein des Hieronymus als Autor wird daraus ersichtlich?
- – Können Methoden der digitalen Textanalyse zur Detektion von Zitaten effektiv eingesetzt werden, um auf diese Weise den bestehenden Fundus an intertextuellen Stellen zu erweitern und das theoretische Verständnis des Zitatphänomens zu vertiefen?
- – Da es sich bei vorliegendem mixed methods-Einsatz um ein methodisches Experiment handelt, stellt sich ferner folgende Frage: Welche Potentiale bergen sowohl computergestützte Textanalysemethoden als auch traditionell-manuelle Verfahren?
- – Inwiefern können digitale und traditionell-manuelle Verfahren zielführend miteinander kombiniert werden?
1.1 Ein transformationsorientierter Analyseansatz
Inhaltsverzeichnis
- Title Page
- Copyright
- Contents
- Vorwort
- Abbildungen
- 1 Einführung
- 2 Grundzüge der bisherigen Hieronymus-Forschung
- 3 Zitieren als Kulturtechnik
- 4 Digitale Textanalysemethoden in der antikebezogenen Literaturwissenschaft
- 5 Die Digitalisierung der Briefe des Hieronymus
- 6 Der Untersuchungsaufbau
- 7 Close reading und Typologisierung der Zitate
- 8 Evaluation des mixed methods-Ansatzes
- 9 Intertextualität als Verhandlungsort kultureller Transformation
- 10 Schlussbemerkung
- Anhang I: ‚Manueller Goldstandard‘
- Anhang II: Digitale Neufunde der Zitattypen 1 bis 7
- Anhang III: Im close reading aussortierte digitale Funde
- Literaturverzeichnis
- Sach- und Begriffsregister