"Es gab nie einen schöneren März"
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"Es gab nie einen schöneren März"

1938. Dreißig Tage bis zum Untergang

  1. 320 Seiten
  2. German
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"Es gab nie einen schöneren März"

1938. Dreißig Tage bis zum Untergang

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Über dieses Buch

Österreichs Schicksalstage 1938Die dreißig Tage vom 11. Februar bis zum 12. März 1938 sind Tage der Sorge nach einem Geheimtreffen Adolf Hitlers mit dem österreichischen Kanzler Kurt von Schuschnigg, der Hoffnung auf ein Ende der ständestaatlichen Kanzlerdiktatur, der Trunkenheit eines ausgelassenen Faschings mit glanzvollen Bällen, der Freude über österreichische Erfolge bei Sportereignissen, der zaghaften Zeichen für einen wirtschaftlichen Aufschwung.Gerhard Jelinek beleuchtet Ereignisse auf Haupt- und Nebenschauplätzen in aller Welt und zeichnet das faszinierende Panorama einer Zeit im Crescendo: Hannah Reitsch startet in Berlin zum ersten Hallenflug mit einem Hubschrauber. Die russische Nordpol-Expedition wird von einer Eisscholle gerettet. Wien bangt um das Leben der Schauspiellegende Hugo Thimig. Im Spanischen Bürgerkrieg erringt General Franco einen Sieg. Österreichs Bundeskanzler Schuschnigg spricht vor dem Bundestag: "Bis in den Tod – Rot-weiß-rot." Der deutsche Reichskanzler Adolf Hitler befiehlt am 10. März den Einmarsch.Es sind dreißig Tage bis zum Untergang.Mit zahlreichen Abbildungen

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Information

Jahr
2017
ISBN
9783903083776

Faschingsdienstag, 1. März 1938

»Schon in der Nacht auf Montag brach in Mitteleuropa Westluft ein. In den Nordalpen fielen leichte Niederschläge. Wetteraussichten für Dienstag: Mildes Wetter, veränderliche Bewölkung, im Osten und Süden noch ziemlich heiter, im Westen Regenschauer, in freien Lagen kräftige westliche Winde, im Alpenvorland frostfrei, in den Gebirgstälern mäßiger Morgenfrost.«
Josef Schaffler aus dem steirischen Oberwölz gilt als Wetterprophet. Alle vier Wochen darf der Hobby-Metereologe im Kleinen Blatt eine Vorhersage für den kommenden Monat erstellen. »Der März ist kein günstiger Wettermonat, naßkalt und windig. Bis circa 7. veränderlich, um den 4. recht windig und kalt. Um den 9. vorübergehende Besserung mit nicht unbedeutendem Temperaturanstieg. Bald nach Beginn der 2. Dekade wieder Übergang zu naßkaltem, regnerischem und windigem Wetter. Diese Wetterlage hält bis zum Frühlingsbeginn an, dem zwar im allgemeinen besseres Wetter folgt, das aber in seinen Wärmeverhältnissen zu wünschen übrig lassen dürfte.«
Die Vorhersage des Oberwölzers, dass sich der Frühling »im Allgemeinen« durch besseres Wetter als der Winter auszeichnet, scheint immerhin durch Erfahrung begründet. Auch das Neuigkeits-Welt-Blatt bietet seinen Lesern eine Wettervorschau für den gesamten März. Der Stockerauer Lehrer Adolf Brieskorn verspricht einen ziemlich »rauhen, feuchten, windigen und unfreundlichen März«. Besonders der 12. März soll einen Temperaturfall mit Wind, Niederschlag und Schnee auf den Bergen bringen.
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Österreichs katholische Bischöfe sorgen sich im März 1938 um die Sonntagsruhe. Auf der Bischofskonferenz wird ein Fasten-Hirtenbrief verkündet, der unter Hinweis auf das Konkordat des Jahres 1934 gegen die »Schändung der Feiertage« wettert. Kardinal Theodor Innitzer predigt: »Auf den Feldern wird da und dort gearbeitet. Schwerfuhrwerke fahren auf den Straßen wie auf einem Werktag; in den Wäldern wird Holz geschlägert, Häuser werden gebaut, in zahlreichen Gewerbebetrieben ist die Feiertagsruhe durchbrochen; der Handel hält mit Ausnahme der Orte, an denen die Kaufmannschaft selbst – nicht zu ihrem Schaden – die Sonntagsruhe durchgeführt hat, die Geschäfte offen. Fabrikschlote rauchen, ohne daß es notwendig wäre, sogar Straßenbauten werden weitergeführt. Hinsichtlich der Entheiligung des Sonntags stecken wir noch tief in der materialistischen Auffassung des Liberalismus. Wir müssen zu unserer Beschämung eingestehen, daß wir in der Entheiligung des Sonntags unter den europäischen Ländern an einer der allerersten Stellen stehen. So ergibt sich denn die Notwendigkeit, das Gebot der Sonn- und Feiertagsruhe und Heiligung aufs Neue einzuschärfen.«
Der Botschafter des Vatikans in Wien setzt in seinen Berichten nach Rom andere Akzente. Nuntius Gaetano Cicognani beobachtet genau die politischen Entwicklungen. Nach dem Berchtesgadener Treffen zwischen Hitler und Schuschnigg berichtet der Italiener beinahe täglich nach Rom. Er verfolgt die Geschehnisse bis ins Detail. Mit der nachgiebigen Haltung von Bundeskanzler Schuschnigg ist der katholische Diplomat unzufrieden. Gaetano Cicognani steht in direktem Kontakt mit dem katholischen Bundeskanzler und berichtet Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli, dem späteren Papst Pius XII., der Bundeskanzler habe jede Hoffnung aufgegeben und ihm mitgeteilt, Hitler sei entschlossen, Österreich zu annektieren; sein nächstes Opfer sei die Tschechoslowakei, wobei Hitler weder internationale Abkommen respektieren noch einen großen Krieg scheuen werde. Der Vatikan ist in den entscheidenden Wochen und Tagen weit besser über die wahre Lage informiert als die österreichische Öffentlichkeit. Hinter den Kulissen versucht der Nuntius im Einvernehmen mit dem mächtigen Kardinalstaatssekretär Fäden zu ziehen. Eine Rückkehr der Habsburger auf den österreichischen Thron gilt dabei als eine Möglichkeit. Die enge Verbundenheit der Habsburger mit der katholischen Kirche überlebt die Monarchie. Nach dem Tod von Kaiser Karl im Exil auf der portugiesischen Atlantikinsel Madeira setzt sich die römische Diplomatie für die Kaiserwitwe Zita und die Kinder des letzten Kaisers ein. Nach außen gibt sich die katholische Hierarchie zurückhaltend und diplomatisch geschmeidig. In Vier-Augen-Gesprächen versucht Pacelli, die Westmächte zu einem Eingreifen zu bewegen. Dem englischen Botschafter beim Vatikan, der meint, die Gefühle Englands seien gegen die Anwendung von Gewalt, antwortet der spätere Papst: Nicht Gefühle, nur Kanonen können die Deutschen stoppen.
Im Jahr vor dem »Anschluss« werden die Initiativen für eine Rückkehr der Habsburger verstärkt. So reist der Linzer Bischof Johannes Maria Gföllner im Auftrag des Bundeskanzlers zu Zita und Otto nach Belgien. Der Kirchenmann soll Otto vertrösten. Eine Rückkehr der Habsburger – die von Hitler und vom deutschen Außenminister als »nichtdeutsche Rasse« bezeichnet werden – sei nicht opportun. Otto möge abwarten. Bischof Gföllner drängt innerhalb des katholischen Klerus auf eine klare Haltung für die Unabhängigkeit Österreichs. Er lehnt die nationalsozialistische Ideologie entschieden ab. Im Jänner 1933 verfasst der Bischof einen »Hirtenbrief«, in dem er den »wahren« vom »falschen« Nationalismus unterscheidet und klar gegen die nationalsozialistische Ideologie argumentiert. Er lehnt darin die nationalsozialistische Rassenlehre als mit dem Christentum unvereinbar ab. »Es ist unmöglich, gleichzeitig guter Katholik und wirklicher Nationalsozialist zu sein.« Diese klaren Worte werden nur in den Pfarren der Linzer Diözese verlesen. Die österreichische Bischofskonferenz unterstützt Gföllner nicht. Sie ist in ihrer Haltung gegenüber den Nationalsozialisten gespalten. Der Salzburger Erzbischof Sigismund Waitz und sein steirischer Kollege, Fürstbischof Stanislaus Pawlikowski, predigen aktiv gegen die Nationalsozialisten. Pawlikowski wird unmittelbar nach dem »Anschluss« als einziger Bischof im gesamten deutschen Sprachraum verhaftet, aber bald auf Intervention des Vatikans wieder freigelassen. Wiens Kardinal Theodor Innitzer hingegen glaubt an seine historische Rolle, die katholische Kirche mit der Ideologie des Nationalsozialismus versöhnen zu können, selbst gegen den Willen des Vatikans und seiner deutschen Amtsbrüder. Nuntius Gaetano Cicognani versucht Kardinal Innitzer von seiner Loyalitätserklärung zu Hitler und zum Nationalsozialismus abzubringen. Vergeblich. Innitzers mit »Heil Hitler« unterschriebene Solidaritätsadresse gegenüber dem NS-Regime wird von Rom abgelehnt. Aus sicherer Distanz lässt sich der gewaltige (und gewalttätige) Druck der Nationalsozialisten leichter aushalten. Viele katholische Amtsträger fürchten um die eigene Sicherheit und die von Tausenden katholischen Priestern und Ordensleuten. Sie hoffen durch Wohlverhalten eine Art Modus Vivendi mit dem NS-Regime finden zu können.
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Mit dem Nachtzug kommt der frühere US-Präsident Herbert Hoover am Wiener Westbahnhof an. Der Amtsvorgänger des amtierenden Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika Franklin D. Roosevelt besucht Wien auf seiner ausgedehnten Europa-Reise. Hoover ist auch nach seinem Ausscheiden aus dem Weißen Haus politisch aktiv. Die Reise durch Europa ist für Hoover eine »sentimental journey«. In Belgien wird der Amerikaner gefeiert und von König Leopold III. geehrt. Viele Menschen jubeln ihm zu. Auch in Frankreich erlebt er einen herzlichen Empfang. Fünf Jahre nach seiner Abwahl erfährt der demokratische Politiker Dankbarkeit für die großzügige Hilfe der Amerikaner nach dem Ende des Ersten Weltkrieges. In seiner siebenwöchigen Tour durch ein Dutzend europäischer Staaten will Hoover, nur in Begleitung von zwei persönlichen Freunden, herausfinden, warum seit Etablierung der Nachkriegsordnung vor nicht einmal zwanzig Jahren 13 europäische Staaten demokratische Strukturen beseitigt und sich zu autoritären Regimen unterschiedlicher Schattierungen entwickelt haben. Der Ex-Präsident führt mehr als 350 Gespräche, trifft zwei Könige sowie zwei Dutzend Staatspräsidenten und Regierungschefs. Es ist eine Erkundungsreise in einen aufgewühlten Kontinent. Hoover will verstehen und möglichst viele Informationen nach Amerika mitnehmen. Er ahnt kommende Umbrüche.
Aus den zahlreichen Gesprächen mit französischen Politikern etwa nimmt Hoover einen sehr negativen Eindruck mit. Frankreichs politische Klasse sei unfähig, das Land zu regieren. Frankreich befinde sich auf dem absteigenden Ast. Der Gast aus USA fürchtet gar ein Abgleiten der Franzosen in Richtung Faschismus. Genf, als Sitz des Völkerbunds, ist die letzte Station vor Wien auf Hoovers Europareise. Auch aus dem »Palast der Nationen« nimmt Hoover wenig Hoffnungsvolles mit. Das Konzept des Völkerbunds sei praktisch gescheitert. Die Völkergemeinschaft befinde sich »im Koma«, wird Hoover nach seiner Heimkehr in die USA notieren. Hoover macht dafür auch seinen Nachfolger Franklin D. Roosevelt verantwortlich, der mit seiner »Quarantäne«-Rede die Völkergemeinschaft ins politische Abseits gerückt hat.
Und dann die lange Bahnfahrt von Genf nach Wien. Die Bundesregierung bereitet dem »Privatmann« Hoover einen Staatsempfang. Das Besuchsprogramm ist dicht. Schon am Vormittag empfängt Bundespräsident Miklas seinen früheren amerikanischen Amtskollegen. Danach hat Hoover Gesprächstermine mit Bundeskanzler Schuschnigg und Außenminister Schmidt. Hoover gilt als Kenner der mitteleuropäischen Lage. Als Chef der amerikanischen »Relief Administration« hat er sich bei den Friedensverhandlungen 1919 für die Erhaltung eines mitteleuropäischen Wirtschaftsraums nach Zerschlagung der k. u. k. Monarchie ausgesprochen – ohne Erfolg. Frankreich opponierte kurzsichtig gegen die Mitteleuropa-Konzepte der Engländer und Amerikaner.
Die Herren plaudern offenbar recht ungeniert mit dem amerikanischen Gast über Hitlers Absichten bezüglich Österreich. Hoover empfindet den »Fatalismus« der österreichischen Politiker als »deprimierend«. Er wird am 12. März vom »Anschluss« nicht überrascht werden. Österreich sei für eine Machtübernahme der Nazis »reif gewesen«.
Doch der Schein eines Privatbesuchs bleibt gewahrt. Hoovers Besuchsprogramm in Wien bleibt in den traditionellen Bahnen. Nach dem Mittagessen in der amerikanischen Gesandtschaft wird er zum Tee ins Wiener Rathaus gebeten und von Bürgermeister Richard Schmitz persönlich über die Höhenstraße auf den Kahlenberg chauffiert. Die Neue Freie Presse erfährt amtlich: »Der Straßenbau und die landschaftliche Schönheit haben auf den Ex-Präsidenten einen tiefen Eindruck gemacht.«
Der gelernte Ingenieur besucht auch die Dombauschule zu St. Stephan und spendet 10 Dollar für die Erhaltung des Stephansdoms, nachdem er im »Ehrenbuch« unter der Widmung von Bundespräsident Wilhelm Miklas seine Unterschrift gesetzt hat. Mitglieder der US-Gesandtschaft, die Hoover begleiten, tragen sich mit einem Beitrag von 20 Schilling in die Spenderliste ein. Die Diplomaten beweisen damit, dass sie mit amerikanischem Steuergeld sehr sparsam umgehen, hat sich doch die Ortsgruppe Mariahilf des Christlichen Frauenbunds mit 50 Schilling als großzügiger erwiesen.
Am Abend besucht der Ex-Präsident die Wiener Staatsoper, wo sich der Vorhang für das ägyptische Liebesdrama Aida hebt und Robert Ardelli in der Rolle des Radames singt. Am nächsten Tag ist Hoover an der Technischen Hochschule. Dort wird er im Festsaal zum Ehrendoktor der Technik promoviert. Es ist dies durchaus eine seltene Ehre. Hoover wird der erst 17. Geehrte. Und er ist vom Fach. Vor seiner politischen Karriere arbeitete Hoover als Bergbau-Ingenieur. Die Auszeichnung wird dem Amerikaner aber für seine Haltung nach dem Waffenstillstand 1918 zu teil. Universitätsprofessor Karl von Terzaghi lobt den Ehrengast: »Er war einer der wenigen, die den Standpunkt vertraten, daß auch der besiegte Gegner eine menschenwürdige Behandlung verdiene, und die Forderung aufstellte, bei der Füllung der leeren Kornspeicher Europas auch jene der Zentralstaaten einzubeziehen. Dies rettete vielen Millionen das Leben, und man sagte nicht mit Unrecht, der Stratege dieses Ernährungs-Feldzuges sei der einzige Staatsmann, dessen Ruf den Weltkrieg ohne jeden Makel überdauert hat.«
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Der ehemalige US-Präsident Herbert Hoover besucht im März 1938 Bundespräsident Wilhelm Miklas.
Hoover bekommt die Verbriefung seines Ehrendoktorats handgeschrieben auf einer Urkunde aus echtem Pergament, die in einer feinen Ledermappe gut verwahrt wird. In seiner Dankesrede spricht er die Hoffnung aus, Ingenieure könnten einen größeren Beitrag zum Weltfrieden leisten als Diplomaten. Beifall ist ihm sicher. Mit dem Abspielen der österreichischen und der amerikanischen Hymne durch das »Fanfarensextett des Wiener Akademischen Orchestervereins« wird die akademische Feier beendet.
Noch zwei Empfänge und der ehemalige US-Präsident besteigt den Zug nach Prag, der nächsten Station seiner Europa-Tour. Auch in der Hauptstadt der Tschechoslowakei wird Hoover mit akademischem Lorbeer bekränzt. Die Prager Karls-Universität verleiht dem Doktor der Technik honoris causa das Ehrendoktorat der Philosophischen Fakultät. Von Prag aus fährt er ins nationalsozialistische Deutschland. Es ist die heikelste Station seiner Europareise.
In Berlin wird ihm höchst inoffiziell die Einladung zu einem privaten Gespräch mit dem Reichskanzler übermittelt. Hoover mag Hitler aber nicht treffen. Er sei privat unterwegs, habe keinerlei Vollmachten der US-Regierung. Die Gesprächsverweigerung wäre für den »Führer« eine Provokation; der eben erst akkreditierte US-Botschafter in Berlin versucht daher, Hoover umzustimmen. Es sei für die US-Politik immens wichtig, mit Hitler persönlich Kontakt zu haben. Bisher ist es Hugh R. Wilson nicht gelungen, mit den Mächtigen des Regimes zu reden. Ein Gespräch Hitlers mit Hoover würde das Ansehen des Karrierediplomaten in Washington deutlich heben. So gibt Hoover dem Drängen Wilsons nach und stimmt dem Treffen mit Hitler am 8. März widerstrebend zu. Nur ein Dolmetscher ist beim Vier-Augen-Gespräch in der Reichskanzlei dabei.
Mehr als zwanzig Minuten habe er nicht Zeit für das Gespräch mit dem in Deutschland allmächtigen »Führer«. Die Minuten vergehen schnell. Hoover widerspricht Hitler, die deutschen Erfolge seien nicht auf andere Staaten übertragbar. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit würden langfristig erfolgreich sein. Hitler steht auf, doziert und muss sich von Hoover zum Hinsetzen auffordern lassen. Der Amerikaner provoziert den Reichskanzler, um danach festzustellen, dass Hitler zwar ein durchaus intellektueller Gesprächspartner sein könne, aber bei gewissen Themen die Contenance verliere: Die Worte »Juden«, »Demokratie« und »Kommunismus« führten dazu, dass Hitler mit hochrotem Kopf (»purple faced«) in eine Gossensprache verfalle. Der ehemalige Präsident stellt beim Reichskanzler einen »emotional streak« fest, der zu Kontrollverlust führe. Österreich ist offenbar kein Thema.
Diese Gesprächseindrücke wird Hoover dem US-Botschafter zur Weiterleitung an das State Department vermitteln. Luftwaffen-Chef Hermann Göring lädt Hoover unterdessen zu einem luxuriösen Empfang auf sein Jagdschloss nördlich von Berlin. Jagdhornbläser empfangen den inoffiziellen Staatsgast und intonieren ein Thema von Richard Wagner. Wirtschaftsminister Göring will den Amerikaner beeindrucken und über seine Methoden der Wirtschaftsförderung aushorchen. Hoover hat als Handelsminister den Rohstoff-Verbrauch der amerikanischen Industrie durch Standardisierungen optimiert. Das sind Themen, die Göring für seine massiven Aufrüstungspläne interessieren. Hoover bleibt höflich, aber auf Distanz. Er lässt sich nicht von den Nationalsozialisten »einwickeln«.
Als der Wiener Ehrendoktor Hoover schließlich im Spätfrühling mit dem Atlantikschiff Normandy nach Amerika übersetzt, wird sich Europa bereits verändert haben. Österreich existiert nicht m...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Freitag, 11. Februar 1938
  7. Samstag, 12. Februar 1938
  8. Sonntag, 13. Februar 1938
  9. Montag, 14. Februar 1938
  10. Dienstag, 15. Februar 1938
  11. Mittwoch, 16. Februar 1938
  12. Donnerstag, 17. Februar 1938
  13. Freitag, 18. Februar 1938
  14. Samstag, 19. Februar 1938
  15. Sonntag, 20. Februar 1938
  16. Montag, 21. Februar 1938
  17. Dienstag, 22. Februar 1938
  18. Mittwoch, 23. Februar 1938
  19. Donnerstag, 24. Februar 1938
  20. Freitag, 25. Februar 1938
  21. Samstag, 26. Februar 1938
  22. Sonntag, 27. Februar 1938
  23. Montag, 28. Februar 1938
  24. Faschingsdienstag, 1. März 1938
  25. Aschermittwoch, 2. März 1938
  26. Donnerstag, 3. März 1938
  27. Freitag, 4. März 1938
  28. Samstag, 5. März 1938
  29. Sonntag, 6. März 1938
  30. Montag, 7. März 1938
  31. Dienstag, 8. März 1938
  32. Mittwoch, 9. März 1938
  33. Donnerstag, 10. März 1938
  34. Freitag, 11. März 1938
  35. Samstag, 12. März 1938
  36. Dank
  37. Literaturhinweise
  38. Personenregister