Kaiser Karl
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Kaiser Karl

Mythos & Wirklichkeit. Vorwort Karl von Habsburg

  1. 240 Seiten
  2. German
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Kaiser Karl

Mythos & Wirklichkeit. Vorwort Karl von Habsburg

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Das Leben des letzten Kaisers von ÖsterreichKaiser Karl, der letzte regierende Monarch Österreich-Ungarns, ließ während seiner kurzen Regierungszeit nichts unversucht, den Ersten Weltkrieg zu beenden. Am Ende musste er Verrat, Verleumdung und den Untergang der Monarchie erleben. 1922 starb er entkräftet im Exil auf Madeira. Bereits zu seinen Lebzeiten war Kaiser Karl mit massiver Propaganda konfrontiert, die bis heute fortwirkt. Stimmt es, dass er schlecht ausgebildet war? Waren die Friedensversuche tatsächlich ungeschickt? Wie ist seine Seligsprechung zu beurteilen?Dieses Buch zeichnet ein neues Bild einer faszinierenden Persönlichkeit jenseits der Mythen und Antimythen, die sich um den letzten Kaiser Österreichs gebildet haben.Mit Dokumenten über die Friedensinitiative Kaiser Karls und Papst Benedikts 1917, einem Augenzeugenbericht über das Sterben Kaiser Karls 1922 auf Madeira sowie zahlreichen Abbildungen.

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783903083271
Auflage
1
Thema
History

Kaiser und König Karl

Die politischen Ziele
Als Kaiser Karl nach dem Tod seines Großonkels die volle Verantwortung übernehmen musste, war er politisch bis dahin wenig in Erscheinung getreten. Das bedeutet allerdings nicht, dass er keinen Plan und keine Vision für seine Regentschaft gehabt hat. Auch ihm war die ganzen Jahre hinweg klar gewesen, dass sein über 80-jähriger Großonkel jederzeit sterben konnte. Intensiv hatte er sich Gedanken über die Ziele seiner Regierung gemacht. Die Herausforderung, vor der er stand, war im Prinzip unlösbar: Reform und Umbau der Monarchie in eine föderale Struktur und die rasche Beendigung des Krieges. Sehr schnell musste er sich in einer komplizierten Situation zurechtfinden. Seine verschiedenen Funktionen waren zum Teil widersprüchlich. Die Verfassungen der beiden Reichsteile Österreich und Ungarn widersprachen sich, und die Konsequenzen des ungarischen Ausgleichs sorgten immer wieder für Unruhe, vor allem bei den slawischen Völkern.
Seine Ziele lassen sich wie folgt umreißen:
Die möglichst rasche Beendigung des Krieges durch einen akzeptablen Verständigungsfrieden.
Die außenpolitische Neuausrichtung, das heißt die Lockerung des Bündnisses mit dem Deutschen Reich und Hinorientierung nach Frankreich.
Die innere Reform der Donaumonarchie, die Gleichberechtigung der Völker und eine allgemeine Demokratisierung.
Die Förderung und Erneuerung der Sozialpolitik und damit die Lösung der sozialen Spannungen.
In seiner Amtsführung unterschied sich Karl grundsätzlich von Kaiser Franz Joseph. Das Zeremoniell wurde nun viel lockerer gehandhabt, die gemessene Ruhe, die Distanz und die absolute Pünktlichkeit, die noch den alten Kaiser ausgezeichnet hatten, all das war nun vorbei. In seiner direkten Umgebung wurde dies nicht immer verstanden. Insbesondere Obersthofmeister Fürst Montenuovo missbilligte offen den neuen Stil. »Die scheinbar verlängerte Distanz, die persönliche Kontrolle des Herrschers und die Anpassung der kaiserlichen Familie an die Kriegsverhältnisse, der einfache Lebensstil, der die Identität mit der unter dem Krieg leidenden Bevölkerung zum Ausdruck brachte, förderte die Kritik des Adels, dessen Existenz durch Jahrhunderte von Hofdienst, Gesellschaft und öffentlichem Schauspiel des Zeremoniells geprägt war.«26
Zeugnis dessen gibt das Bild von der Beerdigung Kaiser Franz Josephs, auf dem Kaiser Karl, Kaiserin Zita und deren erstgeborener Sohn Otto hinter dem Sarg gehend zu sehen sind. Das Protokoll hatte eigentlich vorgegeben, dass ausschließlich Kaiser Karl dem Sarg folgen sollte, seine Frau weit hinten, nach den männlichen Angehörigen des Hauses Habsburg. Mit den Worten: »Ich entscheide über die Form der Zeremonie!« fegte er alle Einwände hinweg. Instinktiv hatte er die symbolische Wirkung erfasst: Die Menschen deuteten das kleine, weiß gekleidete Kind zwischen dem Vater und der tief verschleierten Mutter wie einen Hoffnungsschimmer in diesen düsteren Zeiten.
Darüber hinaus modernisierte er seine Kanzlei, ließ überall Telefone anschließen, benutzte das Auto anstatt der Kutsche. Bei seinen Eisenbahnfahrten war immer ein eigener Telegrafenwagen angehängt. Karl war der Erste, der über einen vollkommen technisierten Befehlsapparat verfügte.
Krönung in Ungarn
Kaum war der alte Kaiser tot, machte sich der ungarische Ministerpräsident Tisza27 auf den Weg nach Wien. Seine Sorge, der junge Karl könnte in Bezug auf Ungarn ähnliche Ansichten haben wie einst Franz Ferdinand, trieb ihn dazu, auf eine möglichst rasche Krönung in Budapest zu drängen. Tisza, ein sturer, aber auch tapferer und ehrlicher Charakter, wollte unter allen Umständen verhindern, dass irgendwelche Änderungen an der Konstruktion des Ausgleichs vorgenommen würden. Er hatte sich schon erfolgreich gegen eine Reform des Wahlrechts gewehrt, welches eindeutig den Adel bevorzugte. Dass der immer noch feudale Charakter des ungarischen Königreichs die inneren Konflikte schürte, ignorierte er. Er wusste nichts über Karl, immerhin konnte es sein, dass dieser nun daranging, die Vormachtstellung der ungarischen Gentry zu zerstören.
Karl allerdings war völlig klar, dass in Ungarn Reformen dringend notwendig waren. Dennoch ließ er sich zu einer raschen Krönung überreden. Ein Verfassungsstreit war in der gegenwärtigen Situation nicht angebracht, Wien war immerhin auf die ungarischen Lebensmittellieferungen angewiesen. Tisza gegenüber betonte er jedoch, dass er der Krönung aus staatsrechtlichen Gründen zustimmte, eine Neuordnung müsse aber eben später durchgeführt werden.28
So entwickelte das ungarische Königreich am 30. Dezember 1916 bei der Krönung in der altehrwürdigen Matthiaskirche noch einmal seine ganze Pracht, bei der Karl den Eid auf die ungarische Verfassung leistete. Eine Reform musste bis nach dem Krieg warten.
Direkt nach seiner Rückkehr aus Budapest gab Karl die Übernahme des Armeeoberkommandos und damit den Oberbefehl über die gesamten Streitkräfte bekannt. Das Armeeoberkommando verlegte er von Teschen nach Baden bei Wien und mietete in der Nähe eine Villa an, um möglichst häufig präsent sein zu können. Sein vorläufiger Stellvertreter wurde Erzherzog Friedrich, später Erzherzog Eugen. Conrad von Hötzendorf wurde im März von seinem Posten abgelöst, der neue Generalstabschef wurde Arz von Straußenburg.
Als Ministerpräsidenten für Österreich berief Kaiser Karl Heinrich Clam-Martinic, einen Angehörigen der Kanzlei Franz Ferdinands, sein alter Freund Graf Polzer-Hoditz wurde sein Kabinettsdirektor. Joseph Maria Baernreither, ein Vorkämpfer für ein österreichisches Sozialversicherungswesen, wurde Minister ohne Portefeuille, er arbeitete die Pläne für ein Sozialministerium aus.
Ebenfalls aus dem Fundus des Belvedere kam der neue Außenminister Graf Ottokar Czernin. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass dies die schlechteste aller Personalentscheidungen des Kaisers war. Zu Beginn hatte es den Anschein, dass Czernin den Weg der Friedenssuche begleiten wollte, und darauf hatte sich Karl verlassen. Doch Czernin verfügte über nicht viel außer über seine Überredungskunst. Er hatte kein außenpolitisches Programm, dafür aber war er arrogant und respektlos; dies auch seinem Kaiser gegenüber, den er grundsätzlich unterschätzte. Seine Außenpolitik orientierte sich stark an Deutschland, für die von Karl geplante mittel- und langfristige Umorientierung der Monarchie nach Frankreich fehlte ihm jedes Verständnis, was sich später noch als fatal erweisen sollte.
Friedenssuche
»Dort sah es schauerlich aus, die einst so prachtvollen Kastanienwälder waren wie wegrasiert. Ein blutiges, zerrissenes Trümmerfeld ringsum. Links führte ein Graben hinan. Der Kaiser und der Generalstabschef Baron Arz gehen ihn entlang, und wir folgten nach. Da, an einer einzigen Stelle, lagen dicht beisammen 30 Tote. Ein italienischer Volltreffer. Die Toten schienen vertrocknet wie Mumien, schwarz verbrannt waren Hände und Gesichter. Da und dort war die Haut und das Fleisch der Leichen in der Sonne geplatzt, und gespensterhaft weiß leuchteten die Knochenteile. So weit wir gingen, sahen wir Tote, zerfetzte, zerrissene Tote! Hier eine Hand, dort ein blutiges Bein. – Der Kaiser blieb stehen. Er nahm seine Offizierskappe vom Kopf und faltete die Hände. Als er sich umwandte, sah ich, dass Tränen über seine Wangen rollten. Und ich hörte ihn zum Generalstabschef sagen: ›Das kann kein Mensch länger vor Gott verantworten. Ich mache Schluss.‹«29
Anatole France: »Der österreichische Kaiser wollte den Frieden. Er war der einzige anständige Mann, der sich während dieses Krieges an entscheidender Stelle befand. Aber niemand hörte auf ihn. Kaiser Karl wollte aufrichtig den Frieden, und darum hasste ihn jeder.«
Österreich hatte von Beginn an wegen der deutschen Schwerpunktbildung im Westen eine besondere Last an der russischen Front zu tragen. Nach anfänglichen Gebietsgewinnen der russischen Armee konnten die österreichischen Truppen diese Gebiete, vor allem Galizien und die Bukowina, im Jahr 1915 wieder zurückgewinnen. Bis Juli 1916 mussten die Russen weitere Rückschläge hinnehmen, und Österreich-Ungarn schien zunächst im Osten entlastet zu sein.
Auf dem Balkan erfolgte im Oktober 1915 die Offensive der Mittelmächte gegen Serbien, die zur Eroberung Belgrads führte. Nach erfolgreicher Schlacht auf dem historisch bedeutsamen Amselfeld im November 1915 gelang im Dezember die Einnahme Montenegros, im Januar 1916 die Einnahme Albaniens. Ursprünglich war der Konflikt mit Serbien der Anlass zum Ausbruch des Weltkrieges gewesen, aber angesichts des Ringens mit der russischen Großmacht handelte es sich an der Südfront jetzt beinahe um einen Nebenschauplatz. Nach den Offensiverfolgen konnte die Front in Mazedonien bis 1918 gehalten werden.
Folgenreich wurde der diplomatische Seitenwechsel Italiens, immerhin seit 1882 Partner im Dreibund. Am 26. April 1915 schloss Rom mit den Ententemächten den Londoner Geheimvertrag und erklärte knapp einen Monat später, am 23. Mai 1915, Österreich-Ungarn den Krieg. Schließlich trat auch Bulgarien an der Seite der Mittelmächte in den Krieg ein, während Rumänien sich im August 1916 auf die Seite der Entente schlug.
Verschiedene militärische Erfolge dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zeit eindeutig gegen die Mittelmächte arbeitete, deren Wirtschaft von der übrigen Welt abgeschnürt war. Der Mangel an Ressourcen machte sich sowohl an der Front als auch in der Heimat immer schmerzlicher bemerkbar. Zudem hatte Österreich-Ungarn seine strategische Manövrierfähigkeit verloren. Militärische Schritte der Bundesgenossen mussten genau aufeinander abgestimmt sein, wenn sie erfolgreich sein sollten. Seit August 1914 aber war es der deutsche Generalstab, der die wichtigsten Vorgaben machte.
Der k. u. k. Generalstab unter Feldmarschall Conrad von Hötzendorf geriet immer mehr in die Position eines deutschen Satelliten, zumal man auf deutsche Hilfe beim Zurückschlagen der russischen Heere in den Karpaten und bei der Eroberung Rumäniens angewiesen war. Im deutschen Generalstab wuchs die Arroganz gegenüber dem militärisch schwächeren Partner, während sich die k. u. k. Militärspitze – geprägt durch die in mehreren Schlachten gefestigte Waffenbrüderschaft – politisch und mental immer stärker in prodeutschem Fahrwasser bewegte.
Österreich-Ungarns politische Führung befand sich nach dem Tod des alten Kaisers in einem strategischen Dilemma: Die Donaumonarchie war Juniorpartner im Bündnis der Mittelmächte, das immer wahrscheinlicher auf eine schwere Niederlage zusteuerte. Zugleich waren nicht nur der eigene Generalstab, sondern weite Teile der Armee so eng mit dem deutschen Heer verzahnt, dass eine Trennung vom deutschen Bündnispartner nicht nur außenpolitisch ein riskanter Kraftakt gewesen wäre. Auch nach innen hin wäre ein Bündniswechsel der deutschsprachigen und vor allem auch der ungarischen Bevölkerung wohl nicht zu vermitteln gewesen. Kaiser Karl fand im November 1916 eine strategische Situation vor, die einem gründlich verwickelten gordischen Knoten glich.
Wer die Hand zum Frieden reichte, dem drohte dieses leicht als Schwäche ausgelegt zu werden. Im Grunde konnte nur derjenige mit guten Aussichten den Verhandlungsweg einschlagen, der Erfolge auf dem Schlachtfeld vorzuweisen hatte. Auf der anderen Seite führten einzelne Erfolge an der Front schnell zu einer Euphorie, von der sich besonders die Generalstäbe sehr leicht beeindrucken ließen: Nun sei ein Sieg auf ganzer Linie nicht mehr weit und der Gegner könne in kurzer Zeit niedergerungen werden. Verhandlungen würden den Gegner nur in letzter Minute vor der totalen Niederlage bewahren. Zudem musste jeder Friedenswillige nach dem mehrjährigen Krieg die Frage beantworten können, wofür die Millionen gefallener Soldaten geopfert wurden, wenn man nach einem Waffenstillstand viel schlechter dastehen würde als vor Kriegsausbruch.
Kaiser Karl allerdings war bewusst, dass Passivität den unweigerlichen Zusammenbruch Österreichs durch eine militärische Niederlage bedeuten würde. Es würde schwierig sein, nennenswerten Einfluss auf den mächtigen Bündnispartner im Norden zu nehmen. Wollte er dem Frieden näher kommen, so blieb ihm die schwache Hoffnung, gemeinsam mit friedenswilligen Kräften auf deutscher Seite zu einem diplomatischen Schritt der Mittelmächte zu gelangen oder aber auf den gefährlichen Weg in Richtung eines Separatfriedens zuzusteuern. Ein Sonderfrieden mit den Westmächten hätte gewiss zu einer innenpolitischen Zerreißprobe geführt, und der deutsche Verbündete hätte diesen Schritt als Verrat gebrandmarkt – möglicherweise hätte sogar eine Besetzung durch Deutschland gedroht.
Karl war aber entschlossen, in dieser verzweifelten Lage die höchsten Risiken einzugehen, um zu einem Frieden zu gelangen, den er nicht nur aus politischen, sondern angesichts des Elends der Soldaten und der Zivilbevölkerung auch aus christlichen und humanitären Gründen herbeisehnte. Seit Kriegsbeginn war er regelmäßig an verschiedenen Fronten gewesen und kannte im Gegensatz zu den meisten Monarchen und Politikern seinerzeit das unbeschreibliche Elend in den Kampfzonen und in den Lazaretten aus eigener Anschauung. Er hatte den moralischen Vorteil, an den fatalen Entscheidungen, die im Juli 1914 zum Krieg geführt hatten, nicht beteiligt gewesen zu sein.
Anfang Dezember 1916 reiste Karl in das deutsche Hauptquartier nach Pless, um erneut für seine Friedenspläne zu werben. Bei der deutschen Generalität stieß er damit auf wenig Gegenliebe. Kaiser Wilhelm nahm er nahezu als Gefangenen seiner Generäle wahr. In einem Telegramm nach Wien teilte Karl mit: »Mein Eindruck: auswärtiges Amt gänzlich ausgeschaltet. Reine Militärdiktatur, Kaiser gänzlich unorientiert über triste wirtschaftliche Lage Deutschlands und unleugbare Kriegsmüdigkeit seines Volkes. Werden noch morgen versuchen, Hindenburg und Ludendorff zur Beschleunigung der ihnen, glaube ich, unbequemen Demarche zu gewinnen.«
Allerdings war die Friedensnote, die die Mittelmächte am 12. Dezember 1916 an die Entente richteten, nicht konkret genug, obwohl Karl bei seinem Besuch an Hindenburg und Ludendorff appelliert hatte, von den allgemeinen Phrasen abzugehen und konkrete Friedensangebote zu machen. Die hohen Militärs haben aber jedes konkrete Angebot blockiert. Es war zu verständlich, dass die Entente die Note am 30. Dezember zurückwies. In der Zwischenzeit hatte der amerikanische Präsident Woodrow Wilson die Krieg führenden Parteien aufgefordert, ihre jeweiligen Friedensbedingungen öffentlich bekannt zu geben. Mit den Maximalforderungen, die die Ententemächte am 10. Januar 1917 verlautbarten, wurde vor allem Österreich unter Druck gesetzt.
Kontakt zu Sixtus und Xavier
Also musste Kaiser Karl versuchen, auch ohne den deutschen Verbündeten zu konkreten Friedensverhandlungen zu kommen. Er konnte nur darauf hoffen, dass er für den Fall, die Entente würde auf seine Angebote eingehen, am Ende die Deutschen noch überreden konnte.
Als Instrument benutzte er die klassischen Mittel der Geheimdiplomatie, nämlich die verwandtschaftlichen Kanäle. Es handelt sich hier um das letzte Beispiel dynastischer Diplomatie im alten Europa.30 Bereits vor seiner Regierungsübernahme hatte er mit den Brüdern seiner Frau, Sixtus und Xavier von Bourbon-Parma, die Möglichkeiten einer Annäherung an Frankreich und der Aufnahme von Friedensgesprächen diskutiert. Mit beiden war er seit Kindertagen befreundet.
Sixtus, ein politisch ausgesprochen begabter und ehrgeiziger Charakter, verfügte über beste Kontakte zu den französischen Spitzenpolitikern. Ein Artikel von ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Einleitung
  7. Immer näher an den Thron – Die Erziehung und Ausbildung Kaiser Karls
  8. Auf dem Weg in den Krieg
  9. Kaiser und König Karl
  10. Das Exil
  11. Madeira
  12. Kaiser Karl – Mythos und Antimythos
  13. Dokumentation
  14. Literatur
  15. Anmerkungen
  16. Personenregister