Julia Holzer & Doris Elster
Einflussfaktoren für die Intention Jugendlicher zu einer Stammzellenspende
Zusammenfassung
Ziel dieser Studie ist die Erforschung der Einflussfaktoren, welche die Intention von Schüler*innen für eine Stammzellenspende für Leukämieerkrankte beeinflussen. Dazu wird ein Forschungsmodell basierend auf der Theorie des geplanten Verhaltens (Theory of Planned Behavior; TPB) entwickelt. Konkret werden die TPB-internalen Faktoren verhaltensbezogene, normative sowie Kontrollüberzeugungen gemessen und zur Klärung der Intention bezüglich der Stammzellenspende herangezogen. Ergänzend wird der Einfluss TPB-modellexterner Konstrukte wie Fachwissen, Verpflichtungsgefühl, Selbstbild als Helfer, moralisches Denken und Empathie untersucht.
Basierend auf dem erweiterten Forschungsmodell wird eine fünfstündige Unterrichtsintervention entwickelt und mit Oberstufenschüler*innen im fachdidaktischen Lehr-Lernlabor durchgeführt. Das Ziel der Unterrichtsintervention ist die Förderung des fachlichen Wissens und der Reflexion von Einstellungen, Normen und Überzeugungen bezogen auf die Stammzellenspende.
Die zentralen Forschungsfragen der Studie beziehen sich auf die Erforschung 1) inwieweit die Faktoren des erweiterten Forschungsmodells durch die Unterrichtsintervention verändert werden und 2) in welchem Ausmaß die TPB Faktoren und die modellexternen Faktoren die Intention zur Registrierung für eine Stammzellenspende aufklären.
Zur Datenerhebung kommt ein Fragebogen im pre-post-Design vor bzw. nach der Durchführung der Unterrichtsintervention zum Einsatz. Die Proband*innen sind 94 Schüler*innen der Oberstufe aus Bremer Schulen (Durchschnittsalter: 17,1 Jahre; keine Registrierung als Stammzellenspender). Die Datenanalyse erfolgt durch Mittelwertsvergleiche (T-Test, Wilcoxon Test), qualitative Inhaltsanalyse der offenen Fachwissensfragen und Regressionsberechnungen.
Aus den Ergebnissen zu Forschungsfrage 1 geht hervor, dass vor allem negative einstellungsbezogene Überzeugungen, Kontrollüberzeugungen sowie die Intention zur Stammzellenspende sich nach der Intervention signifikant ändern. Die modellexternen Faktoren (außer Empathie) zeigen nach der Intervention signifikante Anstiege. Die Ergebnisse zu Forschungsfrage 2 belegen, dass vor allem die TPBKontrollüberzeugungen, das Verpflichtungsgefühl sowie das Fachwissen die Intention signifikant prägen.
Die Studie belegt, dass eine TPB-basierte Intervention im Unterricht effektiv eingesetzt werden kann. Für Folgestudien im Bereich der Stammzellenspende ist es zu empfehlen, ihren Fokus auf die Einflussfaktoren Kontrollüberzeugungen, Fachwissen und Verpflichtungsgefühl zu legen, da sie wichtige Einflussfaktoren für die Erklärung der Intention darstellen.
Abstract
The aim of this study is to investigate the factors that influence the intention of students for stem cell donation for leukemia sufferers. For this purpose, a research model based on the Theory of Planned Behavior (TPB) is developed. Specifically, the TPB-internal factors are measured by behavioral, normative and control beliefs and used to clarify the intention regarding stem cell donation. In addition, the influence of TPB-model-external constructs such as subject content knowledge, moral obligation, self-identity as a helper, moral reasoning and empathy is examined.
Based on the extended research model, a five-hour teaching intervention is developed and carried out with high school students in the didactic teaching/learning laboratory. The aim of the teaching intervention is to promote subject content knowledge and the reflection of attitudes, norms and beliefs related to stem cell donation.
The main research questions of the study relate to research 1) to what extent the factors of the extended research model are changed by the teaching intervention and 2) to what extent the TPB factors and the non-model factors clarify the intention to register for a stem cell donation.
A pre-post design questionnaire is used for the data collection before and after the teaching intervention. The participants are 94 students from upper secondary schools in Bremen (average age: 17.1 years; no registration as a stem cell donor). Data analysis is performed by means comparisons (T-Test, Wilcoxon Test), qualitative content analysis of open knowledge questions and regression calculations.
The results of research question 1 show that negative attitude-related beliefs, control beliefs and the intention to donate stem cells change significantly after the intervention. The external factors (except empathy) show significant increases after the intervention. The results of research question 2 show that the TPB control beliefs, the moral obligation and the subject content knowledge have a significant influence on the intention.
The study demonstrates that TPB-based intervention can be used effectively in the classroom. For follow-up studies in the field of stem cell donation, it is recommended to focus on the factors control beliefs, subject knowledge and moral obligation, as they are important influencing factors for explaining the intention.
1 Einleitung
Leukämie ist eine weitverbreitete Krankheit, die unbehandelt innerhalb von Wochen bis Monaten einen tödlichen Verlauf annehmen kann. Die Stammzellentransplantation bildet einen kurativen Therapieansatz der Leukämie. Auch wenn etwa 80 % der Patienten einen gewebekompatiblen Spender finden können, ist dennoch die Nachfrage nach neuen Spendern sehr hoch (Kühl & Kühl, 2012).
Um zu untersuchen, warum sich einige Menschen für eine Stammzellenspende entscheiden und andere nicht, wird in dieser Studie auf die Theorie des geplanten Verhaltens (Theory of Planned Behavior, TPB) als Rahmenkonzept zurückgegriffen (Ajzen, 2005). Die TPB wurde bereits in zahlreichen Anwendungsbereichen empirisch getestet, wobei von der Theorie postulierte Effekte bestätigt wurden (Ajzen, 2005). Auch für Forschung im Kontext des Schulunterrichts bringt die TPB einen großen Nutzen. Sie kann überall dort eingesetzt werden, wo das Erfassen von Verhaltensursachen und die Förderung des verantwortungsvollen Verhaltens ein Ziel ist (z.B. in der Gesundheitserziehung bzw. -förderung [z.B. Ernährungs- oder Rauchverhalten etc.]; Sexualerziehung [z.B. künstliche Befruchtung, Verhütung etc.]; Nachhaltigkeit [z.B. Mülltrennung]) (Graf, 2007).
Eine Vergleichsstudie mit deutschen und spanischen Jugendlichen bzgl. der Stammzellenspende (Holzer & Elster, 2018) hat gezeigt hat, dass die Intention, Stammzellenspender zu werden, unter den Jugendlichen nur mittelmäßig ausgeprägt ist. Deshalb erscheint eine weitere Studie zur Untersuchung der ausschlaggebenden Faktoren, welche die Intention beeinflussen, notwendig. So steht die fachliche Information und Sensibilisierung der Jugendlichen zum Thema Stammzellenspende und Leukämie im Zentrum dieser Studie bzw. der Unterrichtsintervention. Das übergeordnete Ziel ist die Erziehung der Schüler*innen zu mündigen Bürger*innen, welche befähigt sind begründete und reflektierte Entscheidungen im Bereich der Gesundheitsbildung zu treffen. Außerdem erscheinen Jugendliche als Stammzellenspender besonders geeignet, da ihr Gesundheitszustand in der Regel gut ist – ein wesentliches Kriterium, um Spender zu werden – und sie außerdem aufgrund des jungen Alters wahrscheinlich länger in der Datenbank verbleiben. Dadurch erhöht sich ihre Chance, Spender zu werden, im Vergleich zu anderen Altersgruppen wesentlich.
2 Theoretischer Rahmen
2.1 Theorie des geplanten Verhaltens (TPB)
Die Theorie des geplanten Verhaltens (TPB) von Ajzen (1991) hilft einerseits Determinanten, die das Verhalten bedingen, zu verstehen sowie andererseits, dieses Verhalten vorherzusagen. Laut Ajzen (2005) wird das Verhalten durch die Intention bestimmt. Dabei wird die Intention als ein Indikator definiert, welcher anzeigt, wie stark ein Individuum dazu geneigt ist, ein bestimmtes Verhalten auszuführen (Ajzen, 2005). Dabei wird angenommen, dass je stärker bzw. positiver die Intention gegenüber dem Verhalten ausgeprägt ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass dieses Verhalten auch tatsächlich ausgeführt wird.
Die Intention wird wiederum von drei konzeptionell unabhängigen Prädiktoren beeinflusst, nämlich von den Einstellungen zum Verhalten (attitudes, ATT), der subjektiven Norm (subjective norms, SN) und der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle (perceived behavioral control, PBC) (Ajzen, 1991). Die verhaltensbezogenen Einstellungen zeigen wie positiv bzw. negativ eine Person ein bestimmtes Verhalten bewertet. Die subjektive Norm beschreibt den subjektiv wahrgenommenen, sozialen Umgebungsdruck, welchen ein Individuum bei der Ausführung bzw. dem Unterlassen einer Handlung verspürt. Die dritte Determinante der Intention ist die wahrgenommene Verhaltenskontrolle. Sie zeigt, wie leicht bzw. wie schwer die Verhaltensausführung für ein Individuum ist. Bei dieser Abwägung werden die zur Verfügung stehende Ressourcen und Möglichkeiten eingeschätzt, welche die Verhaltensausführung entweder fördernd oder hemmend beeinflussen können. Zusammenfassend gesehen wird die Intention, ein bestimmtes Verhalten auszuführen, wahrscheinlicher, 1) je positiver eine Person ein Verhalten bewertet; 2) wenn sie glaubt, dass auch andere, ihr wichtige Personen es begrüßen, dass sie das Verhalten ausführt, sowie 3) wenn sie bei sich eine hohe Kontrolle für die Verhaltensausführung wahrnimmt.
Die drei Prädiktoren der Intention (ATT, SN, PBC) basieren auf Überzeugungen. Die Überzeugungen lassen sich als Wert- und Erwartungsabwägungen beschreiben (Ajzen, 2005; 2011). Die verhaltensbezogenen Überzeugungen, welche...