Das außergewöhnliche Leben des Friedrich Joseph Haass
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Das außergewöhnliche Leben des Friedrich Joseph Haass

Biografie einer Legende

  1. 224 Seiten
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Das außergewöhnliche Leben des Friedrich Joseph Haass

Biografie einer Legende

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Über dieses Buch

Der deutsche Arzt Friedrich Joseph Haass wird im Volksmund bis heute der »heilige Doktor von Moskau« genannt. Als Modearzt der Moskauer Oberschicht nach Russland gegangen, nimmt er sich immer mehr der Ärmsten der Armen an, verbessert die Situation der nach Sibirien Verbannten, versorgt Obdachlose und Cholerakranke. Sein gesamtes Vermögen setzt er dafür ein und stirbt schließlich verarmt. Eine spannende und eindrucksvolle Biografie über einen in Deutschland wenig bekannten Mann, der bald selig gesprochen werden soll.

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Information

Jahr
2022
ISBN
9783451826030

Studium

In Köln war im französischen Ausbildungssystem kein universitäres Medizinstudium möglich. Wer ganz auf die Karte einer französischen Zukunft setzen wollte, ging am besten an eine der Medizin- oder Gesundheitsschulen (Écoles de médicine, Écoles de santé) in Paris, Montpellier oder Straßburg, die ab 1794 die universitäre Medizinerausbildung übernahmen. Doch anders als einige seiner Mitschüler entschied sich Haass dagegen und bezog die Universität Jena.
Das hatte aller Wahrscheinlichkeit nach sehr wenig mit Politik und sehr viel mit dem Studienfach zu tun.

Das Medizinstudium um 1800

Was studierte man eigentlich, wenn man zu Haass’ Zeit Medizin studierte? Zumindest institutionell war die Sache klar. Seit im 14. Jahrhundert die ersten Universitäten im deutschen Raum entstanden waren, gliederten sie sich in vier Fakultäten: die philosophische, die theologische, die juristische und die medizinische. Doch was unter diesen Bezeichnungen jeweils gelehrt wurde, war einem ständigen, zum Teil rasanten Wandel unterworfen.
Der Umstand, dass der Begriff »Medizin« nicht nur eine Wissenschaft, sondern als Fakultät einen eigenen Teil der Universität definiert, lässt sie groß und vor allem selbständig, autonom erscheinen. Doch beides täuscht. Bis in das 19. Jahrhundert hinein war die medizinische Fakultät im Schnitt die mit Abstand kleinste; die Zahl der hier Studierenden fiel kaum ins Gewicht.1
Auch um die Autonomie der Medizin, also ihre Unabhängigkeit, mit der sie Erkenntnisziele, Gegenstände und Methoden frei wählt, war es in der längsten Zeit ihrer Geschichte ganz anders bestellt. Mehr als 2000 Jahre nämlich erhoben andere Wissenschaften den Anspruch, allen anderen Fächern und Fakultäten gleichsam vorgesetzt zu sein, weil sie, die jeweilige Leitdisziplin, die fundamentalsten Fragen, den umfassendsten Gegenstand und die universellste Methode bearbeite beziehungsweise hervorbringe. Im Mittelalter des christlichen Kulturkreises beispielsweise erhob die Theologie ganz unbedingt den Anspruch einer Leitdisziplin, weil ihr Untersuchungsgegenstand, das Wesen Gottes, der mit Abstand höchste sei. Aus dem Wesen Gottes könne alles andere in seiner Schöpfung abgeleitet werden; nichts aber stehe logisch höher als der Schöpfer selbst. Und da der gesamten Schöpfung das Wesen ihres Schöpfers innewohne, könne man sich auch nicht mit Recht, Gesellschaft, Mensch oder Natur beschäftigen, ohne zunächst die Erkenntnisse der Theologie zu Rate zu ziehen. Die Königsdisziplin der Theologie sah in allen anderen Wissenschaften entsprechend ihre Diener, eine jede war ancilla theologiae, »Magd der Theologie«. Der Mensch war Geschöpf und Ebenbild Gottes, die Krankheit Teil seines verborgenen Plans. Durch Krankheit konnte Gott strafen, aber auch leiten und lenken, etwa in die Nachfolge Christi. Selbstverständlich gab es im Mittelalter viel medizinisches Erfahrungswissen, das nicht aus der Theologie stammte, und viel Überlieferungswissen, das aus der heidnischen Antike und dem islamisch-arabischen Raum vermittelt war. Doch interpretiert und neu formuliert wurde es im Lichte der hier nur angedeuteten theologischen Grundannahmen.
In der Antike war es die Philosophie, die »Liebe zur Weisheit«, die einen solchen Führungsanspruch für sich beanspruchte, weil allein sie, so ihr eigener Anspruch, zur Wahrheit führe. Wer so denkt, muss alle anderen nichtphilosophischen Denkweisen und Denkwege missachten und zurückweisen. Wer das Denken, die Logik, die von der Rhetorik gelehrte Argumentationskunst zu etwas anderem einsetzte als zur philosophischen Erkenntnis des Wahren, Guten und Schönen, der musste sich als »Sophist«, als Verdreher der Wahrheit, beschimpfen lassen. Wer gar als Dichter nicht erkennen, sondern erfinden wollte, wer nicht Wahrheit suchte, sondern Fiktion – für Platon gleichbedeutend mit Lüge – erstellte, der sollte aus Platons idealem Staat bekanntlich gar verstoßen werden. Eine Medizin ohne Anleitung durch die Philosophie war in der Antike ebenso wenig denkbar wie eine Medizin ohne Theologie im Mittelalter.
Im 18. Jahrhundert wurde die Autonomie der Medizin schließlich durch einen anderen Faktor gefährdet, nämlich durch den Staat. Schon im 17. Jahrhundert finden sich frühe Formen eines öffentlichen Gesundheitswesens, das vom Staat getragen wurde. Kriege verlangten nach Lazaretten, die sich als Krankenhäuser verstetigen konnten; zur Bekämpfung der Epidemien wurden zum Beispiel Pesthäuser eingerichtet. Im Rahmen des aufgeklärten Absolutismus in Deutschland, in dem sich der Fürst nicht dem egoistischen Eigennutz, sondern vernunftgeleitet dem allgemeinen Wohl verschrieb, entstand die Idee, dass die allgemeine Gesundheit der Untertanen Sache des Staates und seiner Fürsorge sei. Gesundheit sollte kein Standesprivileg mehr bleiben; der Zugang zu Ärzten, zu Therapie und Medizin sollte gerade auch der armen Bevölkerung in den großen Städten ermöglicht werden. So wurde 1727 in Berlin die Charité gegründet, zunächst nur als Pesthaus gedacht, bald aber als Staatskrankenhaus für die verarmte Bevölkerung betrieben. Dabei ging es nicht nur um Humanität und Nächstenliebe, wie der Name eindrucksvoll suggeriert, sondern ganz pragmatisch auch um die Erhaltung der Arbeitskraft und eine Erhöhung der Wehrkraft. Im Zuge dieser Entwicklung geriet die Medizin in Gefahr, in der »Rolle als Staatsdienerin«2 vereinnahmt zu werden. Das bedrohte die Autonomie der Medizin nicht von innen, sondern von außen.
So erstaunlich es zunächst auch anmuten mag: In den Jahren um 1800, in denen Friedrich Joseph Haass in Jena, Göttingen und Wien Medizin studierte, waren alle drei Faktoren noch präsent und für ihn persönlich wichtig – eine Art Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. Am einfachsten lässt sich die Verbindungslinie zum öffentlichen Gesundheitswesen herstellen, denn genau in diesem Bereich arbeitete Haass später in Moskau. Dass sich für ihn diese Arbeit mit einem dezidiert christlichen Welt- und Menschenbild verband, danken ihm die Russen bis heute mit Denkmälern, Gedenktafeln und einer wahren Flut von Publikationen über den »heiligen Doktor« von Moskau. Wie bedeutsam für ihn auch die aus der Antike stammende Symbiose von Philosophie und Medizin war, wie sehr gerade sie die Wahl seiner Studienorte mitbestimmt haben dürfte, wird erst klar, wenn wir den historischen Weg der Medizinphilosophie bis in Haass’ Zeit kurz skizzieren.

Medizinphilosophie oder empirisch-experimentelle Naturwissenschaft

Die Jahre um 1800 markieren nämlich einen der interessantesten Wendepunkte in der Geschichte der Medizin. Das Alte, die antike Verbindung von Medizin und Naturphilosophie, war noch da und erlebte sogar in der romantischen Medizin ihren letzten Höhepunkt, während das Neue, die empirisch-naturwissenschaftliche Medizin, ihren Siegeszug bereits angetreten hatte. Man lernt außerordentlich viel über Haass’ Studien, Interessen und Denkweisen, wenn man sich diese wissenschaftsgeschichtliche Konstellation genauer ansieht.
Auch die Medizin hatte es mit den letzten Fragen der Philosophie, mit fundamentalen Herausforderungen des Denkens zu tun. Sie musste beantworten, was »Krankheit« ist, konnte dies aber nur, wenn sie »Gesundheit« definierte, was wiederum voraussetzte, dass sie ein Konzept davon hatte, was »Leben« ist und wie dieses funktioniert. Letztlich standen Philosophie und Medizin beide vor der faustischen Frage, »was die Welt im Innersten zusammenhält«.
Beide suchten seit den Anfängen ihrer schriftlichen Überlieferung nach Urprinzipien oder Urstoffen, aus denen alles, was in der Welt vorhanden ist, gedeutet und erklärt werden konnte. Darin lag der Ansatz der altionischen Naturphilosophie der sogenannten Vorsokratiker, also derjenigen Philosophen, die vor Sokrates (469–399 v. Chr.) wirkten. Thales von Milet deutete die Welt aus dem Urstoff Wasser, Anaximandros aus dem Urelement der Luft. Daraus entwickelte sich bald die Vorstellung von den vier Urelementen Wasser, Erde, Feuer, Luft. Diesen Weltgrundstoffen wurden vier Qualitäten zugeordnet, die sich auch medizinisch für die Konzeptualisierung von Gesundheit und Krankheit nutzen ließen. Die vier Elementarqualitäten feucht (Wasser), kalt (Erde), warm (Feuer) und trocken (Luft) konnten nicht nur als Zustandsformen der Welt, sondern auch als solche des Körpers interpretiert werden. Ihr harmonisches Verhältnis wurde als Gesundheit, ihr disharmonisches als Krankheit definiert.
Abb. 10: Schema der antiken Humoralpathologie
Damit gab die Philosophie ein Deutungsschema der Welt vor, das die Medizin übernahm und auf ihre eigenen Gegenstände, den gesunden und den kranken Körper, anwandte. Sie tat dies, indem sie analog zu den vier Grundelementen und Grundqualitäten vier Körpersäfte identifizierte, woraus sich eine frühe Form der Physiologie (Lehre von den Wechselwirkungen im Körper) sowie der Pathologie (Lehre von den gestörten Verhältnissen im Körper) entwickelte. Diese Säfte waren Blut, gelbe und schwarze Galle sowie Schleim.
Die Harmonie beziehungsweise das Gleichgewicht der vier Säfte definierte die Gesundheit, eine schlechte, disharmonische Mischung die Krankheit; der Ausgleich der Säfte führte zur Heilung und war das Geschäft des Mediziners. Der naturtheoretische, philosophische Überbau der Vier-Säfte-Lehre oder Humoralpathologie hielt sich über Jahrhunderte selbst bis in die Haass-Zeit hinein, während sich die Möglichkeiten der Diagnostik und vor allem die Vielfalt der therapeutischen Ansätze ständig weiterentwickelten.
Das Verhältnis von medizinischer Lehre und philosophischer Weltdeutung begründete eine feste Arbeitsteilung, die bis in die frühe Neuzeit Bestand hatte. Die Philosophie war für das »Ganze« zuständig, die Medizin für einen Teil dieses Ganzen. Anders ausgedrückt: Die Erkenntnisse der Philosophie über den Makrokosmos blieben in analoger Anwendung gültig für den Mikrokosmos des Menschen. Das heißt im Umkehrschluss: Für sich allein und ohne den Deutungsrahmen der Philosophie wäre der Mensch als Objekt der Medizin überhaupt ...

Inhaltsverzeichnis

  1. [Cover]
  2. [Portrait]
  3. [Titel]
  4. [Dank]
  5. [Impressum]
  6. [Inhalt]
  7. Einleitung: Warum Haass?
  8. Der Freiheitsbaum in Münstereifel
  9. Studium
  10. Der russische Arbeitsmarkt
  11. Nach Moskau! In Moskau
  12. Gefängniskomitee
  13. Verbannung und Strafe
  14. Cholera
  15. Antriebskräfte
  16. Literaturverzeichnis
  17. Bildnachweis
  18. Über den Autor