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Glück und Unglück im österreichischen Kaiserhaus

  1. 320 Seiten
  2. German
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Glück und Unglück im österreichischen Kaiserhaus

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Über dieses Buch

"Alles Erdreich ist Österreich untertan" ist eine der Deutungen der bis heute geheimnisvollen Buchstaben AEIOU, die zu einem Markenzeichen der Habsburger geworden sind.Glück und Unglück, Freud und Leid prägten das Privatleben der Herrscher, die Österreichs Geschicke bestimmten. In farbigen, packenden wie auch berührenden Kapiteln vermittelt uns die Autorin die historischen Fakten und bringt uns die menschliche Seite der Hauptpersonen unserer Geschichte nahe.

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Information

Jahr
2014
ISBN
9783902998736
Auflage
1
Thema
History

Der letzte Schuss traf ihn selbst

ERZHERZOG FRANZ FERDINAND

Es sollte ein lustiges Theaterstück werden und wurde dennoch zu einem unübersehbaren Wink des Schicksals:
In beinahe ungewohnter Harmonie feierte die Kaiserfamilie im Jahre 1868 das Weihnachtsfest in Wien. Um seinen Eltern eine Freude zu bereiten, kam der damals 10-jährige Kronprinz Rudolf auf die Idee, zusammen mit seinen Cousins Franz Ferdinand, Otto, Johann Salvator und Friedrich ein Schauspiel mit historischem Inhalt einzustudieren. Nur die Großmutter, Erzherzogin Sophie, war in den Plan eingeweiht worden, für alle anderen sollte das Theaterstück eine Überraschung sein. Die Proben schritten gut voran, alles schien wie am Schnürchen zu klappen, als es zu einem seltsamen Zwischenfall kam, den Erzherzogin Sophie in ihrem Tagebuch ausführlich erwähnte.
Rudolf hatte, so sah es seine Rolle vor, den kleinen Franz Ferdinand zum König ernannt. Ein riesiger Fauteuil diente »Seiner Majestät« als Thron, um den sich die »Minister« scharten. Rudolf näherte sich ehrfurchtsvoll dem »König« und stellte ihm unvermittelt die Frage, welche Statthalter er für die einzelnen Reichsteile zu ernennen gedenke. Franz Ferdinand war sichtlich überrascht und sprang jäh auf, verhaspelte sich dabei in seiner pompösen Robe und fiel der Länge nach auf den Boden. Die Kinder brachen in schallendes Gelächter aus, nur Rudolf beobachtete beinahe gleichmütig die Szene und meinte lakonisch, dass es kein besonders gutes Zeichen sein könne, wenn »Seine Majestät« vom Throne falle!
Es war Franz Ferdinand, dem ältesten Sohn von Erzherzog Karl Ludwig, nicht in der Wiege vorherbestimmt worden, dass er eines Tages die schwere Bürde des Thronfolgers würde übernehmen müssen. Denn immerhin war sein Vater »nur« der dritte Sohn von Erzherzogin Sophie und Erzherzog Franz Karl, sodass im Jahr 1863, als der Knabe am 18. Dezember in Graz das Licht der Welt erblickte, die Aussichten auf den Thron für ihn verschwindend gering waren. Denn in der Erbfolge rangierte Franz Ferdinand hinter Kronprinz Rudolf und Erzherzog Maximilian, dem jüngeren Bruder des Kaisers, sowie seinem eigenen Vater erst an vierter Stelle. Außerdem setzte das Kaiserhaus seine Hoffnungen auf einen etwaigen Sohn Rudolfs, der dann die Reihenfolge der Erbfolgekandidaten weiter verändern würde.
Daher beachtete man in der kaiserlichen Familie Franz Ferdinand und seine beiden Brüder Otto und Ferdinand Karl wenig, lediglich als Spielgefährten wurden sie ab und zu in die Hofburg eingeladen, um mit Rudolf ein paar Stunden zu verbringen. Die Cousins waren zwar jünger als der Kronprinz, aber sie waren, vor allem Otto, stets zu lustigen Streichen aufgelegt, obwohl über der Familie Karl Ludwigs eher düstere Schatten lagen. Denn die Mutter der Knaben, Maria Annunziata, die zweite Gemahlin des Erzherzogs, erfreute sich keineswegs einer stabilen Gesundheit und die Geburten der Kinder – im Jahr 1870 schenkte sie noch einer Tochter das Leben – schwächten sie noch mehr. Als Franz Ferdinand sieben Jahre alt war, schloss Maria Annunziata die Augen für immer.
Obwohl Erzherzog Karl Ludwig aufrichtige Trauer um seine zweite Gemahlin empfand, schien es ihm durchaus natürlich, sich möglichst bald um eine neue Frau umzuschauen. Er wollte diesmal auf Nummer sicher gehen und machte der um mehr als zwanzig Jahre jüngeren Maria Theresa aus dem portugiesischen Königshaus der Braganza, die sich bester Gesundheit erfreute, einen Heiratsantrag. Dem schönen Mädchen blieb auf Grund des elterlichen Einverständnisses nichts anderes übrig, als den leicht überstandenen Witwer mit den vier Kindern zu heiraten. Wie sich Maria Theresa ihre Zukunft in Wien an der Seite des eher griesgrämigen Karl Ludwig, der für sein auffahrendes Wesen bekannt war, vorgestellt hatte, ist nirgendwo vermerkt. In ihrer Ehe ging sie einem bemitleidenswerten Schicksal entgegen, denn ihr jähzorniger, eifersüchtiger Ehemann griff des Öfteren von Sinnen vor Wut sogar zur Reitpeitsche, um seine bedauernswerte tugendhafte Frau zu züchtigen.
Für die mutterlosen Kinder allerdings hätte der Vater keine bessere Wahl treffen können. Denn Maria Theresa galt schon bald als der gute Engel in seinem Hause, aber auch die übrigen Habsburger Verwandten, allen voran Kronprinz Rudolf, verehrten und liebten die junge Frau. Selbst Kaiser Franz Joseph war es unmöglich, ihr einen Wunsch abzuschlagen, den sie mit einer solchen Liebenswürdigkeit vortrug, dass man ihr nicht widerstehen konnte. Daher wandten sich die Mitglieder der weit verzweigten Habsburgerfamilie gerne an sie, wenn es galt, schwierige Situationen zu meistern oder irgendwelche wichtigen Dinge beim Kaiser durchzusetzen.
Die junge Frau schloss von allem Anfang an die Kinder ihres Mannes in ihr liebevolles Herz, sodass alle vier in einer beinahe bürgerlichen Atmosphäre aufwachsen konnten. Die Eltern kümmerten sich intensiv um die Söhne und die Töchter – Maria Theresa hatte noch zwei Mädchen das Leben geschenkt – und da Karl Ludwig keine politischen Ambitionen besaß, sondern sich mehr um die Entwicklung verschiedener Einrichtungen kümmerte, stand einem normalen Familienleben nichts im Wege. Die Voraussetzungen wären günstig gewesen, dass sich sowohl Franz Ferdinand als auch seine beiden Brüder zu normalen Menschen hätten entwickeln können. Denn auch bei der Auswahl der Lehrer achtete man streng darauf, dass nur exzellente Fachleute die Kinder unterrichteten. Aber mit allen drei Knaben hatten die Lehrer ihre liebe Not, denn jeder von ihnen entwickelte sich schon in sehr frühen Jahren zu einer eigenwilligen Persönlichkeit, die auch mit allergrößten Mühen kaum mehr zu formen war. Schon bald wurde die Zwiespältigkeit im Charakter Franz Ferdinands deutlich erkennbar, seine Stimmungen wechselten ständig, sodass man sich kaum auf ihn einstellen konnte. Ein unrechtes Wort zur unrechten Zeit konnte ihn so in Harnisch bringen, dass er zu toben anfing. Ansonsten galt der Jüngling eher als verschlossen und einsilbig, ja so mancher bezeichnete Franz Ferdinand in seiner abweisenden Art als unzugänglich.
Der Charakter seines Bruders Otto allerdings war eindeutig. Der junge Mann war nicht dazu zu bewegen, einer ernsthaften Tätigkeit nachzugehen, er lebte nur für Vergnügungen aller Art, alles andere war für ihn uninteressant. Seine Stellung als habsburgischer Erzherzog ermöglichte ihm ein ausgiebiges Dolcefarniente, das natürlich nicht die Billigung seines kaiserlichen Onkels haben konnte. Selbstdisziplin war für ihn völlig fremd, er umgab sich mit den wildesten Zechkumpanen und leichten Mädchen, sodass seine Affären und Abenteuer schon sehr bald stadtbekannt waren. Um ihn auf die rechte Bahn zu bringen, fädelte der Kaiser eine Ehe zwischen seinem Neffen Otto und der sächsischen Prinzessin Maria Josepha ein. Aber es kam, wie es kommen musste: Auch nach der Hochzeit blieb alles beim Alten, Otto hatte nämlich keineswegs die Absicht gehabt, sein Leben der unattraktiven bigotten Frau zuliebe zu ändern. Im Gegenteil: Seine Eskapaden steigerten sich so weit, dass der Kaiser einmal, als er seinen Neffen vorgeladen hatte, um ihm die Leviten zu lesen, seine sprichwörtliche Ruhe verlor, vom Zorn übermannt wurde und den Erzherzog ohrfeigte.
Auch der jüngste Sohn bereitete dem Vater Karl Ludwig schlaflose Nächte. Ferdinand Karl hatte in seiner Jugendzeit nur einen einzigen Traum: Er wollte Schauspieler werden oder als Theaterdirektor ein eigenes Haus leiten. Vielfach stellte er bei Familienfeiern sein Talent unter Beweis, am eindrucksvollsten beim 60-jährigen Regierungsjubiläum seines Onkels, wo er eine Truppe von Habsburger Kindern als Tänzer und Tänzerinnen auftreten ließ, die sich nach seiner Choreografie bewegten. Er sollte zwar nicht sein Lebensziel erreichen, aber er schied, da ihm der Kaiser eine Ehe mit der Tochter eines Universitätsprofessors nicht genehmigt hatte, auf eigenen Wunsch aus dem Kaiserhaus aus und lebte als einfacher Mann mit dem Namen Ferdinand Burg entweder in Meran oder in München. Die Familie des Kaiserbruders hatte ihren Hauptwohnsitz in Wien aufgeschlagen, wo man die Wintermonate verbrachte. Im Frühling zog man aufs Land, entweder nach Artstetten oder Persenbeug oder aber in die alte Villa am Fuße der Rax nach Wartholz. Hier konnten die Kinder ihren Freiheitsdrang voll ausleben und erste Erfahrungen mit dem »edlen Waidwerk« machen, eine Ambition, die bei Franz Ferdinand zu einer lebenslänglich unbändigen Leidenschaft werden sollte, der er sich ungezügelt hingab.
Schon sehr früh erkannten die Lehrer Franz Ferdinands, dass sich seine geistigen Fähigkeiten nicht so rasch wie bei manch anderen jungen Leuten entwickelten. Bei allen Aufgaben, die ihm gestellt wurden, brauchte er lange, bis er die Zusammenhänge durchschaute. Diese eher schwerfällige Art störte ihn selber wahrscheinlich am meisten. Um nicht aufzufallen zeigte er sich seiner Umgebung gegenüber unzugänglich und abweisend. Lange Zeit hindurch suchte er die Hintergründe für sein langsames Denken zu erforschen, kam aber zu keinem Ergebnis. Dann war es durchaus möglich, dass er über sich selber so in Wut geriet, dass seine Umgebung durch seine unbeherrschte Heftigkeit geschockt war. Denn Franz Ferdinand bemühte sich nicht im Geringsten, seine Stimmungen zu kontrollieren und seine Gefühlsausbrüche zu zügeln.
Einzig und allein Maria Theresa war es möglich, beruhigend auf ihren Stiefsohn »Franzi« einzuwirken. Auch durch andere unangenehme Eigenschaften eckte der junge Mann, wo immer er hinkam, an. Erregte etwas sein Missfallen, so scheute er nicht davor zurück, dies öffentlich in sarkastischen Worten anzuprangern und so mancher Zeitgenosse fühlte sich dadurch brüskiert und bloßgestellt. Er selber allerdings war mimosenhaft empfindlich, wie dies häufig bei Menschen mit wenig Fingerspitzengefühl vorkommt. Zurückhaltung und Diplomatie waren für ihn genau solche Fremdwörter wie Selbstbeherrschung und Selbstkontrolle. Er zerschlug, wo er ging und stand, Porzellan, wie der berühmte Elefant. Aber das störte ihn am allerwenigsten, wenngleich dadurch sein Ruf auch innerhalb der habsburgischen Familie immer schlechter wurde.
Schon als junger Mann fand Franz Ferdinand wenig Gnade in den kritischen Augen seines kaiserlichen Onkels. Denn Franz Joseph, der ein Leben lang auch in den schwierigsten Situationen die Contenance bewahrt hatte, brachte kein Verständnis für die Unbeherrschtheiten seines Neffen auf und für den Kaiser war es unverständlich, wie ein junger Mensch so wenig Disziplin an den Tag legen konnte.
Franz Ferdinand vertraute nur sehr wenigen Menschen. Außer seiner Stiefmutter, der er sein Herz öffnete, war sein Cousin Rudolf einer der wenigen, zu denen er ein gutes Verhältnis hatte. Mit ihm verbanden ihn mehr als nur die rein verwandtschaftlichen Beziehungen, mit ihm zusammen bestand er so manches Abenteuer, selbst die spätere Geliebte des Kronprinzen, Mizzi Caspar, schien eine ganz besondere Vertraute von Franz Ferdinand gewesen zu sein. Denn über diese Dame äußerte er sich Rudolf gegenüber in begeisterten Worten.
In vielen Dingen schien Franz Ferdinand eine Ausnahme unter den Erzherzögen des Hauses Habsburg darzustellen. Nicht ein Einziger verfügte über ein nur annähernd so großes Vermögen wie der älteste Sohn von Karl Ludwig. Der Zufall hatte es gewollt, dass ihm noch als halbes Kind eine riesige Erbschaft in den Schoß gefallen war. Der Herzog von Modena, Massa, Carrara und Guastella war ein steinreicher Mann, der alles hatte, was sein Herz begehrte, nur keinen Erben. Als er sein Ende nahen fühlte, wandte er sich an den Bruder des österreichischen Kaisers, Karl Ludwig, und bot ihm an, dass er einen seiner Söhne als Erben einsetzen wollte. Allerdings knüpfte er eine Bedingung an diesen Geldsegen: der junge Mann, der die Reichtümer erben würde, sollte den Namen »Este« annehmen und innerhalb von 12 Monaten leidlich Italienisch lernen.
Der Vater unterrichtete seine beiden Söhne Franz Ferdinand und Otto über die einmalige Chance und über die Auflagen, die zu akzeptieren waren, wollten sie zu diesem riesigen Vermögen kommen. Der jüngste Sohn Karl Ludwigs, Ferdinand Karl, war noch zu jung, um die geforderten Bedingungen erfüllen zu können. Und wie es nicht anders bei der leichtsinnigen Einstellung von Erzherzog Otto zu erwarten war, lehnte er dieses Ansinnen bezüglich der italienischen Sprache ohne lange darüber nachzudenken ab. Anders Franz Ferdinand. Er verpflichtete sich dazu, alles zu tun, um des Erbes würdig zu sein. Nachdem die Erlaubnis des Kaisers eingeholt worden war, wurde der Name »Este« seinem habsburgischen angefügt und mit einem speziell ausgesuchten Lehrer versuchte der junge Mann mehr schlecht als recht in dem vorgeschriebenen Jahr die italienische Sprache zu erlernen. Er war nämlich im Gegensatz zu vielen anderen Mitgliedern der Familie nicht besonders sprachbegabt, sodass die Italienischlernerei für ihn fast zur Qual wurde. Ein Leben lang fühlte er sich, vielleicht auch durch die intensive Paukerei, von dieser Sprache abgestoßen und jene Antipathie übertrug er auch auf das italienische Volk. Später fand er es nicht einmal der Mühe wert, seine ausgedehnten Besitzungen mit den prachtvollen Schlössern in Oberitalien zu besichtigen. Aus der Ferne ordnete er aber an, dass aus den Gütern möglichst viel herausgepresst werden sollte, vor allem den Kunstschätzen, die sie beherbergten, galt sein Augenmerk. Er ließ sich Aufstellungen von den berühmten Bildern, weltbekannten Plastiken und antiken Möbeln, die sich in ihren Räumen befanden, anfertigen. In späterer Zeit, als er schon selber seine Schlösser in Böhmen und im Salzburgischen besaß, gab er Order, dass man viele dieser Kostbarkeiten über die Alpen auf seine Besitzungen bringen sollte.
Franz Ferdinand war wie alle jungen habsburgischen Erzherzöge für die militärische Laufbahn bestimmt. Daher trat er schon als 14-Jähriger in das 32. Infanterie-Regiment ein, das den Namen »Este« führte und ihm daher auf den Leib geschrieben war. Schritt für Schritt sollte er von hier ausgehend die einzelnen Garnisonen der Monarchie kennen lernen, damit er sich eine Vorstellung über den Vielvölkerstaat machen konnte. Der junge Erzherzog hatte das Glück, dass er fünf Jahre lang nicht in Lemberg oder Premysl Dienst tun musste, sondern in Enns, wo er sich wohl fühlte. Er war genauso wie der Kaiser und ganz im Gegensatz zu seinem Cousin Rudolf ein begeisterter Soldat, der es allerdings mit der Regelmäßigkeit seiner Pflichten nicht so genau nahm. Bei den zahlreichen Manövern, die in allen Teilen der Monarchie abgehalten wurden, war der Erzherzog schon bald überall bekannt, denn durch die ununterbrochene Übung im Schießen wurde er zu einem exzellenten Schützen, dessen Ruf in der ganzen Monarchie verbreitet war.
Fiel Franz Ferdinand des Öfteren positiv auf, so konnte es doch sein, dass er wochenlang seine Aufgaben vernachlässigte, ganz einfach, weil plötzlich etwas anderes sein Interesse erregte. Dadurch geriet er vor allem bei dem Doyen des habsburgischen Erzhauses in Ungnade, bei Erzherzog Albrecht, einem Onkel des Kaisers, der bei Franz Joseph in besonders hoher Gunst stand. Mit Argusaugen beobachtete der alte Erzherzog den pflichtvergessenen jungen Mann und sprach sein Missfallen dem Kronprinzen gegenüber deutlich aus. Rudolf, der sich selber, wo es nur ging, vor dem Großonkel hüten musste, schwante nichts Gutes für seinen Cousin. Er warnte Franz Ferdinand in etlichen Briefen:
»Ich halte es für meine Pflicht, Dich als Freund darauf aufmerksam zu machen, dass sich hier eine Agitation in hohen militärischen Kreisen, leider vor allem Allerhöchsten Ortes, geltend macht, die sich gegen Deine zu vielen Urlaube und Dein häufiges nach Wien kommen, richtet … Jetzt ist Onkel Albrecht noch nicht hier; wenn dieser kommt, dann kannst Du Dich auf Unannehmlichkeiten vorbereiten … Du musst es absolut vermeiden, vom Kaiser citiert und verrissen zu werden; es würde dir viel Kummer bereiten …«
Franz Ferdinand wusste, was Rudolf meinte, er kannte aber auch den Großonkel nur zu gut in seiner stockkonservativen, traditionsbewussten Art, mit der er die Erzherzöge ins Visier nahm. Alles, was nach modernen Vorstellungen klang, missfiel Albrecht, er sah sich als Bewahrer und Hüter des monarchischen Prinzips. Dies war der einzige Verbindungspunkt zwischen ihm und Franz Ferdinand, denn anders als sein Cousin Rudolf hielt der Großneffe ebenso wie er an allem Althergebrachten fest und war jedweden Neuerungen zutiefst abgeneigt.
Franz Ferdinand hatte sich im Laufe der Jahre zu einem halbwegs attraktiven Mann entwickelt. Er galt zwar nicht als ausgesprochener Beau wie sein Bruder Otto, aber mit seiner hoch gewachsenen schlanken Gestalt wirkte er auf die Damenwelt durchaus attraktiv, wenn auch seine zu niedere Stirn und die undurchsichtigen Augen den Gesamteindruck etwas beeinträchtigten. Aber seine Stellung als Erzherzog machte vieles wett und er war in der glücklichen Lage, sich die Mädchen aussuchen zu können, die einem Abenteuer mit ihm nicht abgeneigt waren. Noch nach seinem Tod tauchten immer wieder Männer und Frauen auf, die behaupteten und auch den Beweis erbringen konnten, dass ihr Vater kein Geringerer als Erzherzog Franz Ferdinand war.
Die Frauen und Mädchen, mit denen sich der Erzherzog amüsierte, kamen meist aus den unteren Schichten, sie waren aber selten Ballettmädchen, wie sie sein Cousin Rudolf bevorzugte. Neben verschiedenen zufälligen Abwechslungen unterhielt Franz Ferdinand über längere Zeit eine sehr intensive Beziehung zu einem blonden Mädchen namens Mila Kugler, die im Nebenhaus des Palais Modena im 3. Wiener Gemeindebezirk wohnte und für ihre komfortable Wohnung keine Miete zu zahlen hatte. Diese Mila Kugler machte sich Hoffnungen, dass der Erzherzog ähnlich wie sein Cousin Franz Salvator handeln werde, der seiner Geliebten Milli Stubel zuliebe auf alle habsburgischen Rechte verzichtete. Aber so etwas kam Franz Ferdinand nicht in den Sinn, er war ein beinharter Realist, der nahm, was er bekam, und wenig dafür gab. Dass diese kleine Schauspielerin, die jahrelang von ihm ausgehalten wurde, eines Tages damit drohte, einen Skandal zu entfachen, wenn der Erzherzog sie nicht auf seine geplante Weltreise mitnähme, konnte er freilich zu Beginn der Affäre nicht ahnen.
Als der Erzherzog im Dezember 1892 tatsächlich zu der großen Reise aufbrach, überlegte man sich höheren Ortes, die kleine Schauspielerin entweder finanziell zu entschädigen oder, was noch einfacher...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Eine Schlacht auf Leben und Tod begründete die habsburgische Weltmacht
  6. Zum Kaiser nicht geboren
  7. Herrscher im Schatten
  8. Immer nur der Zweite
  9. Er hatte keine Chance
  10. Mord an der Kaiserin von Österreich
  11. Erzherzog im Zwielicht
  12. Der letzte Schuss traf ihn selbst
  13. Liebe auf den zweiten Blick
  14. Literaturhinweise