In der germanistischen Fachsprachenforschung ist die Fachsprache der Theologie(n) bislang wenig erforscht worden. Allgemeine Einführungen in die Fachsprachenforschung wie die von Fluck (1996) oder Roelcke (1999) widmen sich ihr kaum. Einige Gemeinsamkeiten mit der theologischen Fachsprache lassen sich in einzelnen Aspekten der Ausführungen Hans-Rüdiger Flucks zur politischen Fachsprache erkennen:
[...] ein Redner [...] muß versuchen, seine Vorstellungen und Meinungen als die richtigen, einzig gültigen darzulegen. Dazu bedient er sich der Mittel der Rhetorik: er spielt mit verschiedenen Bedeutungen [...], benutzt Wörter, deren Bedeutung inhaltlich unbestimmt oder vage ist [...], gebraucht appellative Wendungen [...]. Die Information der einen Seite wird der anderen zur Propaganda [...]. In jedem Fall aber ist diese politische Sprache auf die Zustimmung der öffentlichen Meinung gerichtet; sie soll beeinflußt, soll für die eigenen Ansichten und Ziele erhalten oder neu gewonnen werden.
(Fluck 1996: 79)
Flucks Beschreibung trifft in Teilen auch auf den auf Persuasion abzielenden Charakter der theologischen Praxissprache zu, insbesondere auf den der Sprache der Predigt und Verkündigung. Gemeinsamkeiten mit der bei Fluck umrissenen Charakteristik der politischen (Fach)sprache beruhen in erster Linie auf der hervorgehobenen Rolle der Rhetorik, auf der appellativen und persuasiven Kommunikationsfunktion und schließlich auf der manipulativen Tendenz der Sprachverwendung. Dabei ist auch hier wie bei anderen Fachsprachen eine vertikale Schichtung vorauszusetzen, in der die Sprache der wissenschaftlichen Theologie auf der obersten Ebene angesiedelt ist, auf der mittleren, berufssprachlichen Ebene die Sprache der praktischen Berufsausübung, wie sie etwa in Predigerseminaren, Synoden, kirchenamtlichen Kontexten und insgesamt im Bereich der praktischen Theologie verwendet wird; auf der untersten Ebene, die etwa dem Arzt-Patienten-Diskurs in der medizinischen Fachsprache entspricht, ist schließlich der Bereich der Homiletik und Predigt, der individuellen Seelsorge, des Religionsunterrichts und der Mission zu verorten. Die wissenschaftliche Sprachebene ist Prinzipien wie Objektivität, Überprüfbarkeit, logischer Argumentation verpflichtet; die homiletische Fachsprachenebene dient in viel stärkerem Maße der auch mit rhetorischen Mitteln erzielten Beeinflussung, der Überzeugung, ‚Erhaltung‘ (Bestätigung der Glaubensgewissheit) und im günstigen Fall der ‚Gewinnung‘ (Bekehrung). Die theologische Predigtsprache unterscheidet sich aber insofern sehr deutlich von der politischen Rhetorik, als sie auf einer konstanten Bezugnahme einerseits auf religiöse Texte (Bibel, Kirchenväter, Katechismus u. a.), andererseits auf Erkenntnisse der wissenschaftlichen, universitären und institutionalisierten Theologie beruht, während die politisch-rhetorische Sprache sich vorwiegend von Wahlkampfdynamiken, parteipolitischen Taktiken und im besten Falle Parteiprogrammen leiten lassen muss. Die theologische Wissenschaftssprache steht allerdings ihrerseits in einem entscheidenden Aspekt zu anderen wissenschaftlichen Fachsprachen im Kontrast, insofern sie nicht hinter die Prämisse der christlichen Glaubenswahrheiten zurückgehen kann. Somit enthält sie, je nach theologischer Subdisziplin in unterschiedlichem Maße, jeweils einen spekulativen, nicht objektivierbaren Anteil.
In Stolzes Unterteilung der Fachwissenschaften in nomothetische Natur- und Technikwissenschaften und hermeneutische Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften wird die theologische Wissenschaft nicht erwähnt, müsste aber eine Grenzstellung zwischen Sozial- und Geisteswissenschaften einnehmen, zumal sie religionswissenschaftliche, historische, sprachwissenschaftliche, philosophische, sozialwissenschaftliche, sozialtherapeutische und andere Bereiche umfasst (vgl. Stolze 2009). Die Hybridstellung der theologischen Wissenschaft ist insofern für die vorliegende Untersuchung bedeutsam, als sie sich in ihrer Fachsprache widerspiegelt. Roelcke geht in seinem Standardwerk zu Fachsprachen explizit auf die theologische Fachsprache ein und verweist in diesem Zusammenhang auf die immense Bedeutung Martin Luthers:
Im Bereich von Sprache in Religion und Theologie ist hier vor allem Martin Luther [...] zu nennen, dessen Bibelübersetzung die deutsche Kulturgeschichte bis in die Gegenwart hinein prägt und neben anderem als Grundlage der deutschen Literatursprache angesehen werden kann.
(Roelcke 1999: 174)
Hinsichtlich der heutigen theologischen Wissenschaft und Berufspraxis belässt Roelcke es beim Hinweis auf die kulturgeschichtliche Relevanz der Lutherschen Bibelübersetzung. Zweifelsohne ist die sprachschöpferische Wucht der Lutherbibel insbesondere für die protestantische theologische Fachsprache nicht ohne Bedeutung, da der Wortlaut der Lutherbibel als Primärquelle in Forschung und Predigt traditionell eine hervorgehobene Rolle spielt. Heute wird diese jedoch von Neubearbeitungen und moderneren Bibelübersetzungen zunehmend überlagert und abgelöst. Roelcke konstatiert in seinem historischen Überblick über die deutschen Fachsprachen zudem, dass sich die Säkularisierung der Wissenschaften bis ins 18. Jahrhundert „in der zunehmenden Unabhängigkeit akademischer Lehrbereiche von Theologie und Kirche“ gezeigt habe. Die Philosophie habe sich im 18. Jahrhundert durch Gründung eigener Fakultäten gegenüber der Theologie emanzipiert, und die naturkundlichen Fächer hätten „die Aufgabe einer allgemeinen Welterklärung“ übernommen (Roelcke 1999: 180). Die exakten Naturwissenschaften und die Philosophie trennen sich in der Epoche der Aufklärung von der Theologie und bilden Fachsprachen mit exakten Terminologien aus. Sobald die Naturwissenschaften den Part der empirischen Weltbeschreibung und kausal-deduktiven Welterklärung übernehmen, verliert die Theologie in ihrem Selbstverständnis jedoch sicher nicht ihren ‚Welterklärungsanspruch‘; sie schränkt lediglich ihren Kompetenzbereich auf die schriftliche religiöse Überlieferung ein, ohne die Welt der sinnlichen Wahrnehmung unmittelbar als theologische Kategorie heranzuziehen, wie es bis ins 18. Jahrhundert bis hin zu Gottesbeweisen noch durchaus üblich war.
Lediglich im Fachsprachenhandbuch von Hoffmann, Kalverkämper und Wiegand (1999) findet sich ein kurzes eigenständiges Kapitel von Norbert Müller zur Spezifik der theologischen Fachsprache, in dem er einige essenzielle Merkmale nennt, die den besonderen Charakter der theologischen Wissenschaftsfachsprache ausmachen. Zunächst weist Müller darauf hin, dass die Bezeichnung „Theologie“ im Grunde nicht mehr dem Selbstverständnis der modernen theologischen Wissenschaft entspreche, da diese sich nicht (mehr) als ‚Wissenschaft von Gott‘, sondern vielmehr als Glaubenswissenschaft definiere (Müller 1997: 1304‒1313).
In der vorliegenden Untersuchung liegt das Hauptaugenmerk auf der Fachsprache der systematischen Theologie, da diese als Kernbereich der theologischen Selbstverortung, auch in Auseinandersetzung mit der Philosophie, eine zentrale Rolle für die fachsprachliche Begrifflichkeit und Terminologie spielt. Dabei wird ebenfalls die exegetische, insbesondere die neutestamentliche Theologie berücksichtigt, insofern sie als Grundlagenwissenschaft für die dogmatische Reflexion anzusehen ist. Die historische Theologie und die praktische Theologie spielen für die Untersuchung der eigentlichen theologischen Fachsprache eine geringere Rolle, da die Begrifflichkeit der ersteren stark von den benachbarten Geschichtswissenschaften geprägt ist, während die praktische Theologie sich aus zahlreichen Teildisziplinen wie Homiletik, Liturgik, Poimenik, Religionspädagogik, Sozial- und Pastoralpsychologie und anderen Grenzwissenschaften zusammensetzt, so dass es hier schwer möglich ist, von einer übergreifenden Fachsprache zu sprechen.
Müller unterscheidet bei der theologischen Fachsprache, die er in der Nähe der „im Deutschen [...] jeweils aktuelle[n] hochsprachlichen Fassung der Umgangssprache“ ansiedelt, zwei Schichten: „die Sprache des Glaubens, wie sie sich im Deutschen besonders unter dem Einfluß der Reformation, d. h. seit dem 16. Jahrhundert ausgebildet hat“, und „die eigentliche Fachterminologie, die z. T. auch auf spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Ursprünge zurückgeführt werden kann [...]. Sie umfasst objekt-, wie auch metasprachliche Elemente“. Letztere unterteilt Müller wiederum in einen „Grundbestand traditioneller theologischer Begriffe oder Aussagen“ und „das dem wissenschaftsgeschichtlichen Wandel unterworfene Instrumentarium aktualisierender oder kritischer Theorien“ (1997: 1305). In Müllers Analyse der Schichten der theologischen Fachsprache klingt das Merkmal der lexikalischen und strukturellen Hybridität dieser Fachsprache deutlich an, in der sich sachbezogene Wissenschaftsterminologie mit Wortschatz, Syntax und Phraseologie historischer Quellen des christlichen Glaubens vermengen. Hinzu kommt eine in der theologischen Fachliteratur besonders zentrale Rolle der individuellen Subjektivität des jeweiligen Forschers: „Streng genommen entsteht so durch jeden theologischen Autor eine neue, individuelle Variante der Fachsprache“ (Müller 1997: 1308). Müllers Hypothese impliziert, dass der persönliche Stil der einzelnen theologischen Fachautoren einen generalisierbaren Fachsprachenstil dominiere, so dass die Werke theologischer Wissenschaftler in sprachlicher Hinsicht eher wie literarische Individualstile zu betrachten seien. Das trifft insofern zu, als, ähnlich den Geisteswissenschaften, keine normierte oder verbindliche Terminologie wie in den nomothetischen Wissenschaften existiert. Das heißt, dass Inhaltswörter, bis hin zu Schlüsselbegriffen und zentralen Glaubenskonzepten, perspektivisch immer neu definiert werden und der persönlichen Sicht des einzelnen Autors angepasst werden können. Umgekehrt werden, besonders i...