Wenn ich der Wind wäre
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Wenn ich der Wind wäre

  1. 128 Seiten
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Wenn ich der Wind wäre

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Über dieses Buch

Während in Europa der Zweite Weltkrieg tobt, schreibt der US-amerikanische Forstwissenschaftler und Umweltethiker Aldo Leopold über die Wälder von Arizona, Oregon und Manitoba, wo er Flora und Fauna erkundet hat, und den Einfluss menschlichen Handelns auf die Natur. Er erinnert sich an die magischen Tänze der Waldschnepfen, sinniert über die Trunkenheit des Windes, wundert sich über die Sprache der Bäume und über ihr Gedächtnis, beschreibt Gemälde, die der Wisconsin River an manchen Sommermorgen malt, und Felsenblümchen, die kleinsten Blumen der Welt. Selten wurde so sinnlich über die Natur geschrieben, wurde in so knappen, eindringliehen Worten so viel über die wichtigen Dinge des Lebens gesagt. 1949, ein Jahr nach Leopolds Tod und ein Jahrhundert nach Thoreaus Walden erschienen, ist A Sand County Almanac, aus dem dieser Band eine Auswahl bietet, längst nicht nur ein Klassiker des nature writing und ein Grundlagentext der Umweltschutzbewegung, sondern vor allem, so Literaturnobelpreisträger Jean-Maria Gustave Le Clézio, ein Brevier für alle, die nach einem ausgeglichenen Leben streben.

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Information

Jahr
2021
ISBN
9783311702245

Februar Gute Eiche

Für den Menschen, der keine Farm besitzt, gibt es die Gefahr zweier Trugschlüsse: Zum einen könnte er annehmen, dass das Frühstück aus dem Lebensmittelgeschäft, zum anderen, dass die Wärme aus dem Ofen kommt.
Um der ersten Gefahr zu entgehen, sollte man einen Garten anlegen, vorzugsweise in einer Gegend, wo kein Gemüsemarkt die Angelegenheit verfälschen kann.
Um die zweite zu vermeiden, sollte man im Februar einen Kloben guten Eichenholzes in den Kamin legen, möglichst in einem Haus ohne Zentralheizung, und die Schienbeine daran wärmen, während ein Eissturm draußen an den Bäumen zerrt. Wer seine eigene gute Eiche gefällt, zerhackt, heimgebracht, aufgeschichtet und dabei nur ein bisschen nachgedacht hat, wird sich gut daran erinnern, woher die Wärme kommt, und zwar in all den Einzelheiten, die jenen abgehen, die ihr Wochenende in der Stadt vor einem Heizkörper verbringen.
Eben diese Eiche, die nun auf meinem Feuerbock glüht, wuchs am Rande der alten Einwandererstraße, wo diese den Sandhügel hinaufführt. Der Stumpf, den ich nach dem Fällen vermaß, hatte einen Durchmesser von 75 Zentimetern. Er wies achtzig Jahresringe auf, also muss der Sämling, aus dem der Baum erwuchs, seinen ersten Ring 1865, gegen Ende des Sezessionskrieges, gebildet haben. Aber aus der Geschichte heutiger Sämlinge weiß ich, dass keine Eiche über die von Kaninchen noch zu erreichende Höhe hinauswächst, ohne ein Jahrzehnt lang oder noch länger jeden Winter ringförmig benagt zu werden und im folgenden Sommer wieder auszutreiben. Tatsächlich steht fest, dass jede überlebende Eiche ihr Fortbestehen entweder der Nachlässigkeit oder der geringen Anzahl der Kaninchen verdankt.
Gewiss wird eines Tages ein geduldiger Botaniker eine Häufigkeitskurve für die Geburtsjahre von Eichen zeichnen und dabei feststellen, dass die Kurve alle zehn Jahre ausbuckelt. Jeder Buckel entsteht dabei durch einen Tiefstand im Zehnjahreszyklus der Kaninchen. (Durch diesen anhaltenden Kampf zwischen und innerhalb der Tier- und Pflanzenwelt erreichen sie gemeinsam Unsterblichkeit.) Es ist somit wahrscheinlich, dass es in den Mittsechzigern, als meine Eiche ihre ersten Jahresringe bildete, einen Tiefstand im Kaninchenbestand gab, dass aber die Eichel, aus der sie erwuchs, während des vorangegangenen Jahrzehnts heruntergefallen war, als noch die Planwagen über meine Straße in den äußersten Nordwesten rollten. Es könnte dieser Einwandererverkehr gewesen sein, der den Straßenrand bloßgelegt hat, wodurch diese Eichel ihre ersten Blätter der Sonne entgegenstrecken konnte. Nur eine Eichel unter tausend wird jemals groß genug, um es mit den Kaninchen aufzunehmen; der Rest versinkt bei der Geburt im Meer der Prärie. Es ist ein erwärmender Gedanke, dass diese nicht dazugehörte und somit leben konnte, um achtzig Jahre lang die Junisonne zu speichern. Dieses Sonnenlicht, das jetzt dank meiner Axt und meiner Säge wieder verströmt werden kann, erwärmt meine Hütte und mein Gemüt während achtzig Böen des Schneesturms. Und mit jedem Windstoß geben Rauchfetzen aus meinem Schornstein allen Interessierten Zeugnis davon, dass die Sonne nicht vergebens schien.
Meinen Hund kümmert es nicht, woher die Wärme kommt, aber ihn interessiert brennend, dass sie kommt, und zwar schnell. Tatsächlich hält er meine Fähigkeit, sie herbeizuschaffen, für eine Art Zauber, denn wenn ich in der kalten schwarzen Vordämmerung aufstehe und zitternd vor der Feuerstelle knie, um Feuer zu machen, schiebt er sich sanft zwischen mich und die Holzspäne, die ich auf die Asche gelegt habe, und wenn ich sie anzünden will, muss ich das Streichholz zwischen seinen Beinen durchschieben. Ich vermute, dies ist der Glaube, der Berge versetzt.
Ein Blitzschlag setzte der Holzproduktion dieser besonderen Eiche ein Ende. Wir alle erwachten in einer Julinacht von dem Donnerschlag; uns war klar, dass es in der Nähe eingeschlagen haben musste, aber da es nicht bei uns war, schliefen wir wieder ein. Der Mensch ist das Maß aller Dinge, und das gilt auch für den Blitzschlag.
Als wir am nächsten Morgen über den Sandhügel zogen und uns mit Sonnenhut und Prärieklee über den frisch gefallenen Regen freuten, stießen wir auf einen großen Rindenbrocken, der frisch vom Stamm der Eiche am Straßenrand abgerissen war. Der Stamm hatte eine lange, spiralförmige Narbe von bloßgelegtem hellem Holz, dreißig Zentimeter breit und noch nicht von der Sonne vergilbt. Am nächsten Tag waren die Blätter verwelkt, und wir wussten, dass der Blitz uns drei Klafter künftigen Feuerholzes beschert hatte. Wir trauerten über den Verlust des alten Baumes, aber wir wussten, dass ein Dutzend seiner Nachkommen, die gerade und kräftig im Sand standen, bereits seine Aufgabe der Holzproduktion übernommen hatte.
Wir ließen den toten Veteranen ein Jahr lang in der Sonne trocknen, deren Energie er nicht mehr speichern konnte, und an einem kalten Wintertag gingen wir mit frisch geschärfter Säge an sein bewehrtes Fundament. Würzig duftende kleine Splitter seiner Geschichte spritzten bei jedem Schnitt vom Sägeblatt und sammelten sich im Schnee vor den beiden knienden Sägern. Wir fühlten, dass diese zwei Haufen von Sägespänen mehr als nur Holz waren: dass sie ein vollständiger Querschnitt durch ein Jahrhundert waren; dass sich unsere Säge Zug um Zug, Jahrzehnt um Jahrzehnt, durch die Chronologie eines Lebens fraß, wie sie in den konzentrischen Jahresringen einer guten Eiche festgehalten ist.
Es brauchte nur ein Dutzend Züge, um die wenigen Jahre zu durchsägen, in denen die Eiche uns gehört hatte und während derer wir die Farm lieben und schätzen gelernt hatten. Jäh begannen wir, die Jahre unseres Vorgängers, des Alkoholschmugglers, zu durchsägen, der diese Farm gehasst, sie ihrer noch vorhandenen Fruchtbarkeit beraubt, ihr Farmhaus abgebrannt, sie in den Schoß des Landkreises zurückgeworfen hatte (mit beträchtlichen Steuerschulden) und schließlich in der landlosen Anonymität der Depressionsjahre verschwunden war. Dennoch hatte die Eiche gutes Holz für ihn produziert; die Sägespäne aus seiner Epoche waren ebenso wohlriechend, gesund und rosafarben wie die unseren. Eine Eiche macht keinen Unterschied im Ansehen der Person.
Die Herrschaft des Alkoholschmugglers endete irgendwann in den Staubstürmen der Dürrejahre von 1936, 1934, 1933 und 1930. Eichenholzrauch der Schnapsbrennereien und Torffeuer von brennendem Marschland müssen damals die Sonne verdunkelt haben, und Naturschutz steckte gerade in den Kinderschuhen. Doch den Sägespänen merkte man das nicht an.
Pause!, ruft jetzt der Obersäger, und wir halten ein, um Atem zu schöpfen.
Jetzt frisst sich unsere Säge in die Jahre um 1920, die Dekade der Babbitts1, wo alles größer und besser wurde, in Sorglosigkeit und Arroganz, bis 1929, als der große Börsenkrach kam. Sollte die Eiche ihn gehört haben, so ist ihrem Holz jedenfalls nichts anzumerken. Ebenso wenig hat sie die verschiedenen Beteuerungen des Gesetzgebers bezüglich seiner Liebe zu Bäumen beachtet: ein Staatsforst- und ein Holzschlaggesetz 1927, Errichtung eines großen Schutzgebietes im Tiefland des Oberen Mississippi 1924 und neue Richtlinien für die Forstwirtschaft 1921. Sie hat auch 1925 den Tod des letzten Marders im Land nicht beachtet und nicht die Ankunft des ersten Stars 1923. Im März 1922 vernichtete der große Eisregen die benachbarten Ulmen Ast für Ast, aber an unserem Baum ist kein Anzeichen von Schaden zu bemerken. Was bedeutet schon eine Tonne Eis, mehr oder weniger, für eine gute Eiche?
Pause!, ruft jetzt der Obersäger, und wir halten ein, um Atem zu schöpfen.
Nun frisst sich unsere Säge in die Jahre von 1910 bis 1920, das Jahrzehnt des Drainagewahns, als Dampfbagger das Marschland von Mittel-Wisconsin trockenlegten, um Farmen entstehen zu lassen, und stattdessen Aschehaufen produzierten. Unsere Marsch entging der Zerstörung, nicht dank der Sorgfalt oder Voraussicht der Ingenieure, sondern weil der Fluss sie in jedem Jahr im April überschwemmte; und mit besonderer Macht – vielleicht in einer Art Selbstverteidigung – in den Jahren 1913 bis 1916. Die Eiche setzte Holz an, als ob nichts wäre, selbst als 1915 der Oberste Gerichtshof die Staatsforste abschaffte und Gouverneur Phillip verkündete, dass »Staatsforste kein gutes Geschäft« seien. (Dem Gouverneur ist nicht aufgegangen, dass es mehr als eine Definition für das, was gut ist, geben könnte wie auch für das, was ein »Geschäft« ist. Ihm ist auch nicht aufgegangen, dass, während die Gerichte ihre Definition dessen, was gut ist, in die Gesetzbücher eintrugen, die Feuer der Oberfläche des Landes eine ganz andere Definition einbrannten. Vielleicht darf man, wenn man Gouverneur ist, in solchen Dingen keine Zweifel haben.)
Während die Forstwirtschaft in diesem Jahrzehnt zurückging, kam der Wildschutz voran. 1916 wurden in Waukesha County erfolgreich Fasane angesiedelt; 1915 verbot ein Bundesgesetz die Frühjahrsjagd; 1913 wurde eine staatliche Wildfarm eröffnet; 1912 schützte ein »Bockgesetz« alles weibliche Weißwedelwild; 1911 verbreiteten sich Schutzgebiete in Windeseile im ganzen Land. »Schutzgebiet« wurde zu einem heiligen Wort, aber die Eiche kümmerte das nicht.
Pause!, ruft jetzt der Obersäger, und wir halten ein, um Atem zu schöpfen.
Jetzt sägen wir durch 1910, als ein bedeutender Rektor einer Universität ein Buch über Naturschutz veröffentlichte, gewaltige Schwärme von Sägewespen Millionen Lärchen vernichteten, eine große Dürre die Kiefernpflanzungen verbrannte und ein riesiger Bagger den Horicon Marsh trockenlegte. Wir sägen durch 1909, als erstmals Stinte in den Großen Seen ausgesetzt wurden und ein nasser Sommer den Gesetzgeber veranlasste, die Mittel zur Waldbrandbekämpfung zu streichen.
Wir sägen in das trockene Jahr 1908, in dem die Wälder heftig brannten und Wisconsin seinen letzten Puma verlor.
Wir sägen durch 1907, als ein wandernder Luchs, der das gelobte Land in der falschen Richtung suchte, seinen Werdegang zwischen den Farmen des Dane County beendete.
Wir sägen durch 1906, als der erste Staatsförster seinen Dienst antrat und Brände 17000 Morgen in diesen Sandgebieten vernichteten; wir sägen durch 1905, als ein großer Schwarm Habichte aus dem Norden kam und die Kragenhühner der Gegend auffraß (bestimmt saßen die Habichte auch in diesem Baum und kröpften ein paar Hühner). Wir sägen durch 19023, einen bitterkalten Winter; durch 1901 mit der verheerendsten Dürre seit Menschengedenken (nur 425 mm Regen); durch 1900, das Jahr der Jahrhundertwende, ein Jahr der Hoffnung, der Gebete und des üblichen Jahresrings der Eiche.
Pause!, ruft jetzt der Obersäger, und wir halten ein, um Atem zu schöpfen.
Nun frisst sich unsere Säge in die 1890er Jahre, die Fröhlichen genannt von denen, deren Augen stadtwärts gerichtet sind anstatt auf das Land. Wir sägen durch 1899, als die letzte Wandertaube in der Nähe von Babcock, zwei Bezirke nördlich von hier, von einer Ladung Schrot getroffen wird; wir sägen durch 1898, als auf einen trockenen Herbst ein schneeloser Winter folgte, der den Boden über zwei Meter tief gefrieren ließ und die Apfelbäume umbrachte; durch 1897, wieder ein Dürrejahr, in ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Januar Tauwetter
  4. Februar Gute Eiche
  5. März Die Wildgänse kehren zurück
  6. April Wenn das Hochwasser kommt
  7. Mai Zurück aus Argentinien
  8. Juni Die Erlengabelung – ein Anglerparadies
  9. Juli Großartige Besitztümer
  10. August Die grüne Weide
  11. September Das Chordickicht
  12. Oktober Rauchfarbenes Gold
  13. November Wenn ich der Wind wäre
  14. Dezember Streifgebiete
  15. Über Aldo Leopold
  16. Impressum