Kaiser Franz Joseph ganz privat
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Kaiser Franz Joseph ganz privat

"Sie haben's gut, Sie können ins Kaffehaus gehen."

  1. 272 Seiten
  2. German
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Kaiser Franz Joseph ganz privat

"Sie haben's gut, Sie können ins Kaffehaus gehen."

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Über dieses Buch

So war Kaiser Franz Joseph wirklichIn dem vergnüglichen Lesebuch wird die Geschichte eines Menschen beschrieben, dem das Schicksal das Amt des Kaisers von Österreich zugedacht hatte. Es erzählt von dem hohen Beamten, vom Zigarrenraucher, Jäger und Theaterliebhaber und läßt den Leser als Zaungast in den kaiserlichen Alltag Einblick nehmen. Dem Leser offenbart sich bei der Lektüre ein Unbekannter - ein liebevoller Ehemann, Freund, Vater und ein pedantisch arbeitender Beamter. Hätte die Thronfolge nicht für ihn das Amt des Kaisers bereitgehalten, wäre er ein ganz normaler Bürger geworden.Mit 32 Abbildungen

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Information

Jahr
2014
ISBN
9783902998316

1
Leben, Lieben und Sterben
nach Zeremoniell

Die Habsburger und die Hofetikette
Die Geschichte vom König, der in einer prachtvollen Burg, von großem Luxus umgeben, glücklich lebte und der sich die Zeit mit Kahnfahrten, Picknicks und Tanzvergnügungen vertrieb, ist – eine Geschichte. Genauso wie die Idee, daß er nach Belieben eine Gänsemagd oder ein einsames Aschenputtel zur Gemahlin nehmen und mit ihr bis ans Ende seiner Tage in seliger Zweisamkeit leben konnte.
In Wahrheit waren Könige beschränkt in ihrer Zeiteinteilung, verpflichtet dazu, eine gewisse Gesellschaft dauernd um sich herum zu ertragen, kurzum sie waren Gefangene des höfischen Zeremoniells. Und was die Wahl einer Ehefrau anbelangte, so konnte der Regent keinesfalls nach eigenem Gutdünken und Wohlgefallen entscheiden, sondern mußte sich den Einflüsterungen hoher Staatsbeamter und (tages)politischen Interessen fügen.
Das galt auch für Kaiser Franz Joseph, der – eingesponnen in ein dichtes Netz von Terminen, Zeremoniell und Etikette – kaum etwas unternehmen konnte, wonach ihm spontan der Sinn stand. In allen Belangen des Privat- oder Hoflebens unterlag er dem Hofzeremoniell, das erfunden worden war, um die Person des Herrschers zu »entmenschlichen« (oder zu vergöttlichen). Sie sollte aus der Masse der Normalsterblichen erhoben werden, damit sie ebenso unerreichbar wie unantastbar würde. Das verlangte dem Erwählten – oder besser dem Betroffenen – ein lebenslang in Disziplin geführtes Leben ab, das ein auf den Beruf Unvorbereiteter kaum durchgehalten hätte.
Kaiser Karl V. hatte das Hofzeremoniell im 16. Jahrhundert mit allem beschwerlichen und umständlichen Pomp ausgestattet, sein Enkel, Kaiser Rudolf II., machte es am Wiener Hof heimisch. Unter dem spanischen König Philipp II., dem Sohn Kaiser Karls V., bildete das Studium der Hofetikette der aristokratischen Jugend eine Pflichtlektüre, die zu beherrschen von großer Vornehmheit zeugte. Die Etikette klärte darüber auf, wieviele Schritte vor einer Verbeugung wem gegenüber zu gehen und wie tief Verbeugungen im einzelnen Fall auszuführen waren.
Als die Königin von Spanien eines Tages vom Pferd glitt, blieb sie unglückselig mit einem Fuß im Steigbügel hängen und wurde vom weitertrabenden Pferd mitgeschleift. Der Erste Stallmeister, der als einziger das Recht gehabt hätte, den königlichen Fuß zu berühren, war nicht zugegen, weshalb keiner der dreiundvierzig anwesenden Hofkavaliere wagte, der Königin zu Hilfe zu eilen. Nachdem – außer mit Entsetzen – niemand auf den Unfall reagiert hatte, faßte sich ein hoffremder Kavalier ein Herz, nahm die Verfolgung von Königin und Pferd auf und befreite die Dame aus der mißlichen Lage. Zur Belohnung wurde er mit einer lebenslangen Verbannung aus Spanien belegt.
Der König von Spanien unterlag denselben umständlichen Regelungen und durfte seine Gemahlin zum Beispiel nur nach vorgeschriebenem Zeremoniell in ihren Privaträumen besuchen. Zuallererst hatte der Tag und die Stunde der Zusammenkunft festgelegt zu werden. Dann mußte der König das schwarze Hofkleid mit Mantel anlegen (so wie man es aus den zeitgenössischen Porträts kennt, auf denen die Dargestellten sehr steif und unbeweglich erscheinen) und darauf warten, daß ihn der Obersthofmeister abhole und zur Gemahlin geleite. Unter Vortritt eines Granden, der einen Kerzenleuchter trug, und eines zweiten, der ihm mit einer Karaffe reinen Wassers folgte, begab sich der König – flankiert von den höchsten Staatschargen und einer Abteilung von Hellebardieren – durch eine Flucht von Vorzimmern, in denen der Hofstaat, nach Rangklassen abgestuft, versammelt war, zu den Gemächern der Königin. Auch sie war von ihrer Obersthofmeisterin auf den bevorstehenden Besuch vorbereitet worden. In einer dem Anlaß entsprechenden Robe schritt sie mit ihrem Gefolge aus ihren Privaträumen dem König entgegen, sodaß beide in einem ebenfalls vorbestimmten Gemach zum möglichst selben Zeitpunkt eintrafen. Dieser Raum war dem Zweck der Zusammenkunft entsprechend möbliert und vorbereitet worden. Licht und Karaffe wurden darin abgesetzt, das beiderseitige Gefolge zog sich, wieder genau nach Rängen geordnet, in angrenzende Räume zurück und harrte dort geduldig aus, bis das königliche Ehepaar, durch verschiedene Türen tretend, wieder erschien und den ebenfalls zeremoniell geregelten Rückweg antrat. Es ist nicht auszudenken, welcher Wirrwarr entstanden wäre, wenn der König seine Ehefrau aus einer plötzlichen Laune heraus spontan besucht hätte, und es ist weiters fraglich, ob er überhaupt bis zur Gemahlin vorgedrungen wäre.
Eine kuriose Blüte trieb das Hofzeremoniell auch mit den vielen per procurationem (in Stellvertretung) zu verheiratenden Paaren. Da Eheschließung und Beilager vor Zeugen stattzufinden hatten und man letzteres mit dem Vertreter des Bräutigams oder der Braut aber nicht durchführen konnte und durfte, erfand man als Ersatz eine symbolische Notlösung. In einem prunkvoll ausgestatteten Bett, in dem sich die – bekleidete – Braut unter einer Decke befand, wurde in Anwesenheit des Hofstaats die Ehe sinnbildmäßig »vollzogen«, indem der Stellvertreter des Bräutigams das ebenfalls bekleidete, aber unbeschuhte rechte Bein für kurze Zeit unter dieselbe Decke steckte.
Besonders genau hielt sich der barocke Kaiser Leopold I., ein Großneffe Kaiser Rudolfs II., an die steife spanisch-burgundische Regelung. Seine Regierungszeit, eine ganz auf Form hin ausgerichtete Epoche, war geradezu geschaffen, ein nach Gesellschaftsschichten, Sitten und Tätigkeiten geordnetes Leben vorzuspielen. Unter Kaiserin Maria Theresia wurde die strenge Form des Hofzeremoniells mit einer gemütlich-wienerischen Note versehen, ihr Sohn und Nachfolger, Kaiser Josef II., reduzierte es auf ein – von der Gesellschaft gefordertes – nötiges Mindestmaß. Unter Kaiser Franz Joseph huldigte man der bürokratisch-pedantischen Auslegung des Zeremoniells. Das Wiener Hofzeremoniell umfaßte allgemein die Etikette (Regelung des Verhaltens bei Hof), die Kleiderordnung (in Bezug auf Feste, Hoftrauer usw.), die Rangabstufungen innerhalb der Gesellschaftsschichten (Alter, Titel und Würden der einzelnen Personen) sowie den Hofzutritt, der vorsah, daß die Hofwürdenträger an feierlichen Prozessionen in einer bestimmten Reihung teilnehmen durften. Am Wiener Hof galt die Regelung des Hofstaates aus dem Jahr 1527 bis zum Ende der Monarchie im Jahr 1918. Weiters beinhaltete das Hofzeremoniell die wichtigsten Punkte der Vorbereitungsarbeit und Gestaltung von Festlichkeiten, die Klärung der Sicherheitsbelange sowie die der Hofreise- und Quartierangelegenheiten. Wenn ein Mitglied des Kaiserhauses starb, wurde die Hoftrauer angesagt, und die sogenannte Hoftrauer-Regelung trat in Kraft. Kaiserin Maria Theresia hatte am 22. Dezember 1767 eine Hofklag-Tragungsverordnung erlassen, eine Regelung, die Vorschriften für sieben verschiedene Klassen enthielt.
Bei den Audienzen, die Kaiser Franz Joseph gewährte – es sollen im Laufe seiner Regentschaft an die einhunderttausend gewesen sein –, unterschied man die allgemeinen Audienzen von den Privataudienzen. Die Reihenfolge bei den privaten Audienzen bestimmte der Rang des Bewerbers. So hatten beispielsweise Kammerherren Vortritt vor den Rittern des Goldenen Vlieses und diese wiederum vor den Inhabern anderer hoher Orden. Kardinäle, die Mitglieder des Klerus im allgemeinen, hatten vor allen anderen den Vortritt. Was die Kleidervorschriften anbelangte, so hatte eine Zivilperson im Frack zur Audienz zu erscheinen, die Militärperson in voller Paradeuniform.
Einige Minuten, bevor der Audienzbewerber zum Kaiser vorgelassen wurde, unterrichtete ihn der Zeremonienmeister vom Begrüßungs- und Eintrittsritual der drei immer tiefer werdenden Verbeugungen: die erste hatte stattzufinden, wenn sich die Flügeltüre vom Wartesaal (Großer Audienzsaal) ins Audienzzimmer auftat, die zweite zwischen der Türe und dem Kaiser, die dritte vor dem Kaiser in gebührend respektvollem Abstand, jedenfalls noch so weit vom Herrscher entfernt, daß der Besucher keinen Händedruck erwarten konnte. Nur bei ganz besonderer Auszeichnung reichte der Kaiser dem Audienznehmer die Hand. Eine noch größere Schwierigkeit als der Eintritt ins Audienzzimmer stellte der ordnungsgemäße Rückzug dar: Laut Anweisung des Zeremonienmeisters mußte sich der Besucher vom Kaiser rückwärtsgehend und unter Ausführung von zwei Verbeugungen verabschieden. »Mit dem Rücken zur Türe« bedeutete, »blind« auf sie zuzusteuern. Meist gestaltete sich dieser Abgang tragikomisch und im Zickzackkurs, was nicht selten zur Folge hatte, daß man irgendwann an die mit riesigen Porzellan-Vasen beladenen Konsoltische stieß. Wer Glück hatte, wurde von einem mitleidigen Hofbediensteten an den Frackschößen unauffällig in Sicherheit gezogen.
Selbst bei gering erscheinenden Anlässen wurde an althergebrachten Sitten und Vorschriften festgehalten, so wie die alljährlich stattfindende Ankunft zum Frühsommeraufenthalt des Kaisers in Schloß Laxenburg – der den Auftakt zur Ischler Reise bildete – seit den Tagen der Kaiserin Maria Theresia nach immer demselben Zeremoniell erfolgte: eine Abordnung der Gemeinde, der Schuljugend, der Geistlichkeit und der Chef der Bezirksbehörde hatten sich zur Ankunft des Kaisers einzufinden und ihn mit immer denselben Ritualen, Aufregungen und Reden willkommenzuheißen.
Obersthofmeister Fürst Montenuovo zählte zu den eifrigsten Verfechtern bei Beachtung möglichst vieler zeremonieller Vorschriften, obwohl er selbst große Schwierigkeiten gehabt hätte, einen korrekten Standesnachweis zu erbringen. Streng genommen ein Neffe zweiten Grades Kaiser Franz Josephs, durfte er sich doch nie als reguläres Mitglied der Familie betrachten, da sein Vater aus einer ziemlich unstandesgemäßen und wenig einwandfreien Verbindung hervorgegangen war: Die Großmutter des Fürsten Montenuovo, Erzherzogin Marie Luise, eine Tochter Kaiser Franz’ II. (I.), erhielt als Nochehefrau des verbannten Exkaisers der Franzosen, Napoleons I., auf Lebenszeit die aus einer bourbonischen Nebenlinie stammenden Herzogtümer Parma, Piacenza und Guastalla übertragen, wohin sie sich als Regentin begeben durfte. Ihr Vater stellte ihr als Begleiter den Grafen Adam Albert Neipperg zur Seite, an dem Marie Luise bald so sehr Gefallen fand, daß sie ihm in der Folge – als Nochehefrau Napoleons – einige Kinder schenkte. Diese Nachkommen wurden trotz einer später folgenden Heirat von beiden Familien als »nicht standesgemäß« anerkannt und durften nicht einmal den Namen Neipperg tragen. So italianisierte man Neipperg in Montenuovo (Neuberg), und der Enkel der ältesten männlichen Linie sollte diesem Namen als (später gefürsteter) Obersthofmeister noch zweifelhafte Ehre angedeihen lassen. Peinlich genau versah er das Amt und nahm gesellschaftliche Rangordnungen so wichtig wie Staatsgeschäfte. Den Status der Gemahlin des Thronfolgers Franz Ferdinand, einer geborenen Gräfin Chotek (später Herzogin Hohenberg), behandelte er mit aller »gebührenden« Strenge: Sie durfte bei Empfängen, Bällen und anderen offiziellen Anlässen nicht an der Seite des Gemahls erscheinen, sondern mußte am Ende des Zugs hinter den jüngsten Erzherzoginnen einziehen. Selbst bei der Aufbahrung des 1914 in Sarajewo ermordeten Paares in der Hofburgkapelle hielt sich Montenuovo streng an die Etikette und ließ den Sarg der Herzogin von Hohenberg um einige Zentimeter tiefer stellen als den ihres Ehemanns.

2
Wie viele Gulden schenkt man zum
Geburtstag: fünf oder fünfzigtausend?

Über Geldverständnis und Taschengeld des Kaisers
Eigentlich brauchte dieses Kapitel nicht geschrieben zu werden, denn weder der Kaiser, noch seine Gemahlin, noch ein anderes Mitglied seiner Familie verfügte als privat auf der Straße Spazierender über Taschengeld. Kaiser Franz Joseph durfte selbst keinen Einkauf tätigen, weshalb ihm jedes Wissen vom Verhältnis des Geldes zum Warenwert fehlte. Als ihn sein jüngster Brüder, Erzherzog Ludwig Viktor, anläßlich eines Geburtstags anstatt eines Geschenks um Geld bitten ließ, wies der Kaiser einen Beamten an, ihm fünf Gulden zu übergeben. Auf den Einwand des Obersthofmeisters Prinz Hohenlohe, daß das recht wenig sei, erhöhte der Kaiser den Betrag kurzfristig auf fünfzigtausend Gulden, worauf Hohenlohe entgegnete, daß dieser Betrag die Großzügigkeit weit überschreite. Dem Kaiser war die Diskussion um eine so unwichtige Angelegenheit zu lange und zu kompliziert geworden, weshalb er zuletzt eine Überweisung von fünfzig Gulden verfügte, ohne eine weitere Bemerkung anzuhören oder gar gelten zu lassen.
Im Vergleich dazu eine Episode aus dem Leben der Kaiserin Elisabeth, die im Unterschied zu ihrem Gemahl zum Geld wohl ein Verhältnis hatte, das aber eher als philosophisch zu bezeichnen ist: »Heute ist etwas Interessantes passiert. Wir (Kaiserin Elisabeth und ihr Griechischlehrer, der die Geschichte erzählt) sind über die Abhänge, die vom Achilleion (Privatvilla der Kaiserin auf der Insel Korfu) zu der Bucht von Kanoni hinunter führen, bis an den Strand gekommen. Die Kaiserin wollte, daß der Fährmann … uns auf seinem Boot nach Kanoni hinüberbringe. Ich frug ihn, was er dafür begehre … Er verlangte zwei Papiertaler. Er hatte nämlich die Kaiserin erkannt, auf die in Korfu jedes Kind mit dem Finger weist … Ich sagte, das wäre doch zu viel, wir würden einen Taler geben. Doch er blieb fest und begann endlich mich mit Schmähungen zu überhäufen … Die Kaiserin lachte und sagte: ›Lassen Sie – wir gehen zu Fuß die Küste entlang.‹
Während wir gingen, trafen wir einen kleinen Fischerjungen, der sich erbot, uns einen trockenen Pfad zu zeigen. Wie wir an Ort und Stelle waren, hieß mich die Kaiserin dem Jungen ein Goldstück geben … Man sagt, daß die Herrscher den Geldwert nicht kennen – ich glaube, sie (die Kaiserin) hat dem Gelde jenen Kurswert gegeben, den es einzig und allein haben soll; er hängt von der Intensität ihres Wunsches ab.« (Aus dem Tagebuch des Griechischlehrers der Kaiserin, Constantin Christomanos, März-April 1892, S. 152 f.)
Kaiser Franz Joseph war ein sehr sparsamer Mensch, vor allem sich selbst gegenüber. Laut einer Aussage seines Leibkammerdieners Ketterl hätte man ihn mit fünf Gulden am Tag »durchgebracht«.
Als Privatmann verfügte der Kaiser über ein großes Vermögen, das jährlich um die Einkünfte aus jeder der beiden Reichshälften bedeutend vermehrt wurde (in der sogenannten Zivilliste, das ist der für den Landesherrn bestimmte Betrag im Staatshaushalt, scheinen im Jahr 1904 19,323.000 Mark 1) auf). Nur Zar Nikolaus II. von Rußland soll mehr aus der Staatskasse, nämlich 27,000.000 Mark1), erhalten haben. Das Privatvermögen des Erzhauses basierte auf dem Habsburger Familienfonds, das sich aus dem Erbe Kaiser Franz’ I. Stephan aufgebaut hatte. Der Gemahl der Kaiserin Maria Theresia hatte sich als geschickter Geschäftsmann entpuppt, der mit privaten Transaktionen ein riesiges Vermögen geschaffen und ständig erweitert hatte. Sein Sohn und Nachfolger, Kaiser Josef II., konnte sogar mit einem Teil seines Erbes die Staatsschulden decken. Noch bis zum Jahr 1918 verfügten die Habsburger über immense private Reichtümer (Schlösser, Land- und Forstwirtschaften, Zinshäuser usw.), die nach dem Ersten Weltkrieg großteils – dem ärarischen Vermögen gleichgesetzt – enteignet wurden.
1)Die Mark-Beträge scheinen im Cachée’schen Manuskript auf und wurden wahrscheinlich einem deutschen Buch entnommen, denn in Österreich rechnete man 1904 in Kronen. Eine Anfrage beim Statistischen Zentralamt in Wien brachte keine genaueren Umrechnungsdaten.

3
Wenn alle aufstehen, muß es wohl
die Kaiserhymne sein

Über die musischen und handwerklichen Talente des Kaisers
Trotz der vielen hochmusikalischen Vorfahren (sehr viele Habsburger sind aus der großen Menge der Familienmitglieder als anerkannte Komponisten hervorgetreten, unter denen Kaiser Leopold I. eine besondere Rolle einnimmt: seine Opern finden sich bis heute auf den Spielplänen der Opernhäuser) scheint Kaiser Franz Joseph nicht die geringste Begabung für Musik gehabt zu haben, so soll er die Kaiserhymne nur daran erkannt haben, daß sich schon während der ersten Takte alle Anwesenden von ihren Plätzen erhoben.
Für die Zeichenkunst zeigte Kaiser Franz Joseph seit seiner Jugend ein wesentlich größeres Talent, wie verschiedene erhaltene Blätter – vorzugsweise Landschaften und Genrebilder – dokumentieren. Außerdem liebte er es, militärische Szenen und typische Volkscharaktere mit dem Zeichenstift festzuhalten. Im Alter von dreizehn Jahren machte er eine solche Sammlung seinem Erzieher, dem Grafen Timotheus Ledochowski, zum Geschenk. Als er mit sechzehn Jahren eine Reise durch Dalmatien unternahm, hielt er seine Eindrücke aus diesem Land mit dem Stift fest, die 1888 anläßlich seines vierzigjährigen Regierungsjubiläums bei der Wiener k.k. Hof- und Kunstdruckerei Reiffenstein & Uhl veröffentlicht wurden. Wie aus dem Vertrag mit dem Kunstverlag hervorgeht, scheint Kaiser Franz Joseph ein Förderer und Anhänger der in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts noch jungen Kunst der Lithographie gewesen zu sein: »Daß Wien an der Spitze dieses Kunstzweiges war, mag wohl auch die damalige kaiserl. und königl. Hoheit, den jungen Erzherzog Franz Joseph, unseren jetzigen hochsinnigen und kunstbegeisterten Kaiser, veranlaßt haben, diese Kunst durch eigene Lithog...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. 1 Leben, Lieben und Sterben nach Zeremoniell
  7. 2 Wie viele Gulden schenkt man zum Geburtstag: fünf oder fünfzigtausend?
  8. 3 Wenn alle aufstehen, muß es wohl die Kaiserhymne sein …
  9. 4 »… da legte der Monarch dann sofort die Gabel weg«
  10. 5 Punkt vier Uhr früh sauber, rasiert und in voller Adjustierung zum Dienst
  11. 6 »Man sollte nicht glauben, daß weder in der Hofburg, noch in Schönbrunn … ein Badezimmer vorhanden war«
  12. 7 »Der Kaiser war mit der Jagd richtig aufgelebt …«
  13. 8 Zur Visite in Frack und weißer Krawatte
  14. 9 »Die Herumrutscherei beim Fußwaschen hat meinem Rücken nicht geschadet …«
  15. 10 Conte Don José Maroto de Fresno y des Landres und andere Goldmacher Kaiser Franz Josephs
  16. 11 »Die Autofahrt war mir ganz angenehm, aber meine Lipizzaner sind mir doch lieber«
  17. 12 Kaiserliche Gemächer als Schafställe und Schlachtbänke
  18. 13 »Soviel Glut, beim Zeus, ich schwör es, ein verliebtes Aug nur hat«
  19. 14 Der Kaiser ist nicht tot, im Sarg liegt eine Puppe
  20. 15 »Ich weiß nicht, was ich nach dem Tod Pachmayers anfangen soll«
  21. 16 Der Kaiser ist schon lange tot, für ihn regiert ein Doppelgänger
  22. 17 »Schöpfer des Menschen Glücks. Gieße Segen und Heil über seine Majestät herab.«
  23. Uniformen des Kaisers
  24. Kurzbiographien
  25. Quellen und Literatur
  26. Dank
  27. Nachwort
  28. Personenregister