Südafrika
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Südafrika

Geschichte und Gegenwart

  1. 276 Seiten
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Südafrika

Geschichte und Gegenwart

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Südafrika blickt auf eine jahrtausendealte Geschichte zurück und gilt als Ursprungsort der Menschheit. Mit dem Eintreffen der ersten Schiffe der niederländischen Ostindien-Handelskompanie begann die Kolonialgeschichte Südafrikas, die Zwangseinwanderung von Sklaven und die systematische Unterwerfung der indigenen Bevölkerung. Die Apartheidpolitik des 20. Jahrhunderts bedeutete eine weitere Verschärfung des Rassismus, der zur Grundlage der Staatsordnung wurde.Christoph Marx vermittelt gut lesbar die grundlegenden Informationen zur Geschichte des Landes bis in die unmittelbare Gegenwart. Dabei legt er einen Schwerpunkt auf die politische Ereignisgeschichte vor allem des 20. Jahrhunderts und einen weiteren auf die ungemein facettenreiche Wirtschafts-, Kultur- und Sozialgeschichte.

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Information

Jahr
2022
ISBN
9783170410060

1 Die Frühzeit und die langen Konstanten der Geschichte

1.1 Die Wiege der Menschheit

Im November 1924 erhielt ein 32-jähriger Professor für Anatomie an der University of the Witwatersrand im südafrikanischen Johannesburg einen fossilen Kinderschädel zugesandt. Nach dessen eingehender Untersuchung verkündete er im Februar 1925, dass der Schädel einer bisher unbekannten Hominidenart zuzurechnen sei, die er Australopithecus (der Affe des Südens) nannte. Mit dieser Erkenntnis revolutionierte der gebürtige Australier Raymond Dart das Bild von der Frühgeschichte der Menschheit. Bis dahin hatte die Gelehrtenwelt vermutet, dass der Ursprung der Menschheit in Europa oder in Asien lag. Darts Entdeckung war lange umstritten, doch spätere Funde bestätigten, dass die Vorläufer des Homo Sapiens aus Afrika stammten. Mittlerweile hat sich das Bild jedoch erheblich differenziert, da man zahlreiche Arten von Hominiden gefunden hat, von denen einige als Vorläufer des Homo Sapiens in Frage kommen. Sie lebten in besonders großer Zahl und Vielfalt im südlichen und östlichen Afrika und breiteten sich von dort vor ca. 2 Millionen Jahren in andere Teile der Welt aus.
Seit den 1950er Jahren begannen südafrikanische Paläoanthropologen, in einem Gebiet westlich der Hauptstadt Pretoria systematisch fossilierte Knochen auszugraben und zu untersuchen. Mit Hilfe neu entwickelter Datierungstechniken gelang es ihnen, hunderte von Knochenfunden auf einen Zeitraum zu bestimmen, der ein bis zwei Millionen Jahre zurückreichte. Damit wurde die Evolutionsgeschichte des Menschen erheblich ausgeweitet. Die Dichte der Funde belegt mittlerweile, dass der Ursprung der Menschheit in Afrika zu suchen ist, d. h. ungeachtet der Ausbreitung von Vorläufern des Homo Sapiens in andere Weltregionen fand die eigentliche Weiterentwicklung vom Australopithecus über den Homo Erectus zum Homo Sapiens vor ca. 200 000 Jahren im südlichen Afrika statt. Vor ca. 70 000 Jahren begannen diese Menschen, sich auch außerhalb Afrikas auszubreiten. Dies gelang ihnen aufgrund ihres spezifischen Entwicklungspfades, denn der Homo Sapiens entwickelte sich aus derjenigen Vorform des Menschen, die sich nicht mehr biologisch durch Mutation an wechselnde Habitate anpasste, sondern kulturell, indem sie Werkzeuge nutzte und soziale Techniken des Überlebens intensivierte.
In den letzten Jahrzehnten hat die Forschung große Fortschritte gemacht, als neue Funde das Bild der menschlichen Evolution erheblich erweiterten und differenzierten. So entdeckte im August 2008 der damals neunjährige Matthew Berger einen Knochen, über den eine bis dahin unbekannte Spezies identifiziert werden konnte, die Australopithecus sediba getauft wurde. Im Mai 2010 wurde mit dem Homo gautengensis eine weitere neue Spezies gefunden, die bereits der Gattung Mensch zuzurechnen ist. Diese südafrikanischen Funde sind weitere Belege für die These, dass sich die Vorgeschichte des Menschen offensichtlich im südlichen und östlichen Afrika abspielte und dass die Gattung Homo Sapiens sich von hier aus über den Globus ausbreitete.
Schon die Australopithecinen benutzten Werkzeuge, allerdings wenig systematisch. Erst die frühen Vertreter der Gattung Homo entwickelten Werkzeuge, die sie ursprünglich eher zufällig entdeckt haben dürften, zielgerichtet weiter. Die Kulturentwicklung beginnt nicht erst mit dem Homo Sapiens, die Steinzeit reicht viel weiter als bis zu dessen erstem Auftreten vor 70 000 Jahren zurück. Lernen ist bis zu dieser Zeit noch mit der biologischen Weiterentwicklung zum Homo Sapiens, insbesondere mit dem Wachstum des Gehirns, eng verknüpft. Beim Homo Sapiens konnte jedoch die kulturelle Entwicklung, nachdem die biologische Evolution weitgehend abgeschlossen war, ihrer Eigendynamik folgen. Menschen zeichneten sich fortan dadurch aus, dass sie als gesellschaftliche Wesen auftraten, die miteinander über Sprache und Symbolsysteme kommunizierten.
Den Zeitraum, da die Vorläufer des heutigen Menschen zum ersten Mal Steine benutzten, die sie bald zu Faustkeilen und anderen einfachen Werkzeugen bearbeiteten, nennt man die frühe Steinzeit, die auf den Zeitraum zwischen 2,5 Millionen und 250 000 Jahren berechnet wird. Die Funde in Südafrika zählen zu den ältesten, denn sie beziehen neben den frühen Vorläufern des Homo Sapiens sogar die Australopithecinen mit ein. Funde entsprechender Werkzeuge in Europa können auf eine Zeit datiert werden, die im Gegensatz dazu »nur« etwa 600 000 Jahre zurückreicht. In den langen Jahrtausenden der frühen Steinzeit wurden die Werkzeuge allmählich nicht nur feiner, sondern differenzierten sich für spezifische Zwecke aus. Diese Entwicklung setzte sich in der mittleren Steinzeit fort, die vor etwa 25 000 Jahren endete. In dieser Zeit lebten die Vorläufer des Homo Sapiens bereits in Höhlen und hatten eine größere Mobilität entwickelt, weil sie entdeckt hatten, dass sich Wasser in den Schalen von Straußeneiern transportieren ließ. Bereits für die Zeit vor 77 000 Jahren, also noch vor dem Erscheinen des Homo Sapiens, ist die Nutzung des Feuers durch Ablagerungen von Asche nachgewiesen ebenso wie die erste Benutzung von Symbolen. Dabei handelte es sich um Ornamente auf Muschelschalen, die möglicherweise Kennzeichen von Gruppenzugehörigkeit waren. Keinesfalls darf man für einen so riesigen Zeitraum von einer Siedlungskontinuität in dem Sinn sprechen, dass in derselben Region ortsfeste Gruppen und ihre Nachkommen von der Frühzeit des Menschen bis in die jüngere Vergangenheit gelebt hätten. Es führt keine gerade und nachweisbare Linie von den Menschen der Altsteinzeit zu den rezenten Buschleuten, die ihre kulturellen Spuren in den Felsmalereien hinterlassen haben.
Der Begriff der Steinzeit ist eine relative archäologische Datierung und bezieht sich auf erhaltene Artefakte aus Stein. Aus diesem Grund ist es möglich, dass Bevölkerungen, die Steinwerkzeuge benutzten, zur gleichen Zeit und im selben Gebiet lebten, wie Menschen, die bereits Metallverarbeitung kannten. Dies gilt für das südliche Afrika für die letzten 2000 Jahre, da die Khoisan keine Metalle bearbeiteten, ihre bantusprachigen Nachbarn jedoch sehr wohl.
Selbst für die späte Steinzeit gibt es nur ungefähre Zeitangaben, da die Entwicklungen regional höchst unterschiedlich verliefen. Die »neolitische Revolution« mit der Herausbildung von Ackerbau und Viehzucht sowie der Entstehung der ersten städtischen Siedlungen ist nur regional datierbar. Die späte Steinzeit brachte im südlichen Afrika neue technische Erfindungen, vor allem mit dem Aufkommen von Pfeil und Bogen und besonders fein gearbeiteten, sehr kleinen Steinwerkzeugen. Etwa 10 000 Jahre vor unserer Zeit nimmt die Zahl der spätsteinzeitlichen Fundorte im südlichen Afrika stark zu, was auf ein rasches Bevölkerungswachstum hinweist. Dies hat auch mit der letzten Eiszeit zu tun, die im südlichen Afrika in Form eines feuchteren Klimas und damit einhergehender größerer Pflanzen- und Tiervielfalt zum Ausdruck kam. Wir wissen aus den archäologischen Funden viel über die frühe Geschichte der Technologie, doch erst ab den Felsbildern, deren älteste etwa 20 000 Jahre alt sind, lässt sich eine Kontinuität der Bevölkerung annehmen und vermuten, dass die Schöpfer dieser Bilder möglicherweise die Vorfahren der heutigen Khoisan waren. Doch bevor auf die Bevölkerung Südafrikas in historisch greifbarer Zeit eingegangen wird, soll in aller Kürze ihr Lebensraum vorgestellt werden.

1.2 Der menschliche Lebensraum Südafrika

Als südliches Afrika wird der Raum südlich der Flüsse Sambesi und Kunene bezeichnet, als Südafrika dagegen das Gebiet, das heute die Republik Südafrika ausmacht. Letzteres ist 1,2 Millionen km2 groß und erstreckt sich zwischen dem 35. und dem 22. Grad südlicher Breite. Südafrika liegt darum in zwei unterschiedlichen Klimazonen, was erhebliche Auswirkungen auf Bevölkerungsverteilung und Wirtschaftsentwicklung hatte. Der größte, nördlichere Teil des Landes ist Sommerregenzone, weshalb die Hauptniederschläge im südlichen Sommer, nämlich zwischen November und März fallen, während sich die Winter durch wolkenlose Himmel auszeichnen. Obwohl die Tageshöchsttemperaturen diejenigen eines mitteleuropäischen Frühlingstages erreichen können, haben die fehlenden Wolken in der Nacht starke Abkühlungen zur Folge. Daraus resultieren erhebliche tägliche Temperaturschwanken, die im Zentrum des Landes gelegentlich bis zu 30° C. ausmachen können. Den klimatischen Bedingungen sind auch die Hauptnahrungspflanzen angepasst, die die Afrikaner in der vorkolonialen Zeit anbauten, vor allem Hirse und Sorghum. Das Sommerregengebiet lässt sich seinerseits in zwei Großregionen unterteilen, zunächst den Küstenstreifen am Indischen Ozean zwischen dem heutigen Mosambik und der Hafenstadt Port Elizabeth. Dieses Gebiet liegt zwischen dem Meer und Gebirgszügen, die parallel zur Küste verlaufen und bei Lesotho, einem Enklavenstaat mitten im heutigen Südafrika, alpine Höhen von mehr als 3000 Meter erreichen. Dadurch kommt es zu Steigungsregen, zumal die Ostküste von den Monsunwinden des Indischen Ozeans erreicht wird. Zahlreiche kleinere Flüsse haben sich tief in die Hügellandschaft eingegraben, die dadurch außerordentlich stark gegliedert ist. Der größte dieser Flüsse ist der Tugela, der lange Zeit die Südgrenze des Zulureiches bildete. Die Region zeichnete sich schon in vorkolonialer Zeit durch eine vergleichsweise dichte Besiedlung aus.
Die zweite Region, das Landesinnere Südafrikas, bezeichnet man als Highveld, eine typisch südafrikanische bilinguale Wortbildung – ein Hochland, das aus leicht hügeligen Ebenen besteht, die bis zu 2000 Meter über dem Meeresspiegel liegen und dadurch frei von den meisten tropischen Infektionskrankheiten wie Malaria oder Tsetse sind. Im Zentrum des südlichen Afrikas erstreckt sich mit der Kalahari eine große Wüste, die den größten Teil des heutigen Botswana einnimmt. Es ist im Wesentlichen den Monsunregen zu verdanken, dass die Kalahari nicht bis zur Ostküste reicht. Das Niederschlagsgefälle von Ost nach West hat Auswirkungen auf die menschlichen Lebensformen, denn die westlichen Regionen sind sehr dünn besiedelt, während im Osten, vor allem in Flusstälern, größere Bevölkerungsdichten erreicht werden. Die 50 cm-Niederschlagsgrenze im Jahresdurchschnitt zieht sich durch dieses Gebiet, jenseits derer landwirtschaftlicher Anbau mit großen Risiken behaftet ist.
Die Menschen, die das Highveld bewohnen, gehören der Sprachgruppe der Tswana-Sotho an, was sich auch in den Namen der beiden Nachbarstaaten Südafrikas, Botswana und Lesotho, wiederfindet. Das Highveld wird durch zwei große Flusssysteme gegliedert, nämlich den Limpopo, der die Nordgrenze des heutigen Südafrika bildet und in Mosambik in den Indischen Ozean mündet. Das andere, größere Flusssystem, der Oranje und sein wichtigster Nebenfluss, der wegen seines schlammigen Wassers der »fahle Fluss« (Vaal River) genannt wird, erstreckt sich entlang des Südrands der Kalahari zum Atlantik. Sein letzter Abschnitt bildet heute die Staatsgrenze zu Namibia. Insgesamt ist jedoch das Highveld weniger mit Wasserläufen gesegnet als die Ostküste und häufiger von Dürren bedroht. Wegen Stromschnellen und Wasserfällen, aber auch aufgrund des stark variierenden Wasserstandes ist keiner der südafrikanischen Flüsse schiffbar.
Ähnlich wie nach Osten wird das Highveld auch nach Süden durch eine Bergkette vom Küstenstreifen getrennt. Im Unterschied zum Rest des Landes gehört die Südküste zu einer anderen Klimazone. Sie ist nämlich von einem mediterranen Klima mit Winterregen (Juni bis August) und heißen, trockenen Sommern geprägt. Diese Zone reicht etwa von Port Elizabeth bis ans Kap der Guten Hoffnung und einige hundert Kilometer an der Atlantikküste nach Norden. Da sich die Wolken, die vom Indischen Ozean kommen, an dem parallel zur Südküste verlaufenden Gebirge abregnen, bleibt das Land nördlich davon entsprechend trocken: die große Halbwüste der Karoo, die einen beträchtlichen Teil des Northern, Western und Eastern Cape ausmacht. Weil der Süden durch die Karoo und die nördlich daran anschließende Kalahari vom subtropischen Afrika getrennt ist, konnte sich hier eine eigene ökologische Zone herausbilden, die kleinste von insgesamt sechs botanischen Provinzen der Erde, die aber die höchste Artenvielfalt aufweist. Dies betrifft vor allem kleine Strauchgewächse, den sogenannten fynbos (wörtl.: Feinbusch), zu dem etwa der Rooibos (Rotbusch) zählt, aus dem Tee gewonnen wird, der sich mittlerweile in Europa großer Beliebtheit erfreut. Vor allem aber gab es keine domestizierte indigene Nahrungspflanze, die in dieser Region gedieh, weshalb das Siedlungsgebiet der bantusprachigen Afrikaner, die auch Bodenbau betrieben, auf das Sommerregengebiet beschränkt blieb. Dagegen siedelten die als Viehzüchter lebenden Khoikhoi weiter westlich bis zur Atlantikküste.

1.3 Die KhoiSan

Die steinzeitlichen Bewohner des südlichen Afrikas weisen für die letzten etwa 20 000 Jahre eine Siedlungskontinuität auf, wofür ihre Felsbilder die Hauptbelege sind, die man im gesamten südlichen Afrika heute noch bewundern kann. So geht das, was man über die gesellschaftlichen Strukturen der Khoisan weiß, auf die Beschreibungen zurück, die andere über sie hinterlassen haben, da diese Bevölkerung keine Schrift benutzte. Es ist immer problematisch, Aussagen zu treffen, die von rezenten Beobachtungen ausgehen und diese auf frühere Zeiten projizieren, weil uns für deren Rekonstruktion die Daten fehlen. Gleichwohl kann man mit einiger Vorsicht aufgrund archäologischer Funde einiges über Strukturen aussagen, die eine lange Dauer aufwiesen. Die Aufmerksamkeit für die langen Zeitdauern in der Geschichte geht auf den französischen Historiker Fernand Braudel zurück. Er hat in seinem berühmten Buch über das Mittelmeer verschiedene Phasen der historischen Entwicklung unterschieden, wobei die »longue durée« Jahrhunderte überspannende, fast stillstehende, weil von ökologischen Naturbedingungen bestimmte Strukturen erfasst. Im südlichen Afrika können solche langdauernden Strukturen neben relativ kurzfristigen Änderungen stehen. So ist die geschlechtliche Arbeitsteilung der Afrikaner offenbar eine solche Konstante, während die Anbauprodukte, Schmuckgegenstände und Kleidung, Literatur und politische Einrichtungen einem rascheren Wandel unterliegen. Beharrung und Innovation finden sich oft gleichzeitig in einer Gesellschaft. Wenn man stabile Strukturen beschreibt, impliziert dies also nicht, dass die beschriebenen Gesellschaften statisch und traditionsverhaftet wären. Auch in Europa gibt es solche Konstanten, etwa bei den Verwandtschaftssystemen, doch kann man von langen Zeitdauern auch in anderen Regionen der Welt ausgehen.
Obwohl über ihren Ursprung und ihre Herkunft nichts weiter bekannt ist, so kann als sicher gelten, dass die Khoisan in kleinen Gruppen weit verstreut im ganzen südlichen Afrika lebten. Ihre Sprachen waren soweit miteinander verwandt, dass die linguistische Bezeichnung dafür auch auf die Bevölkerung selbst angewandt wird: KhoiSan. Wie die Schreibweise schon andeutet, umfasst sie zwei große Bevölkerungsgruppen, die allerdings keine klar voneinander trennbaren politischen oder kulturellen Einheiten bilden, nämlich die San und die Khoikhoi. Sie unterscheiden sich weniger kulturell, als vielmehr in erster Linie durch ihre Wirtschaftsweise, wobei der Wechsel von der einen zur anderen Lebensweise möglich war.
Die eine dieser Gruppen nennt man San oder mit einer älteren Bezeichnung Buschleute, womit ihre Zeitgenossen die Lebensform charakterisierten. Denn Buschleute lebten vor der Kolonialzeit nicht in festen Dörfern oder anderen Siedlungen, die sich von der Wildnis, eben dem Busch, deutlich abgrenzen ließen. Ihren Nachbarn erschienen sie als Bewohner der Wildnis, weil sie sich von dem ernährten, was sie in der Natur fanden. Die Ethnologen sprechen von Wildbeutern, die sich ihre Nahrung durch Jagen und Sammeln sicherten. Neben der Jagd auf Tiere, wozu in den Küstengebieten auch das Sammeln von Meeresfrüchten gehörte, ernährten sich diese Menschen von wild wachsenden Pflanzen. Diese Lebensweise erforderte neben einer hohen Mobilität das Leben in kleinen Gruppen, um die Risiken im Fall von Dürrezeiten oder ausbleibendem Jagdglück so gering wie möglich zu halten. Auch wenn sich die verschiedenen kleineren Gruppen, die selten mehr als 20 Menschen umfassten, zu bestimmten Jahreszeiten zu Festen und Ritualen zusammenfanden, so waren diese größeren Treffen doch zu kurz und die größeren Einheiten zu instabil, um dauerhafte soziale Hierarchien zu begründen. Sie kannten auc...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorbemerkung zur verwendeten Terminologie
  6. 1 Die Frühzeit und die langen Konstanten der Geschichte
  7. 2 Die Zeit der Vereinigten Ostindischen Kompanie
  8. 3 Der Zusammenbruch der VOC-Herrschaft und die Konflikte an der Ostgrenze
  9. 4 Frontiers und Aufbrüche
  10. 5 Freihandelsimperialismus und Siedlerbeteiligung
  11. 6 Eroberung und Unterwerfung 1877–1902
  12. 7 Die Übergangszeit nach dem Burenkrieg
  13. 8 Konkurrierende Nationalismen (1910–1948)
  14. 9 Südafrikas Zeitalter der Extreme: Die erste Phase der Apartheid 1948–1966
  15. 10 Der Sicherheitsstaat: Die Apartheid in der Defensive, 1966–1989
  16. 11 Der Übergang zur Demokratie
  17. 12 Neuanfang und Kontinuität: Von Mandela zu Mbeki 1994–2008
  18. 13 Zuma und »State Capture«
  19. 14 Ausblick: Cyril Ramaphosa als Hoffnungsträger
  20. Auswahlbibliografie
  21. Abbildungsverzeichnis