Glaube, logisch. Ein Ansatz, mit grundsätzlichen Fragen an das Christentum umzugehen, die sich jedem Glaubenden stellen (sollten).
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Glaube, logisch. Ein Ansatz, mit grundsätzlichen Fragen an das Christentum umzugehen, die sich jedem Glaubenden stellen (sollten).

Eine persönliche Apologetik

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Glaube, logisch. Ein Ansatz, mit grundsätzlichen Fragen an das Christentum umzugehen, die sich jedem Glaubenden stellen (sollten).

Eine persönliche Apologetik

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Über dieses Buch

Was ist am christlichen Glauben folgerichtig und logisch? Es gibt Fragen, die mancher für sich klären möchte, wenn er sich zu glauben entscheidet. Wie kann das überhaupt gehen: eine verbindliche Wahrheit für alle, verkündet durch unvollkommene Menschen? Wenn man Gott sucht, wird die Frage, worauf man sich da eigentlich einlässt, sehr relevant. Doch oft geht die Verkündigung davon aus, dass Menschen über das Gehörte nicht nachdenken, dass es genügt, ihnen zu sagen, wovon sie überzeugt sein sollen. Viele der üblichen Antworten ergeben nur Sinn, wenn man sich bereits in der Denkwelt des Glaubens befindet: allzu oft bekommt man Theologisches, wenn man Logisches sucht. Selbstverständlich ist Theologie nötig, doch auch das Richtige kann falsch sein, wenn die Antwort nicht zur Frage passt: Wer Durst hat, braucht kein Brot. Der Glaube hinterlässt so den Eindruck, als könne er nur sich selbst beschreiben, nicht aber die Fragen beantworten, die von außen an ihn gestellt werden.Hier setzt das Buch an: Themen wie Glaube, verbindliche Wahrheit, Erbsünde und Katechismus werden stets auf einer Grundlage behandelt, die selbst keinen Glauben erfordert. Auch kritische Anfragen und Zweifel werden ausgesprochen und weiter gedacht. Anhand von Bildern, Situationen aus dem täglichen Leben und Zitaten aus der Heiligen Schrift wird aufgezeigt, wie sich Gott gerade dort finden lässt, wo es im ersten Moment gedanklich schwierig wird. Erst im Erkennen der eigenen Grenzen lässt sich ahnen, was dahinter liegt: Gott ist nah, seine Botschaft ist eng mit dem Leben verflochten und vor allem: Er ist zutiefst vertrauenswürdig.Ob Leser und Leserin wie der Autor am Ende dieser Gedanken auf Gott und seine Kirche stoßen, bleibt ihnen selbst überlassen. Doch auf jeden Fall wird klar: Das Christentum kann sehr reflektiert sein.

Häufig gestellte Fragen

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Ja, du hast Zugang zu Glaube, logisch. Ein Ansatz, mit grundsätzlichen Fragen an das Christentum umzugehen, die sich jedem Glaubenden stellen (sollten). von Sebastian Volkamer-Scheidler, Heike Sander, Claudia Sperlich, Alipius Müller im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Theologie & Religion & Christlicher Dienst. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Verlag
tredition
Jahr
2022
ISBN
9783347601345
Freiheit
Brecht den Damm! Befreit den Fluss!
(Baumbart, in der Verfilmung des Herrn der Ringe)
Die Verfilmung von Tolkiens Epos „Der Herr der Ringe“ gibt eine interessante Definition von Freiheit. Der Zauberer Saruman hat den Fluss mit einem Damm gestaut, um zu verhindern, dass das Wasser seine Rodungsarbeiten stört, und er vernichtet den Wald. Als die Hüter des Waldes, die Ents, kommen und seinen Turm angreifen, ertönt der Ruf: „Brecht den Damm – befreit den Fluss!“ Ein kraftvoller Ruf, den jeder sofort versteht. Die Ents packen zu, der Damm bricht; mit aufgestauter Energie holt sich der Fluss alles zurück, was ihm genommen wurde und schwemmt fort, was ihm dabei noch im Wege steht. Er ist wieder frei.
Erleichterung und Zustimmung spürt man im Kinosaal. Schnell geht die Handlung weiter, nimmt den Zuschauer mit und lässt ihm keine Zeit, über die erste Reaktion hinaus zu denken. Und so gilt seine Zustimmung einer Definition von Freiheit, die er reflektiert womöglich gar nicht gutgeheißen hätte. Denn jeder begreift sofort, wovon der Fluss befreit wird: vom Damm, der ihn staut und am Fließen hindert. Was dabei in der Schnelle übersehen wird: Von Anderem nicht – im Gegenteil! So wird er nicht aus seinem Bett befreit, sondern in sein Bett. Denn wie immer ein Fluss sich windet – ein Bett wird er haben. Er wird dazu befähigt, zu sein, was er ist, und nichts anderes. Die Fakten legen es fest: Nur wenn er ein wahrer Fluss ist, ist er wirklich frei. Vorgegebene Tatsachen bestimmen, was frei ist? Das stößt auf Widerspruch.
Es ist nicht leicht, sich dem Thema Freiheit im Gespräch zu nähern, denn schnell stößt man auf ein merkwürdiges Phänomen: Anstatt einer Definition oder Erklärung bekommt man ihre Schranken präsentiert; nicht was sie ist, erfährt man, sondern was sie nicht sein darf. Sie gehe natürlich nur so weit, wie sie Andere nicht beschneide; selbstverständlich gebe es moralische Grenzen und auch politisch sei sie nur mit Einschränkungen durchsetzbar. Pure Freiheit könne es nicht geben. Es klingt fast, als sei sie etwas Bedrohliches, Beängstigendes, das nur mit Auflagen vertretbar ist, wie ein gefährlicher Tiger, der die Gegend unsicher macht und von dem man nur unter Hinweis auf den hohen Gartenzaun überhaupt spricht.
Dieser Zaun gegen die umherstreunende Freiheit, den jeder zu ziehen scheint, gründet meist auf einer Ideologie, einem Glauben oder einfach auf dem eigenen Horizont, bisweilen auch auf Willkür. Da Gespräche über die Freiheit meist Gespräche über diese Zäune sind, ist für reichlich Diskussionsstoff gesorgt. Viele Beispiele werden aufgeführt, die zeigen, wie Schlimmes passierte, weil jemand sich zu viel oder zu wenig davon nahm. Dass dieser Jemand meist jemand anderes ist, dessen Verhalten am eigenen Zaun gemessen wird, fällt dabei kaum einmal auf: Es wird heiß diskutiert, ob und wo da ein Zaun hingehört. Und so findet man viele Menschen, die Probleme mit der Freiheit haben, und viele, die Probleme mit jeder Form von Moral haben. Die einen sehen in zu viel Freiheit Unmoral, die anderen in zu viel Moral Unfreiheit.
All das erfährt man, doch steht die Frage noch im Raum. Man muss geradezu nachbohren und darauf bestehen, was diese Freiheit denn nun sei; dabei sollte man die Hinweise, was sie nicht ist, beiseitelassen – Äpfel sind nicht dadurch erklärt, dass man Kokosnüsse ausschließt. Letztendlich gelangt man zu ungefähr folgender Erklärung: Frei bin ich, wenn ich tun und lassen kann, was ich will. Bei dieser Definition aber bekommt jeder gesunde Mensch erst einmal Angst vor sich selbst und seinen Wünschen. Freiheit, so gesehen, schreit geradezu nach Grenzen.
Mancher wird sagen, das sei eine sehr primitive Definition; es gebe bessere. Das mag sein, doch bevor ich mich im endlos großen Angebot unterschiedlicher Antworten und Lehrmeinungen verliere, werde ich von dieser Definition ausgehen, gerade weil sie einfach ist, wie ja auch bei der Suche nach Wahrheit allein die Aussage, sie müsse stimmen, durchaus weitergeführt hat. Denn so simplifizierend sie spontan erscheinen mag – diese Definition ist tief verankert. Ihr zu widersprechen würde besagen, Freiheit könne bedeuten, dass ich lassen muss, was ich tun will, oder tun, was ich lassen will, sie könne bisweilen also mit Zwang identisch sein, was nur mit erheblichen geistigen Verrenkungen möglich erscheint und zu gelinde gesagt merkwürdigen Ergebnissen führt. Am signifikantesten scheint mir jedoch, dass jedes Kind, dem noch niemand den Kopf mit Theorien gefüllt hat, ihr zustimmen würde. Ich will schauen, ob sie trägt. Freiheit sei erst einmal: Ich kann tun und lassen, was ich will.
Freiheit des Handelns, tun und lassen können, was ich will – das erklärt sich von selbst. Ich will sitzen, also sitze ich. Ich will aufstehen, also mache ich es. Oder genauer: Ich muss gar nicht aufstehen – ich muss nur wissen, dass ich es jederzeit kann. Dass Tun und das Lassen sind dabei im Grunde identisch; liegen zu bleiben ist das Tun anstelle des Aufstehens. Auch die zeitliche Freiheit ist darin enthalten. Wenn ich gehe, weil ich es will, gehe ich natürlich dann, wann ich es will, denn zu einem anderen Zeitpunkt will ich es ja nicht. Wenn ich daher sage, ich kann tun und lassen, was ich will, meine ich: Tun oder nicht tun, was immer ich will, wann immer ich es will.
Und schon tauchen die Grenzen auf: Praktisch umsetzbar ist das nicht. Zur Schule gehen oder arbeiten muss ich. Tue ich es nicht, werde ich gezwungen oder unangenehm sanktioniert. Die Berufswahl mag frei gewesen sein, die Arbeitszeiten sind es nicht. Ich kann mich damit arrangieren, die Notwendigkeit einsehen und gut leben, doch gefragt, ob ich in meiner Arbeitszeit frei bin, kann ich nur sagen: nein. Was sinnvoll ist, denn ohne feste Absprachen ist keine Gemeinsamkeit möglich. Wenn ich etwas zu besprechen habe, muss ich mich darauf verlassen, dass der andere ebenfalls zum Treffen kommt; der Termin verpflichtet uns beide. Zuverlässigkeit und Sicherheit im Leben bezahlt man mit Freiheit.
Sogar die Freiheit selbst will bezahlt sein: Jede Wahl ist in dem Moment, in dem wir sie treffen, zugleich Verlust an Möglichkeiten. Sie ist das erklärte Aufgeben mindestens einer Option. Die Wahl habe ich vor einer Entscheidung, danach bin ich gebunden. Freiheit, so scheint es, verbraucht sich, indem man sie nutzt. Will ich diesen Verbrauch verhindern und mir meine Möglichkeiten bewahren, darf ich mich nicht entscheiden. Ein offensichtlicher Trugschluss, denn: Auch das ist eine Entscheidung, bei der ich allerdings paradoxerweise im Namen der Freiheit auf jeden Einfluss verzichte. Um zu verhindern, dass alles im Stillstand endet, müsste ich unverbindliche Entscheidungen treffen und von vorneherein einplanen, sie bei Bedarf zu revidieren, muss ja und nein durch vorläufig und vielleicht ersetzen. Doch Zögern kann Optionen nicht nur erhalten, sondern auch zunichtemachen: Die Angst, die Freiheit zu verlieren, hat schon viele Beziehungen beendet, denen später massiv nachgetrauert wurde: „Hätte ich mich bloß entschieden!“ Was manchen Menschen in ihrer Furcht vor Unfreiheit als der einzig gangbare Weg erscheint, wird dem Leben nicht gerecht; es ist ein Irrweg.
Die Wirklichkeit verlangt Entscheidungen von mir, doch machen die nicht unfrei. Beispiel sei ein wachsender Baum. Jede Knospe muss aufspringen und erst ein neues Blatt hervorbringen, dann einen neuen Zweig. Der braucht eine Richtung. Bei jeder weiteren Verzweigung stehen neue Entscheidungen an. Am Ende trägt er als neuer Ast viele Blätter, jedes hat einen Platz an der Sonne. Wer ist nun frei? Die Knospe, die sich entschieden und entwickelt hat, oder die, die längst im Dunkel des Bauminneren verkümmert, weil ihr unentschiedener, dürrer Zweig nicht in der Lage war, eine Richtung einzuhalten? Die entschiedene ehemalige Knospe kann wachsen und hat viele weitere Verzweigungen, viele Optionen vor sich, wird eines Tages vielleicht gar zum Baumstamm. Die unschlüssige jedoch hat ihre Freiheit verloren, als sie versuchte, sie zu behalten. Sie kann nichts mehr wählen, denn sie kann nicht mehr wachsen. Ungenutzte Freiheit vergeht, so scheint es, und Entscheidungen machen frei. Der pure Erhalt von Optionen ist selbst keine Option, Freiheit verwirklicht sich nicht statisch, sondern im Prozess. Suche ich die Wahlfreiheit durch Vorläufigkeit zu wahren, ende ich in der Enge.
An dieser Stelle ist man versucht festzuhalten: Jederzeit zu tun und zu lassen, was ich will, funktioniert nicht; Freiheit existiert offenbar nur, solange man ein paar grundsätzliche Regeln einhält. Die findet man zuhauf: Das Angebot an Lehrwerken, die alle eine größtmögliche Freiheit garantieren wollen, ist riesig. Doch so plausibel viele davon erscheinen mögen – ich schließe mich nicht dem Lager derer an, die mir ihre persönlichen Grenzen eloquent für Freiheit verkaufen. Ich entscheide mich, an der ersten Definition festzuhalten, denn Regeln und Freiheit passen nicht recht zueinander – hier kommt ein weiterer Aspekt ins Spiel: der unabhängige Wille.
Ich handele, weil ich es so will. Gegen Vorschriften, die uns genau das sagen, was wir ohnehin wollten, opponieren wir instinktiv, wird doch mein „…was ich will“ durch den Willen eines anderen ersetzt. Kluge Eltern wissen das: Zeigt ihr Kind endlich Interesse an Büchern, lassen sie es in Ruhe. Sollten sie ihm auferlegen, es habe ab jetzt täglich mindestens eine Stunde zu lesen, ist die Freude dahin. Die Stunde wird zur Quälerei, auch wenn das Kind ohne Regel eher zwei statt einer gelesen hätte. Die Vorschrift ist es, die das Gefühl von Unfreiheit schafft, obwohl die Eltern das Kind rein sachlich betrachtet sogar unterstützen.
Ist die Reaktion des Kindes also ein Zeichen von Unreife? Das Lesen war sein Ziel. Ist es wirklich die Regelung, die unangemessen ist, und nicht die Emotion, die sie hervorruft? Das Ergebnis sieht erst einmal richtig aus, ja, doch der Weg dorthin ist falsch und hat tatsächlich nur zu einem ähnlichen, aber schlechteren Ziel geführt. Das Kind wollte nicht nur lesen – es wollte es freiwillig tun, nicht nur aus einem einmaligen, Entschluss heraus, der dann von den Eltern gekapert wird, sondern grundsätzlich aus eigener Wahl. Die Regel ersetzt diese Wahl, sie entzieht Kompetenz, hier in der Frage, ob die Freude am Buch tragfähig ist oder nicht. Diese Kompetenz aber war die Grundlage für die Entscheidung zu lesen. Dem freien Entschluss wurde die Basis geraubt und das Kind wehrt sich, wenn es die Kraft hat. Zu Recht.
Leider gibt es diese Familien, in denen die Eltern den Mund nicht halten können. Sie müssen den Erfolg für sich reklamieren, zerstören ihn so und erklären danach ihren Sprösslingen in endlosen Diskussionen, es sei nicht angebracht, hier Unfreiheit zu empfinden: Sieh nur hin, Kind, es ist doch genau, was du willst; unser Befehl ist gut, dein Widerstand ist falsch. Was sie nicht sehen, ist, dass sie auf einen fahrenden Zug aufgesprungen sind und sich benehmen, als seien sie ab sofort nicht Passagier, sondern Lokführer und Weichensteller in einem.
Gerade unter manchen Christen ist die Freude an derlei Vorschriften groß. Der Verstand gibt die Richtung vor, Empfindungen hingegen haben nur eine Daseinsberechtigung, solange sie der rechten Lehre entsprechen. Anderenfalls werden sie abgelehnt, oft gar als sündig gebrandmarkt. Diese Menschen freilich, die jederzeit bereit sind, anderen die Gefühle vorzuschreiben, reagieren ihrerseits selbst durchaus emotional, wenn man ihnen zu erklären versucht, dass man Gefühle nicht vorschreiben kann. Häufig hört man am Ende ein brummendes „Dann mach doch, was du willst!“ – als sei es eine Strafe, seine Freiheit zu bekommen.
Also: gegen Regeln, und seien sie noch so sinnvoll, rebelliert der Freiheitsdrang, allein schon, weil es Regeln sind. Die ungeregelte Freiheit scheitert, doch ebenso Vorschriften als Gegenmaßnahme. Auch wenn der Kopf den Zäunen zustimmt, sträubt sich das Gefühl, denn Freiheit will empfunden sein. Erlebter Zwang, auch wenn er kunstvoll und eloquent schöngeredet wird, ist keine Alternative. Freiheit gehört zur Persönlichkeit und lässt sich nicht erschöpfend intellektuell-sachlich analysieren und kanalisieren und in Zäune und Leitplanken für’s Leben verarbeiten. Mit Regeln tut sich die Freiheit schwer.
Unsere Gedanken führen uns bisher nur wieder an die eingangs beschriebene Situation: Wir wissen, was nicht geht, nicht aber, was geht. Sie zeigen, dass Verstrickungen möglich sind, wenn man seine Freiheit sucht, doch sie erklären wenig. Dass diese Freiheit gut und wichtig ist, unterschreibt fast jeder, doch sie lässt sich nicht beschreiben, geschweige denn positiv darstellen, indem man ausschließlich die Widrigkeiten betrachtet, die sie hervorrufen kann. Das ist, als wolle man Autos verkaufen, indem man Bilder von Unfallwagen auf Hochglanz druckt. Das Kind, das seine Freiheit suchte und stattdessen eine Moral erhält, ist wie ein Kunde, der ein schnelles Auto bestellt und Leitplanken geliefert bekommt. Er ist genauso langsam unterwegs wie zuvor, doch jetzt auf vorgeschriebenen Bahnen.
Es ist offensichtlich: Wollen, Tun und Lassen haben das Ziel nicht erreicht. Wird es Zeit für eine Lehre, die es erklärt? Nein, sagen viele Menschen – das alles ist noch gar keine wahre Selbstbestimmung; zur Freiheit des Handelns und des Wollens müsse die Freiheit des Seins kommen. Große Strömungen in der Gesellschaft glauben, in diesem Ansatz eine Lösung gefunden zu haben. Sie haben den Freiheitsbegriff erweitert: Nicht nur mein Handeln solle grundsätzlich uneingeschränkt sein, sondern auch meine Identität stehe jederzeit in meiner uneingeschränkten Wahl. Ich solle sein können, was immer ich will, alles andere sei diskriminierend, abwertend, die Freiheit raubend. Viele Probleme scheinen sich so aufzulösen, denn darf ich sein, was ich will, ist mir jeder Irrtum erlaubt, solange ich überzeugt bin, dass er mir entspricht, denn dann ist es gar kein Irrtum. Das wird umgesetzt. Die freie Entscheidung für ein Geschlecht ist inzwischen verbrieft, Menschen, die zusammen keine Kinder bekommen können, haben das Recht auf Familie. Es gab sogar eine Klage auf ein anderes Alter, weil der Kläger sich jünger fühlt. Freiheit steht höher als Fakten, doch die Fakten zu leugnen, ist gefährlich: Der Zweig, der es tat, verkümmerte im Dunkel der Unfreiheit.
Das ist Zündstoff! Die Diskussionen zum Thema freie Identitätswahl werden hochemotional geführt und sind für alle Betroffenen zutiefst existentiell. Sie müssen es sein, denn wenn ich Freiheit so definiere, ist jede Einschränkung dramatisch: Schon mir mein Handeln vorzuschreiben, beschneidet mich und ist schwer zu ertragen, doch mich zu zwingen, etwas anderes zu sein, als ich es bin oder sein will, ist an Widerwärtigkeit nicht zu überbieten. Dieser Zwang trifft mich in meiner schieren Existenz! Die Freiheit, zu sein, was ich will, darf mir nicht genommen oder mit Nachteilen sanktioniert werden.
Es ist in dieser Logik die Pflicht der Gesellschaft, dafür zu sorgen, dass jeder frei gewählte Weg gangbar ist. Das hat bizarre soziale Folgen. Der verkümmerte Zweig hat nun ein Recht auf Licht, denn er wollte sein, was er ist. Die grünen Blätter außen, die sich entschieden hatten, nehmen es ihm weg. Doch das ist Diskriminierung: jemanden für das selbstgewählte Sein zu sanktionieren. Das Sein geht tiefer als das Tun und hat den Vorrang; das leuchtet ein. Und plötzlich stehen die grünen Blätter nicht mehr auf Seiten der erfolgreich gelebten Freiheit, sondern auf Seiten der Freiheitsberaubung. Der verkümmerte Zweig gibt jetzt die Moral vor, denn er leidet unter Lichtmangel, behindert selbst aber niemanden. Er steht benachteiligt, selbst aber unschuldig, moralisch höher. Seine Freiheit darf mir Regeln vorsetzen, ich aber darf ihm nicht das Recht absprechen, zu sein, was er will.
Man mag diesem Freiheitsverständnis, das überraschend tragfähig ist, ablehnend gegenüberstehen, doch selbst wenn man die Gedanken nicht teilt, ist es durchdacht und als Grundlage anzuerkennen, will man im Gespräch etwas bewegen. Die Gesellschaft schlägt sich dabei zurzeit mehr und mehr auf die Seite des verkümmerten Zweigs und sieht in der Tatsache, dass er das Licht nicht erreichte, keinen Fehler der Knospe, sondern ein Unrecht ihrer Umgebung.
Bis zum Kampf gegen die Fakten sind wir vorgedrungen; eine Haltung der Rebellion dagegen erscheint in den Augen vieler als die einzige Möglichkeit zur Freiheit überhaupt. Sie verwirklicht sich im Kampf gegen die herrschenden Zustände und Vorschriften – eine Haltung, die man überall im Politischen findet.
Freiheit, so scheint es, misst sich daran, jeden Weg jederzeit ohne Behinderung oder Benachteiligung durch andere verlassen zu können und zu dürfen. Ausgetretene Pfade der Gesellschaft sind vor der Freiheit kein Argument. Man kann sie gehen oder nicht. Es mag gute Gründe für solche Pfade geben, doch folgt man ihnen freiwillig, oder man lässt es. Traditionen mögen sinnvoll sein – der Freiheit bekommen sie nicht, wenn sie sich zum Gesetz oder gar zum Zwang wandeln.
Interessanterweise gibt es einen Bereich, in dem alles plötzlich ganz anders gesehen wird: die Natur. Dort wird Freiheit nicht als Gelegenheit verstanden, ausgetretene Pfade zu verlassen, sondern im Gegenteil sie zu gehen. Doch was wie ein absurd konservatives Freiheitsbild erscheint, wird auch (und besonders!) von Menschen vertreten, die selbst so gar nichts Konservatives an sich haben – sie sagen (es klingt fast nach Orwell): Ausbruch aus den Vorgaben ist ein Zeichen von Unfreiheit. Wie das?
Man sieht es beispielsweise beim Naturschutz. Werden an einem Fluss wieder Biber angesiedelt, kommen sie in ihren Transportkisten ans Ufer. Von dem Moment an, in dem die Kisten offen sind, gibt es keine Kontrolle mehr, keine Regel und keinen Zwang; die Tiere sind frei, dürfen tun und lassen, was sie wollen, ja zu etwas anderem sind sie gar nicht mehr in der Lage.
Ein Urteil über ihr Verhalten ist jetzt eigentlich nicht mehr möglich; es wäre nach den bisher diskutierten Maßstäben geradezu diskriminierend, freien Bibern etwas vorzuschreiben. Doch erfolgreich ist die Maßnahme nur, wenn sie ab sofort genau so leben, wie man das von Bibern erwartet: Bäume fällen, Dämme bauen, eine Schlafburg errichten und dort im Winter von ihren Vorräten an Rinde zu zehren. Wenn die Tiere, die vielleicht in Gefangenschaft aufgezogen wurden, im Frühjahr anstatt weiche Zweige zu knabbern ihren Futternapf suchen, kommt man zu dem Schluss, dass sie nicht reif für die Freiheit waren. Vor dem nächsten Projekt wird besser ausgewildert, wobei wild bedeutet, dass sie genau das tun, was ihnen entspricht.
Angesiedelte Biber sollen Burgen und Dämme bauen, Uhus Mäuse jagen, Büffel sollen über die Prärie ziehen, Wölfe und Luchse scheu und schwer zu finden sein. Da die Tiere aber, einmal freigelassen, nicht mehr direkt beeinflussbar sind – sonst wäre es ein Zoo – müssen sie sich aus eigenem Antrieb entsprechend ihrer Art verhalten. Wenn ein Tier nicht das richtige will, ist es zur Freiheit unfähig, mehr noch, es wird als verhaltensgestört betrachtet; selbstgewählte Sackgassen sind bei Tieren keine freie Option. Nicht Vorschriften sind das Ziel – die kann ein Tier nicht einhalten; auf den natürlichen Willen kommt es an, denn dem wird es folgen. Die Kunst besteht nicht darin, dem Tier Regeln mitzugeben – dann wäre es dressiert. Das Tier muss das Richtige aus sich heraus wollen, dann ist es freiheitsfähig. Was aber das Richtige ist, bestimmt seine Art. Das Tier soll sein, was es ist, wie es ist. Der Fluss wird in sein Bett befreit, der Biber zu seinem Damm.
Die Freiheit zu sein, was man ist, wird in der Natur zur Grundlage...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelblatt
  3. Urheberrechte
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort
  6. Grundlage: Warum diese Texte existieren.
  7. Persönlicher Anfang: Bitte um Erlaubnis
  8. Warum nicht einfach nicht glauben?
  9. Warum nicht einfach glauben?
  10. Persönliche Basis einer Glaubenslogik.
  11. Glaube
  12. Existenziell
  13. Eintauchen
  14. Wahrheit
  15. Freiheit
  16. Gebote
  17. Katechismus
  18. Etwas ist schief gelaufen.
  19. Dualität
  20. Erbsünde
  21. Umpolung
  22. Versuch eines Blicks auf die Grundlagen
  23. Genesis
  24. Sündenfall
  25. Zeit
  26. Trennung
  27. Verbannung
  28. Lohn
  29. Hindernisse: die Folgen des Ja zum Nein.
  30. Glaubenskraft
  31. Festhalten
  32. Werte
  33. Niederschwelligkeit
  34. Rückkehr zur Klarheit
  35. Erkenntnis, Nacktheit, Scham, Outing, Beichte
  36. Das zweifache Nein
  37. Blickrichtung
  38. Autorität
  39. Überwindung des Sündenfalls
  40. Begegnung
  41. Fazit
  42. Sicherheit bei Gott
  43. Schlussgebet