Neue Lehrer, glückliche Kinder
eBook - ePub

Neue Lehrer, glückliche Kinder

Erziehung zum Glücklichsein

  1. German
  2. ePUB (handyfreundlich)
  3. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Neue Lehrer, glückliche Kinder

Erziehung zum Glücklichsein

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Diese sechs Essays richten sich an Menschen, die sich im weitesten Sinne der Erziehung junger Menschen widmen. Der Kern der Essays befasst sich mit der Frage nach der Freiheit und dem Glücklichsein.Der Autor ruft darin zu einem neuen Dialog für eine friedliche menschliche Erziehung und ein konfliktfreies Zusammenleben auf. Angeregt durch internationale Schulexperimente des indischen Philosophen Jiddu Krishnamurti, das Studium von Fachliteratur und vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen an der von ihm gegründeten Experimentalschule in Brasilien führt er eindringlich vor Augen, was nach seiner Meinung falsch läuft im menschlichen Erziehungsgeflecht. Bewusst stellt er keine neuen pädagogischen Konzepte oder Theorien vor. Es geht ihm vielmehr darum, eine offene und öffentliche Diskussion darüber anzuregen, was jetzt, hier und heute geändert werden kann und muss.Eine Neuausrichtung der Erziehung ist für das Verständnis unserer Gesellschaft und deren Denk- und Handlungsweise unabdingbar.Der Mentor/in (neuer Lehrer/in) muss dabei einen Quantensprung vollziehen, um einem freiheitlichen Erziehungsanspruch gerecht zu werden.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Neue Lehrer, glückliche Kinder von Rolf Mayr im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Education & Classroom Management. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Verlag
tredition
Jahr
2022
ISBN
9783347540460
1. Essay
Das Feindbild: „homo homini lupus est“ (römisches Sprichwort)
Beziehung von Mensch zu Mensch
Können wir uns ein Leben ohne Beziehungen vorstellen?
Unvorstellbar, fast immer stehen wir in irgendeiner Weise im Austausch mit anderen Menschen. Die Beziehungen mögen noch so oberflächlich sein, doch sie hinterlassen jedes Mal ihre Spuren. Wir werden berührt, beeinflusst, angestoßen – wir fühlen, nehmen wahr, wir erwidern oder verharren in Passivität. Jede Beziehung fordert etwas in uns, rührt etwas an und hinterlässt Spuren in unserem Inneren. Beziehungen beeinflussen und formen unbewusst oder bewusst unsere persönliche Entwicklung, und erst dadurch entsteht eine Art des Verständnisses unserer selbst, ein Gewahrwerden dessen, wer wir sind, was uns gefällt oder missfällt, was wir wollen oder nicht wollen. Meist verläuft dieser Prozess der Persönlichkeitsentwicklung unhinterfragt und oberflächlich in einer von der Gesellschaft vorgezeichneten Richtung (Schulung). Festgefahrene Sichtweisen werden zu Meinungen über Beziehungen und Sachverhalte. Das Schema basiert auf Akzeptanz oder Ablehnung.
Warum nehmen wir bestimmte Sichtweisen, Dinge oder Beziehungen an und halten andere fern? Was wir mit Sicherheit sagen können, ist, dass im Vorschulalter und Schulalter Prägungen von menschlichem Verhalten die leicht formbaren Gemütszustände der Kinder modellieren. Durch Wiederholung von unhinterfragten Eindrücken, Erfahrungen, Umgangs- und Verhaltensformen beginnt in einer solch unkritischen Lernumgebung bereits in frühem Alter ein Abstumpfungs- und Passivitätsprozess seinen Anfang zu nehmen. In diesem psychologischen Prozess, bei dem durch repetitives Verhalten Beziehungen eingegrenzt und bewertet werden, wird ein Maßstab für Akzeptanz oder Ablehnung anerzogen. Dadurch können sich persönliche, sich wiederholende Selektionskriterien verinnerlichen. Solche Bewertungen im täglichen Umgang mit anderen Menschen führen gezwungenermaßen zu Problemen und Konflikten. Die Konditionsmuster laufen fast automatisch ab und schüren zwischenmenschliche Konflikte. Behauptungen und Rechtfertigungen werden in Streitgesprächen verbittert geführt. In einem größeren gesellschaftlichen Umfeld, etwa in Regierungskreisen, wo nationale Standpunkte verteidigt werden, können sich solche verkrusteten Konditionsmuster zu internationalen Spannungen ausweiten.
Handlungen von Erziehungspersonen im kindlichen Umfeld geschehen oft unbewusst und erzeugen im Kind ein verzerrtes Lebensbild.
Gehen wir innerlich zurück in unsere Kindheit und versuchen wir, uns zu erinnern, wie unsere Eltern gehandelt haben. Es geht mir dabei nicht darum, eine Analyse im Sinne der Psychoanalytik zu machen oder in die Entwicklungsgeschichte des Kindes einzutreten. Dafür gibt es eine Vielfalt von wissenschaftlichen Forschungen. Meine Frage ist grundsätzlicher Natur und richtet sich auf die aktuell vorherrschende Situation der Erziehung in Schule und Elternhaus, wie ich sie täglich erfahren und beobachtet habe im Unterricht, in der Familie oder im öffentlichen Leben. Ich möchte hier einige Punkte aufgreifen, die die Tragweite der Motive unserer Handlungen als Eltern und Erziehungspersonen in einer vernetzten Gesellschaft anschaulich machen sollen.
Ist die heutige Gesellschaftsordnung eine bewusste
oder unbewusste Fortsetzung der Vergangenheit?
Als Kleinkind bin ich meiner Umgebung noch fast vollständig ausgeliefert. Ich habe in diesem Alter nur in sehr beschränktem Maße Möglichkeiten, eigens gewollte Beziehungen einzugehen und zu pflegen. Die Umwelt, meine Familie oder meine Fürsorger bestimmen den Handlungsspielraum darüber, mit wem, wohin, wie lange, was ich darf und was ich nicht darf. Das Aktionsfeld wird extrem von anderen Personen vorgegeben, was mein Beziehungsmuster fremdbestimmt. Als Kleinkind kann ich in diesem Alter mein Eigenleben nur gering beeinflussen. Endet die viel gepriesene Freiheit, bevor sie begonnen hat?
Natürlich müssen Grenzen gesetzt werden. Vor allem der physische Schutz des heranwachsenden Kindes erfordert eine sorgfältige Betreuung. Das Kind braucht physische und seelische Sicherheit, damit es als ganze Persönlichkeit aufblühen kann. Eine feindlich gesinnte Umgebung hemmt eine vertrauensbildende Basis in seinem jungen Leben. Trotzdem muss es lernen, natürlicherweise mit Gefahren umzugehen, indem es schrittweise Grenzen ertastet, sie überwindet oder respektiert und nach eigenem Ermessen seine Limiten und Fähigkeiten kennenlernen kann. Dies setzt jedoch ein großes Vertrauen zu seinen Begleitpersonen voraus. Gemäß Altersstufe soll seine Lernumgebung so gestaltet werden, dass ein größtmöglicher Experimentierraum als Herausforderung für seine „Gehversuche“ zur Verfügung steht.
Der größte Einfluss kommt von seinen direkten Bezugspersonen wie Eltern, Großeltern, Geschwistern und weiteren nahestehenden Familienmitgliedern. Ihre Lebensweise hinterlässt fast unauslöschliche Spuren in der jungen Seele. Ihr Menschenbild, ihre Ideale und Vorstellungen vom Leben verknüpfen die aktuelle Lebensweise täglich mit dem neuaufkeimenden jungen Leben und beginnen, die Welt des Kindes zu formen. Unsichtbar wird ein Beziehungsnetz gewoben, welches das Kind bis zu einem gewissen Alter weitgehend unbewusst assimiliert. Es ist ein unbewusstes Wahrnehmen von Gefühlen und Sinneseindrücken, Handlungen und Verhaltensformen aus seinem familiären Umfeld, die in seinem Inneren versinken, da in den ersten Lernjahren noch kein ausgebildetes Denk- und Reflexionsvermögen ausgebildet wurde, womit es bewusst über Dinge nachdenken kann. Das Kind agiert, reagiert und experimentiert weitgehend unbewusst und konstruiert so sein eigenes inneres Bild von der Welt, indem es die Umwelt absorbiert und nachahmt. Diese eingesunkenen Eindrücke und Gefühle werden die Handlungen und die Denkweise des Kindes später in der einen oder anderen Form leiten und bestimmen. Man könnte hier von einem unbewussten Erleben durch unbewusstes Erziehen sprechen. Der Erzieher, die Erzieherin selbst ist sich ebenso wenig bewusst, in welchem Maß er oder sie tatsächlich die Mitmenschen durch Gefühle und Handlungen beeinflusst.
Beim Vorleben, in meist unbewussten Beziehungsformen, verankern sich entsprechende Sinneseindrücke als seelische Fundamente. Sie bilden die Grundlage zur Einordnung innerer Verhaltens- und Wertmuster. Die Wissenschaftler sprechen von neurologischen Vorgängen, die sich als Gehirnstrukturen ausbilden und vernetzen. Wir wissen heute auch, dass Kinder bereits im Bauch der Mutter eine Beziehung zur Außenwelt aufbauen − wir könnten hier sogar von einer vorgeburtlichen Erziehung sprechen. So sind denn auch die ersten fünf Jahre von äußerster Wichtigkeit, da, wie schon angesprochen, sehr viele äußere Einflüsse in dieser frühen Altersperiode „still versinken“. Im Kindergartenalter, etwa mit sechs Jahren, kommen durch die außerhäuslichen Herausforderungen mehr selbstständig gewählte Handlungen und Beziehungen ins Spiel, und damit verstärkt sich auch die Differenzierung in den bewussten Handlungen.
Alle Beziehungsformen werden auch als Gefühlsvorgänge registriert und bewertet: Zuneigungen, Abneigungen, Unsicherheiten, Verletzungen, Bestätigungen, Lügen, Wahrheiten, Glücksgefühle, Traurigkeit, Macht- und Erfolgserlebnisse, Strafe, Misserfolg, Gehorsam, Hass, Rache, Eifersucht, Zärtlichkeit, Wärme und Kälte, Geborgenheit und andere mehr.
Ein Umstand in einer späteren Begegnung in irgendeiner Situation kann sie plötzlich wieder wecken. Die angenommenen Werte beeinflussen damit die direkte Begegnung und bestimmen die Beziehung zu anderen Menschen: Es sind Äußerungen und wiederum neue Eindrücke zugleich. Gäbe es keine Begegnung, würden auch keine Beziehungen entstehen und ich würde nichts über mich selbst erfahren. Die Frage, die sich uns in einem späteren Lebensabschnitt stellen wird, ist: Inwieweit können wir diese in uns versunkenen Werte- und Verhaltensmuster wahrnehmen und beobachten, um sie vermehrt ins Bewusstsein zu rücken? Dazu sind wir nicht erzogen worden − noch nicht erzogen worden.
Es fehlt eine Lernkultur der inneren Schau, der Reflexion und Kontemplation, ein Lernen, das über unser stereotypisches Verhalten hinausgeht und die Selbsterkenntnis fördert.
Fragen stellen darf nicht auf Wissensinhalte beschränkt werden, während das Alltagsleben unhinterfragt seinen unbewussten Lauf nimmt.
Der Alltag drängt, und erst wenn wir ohne Atem sind und die Probleme zu drücken beginnen, suchen wir nach Lösungen, meistens mit dem Ziel, unseren Alltag möglichst schnell wieder funktionstüchtig zu machen, um im gewohnten und vertrauten Rahmen weitermachen zu können.
Religionen, Philosophien, Musik, Gurus, Mystik und ein endloses Sortiment an Literatur über Lebenshilfen bieten diesbezüglich Lösungen an. Wir flüchten vor uns selbst, versteigen uns in Illusionen, die uns über die tägliche Wirklichkeit hinwegtrösten sollen. Wir suchen dabei nach passenden Antworten, die wir in zu uns passenden Konzepten verinnerlichen. Doch wer ist der Konzepthersteller?
Wir nehmen die Krise nicht als Chance wahr, um unser Leben bewusst zu überdenken und zu sehen, wer wir in Wirklichkeit sind. Integration ist die Maxime, was heißt: Funktionieren und ein nützliches Glied der Gesellschaft bleiben. Wir haben Angst zu sehen, was ist, denn das bereits Geplante könnte durch unser Hinterfragen gefährdet werden. Unsere Karriere, das neue Haus, die geplante Reise, eine neue Beziehung, Gewohnheiten zu ändern oder einfach von Vorlieben Abschied zu nehmen − ist das nicht mühsam?
Der materiellen Sicherheit, sprich dem Geldverdienen und dem Wohlstandgenießen wird alles untergeordnet. Doch wir sehen nicht, dass dies auf Kosten unseres Lebensgefühls, unserer Beziehungen geht, die weitgehend bestimmt sind durch Stress, Angst und andauernde Sorgen, nicht erfüllen, nicht genügen, nicht vollbringen zu können. Warum denn erfüllen, genügen und vollbringen? Was und wozu? Ist Beruf und Geldverdienen der einzig anzustrebende Wert in unserem Leben? Haben wir nicht Angst vor dieser Frage? Sollen wir also Außenseiter oder gar Aussteiger werden, Hippies oder Alternative, Gegenpole zum herrschenden Wertsystem? Doch wären wir dadurch nicht immer noch Teil des gleichen Systems? Wäre dies nicht lediglich eine Re-Aktion, die jedoch keine neue unabhängige Kultur in Gang zu verbringen mag? Opposition bringt nichts Neues, sie ist nur eine Re-Aktion auf das Alte, ohne zu vermögen, wirklich Neues zu schaffen.
Sie mögen nun sagen, dass dies kalter Kaffee ist. Ja, wenn wir das hören, mag es auf den ersten Moment so erscheinen. Doch wenn wir genauer hinschauen, sind die herrschenden Werte unserer Gesellschaft unreflektiert und ohne inneren Tiefgang. Sie dominieren unbewusst unsere täglichen Beziehungen, prägen und verfestigen unser heutiges Menschenbild, das auf Wettbewerb, Intoleranz und Verdrängung gründet. Konflikte in der Familie, im Alltagsleben oder gar auf nationaler Ebene sind das Resultat. Die Geschichtsbücher sind voll davon. Kriege und Kriege und nochmals Kriege; im Namen von Nationen, Religionen und Ideologien. Sogar in der Wirtschaft spricht man von Verdrängungswettbewerb, einer Art der psychologischen Kriegsführung. Das Menschenbild hat sich im Verlaufe der Jahrhunderte kaum geändert: „Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“ geblieben. Das Wolf-Sein wird unreflektiert weiter auf unsere Kinder übertragen.
Sie werden vielleicht sagen, dass das immer so gewesen ist und sich deshalb kaum etwas ändern lässt oder dass es noch viele Jahrzehnte, Jahrhunderte brauchen wird, um zu einem humaneren Menschenbild zu kommen. Dem möchte ich nun entgegnen, dass wir die falschen Prioritäten im Leben gesetzt haben und behaupten, dass, unser Menschenbild anders aussähe, wenn alle Anstrengungen und Kräfte in die Erforschung unseres inneren Zustandes investiert würden statt in den Wissenserwerb.
Wir haben in unserem Leben die falschen Prioritäten gesetzt!
Innere und äußere Lern- und Lebensprozesse müssten in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Das Lebensgefühl wäre mit Sicherheit ein ganz anderes. Der Maßstab ist dabei die innere kreative Zufriedenheit. Zufriedenheit hängt nicht vom Erwerb von Gütern, der Position in Beruf und Gesellschaft, von der Kaufkraft und dem Bankkonto ab. Diese kreative Zufriedenheit, wie ich sie hier einmal nennen möchte, sucht nicht nach Erfüllung, indem sie mit Wissen Vorteile schafft, nach Macht und Geld strebt oder höheres Ansehen erlangen möchte − sie genügt sich selbst ohne Messen und ohne Wettbewerb. Sie gibt dem Leben Stabilität, Ausgewogenheit und Kraft.
Der Schwerpunkt der heutigen Erziehung soll somit auf das Beziehungsmuster, auf das vernachlässigte zwischenmenschliche Verhalten gelegt werden. Das eigene Verhalten steht dabei im Mittelpunkt und soll kritisch betrachtet werden. Dazu muss erst ein umfassendes und differenziertes Lernverhalten ermöglicht werden, das auf eine ganzheitliche geistige und seelische Persönlichkeit zielt. Wir können uns nicht mehr mit einem einseitigen Leistungsprofil begnügen, das vorwiegend unsere intellektuellen Fähigkeiten fordert und fördert, dessen Erfolg durch die Beurteilung der Menge und Verfügbarkeit des angesammelten Wissens bestimmt wird.
Menschenbild und Weltbild
Wir leben heute in einer Welt, die von Bildern beherrscht ist. Die neuesten Technologien machen es möglich, dass wir Bilder und Worte von jedem beliebigen Standort unseres jeweiligen Aufenthaltsortes senden und empfangen können. Wir haben Hunderte von Bildmagazinen und Zeitungen zur Auswahl, die über fast jedes aktuelle Thema ihre illustrierten Informationen liefern. Das Internet mit seinem Bildermeer überschwemmt unsere Seele und lässt uns beim Surfen die Zeit vergessen. Nicht genug, auch das Fernsehen füttert uns mit Scheinwelten. Die Macht der TV-Werbung ist allgegenwärtig. Sie ist einer der größten Konsummotoren, die uns dauernd neue Bedürfnisse suggerieren wollen. Dazu werden die letzten Erkenntnisse der Psychologie bemüht, um die Bilder so wirksam wie nur möglich zu machen. Nicht selten verlieren wir beim unbewussten Konsumieren dieser Show den Realitätsbezug und wir geraten in den Sog provokativer Wunschbilder. Wir kaufen Dinge, die wir eigentlich gar nicht brauchen. Wir tun Dinge, die wir eigentlich gar nicht tun wollen. In unserem Sprachgebrauch wird es noch deutlicher: Wir müssen im Bild, genau informiert und auf dem letzten Stand des Wissens sein. Informationen ohne Bilder verlieren ihre Stärke und Einprägsamkeit. So werden wir fast täglich mit Bildern überspült mit für uns teilweise wichtigen oder eben meistens nur belanglosen Informationen. Heute stammen sie größtenteils von unserem Mobiltelefon, mit dem eigentlich mehr gesurft, fotografiert und getextet wird als telefoniert.
Wie außen, so innen? Wenn wir lesen und schreiben oder auch nur zuhören, erzeugen wir unbewusst Bilder, machen uns Vorstellungen von Personen oder Situationen. Das Bild existiert nicht unabhängig. Es taucht immer in einem Kontext auf und knüpft hauptsächlich an Erinnerungen an. Neue Situationen enden oft mit Vergleichen von schon Erlebtem, schon Gesehenem. Eine bereits gemachte Sinneserfahrung, verbunden mit emotionalen Erlebnissen, kann besonders starke Bilder „malen“. Die Vergangenheit (Erinnerung) spielt deshalb eine trügerische Rolle, weil sie sich mit der momentanen Situation vermischt und unsere aktuelle Wahrnehmung damit beeinträchtigt. Somit wird die neu gemachte Wahrnehmung verfärbt und ist nicht mehr authentisch.
Dieser Mechanismus wirkt sich ganz besonders einschränkend auf unser Beziehungsgeschehen aus.
Im Laufe der Zeit haben wir uns auch von uns selbst ein Bild gemacht. Wir identifizieren uns mit unserem Beruf, mit unseren Fähigkeiten, mit Idolen, Familie oder Freunden, mit speziellen Wissensgebieten, Wünschen, Vorlieben und Vorstellungen. In unserer Beziehung zu anderen Menschen sind wir geneigt, einmal gemachte Erfahrungen mit anderen Personen durch eigene Vorstellungen und Meinungen zu „konservieren“. Bestimmte dominante Merkmale ihrer Charaktereigenschaft werden herauskristallisiert und bleiben in unserem Gedächtnis verhaftet. Bei jeder neuen Begegnung werden sie unbewusst aktiviert. Je nach persönlicher Vorliebe oder Abneigung sympathisieren wir mit der Person oder lehnen bestimmte Eigenschaften von ihr ab. Gefühle, verbunden mit Bildern, werden durch wiederholte Begegnungen immer tiefer in unsere Seele eingegraben, wo sie unbewusst unsere Beziehungsmuster steuern und beeinflussen.
Die Wahrnehmung von Personen durch...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelblatt
  3. Urheberrechte
  4. Inhalt
  5. Warum ich dieses Buch schreibe?
  6. Aus meinem Leben und Denken
  7. 1. Essay
  8. 2. Essay
  9. 3. Essay
  10. 4. Essay
  11. 5. Essay
  12. 6.Essay