Iva atmet
eBook - ePub

Iva atmet

  1. 320 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Schweigend überschatten die Köcherbäume das Elternhaus in Dresden, in das Iva zum ersten Mal seit vielen Jahren zurückkehrt. Ihr Vater, ein einflussreicher Richter, hatte die beiden toten Riesen dort einbetoniert, zur Erinnerung an die Kindheit der Großmutter in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia. Nun liegt der Vater im Sterben, und alte Bilder wirbeln in Iva auf: die Fragen des Bruders nach dem Großvater im Dritten Reich, die verschwörerischen Treffen, bei denen der Vater auf alte Zeiten anstößt, sie und ihre Schwester, die auf der Treppe lauschen. Immer klarer treten die Umrisse einer Täterfamilie zutage, und Iva kann nicht länger die Luft anhalten.Mit Iva atmet widmet sich Amanda Lasker-Berlin großen gesellschaftlichen Themen: der persönliche Umgang mit historischer Schuld, das Schweigen in Familien und die deutschen Kolonialverbrechen. Ohne Pathos und Effekthascherei, dafür mit umso größerer Leichtigkeit und Lebendigkeit verwebt die Autorin ihren Stoff zu einer mitreißenden Geschichte.

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Information

Jahr
2021
ISBN
9783627022952

ZWEITER TAG

1

Hinter der Fensterscheibe ist Winter. Eisblumen daran. Auch auf der Innenseite sind es nur wenige Grad über null. Kondensierter Atem kommt aus Ivas Mund und Nase. Sie hockt vor dem Fenster. In ihrer Lunge sind die Laubhaufen festgefroren. In der Luftröhre kauern einige Eiskristalle.
Aus dem Erdgeschoss dringen die kratzigen Töne einer Geige. Die klingt verstimmt.
Ivas Haar ist noch nass von der Dusche. Iva ist nackt. Nur eine Gänsehaut überzieht ihren Körper. Die Nacht war kurz. Iva ist müde. Immer wieder aufgewacht, von der Hitze im Traum. Der hat sie ganz woanders hingebracht. An einen Ort, an dem im Frühling das Gras bis zu den Knien reicht, die Wolken nur sporadischen Schatten spenden. Eine Gruppe von Eselskarren zieht weg vom Waterberg. Landschaft, die karger und karger wird. Steine und verdorrtes Gras. Eine Gestalt, die flimmert in der Hitze. Und Iva kann sie nicht erkennen. Das Bild ist zu schwach.
Iva starrt in den Morgen. Die Wolkenfäden am Himmel erinnern sie an die Herzschlagszeichnungen, gestern im Krankenhaus. Einmal kurz wundern, dass sie nur weiß, wie der Herzschlag vom Vater auf dem Bildschirm aussieht, und nicht, wie er klingt.
Iva hat es nur einmal gehört. Das Herz vom Vater. Da ist sie zwölf und er umarmt sie. Legt seine schweren Hände auf ihre Schulterblätter. Er im Anzug und sie in einem schwarzen Kleid. Und die Großmutter ist beerdigt seit ein paar Stunden. Iva hört: drei, vier Herzschläge vom Vater. Dann schiebt er sie weg. Geht zu Jette, umarmt sie genau so. Klopft Alexander auf die Schultern. Verschwindet dann wieder im Arbeitszimmer. Und die Kinder stehen da. Jette und Iva in Schwarz, Alexander in Gelb. Weil er es passender findet, die Farbe aus den Großmutterträumen zu tragen als einfach nur Schwarz. Die Mutter packt Kartons ins Auto. Die sind voll mit Kleidung von der Großmutter. Mit ihren langen Röcken, den Blusen, den Strumpfhosen.
Die drei stehen da und schauen die Mutter nicht an. Schauen sich gegenseitig in die roten Augen, die blasse, unreine Haut. Alexanders Haare sind fettig. Weil er Angst vor Wasser hat und nicht mehr duschen gehen will. Jettes Hände sind vergraben in ihrer Jackentasche. Iva schaut zur Mutter. Wie sie das Gesicht verzieht, als sie »Nachthemden« auf den einen Karton schreibt. Schaut, als wäre ihr schlecht. Obwohl die Kleidung gar nicht mehr nach der Großmutter riechen kann. Die Mutter hat sie mehrmals gewaschen bei sechzig Grad.
Alexander beobachtet die Mutter wütend. Rennt dann los. Reißt einen von den Kartons auf. Reißt ein Unterhemd heraus. Das ist weiß, wirft es in die Luft. Damit es Richtung Himmel fliegt. Jubelt, denn es sieht fast so aus, als erreiche das Hemd eine Wolke. Und als es heruntersegelt, fängt er es auf, schaut zu Iva. Die ist sofort bei ihm und wirft Hemd für Hemd hoch. Eines verfängt sich im Köcherbaum. In einem Ast, der so hoch ist, dass sie da nicht drankommen ohne Leiter. Das also da bleiben wird. Bis der Wind es mitnimmt.
Iva, die lacht und ruft: »Ihr müsst doch fliegen!« Und wirft immer mehr Kleidung hoch und Alexander singt. Das erste Mal seit Tagen wieder. Immer mehr Kleidung strauchelt durch den Himmel. Alles ist weiß und grau. Nur Alexander leuchtet gelb. Iva und Alexander tanzen durch den Vorgarten zusammen mit den Hemden und Iva versteht auf einmal das Wort: Abschied.
Jette steht da, hält Abstand. Macht nichts. Die Mutter hebt Hemd für Hemd vom Boden, kontrolliert, ob der Spitzenbesatz schlammig geworden ist bei der Landung. Faltet die sauberen Hemden, legt sie in den Karton. Macht einen Stapel für die dreckigen. Die kommen noch mal in die Wäsche.
Iva riecht Kaffee. Schon seit einer halben Stunde hört sie Mariolas Schritte im Erdgeschoss. Sie will noch nicht runtergehen. Noch eine Weile sitzenbleiben. Mit der Hand fährt sie über ihre rauen Beine. Die Haut ist trocken. Sie zieht eine Creme aus ihrem Kulturbeutel. Die riecht nach Nelken. Roys Lieblingsblumen. Während ihre Beine den Nelkenduft annehmen, fragt Iva sich, wie es Roy wohl geht, ob er gut geschlafen hat. Schnell schnappt sie sich ihr Smartphone, macht ein Ganzkörperselfie und sendet es ihm. Es wird ihm gefallen, da ist sie sich sicher. Schade nur, dass er ihre Nelkenhaut nicht riechen kann.

2

An die Geschichte, die die Großmutter immer erzählt, wenn sie zusammen beim Frühstück sitzen, erinnert Iva sich kaum. Sie weiß nur, dass die was mit den Bergen zu tun hat, die im Sonnenaufgang rosa leuchten. Mit den Kudus, die morgens am Waterberg vorbeiziehen. Die kleinen Antilopen mit den weißen Streifen auf dem Rücken. Die Lieblingstiere der Großmutter.
Iva erinnert etwas von Marmeladenbroten. Etwas von dem Urgroßvater, der die Hererofrauen beobachtet. Die arbeiten schon in den Beeten. Und er stoppt die Zeit mit seiner Taschenuhr. Schaut, wie lange sie für ein Beet brauchen. Verrechnet das mit den Broten, die die Großmutter in der Zeit essen kann. Das Ergebnis präsentiert er lachend. Die Großmutter und die anderen Kinder lachen mit, wippen mit den Füßen. Die reichen noch nicht auf den Boden.
Die Urgroßmutter klopft den Kindern zwischen die Schulterblätter. Das Füßewippen hört auf.
Als Iva kaut, überlegt sie, wie aus den Kudus, den Marmeladenbroten und der Uhr eine Geschichte geworden ist, findet aber keine mehr.
Mariola setzt sich neben Iva, beginnt Müsli zu löffeln.
»Haben Sie gut geschlafen, Iva?«
»Ja«, sagt Iva und weiß nicht, ob das stimmt. »Und Sie?«
»Auch gut. Ja. Ich mache mir Sorgen um Ihren Vater. Deshalb war ich lange wach.«
»Ich hoffe, ich habe nicht gestört, als ich nach Hause gekommen bin.«
»Nein, nein. Ich war wach.«
»Ich habe jemanden mitgebracht und in Alexanders altem Zimmer untergebracht, Mariola.«
...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Über dieses Buch
  3. Titel
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Erster Tag
  6. Zweiter Tag
  7. Dritter Tag
  8. Siebter Tag
  9. Achter Tag
  10. Zehnter Tag
  11. Dreizehnter Tag
  12. Achtzehnter Tag
  13. Impressum
  14. Über die Autorin