Auf Augenhöhe
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Auf Augenhöhe

Warum Frauen und Männer gemeinsam besser sind - Ein Plädoyer

  1. 304 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Auf Augenhöhe

Warum Frauen und Männer gemeinsam besser sind - Ein Plädoyer

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Echte Augenhöhe zwischen Frauen und Männern - ist das wirklich möglich? Dieses Buch sagt: "Ja!"Das Thema "Geschlechterrollen" bleibt ein Streitpunkt. Wie wir darüber denken und wie wir sie ausleben, ist geprägt von Erfahrungen, Haltungen, Persönlichkeit und Lebenskontext. Und davon, wie jeder und jede von uns Gott versteht, und das, was die Bibel dazu sagt. Wie gesagt, ein Streitpunkt, auch hier! Die Spannung ist nicht leicht aufzulösen. Das Thema komplex. Es gibt keine einfachen Antworten. Aber es gibt persönliche Geschichten, kluge geistliche Gedanken, hoffnungsvolle Vision und gesunden Pragmatismus - gemeinsam, auf Augenhöhe, nach dem Herzen Gottes.24 christliche Persönlichkeiten und Paare teilen Praxisberichte aus ihrem Alltag: Wie leben sie als Frauen und Männer miteinander? Und: Erreichen sie das große Ziel vollkommener Augenhöhe und Gleichberechtigung? Ein lebhafter Erfahrungsaustausch und Tipps für Tops und Flops von Frauen und Männern quer durch die christliche Gemeindewelt.

Häufig gestellte Fragen

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Information

Jahr
2022
ISBN
9783417270334

Ein Auftakt im Dialog: Weil wir gemeinsam besser sind!

ULRICH EGGERS UND DANIELA MAILÄNDER

Ist das überhaupt noch ein Thema?

DANIELA MAILÄNDER: Fast wäre unser Buchprojekt geplatzt. Und zwar an meinen Zweifeln, ob es dieses Buch braucht. Leben wir nicht längst schon auf Augenhöhe? Haben wir nicht längst dafür gesorgt, dass Frauen Zugang zu Ämtern, Leitung und Verkündigung haben? Steht Frauen inzwischen nicht alles offen?
Noch größer wurden meine Zweifel bei einem Telefonat: »Das Thema ist doch durch. Inzwischen reden wir nicht mehr über Frauen und Männer, sondern über Diversität – das wäre mal ein heißes Eisen! Es sind nur die frommen Kreise, in denen die Frauenfrage noch thematisiert wird.«
Endgültig verunsichert bin ich, als ich auf die Anfrage, einen Beitrag für dieses Buch zu schreiben, folgende Antwort erhalte: »Ich schreibe da nicht mit. Ich habe wirklich Sorge, mir an dem Thema die Finger zu verbrennen. Man kann es doch eigentlich nur falsch machen!«
Also, braucht es dieses Buch? Ich sage: Ja. Sogar dringend! Wir haben uns noch nicht in das Thema hineingelebt! Noch lange herrscht keine Augenhöhe von Männern und Frauen in Kirchen und Gemeinden, christlichen Werken und Verbänden. Noch immer leiten, gestalten, verkündigen, leben wir nicht miteinander. Als Frauen sind wir in kirchlichen Kreisen immer noch nicht gleichberechtigt. Auch wenn es theoretisch so sein könnte.
Noch mal, braucht es dieses Buch? Ich sage: Nein! Es braucht dieses Buch nicht. Denn noch besser als ein Buch wäre die Umsetzung dessen, was Papier so geduldig beschreibt: ein echtes Miteinander. Es braucht endlich die Umsetzung davon, worüber wir schon lange sprechen, schreiben und was wir eigentlich glauben.
Denn: Viele Leitungspositionen werden, je höher die Hierarchieebene, immer noch vor allem von Männern besetzt. Im Ehrenamt finden wir in Summe mehr Frauen, allerdings an handlungsentscheidenden Stellen wiederum Männer. Mal ganz abgesehen von den Gehaltsklassen, die Frauen und Männer trennen. Auch gibt es immer noch klassische Rollenzuschreibungen, die sowohl Männer als auch Frauen begrenzen und uns in Sackgassen führen. Da gibt es zum Beispiel Männer, die fast daran zerbrechen, dass sie die starke Führungsrolle übernehmen sollen. Und da gibt es Frauen, die sich künstlich zurückhalten, nur um den Rollenbildern im Kopf der anderen Menschen zu entsprechen. Dabei geht es am Ende doch nicht um Stereotypen, sondern um Persönlichkeit und Begabung. Und es geht darum, dass Gott uns von Anfang an Seite an Seite, auf Augenhöhe für ein Miteinander geschaffen hat. Die Schöpfung lebt vom Teamgedanken, von der Verbundenheit und von der Verschiedenheit. Schon die ersten Seiten der Bibel sprechen davon, dass wir einen gemeinsamen Auftrag haben: Frauen und Männer gestalten Leben absolut gleichwertig und gleichberechtigt und in ihrer ganzen Fülle an Weiblichkeit und Männlichkeit.
Ja, es braucht dieses Buch und es braucht endlich auch die Umsetzung davon, was ihr, liebe Leserin und lieber Leser, darin finden werdet. Dabei denke ich vor allem an die vielen Biografien und ungelebten Berufungen, die an diesem Thema zerbrochen sind. Ich sitze mitten in der Entstehungsphase dieses Artikels in einem Zoom-Meeting eines Netzwerks von über sechzig Frauen, die in missionalen Werken und Arbeitsfeldern ehren- oder hauptamtlich unterwegs sind. Ich höre Geschichten von Diskussionen, ob eine Frau das Abendmahl austeilen darf, von offenen Anfeindungen, weil eine Mutter nach der Elternzeit wieder in den hauptamtlichen Dienst eintritt, die verunsicherte Frage einer jungen Kollegin: »Denkt ihr, dass ich als Frau auf die Kanzel darf?« Und ich sehe die Tränen einer älteren Kollegin, die erzählt, dass sie sich ihr Leben lang zurückgehalten hat, obwohl sie so gerne ein Leitungsamt gehabt hätte.
Ich denke an die vielen Gespräche mit Männern, die genauso leiden: »Wir brauchen euch Frauen!« Oder: »Ich muss mich dauernd dafür verteidigen, dass ich, seit wir Kinder haben, nur noch Teilzeit arbeite« oder »Ich will eine andere Welt für meine Töchter und Enkelinnen hinterlassen.« Dabei geht es um das Nachdenken über die Ideale von Geschlechterrollen, die in Leitungsämtern vorherrschen und damit auch darum, dass sich Mann- und Frausein verschieden leben lässt, und wir bei genauem Hinsehen sogar über eine weitaus größere Vielfalt sprechen sollten. Offensichtlich hängt also unser System immer noch schief. Miteinander auf Augenhöhe leiten und Kirche gestalten – wir sind weit davon entfernt.
Ja, es braucht dieses Buch und das, was daraus an Handeln entstehen wird – für unsere Kinder! Ich schreibe für meine beiden Söhne und meine Tochter. Ich schreibe es für meinen Mann und mich. Weil wir gemeinsam besser sind. Weil wir in unserer Unterschiedlichkeit miteinander vorwärtsgehen und unseren Kindern die schöpferische Freiheit vorleben möchten.
Deshalb haben wir eine gemeinsame Liste von Wunsch-Autorinnen und -Autoren erarbeitet und ihnen von unserer Vision eines Miteinanders auf Augenhöhe erzählt. Unser Traum war es, einen möglichst breiten Einblick in Meinungen und Erfahrungen zu bekommen – und er ist in Erfüllung gegangen: Hier erzählen Frauen und Männer, Teams und Paare, Theologinnen und Lehrer, Bloggerinnen und Vorstandsvorsitzende, Sozialarbeiterinnen und Musiker, Chefredakteurinnen, Pfarrer und viele mehr. Wir wollten den Beitragenden die größte Freiheit ermöglichen. Ihr werdet also selbst in der Sprache und Schreibweise die verschiedenen Hintergründe unserer Autorinnen und Autoren wiederfinden. Wir finden das gut so! Lest daher gerne in derselben Freiheit mit, falls ihr über das * stolpert oder euch darüber ärgern solltet, dass nicht alle Menschengruppen benannt sind. Wir sind ja auf dem Weg und noch nicht am Ziel. Doch all die Geschichten, Artikel und Ausführungen dieses Buches atmen denselben Grundtenor: Die Herausforderungen unserer Zeit sind definitiv viel zu groß, als dass Männer oder Frauen sie allein stemmen könnten. Es gibt noch so viel weibliches und männliches Potenzial in Gesellschaft und Kirche, speziell auf Leitungsebene, das brachliegt und das wir endlich in seiner ganzen Schönheit, Fülle und Kraft ausleben sollten!
Ich plädiere nicht dafür, dass Frauen an die Macht und Männer endlich in den Keller sollten. Ich plädiere auch nicht dafür, dass Unterschiede zwischen Männern und Frauen aufgehoben und ausradiert werden. Wir sind verschieden. Unterschiedlichkeit ist göttlich. Darum geht es nicht. Nein, ich plädiere für ein Gemeinsam! Für Gleichberechtigung! Für ein Miteinander! Weil das zutiefst der genialen Schöpfungsordnung Gottes entspricht. Und ich leide daran, wo dieses Miteinander nicht gelebt wird. Wo wir uns verstricken in der Männer-oder-Frauenfrage, wo keine Gleichberechtigung herrscht und subtil alte, zerstörerische Rollenbilder gelebt werden. Weil wir damit nichts weniger tun, als weit hinter dem zurückzubleiben, wie Gott sich ein Miteinander vorgestellt hat. Wir bleiben damit hinter unserer Berufung als Christinnen und Christen zurück.

Als Mann das Problem erkennen lernen

ULRICH EGGERS: Ich als Mann habe bezüglich des Themas dieses Buches eine spannende Lernkurve hinter mir und bin ganz sicher noch nicht am Ende. Ich dachte für mich immer, dass ich aus einer tollen Familie komme, die Bibel als gute Zielvorgabe ernst nehmen will und die problematisch klingenden Stellen zu Frauen darin durch Liebe aufgehoben sind – und im Übrigen soo ernst heutzutage ja nicht mehr genommen würden. Also: Ich sah kein super heißes Problem, aber eine klare Verpflichtung zu liebevoller Gleichwertigkeit und absoluter Gleichberechtigung. Für mich ergab sich daraus ein sensibilisierter Blick und ein gewisses Grund-Engagement im Sinne eines Ideals, das mir wichtig war, aber nicht ganz vorne auf meiner Agenda stand. Heute bin ich überzeugt: Ein latent positiver Blick ist nicht genug.
Ich komme aus einer Pastorenfamilie mit drei Söhnen. Vater war engagierter Pastor, Mutter Hausfrau, Familienmama – und Gemeindemutter. Bei meinen Eltern sah ich, wie stark es ist, wenn Frauen und Männer in ihrer jeweiligen Gabenstärke gemeinsam agieren und einander ergänzend Verantwortung übernehmen. Der Juckepunkt war selbstverständlich: Nur mein Vater verdiente damit sein Geld und rein formal hatte auch nur er das Sagen. Dennoch war für uns Kinder ziemlich klar: Die beiden spielen gut zusammen, beide würden ohne zu zucken von »meiner« Gemeinde reden, wenn sie gefragt würden. Noch heute denke ich, wie gut das war – bis dahin, dass auch wir Kinder ein Stück unternehmerischer Mitverantwortung für die Gemeinde empfanden: Wir waren Teil des Teams und brachten unsere Gaben ein. Auch heute bin ich nicht bereit, an dieser Situation und am Glück meiner Eltern in ihren Rollen etwas schlechtzumachen. Ich hatte tolle Eltern – und wir waren Teil eines großen Projekts. Im Kontext der sechziger und siebziger Jahre gedacht kann man viel Gutes an dieser Aufteilung finden.
An heutigen Maßstäben gemessen war diese Aufteilung aber nicht fair. Und wäre meine Mutter es nicht gewohnt gewesen und hätte es als »systemisch normal« empfunden, hätte sie das Unrecht und die Zurücksetzung auch fühlen können. Ganz klar: Es ist nicht fair, wenn eine Frau kostenlose Zugabe eines Deals ist und strukturell nur wissend und gelegentlich dankbar in Kauf genommen wird. Es ist Unrecht und entspricht nicht dem Gesamtbild der Bibel und Gottes guter Schöpfungsabsicht, wenn Frauen wie zweitklassige B-Versionen des Mannes behandelt werden. Das Gegenteil ist der Fall: Frauen und Männer gemeinsam sind Krone der Schöpfung und erschließen das gute Leben in Fülle. So hat es sich Gott in seiner Schöpfung gedacht – und so sollten wir es auch strukturell leben und mit Rechten und Regeln versehen.
Nur eben: In dieser Schärfe habe ich das damals nicht gesehen. Es dauert, ehe man bei dem Thema die Problematik in größerer Tiefe versteht. Und es gibt einen einfachen Grund dafür: Ich war und bin halt Mann! So einfach ist das. So einfach ist das für viele noch immer: Weil man nun mal auf der genetischen Sonnenseite der potenziellen Möglichkeiten gelandet ist, kümmert man sich nicht weiter um die Defizite und das Unrecht für Frauen. Man ist schlimmstenfalls sorgloser Nutznießer – oder verfolgt bestenfalls individuell gute, idealistische Absichten von Gleichwertigkeit und liebevoller Augenhöhe. Heute weiß ich: Das ist zu wenig.
Gemeinsam mit Freunden war ich Teil einer innovativen Jugendarbeit und hatte durch die Mitarbeit bei Jugendzeitschriften und den Blick in andere Länder früh einen weiten Horizont. Um Welthunger, Armut und Gerechtigkeit ging es uns – aber selbst in diesen aufgeklärt links-evangelikalen Kreisen kamen Frauen hierzulande als Thema wenig vor. Feministinnen gab es noch kaum – und wenn, dann waren das irgendwelche zornigen, weltlichen Emanzen mit einem Gemisch verschiedenster Forderungen, bei denen immer genügend sichtbare Details dafür sorgten, dass man sich angewidert oder empört abwenden konnte. Uns war aber von Anfang an klar: Als Frauen und Männer wollten wir gut zusammenarbeiten in der Gemeinde – und es war nicht entscheidend, ob jemand Frau oder Mann war, wenn für eine Idee oder eine Rolle ein Mensch fehlte. Jede und jeder war willkommen!
Unsere kleine Gruppe formte sich zu einer Lebensgemeinschaft und kaufte als gemeinnütziger Verein den Dünenhof, ein Tagungszentrum an der Nordseeküste. Als geistliche Trägergruppe WegGemeinschaft e. V. verantworteten wir die Arbeit gemeinsam und organisierten Tagungen – eine Singlefrau und vier Paare. Klar, dass da bald auch »Frauen-Themen« in den Blick kamen, meist analog zu unserer Lebenswirklichkeit. Als Gemeinschafts-Mitglieder waren wir von hohen Idealen geprägt und wollten die Bibel radikal ernst nehmen: Jesus nachfolgen, seine Worte verkünden, eine ganzheitliche Nachfolge leben, Missstände beheben. Reichlich idealistisch war das, aber gemeinsam haben wir manches zustande gebracht. Auch wenn wir schon bald merkten, dass all die Problemthemen normaler Gemeinden und des ganz normalen Menschseins sich auch bei uns finden ließen. Aber wir hatten immerhin Ideale …
Zu denen gehörte es auch, dass für uns als Gemeinschaft klar war, unser Leben auch im Bereich von Ehe und Partnerschaft möglichst fair miteinander zu teilen. Zwar lebten wir – bis auf unsere Singlefrau – durch die Kleine-Kinder-Phase vorerst in klassischen Rollenaufteilungen (Männer meist im Beruf außen, Familien-Beruf innen), aber es war selbstverständlich für uns, dass wir die Aufgaben teilen wollten, so gut es ging: Natürlich übernahmen wir Männer einen Teil der Hausarbeit, kochten – oder ersetzten an Seminarwochenenden unsere Frauen zu Hause. Denn die boten mittlerweile gemeinsam Frauen-Verwöhn-Tagungen an: Erholungs-Wochenenden auf dem Dünenhof mit guten geistlichen Impulsen. Eine Zeit, die ihnen selbst guttat angesichts des Dauerstresses mit drei bis fünf kleinen Kindern pro Familie. Wir spürten eine gemeinsame Berufung – und dazu gehörte es, einander für persönliche Leidenschaften und Aufgaben freizusetzen.
Sicher: Das waren nur Anfänge. Und sie lebten aus dem hohen Ideal der Gleichwertigkeit und dem Liebesgebot, das wir als Teil unseres Glaubens für uns als verbindlich empfanden. Gut so – aber noch lange kein tieferes Durchdenken strukturellen Unrechts, sondern nur ein erstes Fortentwickeln aus alten Bildern.
Mittlerweile hatte ich gemeinsam mit einem großen Team die Zeitschrift FAMILY gegründet und konnte so noch einmal erweitert Impulse aufnehmen und senden. Als Folge einer geistlichen Krise unserer Gemeinschaft (auf Dauer kann man nicht aus idealistischen Absichten leben …) rief ich dann das Magazin AUFATMEN ins Leben – es ging um Gottesbegegnung und Spiritualität, Kraftquellen für unser engagiertes Leben. Zugleich kam ich im Zuge dessen mit der Willow Creek-Bewegung in Berührung und lernte erweiterte Fragestellungen von Frauen im Zusammenhang von Kirche und Gemeinde kennen. Selbstverständlich waren bei Willow auch Frauen als Pastorinnen eingesetzt und leiteten – und das in einem mehrheitlich konservativ-evangelikalen Umfeld. Mein Horizont weitete sich, die Fragen wurden grundsätzlicher: Wie war das jetzt mit den Frauen in der Gemeinde? Natürlich: Die Bibel war für uns verpflichtend, wir wollten ihr treu sein. Konnten wir da wirklich unserem Herzen und unserem Gerechtigkeitsgefühl folgen und diese Frage für »klärungs-überfällig« halten? Ich lernte ein Buch von John Ortberg kennen und regte an, dass es in deutscher Übersetzung erschien: Die Frau schweige? Gaben in der Gemeinde.
Mittlerweile war ich Redakteur, Verlagsleiter und auch Pastor im Bund der Freien evangelischen Gemeinden geworden, einer Kirche, die bis 2010 offiziell keine Pastorinnen ausbildete oder ordinierte (sehr wohl aber Missionarinnen – was für eine unbewusste Form von Rassismus, dass Menschen in der Dritten Welt mit den von uns »verworfenen« Frauen vorliebnehmen sollen!). Lebhaft erinnere ich mich an die spannende offene Diskussion im großen Forum der Theologischen Hochschule Ewersbach, als nach einem langen fairen Prozess mit gut 76 Prozent Zustimmung endlich die Entscheidung fiel, Frauen auszubilden und auch als Pastorinnen einzusetzen. Heute sind in manchen Studienjahren mehr als die Hälfte der Studierenden Frauen – und dennoch befindet sich meine Kirche immer noch in einem Einübungsprozess, der auf beiden Seiten Schmerzen produziert.
Mit Willow Creek wollten wir nicht bei den Impulsen von John Ortberg stehen bleiben, also beschlossen wir, das Thema der Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit einer Konferenz zu fördern – mittlerweile war ich Vorsitzender geworden. Heute blicken wir zurück auf diese erste Konferenz in Wetzlar 2007 (Gemeinde gemeinsam gestalten – keine unserer ganz großen …) und einen wachsenden Anteil von Frauen im Vorstand und als Sprecherinnen.
Nein, wir sind noch nicht am Ziel, aber selbst das vorliegende Buch ist indirekt eine Frucht dieser Entwicklungen. Denn meine Mit-Herausgeberin Daniela Mailänder lernte ich durch die Willow Creek-Arbeit kennen. Gemeinsam versuchen wir heute, das Thema biblischer Gleichwertigkeit als eines von vielen voranzutreiben. Es ist wichtig – und wir sind noch lange nicht angekommen. Es ist wichtig, nicht nur für Frauen und Männer, Familie und Beruf, sondern auch für Kirchen und Gemeinden, die dringend die Mitarbeit aller brauchen und so etwas wie ein beispielhaftes Labor für ein Miteinander auf Augenhöhe sein könnten. Ich sage »könnten« – denn es ist noch eine weite Strecke zu gehen …
Ich empfinde die Situation neben allem guten Fortschritt nämlich an vielen Stellen als ambivalent: Immer weniger Männer sehen Kirche als ihr Gebiet an. Immer mehr Frauen verlieren sich im Stress eines Pendelschlages in die (extreme) andere Richtung und holen all die Fehler nach, die im männlich geprägten Jagen nach Erfolg und Karriere gemacht wurden. Immer mehr Familien leiden unter der Überforderung von zu vielen konkurrierenden Zielen, die man heute alle erreichen muss oder will, um moderne Standards zu erfüllen. Lange hat sich die Gesellschaft und auch die Kirche verweigert, volle Gleichberechtigung zu leben. So lange, dass manch einer der oben beschriebenen unguten Pendelschläge Spuren hinterlassen hat und uns das gute heile Bild schöpfungsgemäßen Miteinanders aus dem Blick verlieren lässt. Eines Miteinanders, das Frauen, Männer, Kinder, Gemeind...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Stimmen zu diesem Buch
  3. Auf Augenhöhe
  4. Impressum
  5. Inhaltsverzeichnis
  6. Über die Autoren
  7. Ein Auftakt im Dialog: Weil wir gemeinsam besser sind!: Ulrich Eggers und Daniela Mailänder
  8. »Ganz schön gut – für ein Mädchen?!«: Katharina Haubold
  9. Unterwegs als Team – Wie wir Entscheidungen treffen und unsere Berufung leben: Christine und Steffen Kern
  10. Am Anfang schuf Gott das Team – Biblisch-theologische Impulse zum Geschlechterverhältnis: Corinna Schubert
  11. Räume schaffen für das wunderbare andere: Patrick Depuhl und Judy Bailey
  12. Was wir von den Schwalben für unser Miteinander lernen können: Sibylle Beck
  13. Und wer kümmert sich um die Kinder? – Familie und andere Berufungen: Agnes und Matthias Brender
  14. »Wir haben keine Frau gefunden« – Was sich ändern muss, damit Frauen ihren Platz einnehmen können: Johanna Weddigen
  15. Better together – Warum wir nicht mehr alleine leiten wollen: Julia Garschagen und Kai Günther
  16. Die anvertrauten Schätze gemeinsam heben – 10 Strategien: Evi Rodemann
  17. Auszug aus Happyland – Ein biblisch-theologisches Plädoyer für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern: Tobias Faix
  18. Wie ich gegen meinen Willen zur Feministin wurde: Doris Lindsay
  19. »Schatz, wir müssen reden!«: Mareike und Jörg Dechert
  20. Von Fremdheit, Machtkampf und Versöhnung: Astrid Eichler
  21. Gemeinsam leiten als Ehepaar – aber wie?: Regine und Michael Born
  22. Weiterlaufen, weglaufen, durchlaufen – Der Weg verantwortungsvoller und einflussreicher Frauen: Sarah Keshtkaran
  23. Die nächste Generation braucht Vorbilder: Melanie und Thees Carstens
  24. Dringend anzugehende Ewigkeitsaufgaben: Hansjörg Kopp
  25. Echte Augenhöhe braucht Partnerschaftlichkeit und Loslassen – von beiden: Dorothea Greiner
  26. Anmerkungen