Baustellen
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Innensichten eines Unternehmers

  1. 255 Seiten
  2. German
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  4. Über iOS und Android verfĂŒgbar
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Innensichten eines Unternehmers

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Von CEO bis Presse. Von Verwaltungsrat bis Heuschrecken. Von Berater bis Familie; Boni bis Nachhaltigkeit. FĂŒnfzehn Begriffe aus seinem unternehmerischen Berufsleben beschreibt Anton Affentranger in diesem Buch unter einem sehr persönlichen Blickwinkel. Es geht nicht um VollstĂ€ndigkeit. Vielleicht um Reflexion ĂŒber das Gewesene und das darin allgemeingĂŒltig Erlebte. Ohne Anspruch auf die allein gĂŒltige Wahrheit. Es ist seine, bescheidene Wahrheit. Ein RĂŒckblick auf Gewesenes, der auch ein Schmunzeln erlaubt. Weil auch der Autor um seine Unvollkommenheit weiss. Dem ist ja nur mit einer Prise Humor zu begegnen. Und deshalb hat der grossartige Karikaturist Peter Gut die mögliche Schwere seiner Einsichten so wunderbar erleichtert.

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Information

CEO

FĂŒnf Pinselstriche

I.Was er ist

Noch jedes Mal, wenn ich Einreiseformulare auszufĂŒllen hatte, musste ich auch meinen Beruf angeben. Immer habe ich gezögert: Was ist eigentlich mein Beruf? CEO, der ich viele Jahre gewesen bin? Umschreiben diese drei Grossbuchstaben tatsĂ€chlich eine Profession? Im Zweifelsfall, also sehr oft, habe ich einfach meinen erlernten Beruf lic. nat-oec, Nationalökonom, in die dafĂŒr vorgesehenen KĂ€stchen eingefĂŒgt. Meist auch in Grossbuchstaben. Dann geschah stets das Gleiche. An welcher Einreisekontrolle ich auch stand – die Grenzbeamten legten ihre Stirn in Furchen, reagierten mit UnverstĂ€ndnis. Schrieb ich jedoch in Majuskeln CEO haben die MĂ€nner in Uniform ehrfĂŒrchtig genickt und mich anstandslos durchgewinkt.
Dabei ist das C, der erste der drei Lettern heute inflationĂ€r wie nie. Mehr noch: Nicht wenige sprechen von einer regelrechten C-Suite, die sich in den Teppichetagen der Unternehmen breitgemacht hat. Seit Urzeiten gibt es etwa den CFO, den Chief Financial Officer als alter Ego des CEO. Das ist vielleicht tatsĂ€chlich ein Beruf. Bei ihm ist wenigstens klar, wozu es ihn gibt. Und wofĂŒr er zustĂ€ndig ist. In den Organigrammen der Firmen findet sich heute auch der CMO, der Chief Marketing Officer, der Marketier, der Marken und MĂ€rkte zu managen hat. Neuerdings gibt es auch den COO, den Chief Operating Officer. Ich habe mich immer wieder gefragt, was wohl der tiefere Unterschied zwischen operating und executive sein soll – eine ĂŒberzeugende Antwort habe ich bis heute nirgends bekommen. Beim CSO ist das mittlere S das eigentliche Fragezeichen. Bei einigen Unternehmen steht es fĂŒr scientific, bei anderen fĂŒr strategic oder auch fĂŒr security. Geradezu desinformativ ist der Titel des CIO, des Chief Information Officer. Der ist nĂ€mlich gewöhnlich mitnichten fĂŒr Information zustĂ€ndig, sondern fĂŒr Informationstechnologie, wĂ€hrend ersteres vielleicht ein CCO, der Chief Communications Officer zu erledigen hat. Allerdings könnte sich hinter dem CCO-KĂŒrzel auch ein Chief Customer Officer verbergen, der sich um Angelegenheiten rund um die Kunden zu kĂŒmmern hat. Möglicherweise ist der CCO aber auch der Chief Creative Officer, der oberste Kreative also. Und auch beim CIO ist die Angelegenheit keineswegs eindeutig. Es gibt schliesslich auch diesen anderen CIO, den Chief Investment Officer, der fĂŒr die Investitionen zustĂ€ndig ist und entsprechend wenig mit Communications oder Information zu tun hat.
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Persönlich habe ich eine SchwĂ€che fĂŒr den anderen CEO. Den Chief Evangelist Officer, der im Silicon Valley inzwischen in ansehnlicher Population verbreitet ist. Dieser Leiter der Innovations-Abteilung lustwandelt gewöhnlich als Vordenker fĂŒr neue Trends durch Etagen und Flure des Unternehmens. Und nicht nur bei Facebook existiert heute auch der CHO, als Chief Happiness Officer so etwas wie der Gute-Laune-HĂ€uptling fĂŒr griesgrĂ€mige Mitarbeiter. Ich bin ĂŒberzeugt: Viele weitere Chiefs habe ich vergessen aufzulisten – sie mögen es mir nachsehen. Die in der C-Suite wohnende Spezies ist einfach zu unĂŒbersichtlich geworden. Genauso ĂŒbrigens wie die Head-Hunters, die sich wohl aus dem gleichen Grund auf dieses C-Level spezialisiert haben.
Der oberste in dieser Suite ist jedoch der CEO. Unweigerlich kommt mir da der Kontrabass in den Sinn, jenes tiefe und grösste Streichinstrument und Titel des gleichnamigen Einakters des deutschen Erfolgsautors Patrick SĂŒskind. «Die KontrabĂ€sse», heisst es dort, «das bin ich. Beziehungsweise wir. Die Kollegen und ich. Staatsorchester. Insgesamt sind wir acht. Manchmal werden wir verstĂ€rkt von ausserhalb auf zehn. Auch zwölf ist schon vorgekommen, das ist stark, kann ich Ihnen sagen, sehr stark. Zwölf KontrabĂ€sse, wenn die wollen – theoretisch jetzt –, die können Sie mit einem ganzen Orchester nicht in Schach halten. Aber ohne uns geht erst recht nichts. Können Sie jeden fragen. Jeder Musiker wird Ihnen gern bestĂ€tigen, dass ein Orchester jederzeit auf den Dirigenten verzichten kann, aber nicht auf den Kontrabass.»
Eine herrliche Sequenz, die auf fast philosophische Art die Frage stellt, ob ein Orchester einen Dirigenten ĂŒberhaupt benötigt. Die Analogie zum CEO im Unternehmen liegt dermassen auf der Hand, dass mir dieses grossartige TheaterstĂŒck vielfĂ€ltige Inspirationen fĂŒr zahlreiche VortrĂ€ge gegeben hat. NatĂŒrlich lĂ€sst sich die Frage stellen, ob ein Orchester seinen Dirigenten braucht – oder ob es nicht eher umgekehrt ist. Ebenso lĂ€sst sich fragen: Braucht ein Unternehmen einen CEO – oder eher der CEO sein Unternehmen? So gesehen kann ja kein Zufall sein, dass der Dirigent ein verhĂ€ltnismĂ€ssig junges PhĂ€nomen aus dem 19. Jahrhundert darstellt. Aus der gleichen Zeit datiert ĂŒbrigens auch die Erfindung des CEO. Orchester wie Unternehmen existierten jedoch bereits viel frĂŒher.
Mit einigem Recht kann der Kontrabass bei SĂŒskind denn auch konstatieren: «Ich kann Ihnen bestĂ€tigen, dass sogar wir im Staatsorchester gelegentlich vollstĂ€ndig am Dirigenten vorbeispielen. Oder ĂŒber ihn hinweg. Manchmal spielen wir sogar ĂŒber den Dirigenten hinweg, ohne, dass er es selber merkt. Lassen den da vorne hinpinseln, was er mag und rumpeln unseren Stiefel runter. – Aber das am Rande.» Auch hier sind die Parallelen offensichtlich. Ein CEO, der sein Unternehmen nicht hinter sich hat, dreht sich im Hamsterrad. – Aber das am Rande.
Und nun? Was ist der CEO? Der Officer, der BannertrĂ€ger, dem die ganze Organisation zu folgen hat? Ist im 21. Jahrhundert irgendwie antiquert. Der Chief, der ĂŒber allem thront? Wirkt ebenfalls wie aus der Zeit gefallen. Am ehesten ist er wohl der Executive. Der AusfĂŒhrende, die «vollziehende Gewalt», wie sie in der Staatstheorie definiert ist. Vielleicht handelt es sich beim CEO aber einfach nur um diejenige Person, die im Maschinenraum seiner Firma ab und an Sand ins Getriebe zu schĂŒtten hat, damit Bestehendes hinterfragt und Neues möglich wird – und dann, nach erfolgter AufrĂŒttelung, selbstverstĂ€ndlich auch dafĂŒr besorgt ist, dass der knirschende Sand wieder weggeputzt wird? Möglicherweise ist er aber einfach nur das Gesicht, welches an der Jahrespressekonferenz seiner Firma gegenĂŒber den Medien die GeschĂ€ftsergebnisse zu prĂ€sentieren hat – obwohl Zahlen eher die DomĂ€ne des CFO sind?
Wer sein Tun als CEO etwas ĂŒberhöhen will, kann sich an den italienischen Philosophen Luciano Floridi halten. Der an der University of Oxford lehrende Wissenschaftler meint: «Ein CEO ist immer zugleich Philosoph und KĂŒnstler. Wie ein Philosoph muss ein CEO Freude daran haben, ungelöste Probleme anzupacken, die zwar durch Fakten und Zahlen bestimmt werden, aber nicht allein durch diese gelöst werden können. Und wie ein KĂŒnstler muss ein CEO kreativ sein und innovative Lösungen entwickeln, die unternehmerisch umsetzbar, fĂŒr die AktionĂ€re eintrĂ€glich und fĂŒr die Stakeholder akzeptabel sind.»
Das klingt doch schon nach einem durchaus akzeptablen, ja simplen, weil einsichtigen Stellenbeschrieb fĂŒr einen CEO. Auf den ersten Blick jedenfalls. Es ist aber auch so, dass Unternehmen heute komplexe Organisationen darstellen. Die Aufgaben sind vielfĂ€ltig. Das Eigenleben in Abteilungen und Tochterfirmen ausgeprĂ€gt. Der Personalkörper bunt gescheckt. Alles und alle sollten wichtig sein und ihre Bedeutung jeden Tag unter Beweis stellen können. Andernfalls stellt sich die Frage: Warum ist dieser Mitarbeiter noch da, oder wird jene Aufgabe noch erfĂŒllt? Deshalb habe ich an unseren internen Welcome Days – an diesen wurden neue Mitarbeitende begrĂŒsst und in das Unternehmen eingefĂŒhrt – immer erklĂ€rt, wir alle, die hier arbeiten, sind wichtig und entscheidend fĂŒr das Überleben und die ProsperitĂ€t unserer Firma: meine Assistentin, der Projektleiter, der CIO und auch alle anderen C’s. Ich habe das immer ernst gemeint – und meine das auch heute.
Und, ja: Der CEO ist auch wichtig. Vielleicht nicht in jedem Augenblick das Wichtigste. Aber manchmal entscheidend. Nicht mehr. Nicht weniger.

II.FĂŒr was er zustĂ€ndig ist

Als CEO eines Bau- und Baudienstleistungsunternehmens wie Implenia scheint klar, wofĂŒr der Mann an der Spitze alles zustĂ€ndig ist – zumindest nach dem Massstab dessen, was an Informationen von aussen bis zu ihm durchdringt. Da gab es regelmĂ€ssig elektronische Post von wildfremden Personen ohne Beziehung zur Firma, die dem Chef einmal deutlich sagen wollten, dass auf seinen Implenia-Baustellen «grösste, nicht tolerierbare Unordnung» herrsche. Ein Puff also, wie der Schweizer zu sagen pflegt. Vom lokalen Projektleiter gab es Schelte, wenn einer unserer Lastwagenfahrer es wieder einmal versĂ€umt hatte, bei dem gelben Zebrastreifen sofort auf die Bremsklötze zu stehen, wenn Passanten in stattlicher Entfernung aufkreuzten. Ein namhafter Journalist hat mir einmal einen elegant formulierten Brief zukommen lassen, in dem er sich in deutlichen Worten ĂŒber ein seiner Meinung nach ungebĂŒhrliches Verhalten eines unserer Bauarbeiter beklagte – natĂŒrlich mit der Aufforderung einer schriftlichen Stellungnahme des CEO zu diesem nicht tolerierbaren Vorfall zu erhalten samt personellen Konsequenzen fĂŒr den ĂŒberfĂŒhrten SĂŒnder.
In der Optik dieser Aussenwelt ist der CEO immer zustĂ€ndig. Und zwar fĂŒr alles und jedes. Wehe, der reagiert nicht umgehend und in adĂ€quater Form. Die TonalitĂ€t verschĂ€rft sich dann schlagartig. Im milderen Fall etwa so: «Was meint denn dieser CEO, wenn er nicht einmal auf mein SMS reagiert?» In der Innenwelt des Unternehmens ist die Erwartungshaltung an den CEO keineswegs eine andere. Dort ist er fĂŒr alles zustĂ€ndig, was nicht im Reglement steht. Gewissermassen als HĂŒter der letzten Fragen. Etwa: Welche politischen Parteien soll die Firma unterstĂŒtzen? Oder: Wie hoch darf das Budget fĂŒr das Personalfest dieses Jahr sein? NatĂŒrlich sind das alles Fragestellungen, die das Unternehmen im Innersten in Frage stellen.
Es gab aber natĂŒrlich immer auch positives Feedback. In Erinnerung blieb mir jener Tourist, der im Sommer im europĂ€ischen Norden unterwegs war und mir per SMS einen Foto-Schnappschuss zuschickte: stolzer Schweizer auf dem Bild mit dem Margeriten-Logo der Schweizer Implenia. Auslöser fĂŒr diese patriotische GefĂŒhlsaufwallung ist selbstverstĂ€ndlich auch der CEO.
Was mich zu einer ersten Erkenntnis fĂŒhrt: Der CEO ist zustĂ€ndig fĂŒr alles. Und wer fĂŒr alles zustĂ€ndig ist, ist zustĂ€ndig fĂŒr nichts. Peter F. Drucker, der im Jahre 2005 verstorbene BegrĂŒnder der modernen Managementlehre, meinte kurz vor seinem Tod, die Menschen sĂ€hen im CEO eine Art unternehmensinternen Coach oder Springer, der immer dann zur Stelle sei, wenn es Probleme zu lösen gĂ€be. Diese irrige Vorstellung wollte der Altmeister zertrĂŒmmern und hinterliess Fragmente seiner Gedanken zur Rolle des CEO. Teile davon publizierte Peter F. Drucker noch unter dem Titel The American CEO als Kolumne im Wall Street Journal. Darin heisst es: «Der CEO ist das Bindeglied zwischen dem Inside, das heisst der Organisation und der Aussengesellschaft der Wirtschaft, Technologie, MĂ€rkte, Kunden, Medien, öffentliche Meinung. Innen gibt es nur Kosten. Ergebnisse und Einnahmen kommen nur von aussen.»
So richtig diese Gedanken auch sein mögen. Interessant wurde es immer dann, wenn Lieferanten beim CEO intervenierten. Sind diese nun innen, weil sie frei nach Peter F. Drucker bekanntlich Kosten produzieren? Oder aussen wie Kunden oder MĂ€rkte? Nach dem Inhalt von deren Interventionen zu urteilen, betrachteten sich viele der Lieferanten schon fast als Teil des Unternehmens. Der CEO, fanden diese oft ohne rot zu werden, solle doch schauen, dass Konditionen und Preise endlich besser wĂŒrden. Ich mĂŒsse ja daran interessiert sein, langfristige Lieferantenbeziehungen aufzubauen, wurde mir beschieden. RegelmĂ€ssig wurde ich auch zu irgendwelchen Veranstaltungen eingeladen – als wĂŒrden heute keine rigiden Compliance-Bestimmungen GĂŒltigkeit besitzen. Vielleicht kann darĂŒber hinwegsehen, wer sich als Freund des Hauses sieht.
Ähnliche Haltungen poppten auf, sobald die Politik intervenierte. Dann wurde es wirklich spannend. Warum, hiess es in solchen FĂ€llen an die Adresse des CEO, bekommt ein auslĂ€ndischer Lieferant den anstehenden Auftrag? Wo doch die angesehene lokale Unternehmung gewissermassen vor der TĂŒre zu finden wĂ€re? Nie fehlte dann auch der Hinweis, ein Bauunternehmen wie Implenia erhalte doch öffentliche AuftrĂ€ge, die mit Steuergeldern finanziert seien. Es wurde nicht immer nur subtil gedroht, so dass der CEO schon verstand, dass es Politiker sind, die öffentliche Bauvorhaben auslösen.
Bei den Kunden war es dann meist exakt umgekehrt. Dort lautete die zentrale, oftmals als Frage verkleidete Forderung: Was hat der kundenfreundliche CEO zu bieten? Kann er den Preis weiter nach unten drĂŒcken, da er doch alles Interesse haben muss, den Auftrag auch zu bekommen? Wenn er das – aus welchen GrĂŒnden auch immer – nicht tat, stand schon die nĂ€chste Frage im Raum: Über was fĂŒr Kompetenzen verfĂŒgt ein solch unbeweglicher CEO ĂŒberhaupt? Oder vielleicht schlimmer noch: Wieso ist der ĂŒberhaupt noch da?
Diskussionen mit und ĂŒber Kunden. Ein Evergreen, den jeder CEO kennt. Genauso wie deren Hinweis darauf, wer denn am Schluss die Rechnungen im Unternehmen zahlt, wenn nicht der Kunde? Oder gar der Fingerzeig, dass kein anstĂ€ndiger Unternehmer seinen Kunden ĂŒber den Tisch zieht. Ist ersterer ein Bauunternehmer wie der Implenia-CEO, hat der meist ein ganz anderes Problem. Gerade bei Grossprojekten ist oftmals gar nicht mehr erkennbar, wer nun der Kunde eigentlich ist. Eine juristische Person, die durch verschiedene abstrakte Instanzen vertreten wird? Oder eine spezifische Person, ein FunktionstrĂ€ger, etwa die Rechtsabteilung des Kunden?
Das Resultat: ein Wirrwarr an Verantwortlichkeiten und Kompetenzen. Jeder Beteiligte versucht, seine persönliche Raison d’ĂȘtre zu finden und zu halten. Manche kommen dabei gewaltig unter die RĂ€der. Und den letzten in der Reihe beissen die Hunde – im Baugewerbe ist das oftmals der Projektleiter. Ein armer Tropf. Ab einem bestimmten Punkt des Baufortschritts spĂŒrt er den heissen Atem der Juristen im Nacken, die nun in Stellung gehen, um fĂŒr ihre Kundschaft finanziell noch irgendetwas, egal was, herauszuschlagen. Zu Recht, aber oftmals halt auch zu spĂ€t mag der sich fragen: Warum, zum Kuckuck, ist dieser Vertrag nicht wasserdicht? Hat den vor der Unterzeichnung denn keiner auf Herz, Nieren und Risiken abgeklopft? Wenn dann noch allerhand Kontrolleure, so genannte Risk-Manager oder selbsternannte Experten aus irgendwelchen Löchern aufpoppen, ist die Antwort klar und wohl auch klar, wie diese Angelegenheit weitergeht.
An Sitzungen wird in der Folge von allen Beteiligten plötzlich alles Mögliche fleissig protokolliert. Man weiss ja nie, wozu das noch gut sein kann, wenn es gilt, eigene AnsprĂŒche durchzusetzen. Dass es nur darum geht, wird unserem gebeutelten Projektleiter spĂ€testens klar, wenn sich die eingeschriebenen Briefe hĂ€ufen – der Fall des Bauvorhabens ist nun zum Rechtsfall promoviert. Oder in anderer Perspektive dorthin degradiert. Jetzt, wo die Verantwortung fĂŒr das grosse Ganze allen Beteiligten entglitten und bis zur Unkenntlichkeit atomisiert ist, hilft nur noch eines: die höchste Instanz anzurufen. Und das ist bekanntlich der CEO.
Ob der den gordischen Knoten durchschlagen kann? Ich sage: meist nicht. In vielen FĂ€llen ist es zu spĂ€t, die StreithĂ€hne bereits unrettbar ineinander verkeilt. Und dann ist da ja oftmals, frei nach Peter Handke, auch die Angst des CEO beim Elfmeter – nur wer nichts tut, ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Impressum
  3. Titel
  4. Widmung
  5. Inhalt
  6. Vorwort
  7. 1. CEO: FĂŒnf Pinselstriche
  8. 2. Berater: Um MĂ€use geht es hier
  9. 3. Analysten: FĂŒnf Analysen
  10. 4. Presse: FĂŒnf Schlagzeilen
  11. 5. FĂŒhren: FĂŒnf Modelle
  12. 6. BĂŒezer: Eine Hommage
  13. 7. Boni: Ein PlÀdoyer
  14. 8. Verwaltungsrat: Sechs Bekenntnisse und ein Appell
  15. 9. Nachhaltigkeit: Mein SchlĂŒsselerlebnis
  16. 10. Heuschrecken: Ein Erfahrungsbericht
  17. 11. Marke: FĂŒnf Botschaften
  18. 12. Leverage: Sechs Wirkungen und eine Frage
  19. 13. Zeit: Eine PhÀnomenologie
  20. 14. Familie & Freunde: Eine Typologie
  21. 15. Marathon: Ein Laufbericht
  22. Nachwort
  23. Ein kleines Glossar
  24. Literatur