Ankommen, obwohl du unterwegs bist
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Ankommen, obwohl du unterwegs bist

Berufen sein und tiefer wachsen

  1. 224 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Ankommen, obwohl du unterwegs bist

Berufen sein und tiefer wachsen

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Über dieses Buch

Ein gehaltvolles Buch, das unserer Sehnsucht nachgeht, endlich anzukommen: in unserer Berufung, nahe am Herzen Gottes.In unserer Leistungsgesellschaft passiert es schnell, dass wir vor allem etwas für Gott tun, statt mit ihm unterwegs zu sein. Doch geht es nicht vielmehr darum, jeden Schritt unseres Lebens wertzuschätzen, weil wir mit Gott gemeinsam unterwegs sind? Johannes Braun hat erkannt: Wir müssen diesen Druck der Selbstverwirklichung hinter uns lassen! Indem wir uns von ihm formen lassen - auch dann, wenn das bedeutet, unseren Ängsten ins Auge zu sehen -, finden wir uns selbst. Unsere Bestimmung. Und Gott.

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Information

Jahr
2022
ISBN
9783417270297

KAPITEL 1

Der Zwang, sich verwirklichen zu müssen

»Wie werde ich bloß diesen Berufungsstress los?« Sicherlich eine ungewöhnliche Frage. Und es wäre erheblich leichter gewesen, wenn ich sie früher schon so prägnant hätte formulieren können. Auch ohne es präzisieren zu können, hat mich dieser Gedanke zunehmend beschäftigt, als ich Anfang dreißig war.
Unsere Familie wuchs und nach den ereignisreichen Jahren als junger Erwachsener im vollzeitlichen Dienst machte sich der Eindruck breit, dass das Leben irgendwie komplizierter geworden war und meine Berufung ins Stocken geriet. Viele meiner Träume und kühnen Vorstellungen darüber, wie Gott mich in dieser Welt gebrauchen würde, hatten sich erst einmal nicht erfüllt. Zumindest nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Arbeitslast und Verantwortung häuften sich und formten feste Routinen – alles wirkte plötzlich einförmig und unbedeutend. So wollte ich doch gar nicht leben! Ich war angetreten, die Welt zu verändern – hatte ich denn meine Berufung verfehlt? Besonders in ruhigen Augenblicken holten mich diese Befürchtungen ein und ich entdeckte zunehmend eine griesgrämige Seite an mir, die ich bis dahin noch nicht gekannt hatte. Ich würde nicht sagen, dass ich enttäuscht war – vielmehr war ich durch und durch ernüchtert.
Als junger Mensch hätte ich nie geglaubt, dass ich jemals in eine solche Lebensphase eintreten würde. Ich hatte schon damals mit großem Interesse den berühmten Religionsphilosophen Romano Guardini gelesen, der die Lebensalter eines Menschen und die dazugehörigen Krisen auffächert, als würden wir alle einem unsichtbaren Fahrplan folgen.1 Als würden wir Menschen nach einem inneren Uhrwerk ticken und jede Phase würde unweigerlich ihre Thematik hervorbringen, ohne dass wir uns dagegen wehren könnten.
Guardini erwähnt auch den nüchternen Menschen. Ernüchtert ist er deshalb, weil er erlebt, dass er mit seinen eigenen Grenzen konfrontiert wird. In den Zwanzigern strotzt man nur so vor Elan, möchte Dinge bewegen und hat ideale Vorstellungen. Später erfährt man, dass es auch ein Zuviel gibt und dass sich viele Zukunftsbilder als Luftschlösser entpuppen – zumindest vorerst.
Als junger Christ, der stets für seinen leidenschaftlichen Glaubensstil bekannt war, wollte ich nicht wahrhaben, dass mich so etwas jemals ereilen könnte. »Bei mir wird das anders sein«, dachte ich, »dafür brenne ich zu sehr für Gott, predige eifrig das Evangelium und habe zudem ein tiefes Gebetsleben.« Gerade dann, wenn man auf den Bühnen der Gemeindewelt aktiv ist, Seminare hält und dafür bewundert und beklatscht wird – ja, gerade dann ist man anfällig für die Illusion, dass man irgendwie besonders ist und Ernüchterung niemals eintreten wird. Doch genau das war der Fall.
Mitte dreißig war ich einfach nur noch müde – erschöpft von dem jahrelangen Dienst, der Mitverantwortung im Aufbau einer Organisation und den zwischenmenschlichen Irritationen, die sich dabei unweigerlich ergaben. Völlig unvorbereitet war ich reingeschlittert in die Lebensphase der Rushhour. Nichts geht mehr richtig voran, totaler Stress, stockender Verkehr, nervenaufreibende Stimmung.
Rushhour, so nennen Soziologen inzwischen jene ernüchternde Lebensphase, in der man als Mensch das junge Erwachsenendasein hinter sich lässt. Viele Optionen und Freiräume sind erst mal dahin, man hat sich festgelegt, hat im Beruf Verantwortung übernommen, vielleicht Familie gegründet und sich niedergelassen. Dazu kommt das Haustier, das sich die Kinder schon so lange gewünscht haben, und die Zeit, die man plötzlich nicht mehr hat.
Für mich hat sich das so angefühlt, als müsste ich permanent mit vier Bällen jonglieren. Drei davon konnte ich früher ohne Weiteres durch die Luft wirbeln – sogar Kunststücke waren da möglich. Aber nun entglitt mir immer wieder ein Lebensbereich, der buchstäblich zu Boden fiel, einfach weil ich nicht mehr alles im Blick hatte – oder weil ich es noch nicht konnte. Einfach deshalb, weil ich als Mensch Grenzen habe.
Wenn dies passiert, dann vernachlässigen wir plötzlich unsere Beziehung zu Gott, die Weiterentwicklung der Talente, die körperliche Fitness, die Ehebeziehung oder die Kinder. Auch wenn es nicht so ist, anfühlen tut es sich so – die Berufung befindet sich im Stillstand oder gar im Rückwärtsgang. Es äußert sich ein ganz anderer Stress, ja fast ein Zwang. Wir versuchen, unser Lebensprojekt vor dem Scheitern zu bewahren, suchen an vielen Stellen nach Hilfe, nach Bestätigung.
Irgendwie ist es ein Haschen nach Wind, wenn wir danach lechzen, endlich groß rauszukommen und dafür anerkannt zu werden, was wir der Welt zu bieten haben. Und dann werden unsere Hoffnungen doch wieder enttäuscht. Dabei lässt uns die ständige Frage nicht los: Wann kommt der große Durchbruch? Wann komme ich in meine Berufung? Vielleicht ist es gar nicht unbedingt der Erfolg, den wir suchen, möglicherweise ist es auch der Sinn. Wozu bin ich da? Was kann ich tun, um meinem Leben Bedeutung zu verleihen? All jene Fragen haben mich damals wirklich sehr beschäftigt und haben mir oft keine Ruhe gelassen.
In alle den Jahren, die ich schon als Referent herumreise, habe ich immer mehr Christen getroffen, die in demselben Gedankengang feststecken. Der Berufungsstress steht ihnen förmlich ins Gesicht geschrieben. Mir kommt da eine junge Mutter in den Sinn, die mir wehmütig von ihren Zeiten als gefragte Lobpreisleiterin erzählte. Damals habe sie noch völlig in ihrer Berufung gelebt, als das erste Kind kam, ging es noch, aber spätestens beim zweiten war Schluss. Jetzt sei sie nur noch Mutter und frage sich, was Gott eigentlich mit ihr vorhat.
Die Aussage dieser Frau bringt vielleicht manche zum Schmunzeln, weil wir ja wissen, dass im Elternsein eine große Bestimmung steckt. Aber wenn wir ehrlich sind, sitzen wir alle im selben Boot. Denn als Kinder unserer Zeit tragen wir die große Sorge mit uns herum, dass das mit der Verwirklichung unserer Träume vielleicht nichts mehr wird, und wir fragen uns, ob wir es wirklich schaffen, unser volles Potenzial auszuschöpfen.
Ich sehe diese Sorge nicht nur bei jungen Christen – ohnehin nicht nur in der frommen Welt. Als Trainer und systemischer Berater besuche ich Unternehmen und Organisationen, coache Führungskräfte und komme dadurch mit vielen Menschen in Berührung. Berufsbedingt sprechen sie dabei offen mit mir über ihre Ängste. Und eine Sache fällt mir besonders auf: Enorm viele Menschen haben die Befürchtung, die eigene Berufung zu verpassen. Egal wo man hinschaut, diese Angst taucht immer wieder aus dem kollektiven Unterbewusstsein unserer Generation auf.
Die Sehnsucht danach, dem eigenen Leben Bedeutsamkeit zu verleihen, löst den Druck aus, sich verwirklichen zu müssen. In Zeiten von Hyper-Individualisierung hat dieses Bestreben für den Einzelnen ein sehr starkes Gewicht. Wir scheinen uns auf einer ewigen Suche nach der Erfüllung unserer Träume zu befinden. Zudem macht uns der Wunsch rastlos, den Ansprüchen unserer Gesellschaft gerecht zu werden – wir stecken in einem Hamsterrad, auch wenn viele das nicht merken.
Mich erinnert das an das Gleichnis, das Jesus vom vierfachen Ackerboden erzählt. Dabei empfinde ich, dass wir als Kinder unserer Zeit besonders von der Beschreibung des dritten Bodens angesprochen werden: Unter die Dornen gesät aber ist es bei dem, der das Wort hört, aber die Sorge dieser Weltzeit und der Betrug des Reichtums ersticken das Wort, und es wird unfruchtbar (Matthäus 13,22).
Dornen machen ein Feld zum Gestrüpp, machen es undurchdringlich, hart und schwer zugänglich. Letztlich ersticken sie die gewünschte Frucht. Jesus bezieht das Gestrüpp auf die Sorgen, die ein Zeitgeist mit sich bringen kann.
Das vorherrschende Denken einer Zeit, einer Zivilisation, war schon immer eine unterschätzte Macht. Der Zeitgeist an sich ist erst einmal neutral, er kann Positives wie Negatives bedeuten. Das erkennt man, wenn man die Geschichte betrachtet. Vor etwa einhundert Jahren bildete sich als Folge der Industrialisierung eine bürgerliche Mitte, die in den verschiedenen Ländern Europas nach nationaler Identität strebte, daran ist zunächst nichts Schlimmes. Doch es entstanden nicht nur Nationalstaaten, der Zeitgeist war insgesamt stark vom nationalen Bewusstsein und Nationalstolz geprägt. Junge Menschen marschierten in Scharen in die großen Kriege, um ihre nationale Identität zu verteidigen.
Es hat zu jeder Zeit einen Zeitgeist mit vielen Facetten gegeben – vorherrschende Denkmuster, die eine Generation prägen und unser Handeln stärker beeinflussen, als wir zugeben wollen. Man könnte sich fragen, warum so wenige Menschen zur Jahrhundertwende in der Lage waren, diesen überzogenen Nationalismus zu hinterfragen – selbst unter Christen gab es da nur wenige Ausnahmen.
Aber das scheint eben genau die große Kunst zu sein, und deshalb können wir die Worte Jesu auch für uns heute als wichtigen Hinweis verstehen. Können wir die Geister unterscheiden? Sind wir bereit, zu reflektieren, was im Denken unserer Tage das Distelgewächs darstellt? Konkret:
Was sind die großen Sorgen unserer Zeit? Welche Auswirkungen haben diese auf unser Verständnis von der Berufung Gottes in unserem Leben?

Im Hamsterrad der Selbstoptimierung

Wer das Denken seiner Zeit reflektieren kann, ist klar im Vorteil. Aber das ist gar nicht so einfach, denn es fällt immer leichter, einen Zeitgeist im Nachhinein zu beurteilen. Denkmuster bilden sich langfristig aus und man merkt die progressiven Veränderungen kaum. Sicherlich kennst du die Geschichte von dem Frosch, der in einen Topf mit kochendem Wasser geworfen wird. Der Frosch springt sofort aus dem Wasser, weil er spürt, dass es zu heiß ist. Wenn man den Frosch aber in den Topf setzt und das Wasser langsam erhitzt, bis es schließlich kocht, dann stirbt er – so erzählt die Geschichte, die durch den Speaker Charles Handy bekannt wurde. Wahr ist dies nicht, dafür sind die Sinne von Fröschen zu gut ausgebildet. Aber die Moral von der Geschichte ist: Eine langsame Veränderung nimmt man nicht so gut wahr wie eine plötzliche.
Jesus nutzt ein weniger drastisches Bild, um uns denselben Effekt zu verdeutlichen. Die Sorgen unseres Zeitgeistes ersticken langsam und unbemerkt die Frucht und am Ende bringen wir nichts zur Reife.
Ich bin sehr froh darüber, dass es in unserer Gesellschaft kluge Menschen gibt, die mir durch ihre Arbeit helfen, verschiedene Denkmuster unserer Zeit zu reflektieren. Manches würde ich selbst nicht so leicht bemerken. Deshalb ist mir der deutsche Soziologe Hartmut Rosa mit seinen Publikationen sehr ans Herz gewachsen. Ich bin nicht der Einzige, dem das so geht. Hartmut Rosa hat es nicht nur auf die Bestsellerlisten geschafft, er ist auch ein begehrter Gast in Talkshows und Fernsehinterviews. In seinen Vorträgen analysiert er die Moderne mit ihren Licht- und Schattenseiten. Das Bild, das er zeichnet, ist das vom Hamsterrad. Das Rad muss sich immer schneller drehen, damit es sich stabilisiert – genauso kann man in unserer modernen westlichen Gesellschaft von einer Beschleunigungs-Logik sprechen.
Wie der Hamster sind wir gefangen in der Steigerungsdynamik von »höher, schneller, weiter«. Aus ökonomischer Sicht brauchen wir ständig Wachstum, weshalb das Rad immer schneller werden muss – technischer Fortschritt, größere Reichweite, steigende Zahlen. Die Summe des Kapitals, der Güter und der Informationen, die der Mensch bewegt, nimmt immer weiter zu. Das erzeugt Hektik, lässt Zeit knapper werden – ja, wir leben in exponentiellen Zeiten. Wer kommt da noch mit? Und – du meine Güte – was passiert, wenn die Wirtschaft in diesem Jahr nicht wächst?
Während ich dieses Buch schreibe, befinden wir uns mitten in der Corona-Krise. Das öffentliche Leben ist in vielen Teilen völlig zum Erliegen gekommen. Die erzwungene Pause ist eine große Chance, unseren hektischen Lebensstil zu hinterfragen. Wohin steuert unsere Gesellschaft eigentlich? Sollen wir nach der Pandemie genauso weitermachen wie bisher?
Schauen wir das Ganze aus der Vogelperspektive der letzten Jahrzehnte an, wird deutlich: Wir befinden uns in einem regelrechten Steigerungsspiel. Ohne den Kapitalismus als Gesamtes zu verdammen, hat das Auswirkungen auf den Einzelnen – auf uns! Als Individuum haben wir heutzutage zwar deutlich mehr Mittel zur Verfügung, aber die Anforderungen – beruflich wie privat – sind ebenfalls gestiegen, parallel zu unseren Ansprüchen an die Lebensqualität. Ist dir schon einmal aufgefallen, dass Burn-out zu einer kulturellen Grundangst geworden ist? Woran kann das liegen? Woher kommt dieser Druck?
Hartmut Rosa stellt die These auf, dass der Einzelne in einem Hamsterrad der Selbstoptimierung gefangen ist und letztlich Angst hat, abgehängt zu werden. Wir wollen uns ständig verbessern und an uns arbeiten, damit wir gesünder, kommunikativer, kompetenter und wirkungsvoller werden. Wir wollen unser Potenzial entfalten und alle Möglichkeiten ausschöpfen. Dabei helfen uns eine Vielzahl von Ratgebern, Tutorials und Selbsthilfebüchern und natürlich das Internet. Die Tatsache, dass wir uns in Zeiten von Google, YouTube und Co. schnell und umfangreich über alles informieren können, befeuert den Versuch, das Beste aus uns herauszuholen.
Aber was passiert mit uns, wenn sich in uns das Gefühl breitmacht, dass wir nicht mehr mitkommen, nicht mehr auf dem Laufenden sind? Es ist, als würden wir versuchen, eine Rolltreppe zu erklimmen, die uns entgegenkommt. Hast du das schon einmal probiert? Es ist anstrengend, und wehe, du bleibst stehen – dann fährst du automatisch nach unten! Dieser Stress hat sich in unser Lebensgefühl eingeschlichen. Wir gehen täglich mit einer nicht enden wollenden To-do-Liste ins Bett, die uns ins Bewusstsein ruft, dass wir heute schon wieder zu wenig für die Gesundheit getan und die Umwelt vernachlässigt haben und dass die Umsetzung der Erkenntnisse der letzten Coaching-Session noch aussteht. Und die Fenster sind immer noch nicht geputzt! Es bleibt das ständige Gefühl: Ich sollte noch – aber ich schaffe nicht alles.
Was steckt dahinter? Es ist ein Denkmuster, dem unsere Generation anhaftet. Wie Jesus es sagt: eine große Sorge, die uns bedrückt. Wir leiden unter dem kollektiven Zwang, uns verwirklichen zu müssen, uns zu optimieren und zu verbessern. Wir wollen nichts verpassen und vor allem nicht abgehängt werden. Dazu kommt, dass wir sehr hohe Ansprüche haben, auch daran, wie unser Leben zu laufen hat und was wir letztlich erreichen möchten.
Der Zeitgeist ruft uns zu: »Hey, du hast doch alle Möglichkeiten. Lebe deinen Traum!« Das hört sich zunächst gut an. Doch was ist, wenn dieser Traum zum Albtraum wird, weil sich abzeichnet, dass es anders kommt, als wir gedacht haben? Was ist, wenn wir in Krisen geraten und selbst unsere fromme Karriere einen Knick bekommt? Was passiert mit uns, wenn wir unseren Ansprüchen, den großen Visionen und Ambitionen, nicht gerecht werden? Dann kann die Suche nach unserer Bestimmung, ja das ganze Thema Berufung zum Stress mutieren – eine Last, die man auch einem gestandenen Christen deutlich ansieht. Anstatt die Reise zu genießen, nimmt man dann seinen Berufungsweg als rastlose Suche wahr.
Was hat der Zeitgeist da bloß mit unserem Verständnis von Berufung gemacht?
Berufung bedeutet eben nicht, dass man verbissen eine Karriereleiter erklimmt. Stelle dir vor, du kommst am Ende deines Lebens oben an und stellst bestürzt fest, dass die Leiter an der falschen Wand steht?2
Ich glaube fest daran, dass Gott Menschen immer wieder eine Vision schenkt, wie dem kinderlosen alten Abraham, der zum Sternenhimmel blicken sollte und dabei die Verheißung bekam, dass eines Tages seine Nachkommen genauso zahlreich sein würden wie die Sterne. Gerade junge Menschen werden oft ermutigt, große Visionen zu haben. Überhaupt wird in der christlichen Welt sehr viel über Visionen gesprochen. Was ist deine Vision? Was ist die Vision unseres Teams? Was ist das Leitbild der Gemeinde? Auch wenn uns das helfen kann, Ziele zu erreichen, kann ich mich in letzter Zeit des Eindrucks nicht erwehren, dass auch hier dieses Steigerungsspiel Einzug gehalten hat. Das Hamsterrad lässt grüßen und die Visionen werden immer größer und spektakulärer. Sind sie aber wirklich alle von Gott?
In meinen Dreißigern musste ich mir eingestehen, dass meine Träume und Visionen oft aus dem überhöhten Begehren resultierten, endlich etwas Großes zu reißen.
Mir war klar, dass es bei Gott keine Begrenzungen gibt, und er hat mir Dinge ins Herz gelegt, die mich intri...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Stimmen zu diesem Buch
  3. Ankommen, obwohl du unterwegs bist
  4. Impressum
  5. Widmung
  6. Über den Autor
  7. Inhaltsverzeichnis
  8. Vorwort von Rainer Harter
  9. Prolog
  10. KAPITEL 1 | Der Zwang, sich verwirklichen zu müssen
  11. KAPITEL 2 | Der Beginn einer Reise
  12. KAPITEL 3 | Suchst du noch oder wohnst du schon?
  13. KAPITEL 4 | Mach es wie Jesus, werde ganz Mensch
  14. KAPITEL 5 | Lehn dich zurück und genieß die Reise
  15. KAPITEL 6 | Ankommen auf deinem Berufungsweg
  16. KAPITEL 7 | Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie
  17. KAPITEL 8 | Umarme deine Schattenseite
  18. KAPITEL 9 | Ein Geschenk für die Menschheit sein
  19. EPILOG | Gott nahe zu sein ist mein Glück
  20. Danksagung
  21. Anmerkungen
  22. Leseempfehlungen