"Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können"
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"Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können"

Liebe und Leid im Hause Habsburg

  1. 368 Seiten
  2. German
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"Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können"

Liebe und Leid im Hause Habsburg

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Über dieses Buch

Dieses Buch zeigt die Habsburger, deren Gestalten sehr oft hinter undurchschaubaren Masken verborgen blieben, ganz ungeschminkt und legt dem Leser dar, welche Sorgen und Nöte, welche Vorlieben und Schwächen, aber auch welche zwischenmenschlichen Probleme sie plagten. Mit einigen von ihnen meinte es das Schicksal gut, sie fanden in den von den Eltern arrangierten Ehen Glück und Zufriedenheit. Dabei waren persönliche Sympathie, ja Liebe kein Aspekt, nach dem dynastische Verbindungen geschlossen wurden. Einzig und allein politische Dimensionen, Landgewinn, wirtschaftliche Besserstellung, Übereinstimmung der Religion oder Allianzen, die durch die privaten Beziehungen leichter zustande kommen konnten, zählten. Keiner dachte dabei an die beiden Menschen, die ihr Leben miteinander verbringen mussten. Schreckliche Überraschungen standen deshalb auf der Tagesordnung, wenn sich ein hübsches, blutjunges Mädchen bei der Trauung plötzlich einem völlig unattraktiven, ältlichen Mann gegenübersah, mit dem es in den nächsten Stunden das Bett teilen sollte. Und kaum ein Chronist fand sich, der die Gefühle, die Enttäuschungen und die Tränen der Betroffenen aufzeichnete...

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Information

Jahr
2014
ISBN
9783902998712
Auflage
1
Thema
History

Liebe im verborgenen

FRANZ JOSEPH UND SEINE FRAUEN
Er war einfach, bescheiden, arbeitsam, ein Beamter wie tausend andere in seinem Staat. Er war distanziert freundlich, nicht besonders leutselig, kein großer Mäzen, kein erfolgreicher Feldherr. Und doch war und ist er der Habsburger Kaiser schlechthin, ein Mann, der wahrscheinlich gerade durch seine Korrektheit, seinen Arbeitseifer und seine Unauffälligkeit dem Volk näher stand als mancher andere Herrscher, dem mehr Erfolg beschieden war als ihm. Franz Joseph ist nicht tot, er lebt in den Bauten, die er in der ganzen Monarchie hat errichten lassen, in der Beamtenschaft, in den Wiener Kaffeehäusern, in den Wienerliedern weiter. Er hat der Monarchie eine Prägung gegeben, die man auch heute noch in den ehemaligen Kronländern findet. Er war der letzte große Vertreter der Kaiseridee, die mit ihm zu Grabe getragen wurde.
Was war es, was Franz Joseph unsterblich machte? Zahlreich sind die Möglichkeiten, die man untersuchen könnte, warum ausgerechnet er diese Faszination ausübte. Sicherlich war sein Wesen dazu angetan, die Menschen zu überzeugen, daß er nur das Beste für den Staat im Sinn habe. Und sicher machte ihn auch seine überaus lange Regierungszeit zu einer Institution, die jeder ohne Widerspruch hinnahm. Aber auch sein Privatleben, seine romantische Liebesbeziehung zur legendären »Sisi«, seine allgemein bekannte Freundschaft zur »gnädigen Frau« Katharina Schratt ließen das Volk mitleben, mitlieben und mitleiden. Durch all die menschlichen Probleme, mit denen sich der Kaiser herumschlagen mußte, durch seine tiefe Enttäuschung über seinen einzigen Sohn und dessen tragischen Selbstmord, durch den Mord an seiner von ihm über alles geliebten Frau wurde der Kaiser zum Mann aus dem Volk, zum Kaiser für das Volk.
Schon früh in seiner Jugend wurde Franz Joseph bewußt gemacht, welch hohe Verantwortung und Aufgabe auf ihn warteten. Seine Mutter Sophie setzte alles daran, ihn zum einzig möglichen Nachfolger seines kranken Onkels Ferdinand aufzubauen. Für sie stand es schon sehr bald fest, daß nicht ihr eigener Mann Franz Karl der zukünftige Kaiser sein würde, sondern ihr ältester Sohn Franz Joseph, und sie verfolgte ihren Plan konsequent und erfolgreich. Franz Joseph wurde schon als Kind für seine spätere Aufgabe erzogen und hatte daher nur drei Jahre eine Aja, die Baronin Louise Sturmfeder, die in ihrem Schützling wirklich das Kind sehen durfte. (Alle Habsburger hatten in ihrer Kinderzeit eine Aja oder einen Ajo. Dieses merkwürdige Wort kommt aus dem Portugiesischen und bedeutet so viel wie Tantchen oder Onkelchen.) Louise Sturmfeder war selbst kinderlos, sie hatte ihren Verlobten in den napoleonischen Kriegen verloren und nahm sich um den jungen Prinzen mit der ganzen Güte ihres liebevollen Herzens an. Sie kannte genau die Grenzen zwischen Bewahren und Wagen und setzte sich gegen alle abergläubischen Regeln der Kindererziehung durch. Selbst der alte Kaiser Franz, der Großvater Franz Josephs, vermochte nicht, ihrem Urteil zu widersprechen, er akzeptierte ihre Entscheidungen. Als sich der kleine Bub einmal an einer Tischecke arg angeschlagen hatte, wollte der Großvater alle Möbelstücke aus dem Kinderzimmer entfernen lassen, die Ecken und Kanten hatten. Die Reaktion der Baronin war geradezu klassisch: Sie antwortete dem Kaiser: »Jawohl, Majestät, besser wäre allerdings, Sie würden den Erzherzog in einen gepolsterten Schrank sperren.«
Franz Joseph zeigte schon früh ganz bestimmte Charakterzüge. Er hatte einen fast unkindlichen Drang zur Ordnung, er konnte nicht sehen, wenn irgendwelche Spielsachen nicht auf dem vorgesehenen Platz lagen. Sein ganzes zukünftiges Leben sollte von dieser Ordnungsliebe beherrscht werden, sein späteres politisches Handeln war von ihr gekennzeichnet, aber auch in seiner Privatsphäre mußte ein bestimmtes System für ihn erkennbar sein.
Der junge Mann ging seinen Weg zum Kaiserthron ernst und konsequent, beraten und unterstützt von seiner zielstrebigen Mutter. Für Sophie gab es keinen höheren Wert als die Monarchie in ihrer althergebrachten Form, mit ihrer Tradition und ihren Werten. Die alte Ordnung, die durch das Chaos, das Napoleon in Europa hinterlassen hatte, gestört worden war, sollte durch ihren Sohn wiederhergestellt werden.
Franz Joseph bestieg den Thron der Habsburger in einer schwierigen Zeit. Neue Ideen durchfluteten das Land, Unabhängigkeitsbestrebungen der Kronvölker wühlten das Staatsgefüge auf, Revolutionäre fanden die Sympathien breiter Volksschichten. Nur ein untadeliger Kaiser konnte den langsam zerbröckelnden Staat ein letztes Mal zusammenhalten. Man brauchte eine Person, an der man sich orientieren konnte, ein Leitbild, das erkennen ließ, daß das Ende der Monarchie noch nicht gekommen war.
Konnte ein Achtzehnjähriger ein starkes Band um die Länder schlingen, die nach ihrer Freiheit strebten? Franz Joseph war von allem Anfang an fest entschlossen, den Staat seiner Väter zu retten, und mit der ganzen Kraft seiner Jugend stürzte er sich in diese schier unlösbare Aufgabe. Und obwohl er gleich zu Beginn seiner Regierung zu den Waffen greifen mußte, war das Ziel seines Lebens, immer den Frieden zu suchen und zu erhalten.
Franz Joseph war ein gutaussehender junger Mann, als er den Kaiserthron bestieg, blond und schlank. Alles, was ihm zum persönlichen Glück fehlte, war eine passende Gemahlin. Auch hier hatte seine Mutter ihre ganz bestimmten Vorstellungen. Sophie war selbst eine Wittelsbacher Prinzessin, und so lag bei ihr der Gedanke nahe, ihren Sohn ebenfalls mit einer Wittelsbacherin zu vermählen. Ihre Nichte Helene, Tochter des bayerischen Herzogs Max in Bayern, schien die richtige Frau zu sein, ihrem Sohn auch als Kaiserin mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Ohne daß die beiden jungen Leute sich kannten, wurde ein Verlobungstermin in Bad Ischl im Salzkammergut vereinbart. Aber es kam alles anders, als es die Mutter wollte. In allen Dingen hörte Franz Joseph auf Sophie; aber in dieser Herzensangelegenheit wollte er für sich selbst entscheiden.
Die Familien trafen sich wie geplant im schönen Salzkammergut, aber nicht »Néné« wurde die Auserwählte, sondern ihre jüngere, völlig ahnungslose Schwester Elisabeth. Franz Joseph war von »Sisis« Liebreiz, ihrem natürlichen Wesen und Temperament fasziniert und dachte nicht daran, Helene zu nehmen. Elisabeth willigte auf den Antrag des Kaisers hin ein, seine Frau zu werden, obwohl sie erst fünfzehn Jahre alt und wahrscheinlich in den jungen Kaiser nicht verliebt war. Vielleicht schmeichelte es ihrer Eitelkeit, daß der mächtige Kaiser von Österreich-Ungarn sie zur Frau haben wollte. Beide jungen Leute waren sich der Tragweite dieses Entschlusses wohl kaum bewußt, sie dachten nicht darüber nach, was es bedeutete, ein Leben lang den schwierigen Weg zu gehen, der auf einen Kaiser und eine Kaiserin in der damaligen Zeit der Wirren und Unsicherheit wartete. In seiner spontanen Verliebtheit konnte und wollte Franz Joseph nicht erkennen, daß das Mädchen, das er sich als Gemahlin erwählt hatte, überfordert sein könnte.
Die Fahrt der jungen Braut nach Wien glich einem Triumphzug, kilometerweit säumte das Volk das Donauufer und jubelte dem schönen jungen Mädchen zu. Dabei wäre Elisabeth im Strudengau fast ums Leben gekommen, als ihr Schiff in den berüchtigten Strudel geriet und kenterte, so daß die zukünftige Kaiserin sich nur mit Mühe und tropfnaß ans Ufer retten konnte.
Tausende und Abertausende Wiener säumten die Donaulände, als Elisabeth auf ihrem Schiff sichtbar wurde. Der junge Kaiser stand am Kai und wartete. Unter dem Jubel der Bevölkerung sprang Franz Joseph auf das einfahrende Schiff, und, ohne auf das Protokoll zu achten, nahm er seine Sisi in die Arme und küßte sie vor aller Welt; ein junger Mann, der glücklich war, endlich sein geliebtes Mädchen im Arm zu halten! Das war es, was die Wiener liebten, einen Kaiser aus Fleisch und Blut; seine jugendlich sympathische Erscheinung vermochte mehr zu bewirken als sämtliche politischen Bestrebungen. Dazu kam die ungewöhnlich bezaubernde Braut, ein Paar wie dem Bilderbuch entstiegen, jung, schön, romantisch und glücklich.
Aber die Tage der Rosen dauerten nicht lange. Franz Joseph hatte nicht bedacht, wie schwer es sein würde, seine junge Frau, die völlig unkonventionell aufgewachsen war, mit dem am Wiener Hof herrschenden Zeremoniell vertraut zu machen. Er selber bemühte sich liebevoll um Elisabeth, aber seine Mutter schlug nicht immer den geeigneten Ton an, wenn es darum ging, der Schwiegertochter klar zu machen, welche Aufgaben und Pflichten sie zu erfüllen hätte. In ihrer jugendlichen Art lehnte sich Sisi, wo sie nur konnte, gegen Sophie auf und machte es dadurch Franz Joseph schwer, den richtigen Standpunkt zwischen seiner geliebten Frau und seiner Mutter, der er alles, auch den Thron, verdankte, zu finden. Nur widerwillig akzeptierte Elisabeth das auf die Minute genau geregelte Leben, sah, daß ihr Mann von früh bis spät am Schreibtisch zubrachte und konnte seine gewissenhafte und pflichtbetonte Art nicht verstehen. Sophie ihrerseits beharrte eisern auf ihren Prinzipien und wollte der jungen Frau keine Konzessionen machen. Die beiden Frauen waren in ihrem Wesen und in ihren Auffassungen viel zu verschieden, als daß es jemals eine Verständigungsmöglichkeit für sie geben konnte. Beide liebten Franz Joseph, jede auf ihre Weise; aber auch diese Gemeinsamkeit konnte die abgrundtiefe Kluft nicht überbrücken, die sich zwischen ihnen aufgetan hatte.
Nur eine konnte als Siegerin aus dem immerwährenden Kampf hervorgehen, und da Sophie von Anfang an die besseren Voraussetzungen mitbrachte, resignierte die junge Schwiegertochter schließlich. Die Kaiserin zog sich zurück, aus der Öffentlichkeit, von ihren Kindern, aus Wien, aus einer Welt, die, wie sie glaubte, ihr feindselig gegenüberstand – und auch von Franz Joseph. Nur dort, wo sie echte Sympathien spürte, konnte sie etwas leisten: in Ungarn. Vielleicht durch ihre Vorleserin Ida von Ferenczy beeinflußt, entwickelte sie eine besondere Vorliebe für dieses stolze, freiheitsliebende Volk, und es drängte sie, ihm zu helfen. Sie überzeugte nicht nur den Kaiser, sondern auch die rebellischen Anführer der Ungarn, daß es sinnvoll sei, sich mit Österreich zu einigen und einen Ausgleich zu akzeptieren. Ungarn sollte weitgehende Unabhängigkeit erreichen, aber im großen Verband der Monarchie bleiben. Durch ihren Einfluß auf den Kaiser gelang Elisabeth dieser politische Schachzug, der schließlich zum Ausgleich mit Ungarn führte. 1867 wurde Franz Joseph in Budapest feierlich zum König von Ungarn gekrönt, gleichzeitig mit ihm Elisabeth zur ungarischen Königin. Bisher waren die Königinnen immer erst einige Tage nachher gekrönt worden. Möglicherweise wäre es zum Segen der brüchigen Monarchie gewesen, hätte sich Elisabeth nicht so bald und so endgültig aus dem öffentlichen Leben und aus der Politik zurückgezogen. Aber sie konnte nur dort etwas leisten, wo ihr Gefühl angesprochen wurde. Alles übrige war für sie uninteressant. Sie resignierte und zog sich in ihre private Welt zurück, die vor allem aus ihrer eigenen Person und ihrer Schönheit bestand.
Anfänglich verließ sie Österreich wegen ihrer angegriffenen Gesundheit, dann aber, als sie wieder voll hergestellt war, zog es sie in die Fremde, um dem Wiener Hof mit all seinen Aufgaben zu entgehen. Rastlos und innerlich getrieben zog sie umher, ohne ihr Glück zu finden. Aus dem Naturkind war eine Exzentrikerin geworden, ständig auf der Suche nach sich selbst.
Ihre Kinder wurden in Wien von der Schwiegermutter und fremden Leuten erzogen; vor allem Rudolf, der einzige Sohn, litt sehr unter der Abwesenheit seiner Mutter und unter der Einsamkeit in der Hofburg. Nur die später geborene Tochter Marie Valerie wurde von Elisabeth geradezu mit Liebe und Fürsorge überschüttet, als wollte sie alles wiedergutmachen, was sie bei ihren anderen Kindern versäumt hatte.
Franz Joseph versuchte zeit seines Lebens, sie liebevoll zu verstehen, er machte ihr nie Vorwürfe wegen ihrer langen Auslandsaufenthalte, schickte ihr Geld, soviel sie brauchte, und schrieb ihr immer wieder in seinen Briefen, sie möge auf ihre Gesundheit achten und ihren »armen Kleinen« nicht ganz vergessen. Die rührend menschlichen Briefe, die der Kaiser an seine Frau schrieb, beeindruckten sie wohl kaum, denn sie änderte nichts an ihrem Verhalten.
Die Beziehung der beiden ist in vielen Punkten rätselhaft. Wahrscheinlich war es der faszinierende Charme, den Elisabeth ausstrahlen konnte, wenn sie wollte, der Franz Joseph so sehr an seine Frau fesselte. Er war glücklich, wenn sie endlich einmal nach Wien kam, und tat alles, damit sie blieb. Aber Elisabeth konnte es am Wiener Hof nicht aushalten, sie haßte das Hofleben mit seinen zeremoniellen Zwängen und die Oberflächlichkeit der sie umgebenden Menschen.
Auch ihre politischen Auffassungen unterschieden sich in vielen Punkten von den Ansichten des Kaisers. Franz Joseph vermochte nie ihre beinah extreme Vorliebe für die Ungarn zu verstehen, er war ein nüchterner Realist und konnte die Ereignisse des Jahres 1848/49, mit denen er gleich zu Beginn seiner Regierung konfrontiert worden war, nie ganz vergessen. Damals hatten seine Truppen den ungarischen Aufstand blutig niedergeschlagen und in dem besiegten Land furchtbare Rache geübt. Daher bildete auch die Politik kein Bindeglied zwischen den beiden so grundverschiedenen Menschen, denen es vom Schicksal nicht bestimmt schien, in der Gemeinsamkeit glücklich zu werden.
Elisabeth zog sich immer mehr in eine Traumwelt zurück. Sie galt als die schönste Frau Europas, wer sie je zu Gesicht bekommen hatte, war von der Kaiserin hingerissen, und sie selbst war sich ihres Reizes voll bewußt. Sie schenkte ihrem Äußeren mehr Aufmerksamkeit als allen anderen Dingen, die um sie herum vor sich gingen. Sie verwünschte jede Schwangerschaft, weil sie fürchtete, ihre Wespentaille zu verlieren, sie fastete so lange, bis sich ernstliche gesundheitliche Schäden einstellten, wochenlang ernährte sie sich nur von Veilcheneis und Saft, der aus rohem Kalbfleisch gepreßt worden war. Dazu machte sie täglich Turnübungen in einem eigens für sie entworfenen Turnsaal, unternahm extreme Wanderungen und Bergtouren, auf denen sie ihre Kammerzofen begleiten mußten, die auf diesen Gewalttouren vielfach zusammenbrachen und mit der Kutsche nach Hause gefahren werden mußten.
Um ihre Haut weich und glatt zu erhalten, badete sie in Milch; ihr langes, berühmt schönes Haar mußte täglich gebürstet und mehrmals in der Woche mit zwölf Eidottern gewaschen werden. Das Kämmen der Kaiserin war für die Bedienten eine Tortur, mußte sich doch jede Kammerzofe fürchten, wenn Elisabeth bemerkte, daß ihr einige Haare ausgerissen worden waren. Die Kammerzofen erfanden deshalb einen Trick: sie beschichteten den Saum an ihrer Rockinnenseite mit einer klebrigen Masse und ließen so die ausgegangenen Haare der Kaiserin verschwinden. Noch beim 25jährigen Ehejubiläum des Kaiserpaares war Elisabeth bildschön und faszinierend für alle, die sie sahen, aber bald schon hinterließen die unvernünftigen Abmagerungskuren unschöne Spuren vor allem im Gesicht. So beschrieb die Frau des englischen Botschafters, Lady Paget, Elisabeth folgendermaßen: »Als ich sie vor neuneinhalb Jahren zum erstenmal sah, war sie noch eine wunderschöne und scheinbar junge Frau, die in einem weißen, mit Gold und Silber bestickten Kleid, mit Juwelen im Haar im Glanz von Hunderten von Kerzen stand. Jetzt stand sie in einem verblassenden Licht, in durchsichtiges, aber tiefes Schwarz gekleidet, eine Krone aus flaumigen schwarzen Federn auf dem kastanienbraunen Haar, eine Rüsche aus schwarzer Gaze um den mageren Hals. Ihr Gesicht sah aus wie eine Maske, ihre Lippen und Wangen waren zu rot.«
Elisabeth war nicht die Frau, mit dem Altern innerlich fertig zu werden. Sie begann sich immer mehr vor der Welt zu verstecken, verbarg ihr Gesicht, wo sie nur konnte, und wenn sie ausging, trug sie einen Fächer oder einen Schirm. Der Kaiserin blieb im Alter nichts, was sie noch hätte anziehend machen können, dazu kam, daß ihre früher so bewunderte Schlankheit zur Dürre ausartete, von der selbst Franz Joseph meinte, seine Frau sei nichts als Haut und Knochen. Sie selbst bezeichnete sich dagegen als »rund wie eine Tonne«, wenn die Badezimmerwaage, die sie mehrmals täglich bestieg, einundfünfzig Kilo zeigte.
Der Kaiser tat alles, um seiner Frau das Leben in Wien so angenehm wie möglich zu machen. Da ihr weder Schönbrunn noch die Hofburg zusagten und sie sich in beiden Schlössern nicht wohlfühlte, beauftragte Franz Joseph einen Baumeister, am Rande des Wienerwaldes für die Kaiserin eine Privatvilla zu erbauen, intim und ihrem Geschmack entsprechend. Die Hermes Villa, die den Kaiser Unsummen kostete, wurde allerdings etwas ganz anderes als ein bescheidenes, gemütliches Domizil, im Stil der Zeit wurde Pompöses mit Kitschigem vermischt, und das Ergebnis befriedigte weder Franz Joseph noch seine Frau. Nur kurze Zeit blieb Elisabeth in ihrem neuen Heim, dann zog es sie wieder in die Fremde. Traurig schrieb der Kaiser am 6. April 1893 an sie:
»Ich hatte die stille Hoffnung, daß Du, nachdem Du Dein Haus mit so viel Freude, mit so viel Eifer gebaut hast, wenigstens den größeren Teil der Zeit, welche Du leider im Süden verbringst, ruhig in Deiner neuen Schöpfung bleiben würdest. Nun soll auch das wegfallen, und Du wirst nur mehr reisen und in der Welt herumirren.«
Die meiste Zeit seines langen Lebens war Franz Joseph allein. So lassen sich vielleicht auch manche der Charaktereigentümlichkeiten erklären, die seine Person schon zu Lebzeiten zu einer legendären Gestalt machten. Pflichterfüllung, Arbeitsamkeit und der feste Wille, den Frieden für die Monarchie unter allen Umständen zu erhalten, kennzeichneten sein ganzes Wesen. Daß aber Franz Joseph ein warmherziger Mann war, der wahrscheinlich ein liebevoller Ehemann hätte sein können,...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. »Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können …«
  7. Die Liebe brachte sie um den Verstand
  8. »Andere mögen Kriege führen, du, glückliches Österreich, heirate!«
  9. Höher als eine Königskrone
  10. Der Tod war sein Begleiter
  11. Niemand hat ihn geliebt
  12. Der Unverstandene
  13. Ein Herz und dennoch eine Krone
  14. »Es war der beste Ehestand, der immer gefunden werden konnte«
  15. Liebe im verborgenen
  16. Die Tragödie von Mayerling begann in Brüssel
  17. Bis in den Tod vereint
  18. Liebe auf den zweiten Blick
  19. Literaturhinweise