Hannah und Ludwig
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Hannah und Ludwig

Heimatlos in Tel Aviv

  1. 416 Seiten
  2. German
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Hannah und Ludwig

Heimatlos in Tel Aviv

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

1933 flieht Ludwig aus Nazi-Deutschland nach Tel Aviv. Der hebräischen Sprache kaum mächtig, arbeitet er sich mit großer Energie und sonnigem Gemüt vom Orangenpflücker zum Prokuristen hoch. Gerade noch rechtzeitig holt er seine Eltern und Geschwister nach Palästina und rettet damit ihr Leben. Als er 1940 die schöne Hannah trifft und die beiden heiraten, zeichnet sich eine glückliche Zukunft ab. Doch persönliche Schicksalsschläge und die politische Unsicherheit im neu gegründeten Staat Israel lassen bei Ludwig und Hannah die Sehnsucht nach der deutschen Heimat wachsen. Zusammen mit Sohn Rafael kehren sie in ein Deutschland zurück, wo die Vorurteile gegen Juden keineswegs der Vergangenheit angehören...

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Information

Jahr
2020
ISBN
9783784483788
Israel
Am 14. Mai 1948 mittags wurde der Union Jack nach sechsundzwanzig Jahren eingeholt, und der britische Gouverneur sowie die letzten Soldaten Seiner Majestät verließen das Land. Bereits vier Stunden später proklamierte David Ben Gurion im Tel Aviver Museum am Rothschild-Boulevard, dem Haus des ersten Bürgermeisters Meir Dizengoff, vor den Repräsentanten der zionistischen Organisation und der jüdischen Bevölkerung die Schaffung des Staates Israels als Heimstatt der Juden und aller weiteren Glaubensgemeinschaften und Völker im Lande. Theodor Herzls Vision eines »Judenstaates« hatte sich ebenso bewahrheitet wie die Jahrtausende alte Sehnsucht des jüdischen Volks nach einer eigenen Heimat. Abends tanzten die Menschen in Tel Aviv und allenthalben im neuen Staat Israel auf den Straßen und Plätzen. Sie sangen die neue Nationalhymne Hatikwa – die Hoffnung: »Auch nach zweitausend Jahren schwand unsere Hoffnung nicht, ein freies Volk in unserem Land zu sein.«
Hannah hielt den halbjährigen Rafi im Arm. Ihre Miene schwankte zwischen Freude und Furcht. »Meinst du nicht doch, dass uns ein Krieg erspart bleibt, Ludwig?« Durch die Zeitungen und die Radionachrichten war sie völlig verängstigt.
Am liebsten hätte ich sie aufgefordert, der unvermeidlichen Gefahr endlich ins Auge zu sehen. Doch angesichts unseres Söhnchens wollte ich unter allen Umständen Streit vermeiden. »Vielleicht … Israel ist jetzt ein souveräner Staat mit eigenem Militär. Amerika und Russland haben uns anerkannt. Da wären die Araber dumm, anzugreifen.«
Doch gerade diese Absicht verkündeten sie offen. Meine Erfahrung in Deutschland hatte mich gelehrt, Drohungen ernst zu nehmen. Nachts konnte Hannah vor Angst nicht schlafen und klammerte sich an mich.
Rafi dürfte die Furcht seiner Mutter gespürt haben, denn entgegen seiner Gewohnheit erwachte er mehrmals. Auch nachdem ihn Hanni gestillt hatte, konnte unser Kind keinen Schlaf finden. Erst gegen Morgengrauen, als sie in einen leichten Schlummer fiel, beruhigte sich der Kleine. Sein aufgeregtes Saugen am Schnuller verlangsamte sich, bis es aufhörte und er einschlief.
Ich dankte Gott, dass er uns ein gesundes, aufgewecktes Kind geschenkt hatte. Die Freude an meinem Sohn gab mir ein warmes Gefühl der Genugtuung. Ich sah hinüber zu Hanni und döste schließlich ebenfalls ein.
Gegen sechs Uhr erwachte ich frohgemut. Das Schlafzimmer war durch die Maisonne bereits taghell. Während ich mich vorsichtig aus dem Bett schälte, beobachtete ich gerührt meine kleine Familie.
Frisch geduscht presste ich einen Orangensaft für Hanni und braute anschließend einen Kaffee für Heinrich und mich. Schlag sieben Uhr erschien mein Bruder bei uns. Ich zischte ihm zu, dass er still sein sollte, und schaltete das Radio ein. Der Sprecher der neu etablierten »Stimme Israels« verlas die Nachrichten in raschem Hebräisch, das ich nur mangelhaft und Heinrich nach vierzehn Jahren Zion überhaupt nicht verstand. Doch das Wort Milchama, Krieg, kannten wir beide noch aus dem Religionsunterricht in Ichenhausen. Dies in Verbindung mit den arabischen Ländern Ägypten, Syrien, Irak, Transjordanien, Libanon konnte das nur heißen, dass sie unseren neuen Staat angegriffen hatten.
Als kurz darauf Hanni im Morgenrock die Küche betrat, trompetete ihr Heinrich »Wo hast du den Chef gelassen?« entgegen.
»Er geruht noch ein wenig zu schlafen, um später deinen Gesängen die gebührende Aufmerksamkeit entgegenbringen zu können«, lachte Hanni. Doch als sie den Inhalt der Rundfunknachrichten mitbekam, erblasste sie.
»Wir haben Krieg!«, rief sie. »Ja«, gab ich zurück.
»Und da sitzt Ihr da wie die Ölgötzen?«
»Sollen wir ‘rumlaufen wie aufgescheuchte Hühner?«
»Wir müssen doch was unternehmen!« Hannas Stimme vibrierte.
»Was?«, wollte ich wissen.
»Bring mal Isaak Raphael her«, warf mein Bruder ein. »Der weiß bestimmt, was wir jetzt zu tun haben.«
»Heinrich! Mir ist nicht nach Witzen zumute!«
Eine Kränkung Heinrichs mit anschließendem Beleidigtsein fehlte mir gerade noch! Doch Heinrich war dermaßen in seinen Neffen verliebt, dass er sich von Hannis Zurechtweisung nicht angesprochen fühlte.
Eine Luftschutzsirene in unserer Nähe heulte auf, andere folgten ungeordnet. Hannah lief ins Schlafzimmer und kehrte mit dem Kind im Arm in die Küche zurück. Rafi spuckte vor Aufregung seinen Schnuller aus, er segelte zu Boden.
»Ludwig, was machen wir nur?«
Ich ergriff ihre Hand. »Bitte, Hanni, reg’ dich nicht auf. Fliegeralarm muss gar nichts heißen. Wahrscheinlich ist irgendwo ein Flugzeug entdeckt worden. Es kann auch eines von uns sein. Das hat gar nichts zu bedeuten …«
»Nichts zu bedeuten? 1940, als uns die Italiener bombardiert haben, sind Hunderte gestorben. Heute haben wir ein Kind. Wir müssen auf unseren Rafi aufpassen!«
»Gewiss, Hanni.« Ich wischte den Schnuller ab und wollte ihn dem weinenden Säugling wieder in den Mund stecken. Doch die Mutter riss das Kind an sich. »Gewiss!«, schrie sie. »Nichts ist gewiss! Was tun wir, wenn die Araber uns bombardieren?«
»Jetzt reiß dich doch amal zusammen, Hannah! Und führ’ dich ned auf wie ein polnisches Marktweib!«, herrschte mein Bruder sie an.
»Ich will mein Kind schützen! Und ich lass’ mich nicht von einem Mann beleidigen, der keine Kinder hat und keinen Verstand!«
»Hysterisches Frauenzimmer!«, brüllte Heiner.
Von dem Geschrei verängstigt, heulte Rafi auf. Derweil wandte sich Heiner um. Ich trat zu ihm. »Du siehst doch, dass sie Angst hat …«
»Deshalb darf sie mich nicht beleidigen und uns vorwerfen, dass wir keine Kinder haben!«
»Hanni, bitte sag’ Heiner, dass du es nicht so gemeint hast.«
»Mir ist egal, ob dein Bruder beleidigt ist. Mir geht es nur um mein Kind! Wir müssen Rafi schützen.«
»Hanni, wir sorgen uns um Rafi nicht weniger als du …«
»Dann tu’ endlich was!« Ihre Stimme überschlug sich.
»Was soll ich deiner Meinung nach machen? Wir haben keinen Luftschutzkeller.«
»Du bist doch der Mann! Du musst deine kleine Familie beschützen!«
Hannahs Geschrei steckte Rafi an. Er brüllte aus Leibeskräften. Fernes Motorengebrumm wurde hörbar.
»Bomber! Bomber! Sie kommen, um mein Kind zu töten!« Hannahs Hände begannen zu zittern. Ich ergriff Rafi, doch Hanni ließ das schreiende Kind nicht los. Mein Gott, was sollte ich tun? Die Flugzeugmotoren dröhnten. Anschwellendes Pfeifen signalisierte fallende Bomben.
»Rafi, Rafi! Lass mein Kind los!«, kreischte Hannah und umklammerte den Säugling. Da zog Heinrich sie mit einer kräftigen Handbewegung von Rafi weg und reichte ihn mir.
»Nein, nein! Nehmt mir nicht mein Kind!«
»Hysterische Kuh!«
Die Explosionen einschlagender Bomben übertönten das Geschrei Heinrichs und Hannahs. Derweil spannte sich Rafi und strampelte. Ich musste etwas unternehmen, um Mutter und Kind zu beruhigen.
Mit einem Mal wusste ich, was ich zu tun hatte. Während die Scheiben vibrierten, reichte ich Rafi seiner Mutter und sprach mit unvermittelt ruhiger Stimme zu Hannah: »Gib ihm die Brust.«
Meine Bestimmtheit übertrug sich auf Hanni. Ohne sich um Heiners Gegenwart zu kümmern, öffnete sie den Morgenmantel und hob den Säugling an die Brust, der sogleich heftig zu saugen begann.
Nach einer Weile verebbten die Explosionsgeräusche. Die Motoren heulten auf, ehe sie brummend verklangen. Minuten später pfiffen erneut die Sirenen. »Schon wieder Bomben!«, rief Hannah. »Nein, das ist die Entwarnung«, gab ich vor zu wissen.
Rafi hatte sich satt getrunken. Er schloss seine Augen. Der Schlaf ihres Kindes wirkte auf die Mutter, sie sank in sich zusammen.
Ich brachte beide zu Bett. »Schlaft euch aus.« Hanni deutete ein Nicken an. Leise schloss ich die Tür.
Kurz darauf verließen Heinrich und ich die Wohnung. »Da hast du dir eine Furie eingefangen, mein lieber Bruder.«
»Sie hat viel durchgemacht in ihrem Leben …«
»Das haben die meisten hier. Ganz zu schweigen von den armen Hunden, die die Nazilager überlebt haben und jetzt in Deutschland und Zypern von den Engländern hinter Stacheldraht gefangen gehalten werden. Wenn die sich so anstellen würden wie deine Frau …« Ich ließ ihn reden und begab mich zur Hefziba.
Abends schlug mir Ludwig vor, mit Rafi zu Thea und Mutter nach Hadraga zu ziehen, solange die Bombenangriffe anhielten. Er habe mit seiner Schwester telefoniert, sie freue sich auf uns – Mutter ohnehin. Ich lehnte ab, denn ich wollte mich nicht von Thea abhängig machen – vor allem aber in Ludwigs Nähe bleiben.
Doch am nächsten Tag kam es bei einem erneuten Luftangriff fast zur Katastrophe. Zunächst blieben wir an diesem Tag von den ägyptischen Bombern verschont. Rafi war satt von meiner Muttermilch eingeschlafen. Als am späten Vormittag der Naphtha-Mann mit lautem Glockenläuten und »Neft! Neft!«-Rufen ankündigte, dass er in unserem Viertel seinen Brennstoff verkaufe, wollte ich die Zeit nutzen, um mir Sprit für unseren Küchenkocher zu besorgen. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass Rafi friedlich schlummerte und zugedeckt war, ergriff ich den Kanister und lief die zwei Stockwerke hinunter.
Über die Feierberg-Straße und die Rothschild-Allee gelangte ich zum Ben-Zion-Boulevard, wo sich eine Schlange wartender Frauen vor dem von einem Pferd gezogenen Brennstofftank versammelt hatte. Ich reihte mich ein, bald kamen weitere Frauen dazu. Die hinter mir Stehende wollte mit mir schwatzen. Doch ich war unruhig, weil ich Rafi allein...

Inhaltsverzeichnis

  1. Heimatlos in Tel Aviv
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  3. Inhalt
  4. Tel Aviv
  5. Ertrunkenes Gold
  6. Arbeit
  7. Alte Liebe
  8. Zionisten und Talmudisten
  9. Paula und Heinrich
  10. Haus in Kanaan
  11. Thea
  12. Jecke-Zeitung
  13. Hilferuf
  14. Jerusalem
  15. Krieg
  16. Hannah
  17. Hochzeit
  18. Ölberg
  19. Befreiung
  20. Post aus Ichenhausen
  21. Exodus
  22. Rafael
  23. Israel
  24. Ludwigs Bistro
  25. Endlich leben!
  26. Ruin
  27. Canossa in Zion
  28. Deutsche Zukunft
  29. GLOSSAR
  30. Danksagung