Parlamentsfraktionen
eBook - ePub

Parlamentsfraktionen

Aufbau - Funktion - Arbeitsweise

  1. 124 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Parlamentsfraktionen

Aufbau - Funktion - Arbeitsweise

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Parlamentsfraktionen sind im Maschinenraum der Politik tätig. Man nimmt sie als Organisationen kaum wahr und gleichzeitig würde ohne sie unser politisches System zum Erliegen kommen. Aufgrund der unterschiedlichen Koalitionen auf Landesebene und der neuen Ampel-Koalition auf Bundesebene werden Fraktionen an Bedeutung noch zunehmen: Die Rollen sowohl von Regierungs- als auch von Oppositionsfraktionen verändern sich, wenn Koalitionen aus drei Parteien oder auch von Parteien verschiedener politischer Lager zur Regel werden.Fedor Ruhose blickt mit den Lesern hinter die Kulissen in diesen Maschinenraum unserer Politik. Anschaulich schildert er konkrete Arbeitsweisen und führt auch in die rechtlichen und politikwissenschaftlichen Grundlagen ein.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Parlamentsfraktionen von Fedor Ruhose im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Politik & Internationale Beziehungen & Politische Parteien. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

II. Arbeitsweisen in und zwischen Fraktionen

5 Oppositions- und Regierungsfraktionen

Neben den ihnen offiziell zugeschriebenen Funktionen besitzen Fraktionen weitere, inoffizielle, die im politischen Alltag zentral sind. In den Darstellungen über Fraktionen werden ihre Funktionen oftmals an formaljuristischen Kriterien entwickelt. Dies ist unbestreitbar eine sinnvolle Herangehensweise, da so ermittelt wird, aus welcher Norm genau sich welches Recht und welche Pflicht ableiten lässt. Eine politische Betrachtung der Wirkung von Fraktion ist so aber nur teilweise möglich.
Beim Blick auf die Zusammenarbeit in einer Fraktion kommt es dabei auf die Rolle an, die man gemeinsam im Parlament wahrnimmt. Stützt man die Regierung oder sitzt man auf der Oppositionsbank? Das ist natürlich entscheidend dafür, wie man sich im parlamentarischen System verhält und welche Rollenerwartung es in der Öffentlichkeit gibt. Es gibt auch interne Erwartungshaltungen an die Fraktionsführung und ihre Positionierung der Gesamtfraktion, die beachtet werden müssen.
Als Motivation für die Kandidatur von Ralph Brinkhaus, der Volker Kauder an der Spitze der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestags ablöste, wird etwa ein Aufbrechen von zu starr gewordenen Fraktionsstrukturen genannt:
»Mitte September [2018] bewarb sich Brinkhaus vor der gesamten Fraktion um den Vorsitz, es war die erste Sitzung seit der Sommerpause. Er präsentierte sich nicht als Gegenpol zu Merkel, sondern als jemand, der neuen Schwung bringe, der die jungen Leute einbinde und das Potential der Fraktion nutzen wolle. Brinkhaus sprach von ›mehr Wir und mehr Team‹. In der Fraktionsarbeit sei alles viel zu statisch in den Arbeitskreisen organisiert. Selbst Fachpolitiker würden Entscheidungen nur aus der Zeitung erfahren. Junge Abgeordnete starteten mit großer Motivation und seien dann schnell gefangen in den Zwängen der Fraktion« (Gutschker et al. 2018).
Wichtig für den Erfolg einer Fraktion ist daher, dass man sich gemeinsam darüber verständigt, wie man zusammenarbeiten möchte. Es wurde bereits gezeigt, dass die Organisation einer Fraktion wichtig ist, um politische Arbeit zu strukturieren und auch gemeinsame Erfolge zu erzielen. Die Voraussetzungen wurden im ersten Teil beschrieben. Es ist aber sinnvoll, noch einmal auf Arbeitsstrukturen und Abläufe zu schauen, die in Abhängigkeit der eigenen Rolle politisch unterschiedlich gestaltet werden.

5.1 Oppositionsfraktionen

Oppositionsfraktionen benötigen eine klare Arbeitsstruktur. Auch hier hat sich das Prinzip durchgesetzt, dass es klar zugeordnete Zuständigkeiten für einzelne Fachgebiete im Vorstand gibt. Dies trägt auch der Notwendigkeit Rechnung, in der Medienöffentlichkeit politische Fachgebiete mit markanten Gesichtern der Opposition zu verbinden. Die Berichterstattung der Arbeitskreise im Vorstand hat für Oppositionen den Vorteil, dass es einfacher ist, Gegenentwürfe zur Politik der Regierung intern abzustimmen. Aufgrund der Fokussierung auf nur einen Akteur, nämlich die eigene Fraktion, kann viel Zeit gewonnen werden – in einer Koalitionsfraktion tritt dagegen neben die interne Abstimmung natürlich die Kommunikation mit den Koalitionspartnern und der Regierung. In seinem Resümee über seine Zeit als Fraktionsvorsitzender der SPD in der Opposition beschreibt Hans-Jochen Vogel die Vorteile dieser Organisationsweise.
»Sie hat die Fraktion rasch zu einer arbeitsfähigen parlamentarischen Gemeinschaft werden lassen. Das vor allem deshalb, weil jedem Regierungsmitglied ein bestimmter Oppositionssprecher gegenüberstand, den auch die Öffentlichkeit mehr und mehr zur Kenntnis nahm, und weil im Geschäftsführenden Fraktionsvorstand alle Politikbereiche präsent waren und sich rasch abstimmen konnten.« (Vogel 1997: 180 f.)
Wenn Fraktionen sich zu Beginn einer Wahlperiode konstituieren, bedarf es einer internen Verständigung darüber, mit welcher Arbeitsweise sie ihre jeweilige Rolle wahrnehmen wollen. Dies haben wir oben gesehen. Die Rolle hat aber auch einen großen Einfluss auf die Zusammenarbeit im Parlament. Je nach Oppositions- oder regierungstragender Fraktion bedarf es eines unterschiedlichen Selbstverständnisses dafür. Für die Oppositionsarbeit gelten in den meisten Fällen die drei Bereiche der Fraktionsarbeit, die Hans-Jochen Vogel einmal treffend beschrieben hat. Die Aufgabe der SPD als Oppositionsfraktion – und der meisten anderen Oppositionsfraktionen (zur Ausnahme AfD vgl. Ruhose 2019) liegt für ihn
1. in der »Kontrolle der Regierung; sie obliegt zwar nach der Verfassung dem gesamten Bundestag, wird aber in der Realität fast ausschließlich von der Opposition wahrgenommen« (diese Sichtweise wird hier nicht vollumfänglich geteilt);
2. in der »Entwicklung und Vertretung von Alternativen überall dort, wo die Konzepte der Regierung und ihrer Mehrheit als verfehlt, ungerecht oder gar gefährlich erscheinen« sowie
3. im »ständigen Wettbewerb mit der Mehrheit mit dem Ziele […] der eigenen Übernahme der Regierungsverantwortung« (Vogel 1997: 183).
In einer Abwandlung und Anpassung an die Gegebenheiten neuer politischer Kommunikation hat die Aufgaben der Oppositionsarbeit der damalige Oppositionsführer Frank-Walter Steinmeier fortgeschrieben (Steinmeier 2009: 2). In einem fraktionsinternen Prozess ließ er einen »Infrastrukturkonsens« erarbeiten. Dahinter stand zum damaligen Zeitpunkt die Erkenntnis, dass sich die Mechanismen der Politikvermittlung in einer digitalen Gesellschaft schon seit längerem verändert. Gleichzeitig reagierte die SPD-Fraktion im Jahr 2012 auf die Forderungen nach besserer Bürgerbeteiligung im Nachgang zu dem verunglückten Großprojekt »Stuttgart 21« (grundsätzlich dazu Beck 2011). Im Prozess selbst wurden Online-Beteiligungsformate, analoge Bürgerbeteiligungsformate, Kommunikation in den sozialen Medien zusammengebunden. Damit reagierte die Opposition auf Chancen, die in der veränderten, »dialogorientierte[n] Kommunikationserwartung bei den Bürgern gegenüber der Politik« (Korte 2014: 12) liegen.
In der deutschen Parlamentsgeschichte hat sich durchgesetzt, als Opposition nicht reine Obstruktion zu betreiben »und zu allem und jedem nein [zu] sagen« (Vogel 1997: 183). In einer besonderen Art und Weise nimmt Vogel eine aktuelle Diskussion über Oppositionsarbeit vorweg, wenn er warnt, dass auf den harten Oppositionsbänken nie eine »Verschlechterung der allgemeinen Lebenssituation« herbeigewünscht werden dürfte, damit die eigenen Chancen steigen (ebd.). Einen solchen Ansatz verfolgt ganz offen die rechtspopulistische Opposition der AfD seit 2017 im Bundestag.
Struck beschreibt die Aufgaben der Fraktionsführung in Oppositionszeiten:
»Ankämpfen gegen Disziplinlosigkeiten, illusionäre Forderungen aufhalten, Arbeitsfelder ohne die unterstützende Hilfe aus den Ministerien neu organisieren.« (Struck 2010: 287).
Meist einigen sich strategisch operierende Oppositionsfraktionen auf ein eigenes Arbeitsprogramm. Auch wenn dies in der Öffentlichkeit nicht immer den erhofften medialen Widerhall findet, so kann damit die eigene Arbeit strukturiert und entlang der Positionen der eigenen Partei entwickelt werden. Das aus Sicht der Opposition augenscheinliche Versagen der Regierung kann dann glaubhaft vorgetragen werden: Erst werden negative Entwicklungen aufgedeckt und dann die eigenen Lösungen dagegengestellt.
Wichtig ist, dass Oppositionsfraktionen damit umgehen können, dass es weitere Oppositionskräfte gibt und diese mitunter aus dem gleichen politischen Lager kommen. Hier gilt es den Rat zu beherzigen, den Vogel seiner SPD-Fraktion im Umgang mit den GRÜNEN gegeben hat. Es gelte, »sich von der Auseinandersetzung mit der Regierungskoalition nicht durch ständige Reibung mit dieser […] Konkurrenz ablenken zu lassen« (Vogel 1997: 202).

5.2 Regierungstragende Fraktionen

Die Prinzipien einer regierungstragenden Fraktion mit Blick auf das Verhältnis von Partei und Regierung hat der ehemalige Fraktionsvorsitzende der SPD, Franz Müntefering, formuliert. Er spricht von »Geschlossenheit im Handeln« und »Geschlossenheit im Reden« (Raschke/Tils 2012: 509). Anders gesagt, geht es hier um »Ruhigstellung und Einbindung« (Kohlmann 2011: 91). Die Leistung einer Führung einer Regierungsfraktion liegt darin, die Balance zwischen der Prätorianergarde der Regierung und eigenständigen politischen Initiativen zu finden.
Das Wichtige dabei ist die vertrauensvolle Abstimmung zwischen den Vertretern der Regierung und den sie tragenden Fraktionen. Volker Kauder hat dieses besondere Arbeitsverhältnis mit Blick auf seine Zusammenarbeit mit Angela Merkel in seiner Zeit als Fraktionsvorsitzender beschrieben:
»Alle wussten, dass Angela Merkel und ich jedes Vorhaben intensiv besprochen haben. Wo liegen Probleme, wo liegen Risiken, was geht mit der Fraktion, was geht nicht? Das hat ihr geholfen, manches Anliegen etwas geschmeidiger vorzutragen. Und es hatte natürlich den Nachteil, dass mein Einfluss als Fraktionsvorsitzender vielleicht nicht immer so sichtbar war.« (Kauder 2021: 37 f.)
Damit beschreibt Kauder ziemlich genau, was das Problem ist: die Eigenständigkeit der Fraktion sichtbar zu halten, wenn doch das oberste Ziel ist, der Regierung »die eigene Mehrheit im Parlament und die Durchsetzung dessen, was man inhaltlich gestalten und entscheiden will« zu sichern (Schäuble 1992: 86). Regierungstragende Fraktionen müssen für sich einen Weg finden, sichtbar zu bleiben, ohne dass die Regierung jeden Monat um die Mehrheitsfähigkeit bangen muss. Dies ist ein schwieriger Verhandlungsprozess und oft werden dabei Fehler gemacht. Denn, um noch einmal das Dilemma von Kauder aufzunehmen, es ist nicht einfach, den Kritikern »kleine Erfolge« zu gönnen. Auf die Frage, ob er nicht den Kritikern der Politik von Angela Merkel Zugeständnisse hätte machen müssen, führt der ehemalige CDU/CSU-Vorsitzende aus:
»Die echten Konflikte betrafen […] immer große, schwierige Entscheidungen. Denken Sie an die sogenannte Griechenlandrettung, gegen die über 60 Kolleginnen und Kollegen gestimmt haben. Das war schon ein Statement. Aber zugleich war die Mehrheit der Fraktionsmitglieder davon überzeugt, dass es die richtige Linie war. Sollte ich denen oder der Kanzlerin etwa sagen, tut mir leid, aber jetzt gönne ich den anderen mal einen symbolischen Erfolg«? (Kauder 2021: 38).
Es geht also darum, Mehrheiten zu ermöglichen und auch Konflikte auszuhalten. Das ist Politik. Aber stets muss es gelingen, alle – auch die Kritikerinnen und Kritiker – davon zu überzeugen, dass man zusammen agiert und die Fraktion nur gemeinsam stark ist. Wenn ein größer werdender Teil der Fraktion die Regierung nur mit der Faust in der Tasche trägt, wird es problematisch. Es muss also bereits in konfliktarmen Zeiten dazu kommen, dass die regierungstragenden Fraktionen ihre Eigenständigkeit behalten oder sich erarbeiten. Das ist eine zentrale Aufgabe der Fraktionsführung. Rolf Mützenich, der SPD-Fraktionsvorsitzende, hat genau aus diesem Grund der neugebildeten Regierung von Olaf Scholz unmittelbar nach Vorstellung der Regierungsmitgliedern sehr offensiv »die Zusammenarbeit mit einer selbstbewussten Fraktion angeboten« (zit. nach Doll et al. 2021 b).
Um diese Eigenständigkeit zu dokumentieren kann die Fraktion auf eigene Veranstaltungsformate – sogar mit Vertretern der Regierung – setzen. Ein Beispiel dafür ist die Dialogkampagne »Meine Heimat – Unsere Zukunft« der regierungstragenden SPD-Fraktion im Landtag von Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 2018. Hier sind Fraktionsführung und örtliche Abgeordneten mit den Bürgerinnen und Bürgern in den verschiedenen Wahlkreisen ins Gespräch eingetreten. Der Schwerpunkt lag auf den ländlichen Regionen. Dort wurde natürlich für die eigene Politik geworben. Viel wichtiger war aber, dass die Bürgerinnen und Bürger Rückmeldungen geben konnten, welche Themen die Fraktion ins Parlament einbringen sollte. Dafür hat sie nämlich auch im engen Korsett als Regierungs- und Koalitionsfraktion ihre Möglichkeiten: Eigene Anhörungen durchführen, Positionspapiere einbringen oder Debatten im Parlament und den Ausschüssen anstoßen.
Im Regierungsalltag hat die Fraktionsführung zudem die Aufgabe zu verhindern, dass eigene überzogene Erwartungshaltungen sich Bahn brechen. Oftmals ist in fachlichen Diskussionen innerhalb der Fraktion der eigene Standpunkt zentral. Eine Perspektive, ob dieser auch auf der formalen Ebene umsetzbar (»Geht das überhaupt?«) oder in der Koalition durchsetzbar ist, wird manchmal erst durch die Führung eingebracht. In solchen Fällen kann es auch sein, dass in den Vorstandssitzungen vorher besprochen wird, wer aus der Fraktionsführung dem Vorsitz oder dem PGF bei solchen Bedenken beispringt. Wichtig scheint dabei vor allem zu sein, dass der eigene Standpunkt in eine größere Perspektive gestellt wird, in der die Interessen anderer Akteure berücksichtigt werden. Wolfgang Schäuble (1992: 91) weist darauf hin, dass es darauf ankomme, »Gelassenheit zu zeigen und über den Aufregungen des Tages nicht zu verzweifeln. So kann man manches durchsetzen.«
Wichtig ist weiterhin, dass die Fraktionsführungen von Regierungsfraktionen stark genug sind, um vermittelnd eingreifen zu können, wenn die Regierungsmehrheit auf der Kippe steht. Autoritäres Verhalten, wie es in der SPD-Fraktion etwa Wehner und Müntefering an den Tag legten, führt zwar oft kurzfristig zum Erfolg: Die Abstimmung wird durchgestanden, politische Entscheidungen durch die Mehrheiten im Parlament gesichert. Langfristig aber wird so die Faust in der Tasche der Abgeordneten immer stärker geballt. Dies kann sich dann in abweichendem Stimmverhalten niederschlagen oder – schlimmer – in Lethargie münden (Kohlmann 2011: 92; für die SPD: Walter 2002: 260 f.). Lethargische Fraktionen aber sind für die eigene Partei ein schwieriger Zustand. Abgeordnete, die von der eigenen Führung desillusioniert in die Wahlkreise zurückkommen, tragen die Lethargie in die Basis hinein. Modernere Führungsstile scheinen nachhaltigere Erfolge zu zeitigen, gerade für diese ›komplizierten psychologischen Gruppen‹, um die Beschreibung von Hofmann (1994: 325) noch einmal aufzugreifen. An der Spitze der Fraktion lernen Politiker, dass man »überzeugen […] und weniger […] befehlen« muss (Bannas 2002, zit. nach Kohlmann 2011: 115). »Eine Fraktion ist […] nicht zu führen wie eine Parteizentrale, das Kanzleramt oder ein Ministerium« (Eilfort 2003 a: 98).

6 Fraktionen als Sprachrohre, Vermittlungs- und Rückkopplungsinstanzen

Der klassische Blick auf die Arbeit der Fraktionen und ihre Rolle in unserer parlamentarischen Demokratie ist zunächst und verständlicherweise geprägt von den Parlamentsfunktionen. Da Fraktionen ein »als verfassungsrechtliche Vereinigung sui generis ausgestalteter, selbstständiger Organteil des Deutschen Bundestages« (Stevens 2000: 80, Herv. entfernt) sind, prägen die Parlamentsfunktionen eben auch die Arbeit der klassischen Akteure des Parlamentarismus. Entsprechend verfahren klassische Werke über den Parlamentarismus oder das deutsche politische System. Auch hier wurde in Kapitel 2 dieser Ansatz übernommen. Und natürlich sind die oben ausgeführten Gesetzgebungs-, Kontroll-, Strategie- und Öffentlichkeitsfunktionen zentral in der politischen Debatte. Darum geht es schließlich in unserer repräsentativen parlamentarischen Demokratie. Vornehmlich die Fraktionen, die die Regierungen stellen, übernehmen die Gesetzesfunktion. Die Opposition übernimmt die Kontrolle der Regierung – vor allem medienwirksam nach außen orientiert. Instrumente wie das Einse...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Einleitung
  5. I. Aufbau und Funktionen
  6. II.  Arbeitsweisen in und zwischen Fraktionen
  7. Ausblick: Fraktionsarbeit im pluralen Parlament
  8. Literatur