PRAXISTEIL
Die Brennnessel in allen Lebenslagen
Sie brauchen keine »Kräuterhexe« mit magischen Fähigkeiten zu sein, um von der Kraft der Pflanze zu profitieren. Sammeln und Verarbeiten sind ganz einfach. Wer dazu keine Zeit oder Lust hat, kann alle Pflanzenteile auch im Internet, Reformhaus, in der Apotheke oder im Bioladen bekommen.
Brennnesseln sammeln und konservieren
Wer Brennnesseln selbst sammelt, hat gleich Bewegung an der frischen Luft und pflegt seine Verbindung zur Natur.
Blätter pflücken und haltbar machen
Die Blätter sind neben den Samen die wertvollsten Teile der Brennnesselpflanze. Wir können sie fast das ganze Jahr ernten (bis auf die Winterszeit von etwa Dezember bis Februar). Allerdings müssen wir darauf achten, dass es sich um junge Pflanzen handelt mit frischen, leuchtend-grünen Blättern. Es ist kein Problem, junge Brennnesseln auch im Sommer oder in der kalten Jahreszeit zu finden, weil diese Pflanze an Wiesenrändern oft mitgemäht wird und wieder frisch nachwächst.
Sie »bewaffnen« sich mit einer großen Tüte und Einmalhandschuhen, die ich hierfür mehrfach verwende, und einer Gartenschere. In unbelasteten Gegenden abseits von Straßen schneiden Sie die Pflanze ab und legen sie in die Tüte. Zu Hause stribbeln Sie – Einmalhandschuhe anziehen! – die Blätter ab und geben die holzigen Stiele auf den Kompost oder in die Biotonne. Alternativ stribbeln Sie gleich beim Sammeln die Blätter und – ab August – die Samen in die Tüte. Die Blätter trocknen Sie dann im Backofen auf Backpapier bei niedrigster Temperatur, also etwa 50 Grad, und mit einem Holzlöffel in der Backofentür, damit die Feuchtigkeit entweichen kann, bis die Blätter trocken sind und knistern.
Wenn die Blätter fertig sind, piksen sie kaum noch. Ich crunche sie mit den Händen zusammen, damit sie an Volumen verlieren. Möchte ich die Samen von den Blättern trennen, zum Beispiel für Müslis, schüttele ich Blätter und Samen in einem feinen Haarsieb, sodass die klitzekleinen Samen hindurchfallen und die Blätter im Sieb bleiben. Meistens lagere ich aber Blätter und Samen zusammen, weil ich die Mischung nach Bedarf zu einem kraftvollen Nahrungsergänzungsmittel pulverisiere.
Die getrockneten Blätter können Sie trocken und dunkel in Papiertüten aufheben, in Keksdosen oder in großen Einmachgläsern, die man in lichtundurchlässige Tüten stellt. In einer kleinen elektrischen Kaffeemühle mahlt man immer nur so viele Blätter bzw. Blätter mit Samen, wie man für einen grünen Drink benötigt. Zwei Teelöffel Pulver reichen für einen Viertelliter Wasser oder Apfeloder Birnensaft. Ein solcher grüner Drink macht morgens gute Laune, weil er durch die vielen Mineralstoffe in der Brennnessel extrem basenbildend ist. Am Abend lässt derselbe Drink einen leichter einschlafen, weil das darin enthaltene Tryptophan vom Körper in Serotonin und dann in Melatonin umgewandelt wird.
Bei der Arbeit immer Handschuhe tragen!
Wenn ich unterwegs bin, habe ich eine größere Dose mit fertig gemahlenem grünem Brennnesselpulver dabei – zum Anrühren mit Wasser.
Samen sammeln und haltbar machen
Die »Brennnesselhochzeit« findet Ende Juni bis Mitte Juli statt, wenn die männlichen Pflanzen in einer Wolke ihre Samen dem Wind übergeben und die weiblichen Brennnesselpflanzen bestäuben. Die Brennnesselsamen werden nach der Befruchtung dick und hängen wie kleine Trauben herunter. Brennnesselsamen kann man von Ende Juni bis etwa Oktober sammeln. Die Samen sollten grün und noch nicht braun sein, weil sie dann besser schmecken. An der Qualität ändert die Farbe nichts. Sie machen sich mit Einmalhandschuhen, einer Schere und einer großen Tüte auf den Weg zu einem Brennnesselrevier fernab von Straßen. Den oberen samentragenden Teil der Pflanze – etwa 30 bis 40 Zentimeter lang – schneiden Sie ab und legen ihn in die Tüte.
Zu Hause ziehen Sie wieder Einmalhandschuhe an, die man für diese Zwecke übrigens mehrfach verwenden kann. Sie halten die Pflanzenteile mit der Spitze nach unten und stribbeln die Samen in eine Schüssel ab. Wenn ein paar kleinere Blätter mit in der Schüssel landen, macht das nichts. Alternativ – dazu bin ich übergegangen – stribbele ich die Brennnesselstiele schon beim Sammeln ab und brauche daher weniger Platz und mich um die Entsorgung der Stiele zum Beispiel in den Kompostbehälter nicht mehr zu kümmern.
INFO
DIE GENE MACHEN ES NICHT ALLEIN!
Brennnesselsamen enthalten wertvolle Phytoöstrogene. Sie helfen zum Beispiel, Wechseljahresbeschwerden vorzubeugen. Meine eineiige Zwillingsschwester litt heftig darunter in Form von extremen Hitzewallungen mitten in der Nacht. Sie musste dann die Bettwäsche wechseln. Ich hatte überhaupt keine Menopausenprobleme. Da wir sonst eine ähnliche Lebensweise haben, mit pflanzenbasierter Ernährung, Meditation und viel Bewegung in frischer Luft, führe ich diesen Unterschied darauf zurück, dass ich schon seit etwa zwanzig Jahren beim Joggen Brennnesselsamen abstribbele und esse und mir auch Vorräte für die samenlose Zeit anlege. In Japan konsumieren die Menschen viel Tofu und weitere Sojaprodukte, die ebenfalls Phytoöstrogene enthalten. Japanische Frauen leiden weitaus seltener unter Wechseljahresbeschwerden als europäische oder US-amerikanische Frauen.
Die Samen sind klein. Sie legen daher Backpapier in ein Trockengerät, damit sie nicht durch die Löcher der Siebe fallen. Bei Rohkosttemperatur unter 38 Grad trocknen Sie die Samen. Alternativ können Sie sie auf Packpapier ausbreiten und zum Beispiel auf dem Dachboden trocknen. Brennnesselsamen in der prallen Sonne liegen zu lassen, ist bei warmem Sommerwetter keine gute Idee – wegen der hohen Temperaturen. Alternativ geht es auch, die Samen auf einem Backblech auf niedrigster Temperatur zu trocknen – mit einem Holzlöffel in der Backofentür zum Entweichen der Feuchtigkeit. Ein Dörrgerät braucht aber viel weniger Strom und rentiert sich mit der Zeit.
Sie können jetzt die Samen mit den Blättern zusammen abfüllen. So mache ich es meistens. Wer aber ausschließlich Samen haben möchte, zum Beispiel für Müsli, schüttelt die trockenen Samen mit Blättern über einem Haarsieb aus – mit einer Schüssel darunter. So lassen sich Samen und Blätter gut trennen. Danach füllen Sie sie in Butterbrottüten, Keksdosen oder Marmeladengläser, die Sie lichtgeschützt in Tüten aufbewahren.
Brennnesselsamen sollten auch nach dem Trocknungsprozess keimfähig sein. Ich habe festgestellt, dass dies nicht auf alle Samen aus der Apotheke zutrifft. Um Geld zu sparen und sich auf die hohe Qualität seiner Lebensmittel verlassen zu können, empfehle ich an dieser Stelle daher noch einmal, selbst zu sammeln und zu trocknen.
Die Brennnesselwurzeln
Das Sammeln der Wurzeln ist etwas für den Herbst, wenn die Säfte und damit die Lebenskraft der Pflanze sich in die Wurzeln zurückzieht. Dann sind sie am vitalstoffreichsten. Ich sammele Brennnesselwurzeln erst, wenn es längere Frostphasen gegeben hat, damit wirklich die gesamte Kraft der Pflanze in der Wurzel steckt.
Wenn man selbst Brennnesseln anbaut, sollte man wissen, dass die Wurzeln erst nach zwei bis drei Jahren groß genug zum Ernten sind. Man kann die Wurzeln leicht sammeln, indem man eine große Brennnesselpflanze mit Einmalhandschuhen geschützt aus der Erde zieht und die lange Wurzel in grobe Stücke von vielleicht zehn Zentimetern Länge schneidet. Die Wurzeln kann man entweder säubern und trocknen oder man nutzt sie, um sich eine Brennnesselecke im Garten anzulegen – oder sogar auf dem Balkon in einem Topf. So hat man im Frühjahr immer frisches Brennnesselgrün zum Beispiel für Tee. Wer den Luxus besitzt, ein Gewächshaus sein Eigen zu nennen, ist natürlich fein raus. Er kann dann Blätter und Triebe zu einer Jahreszeit ernten, wenn sich wilde Brennnesseln längst in die Erde zurückgezogen haben.
TIPP
Getrocknete Brennnesselblätter, -samen und -wurzeln kann man übrigens auch zum Räuchern verwenden, allein oder mit getrocknetem Beifuß. Der Duft ist süßlich und sehr angenehm. Schon unsere Vorfahren nutzten die...