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KLIMA
Ein Abriss zur Physik der Klimaveränderung
Der große Pionier der Erkenntnis einer historischen Klimaerwärmung war der schwedische Chemiker und Physiker Svante Arrhenius. Schon im Jahr 1896 publizierte er eine weitgehend noch heute gültige Darstellung über einen Treibhauseffekt von Kohlendioxid (CO2) sowie von Wasserdampf. Er machte die Abschätzung, dass menschliche Aktivitäten einschließlich fortgesetzter Industrialisierung eine Erwärmung der Atmosphäre um etwa 4 bis 6°C bewirken würden.11 Arrhenius selbst, der für seine Elektrolytchemie 1904 den Chemie-Nobelpreis erhielt, lebte im kühlen Skandinavien und sah die Erwärmung auf den ersten Blick als schöne Verheißung einer angenehm warmen Welt an.
In den 1980er-Jahren erfuhr die Welt von erstaunlichen Bestätigungen der Abschätzungen von Arrhenius. Der Schweizer Physiker Hans Oeschger und seine Kollegen konnten durch die chemische Analyse von Luftbläschen im tiefen Eis von Grönland feststellen, dass die CO2-Konzentrationen während der letzten Eiszeit nur halb so hoch waren wie in der heutigen Warmzeit. Wenig später gelang es französischen Forschern, besonders Claude Lorius, und amerikanischen Kollegen, ähnliche Messungen bis 3000 Meter tief im antarktischen Eis zu machen. Sie entdeckten, dass auch in den drei früheren Eiszeiten die CO2-Konzentrationen viel niedriger waren als in den wärmeren Zeiten dazwischen.12
Abbildung 5: Temperaturen (rot) und CO2-Konzentrationen (blau) in den letzten 650.000 Jahren. Ganz rechts „springt“ die blaue (CO2-)Kurve nach oben, Folge menschlicher Aktivitäten
Abbildung 5 zeigt die Verbindung zwischen CO2-Konzentrationen und Temperaturen (im antarktischen Raum) über 650.000 Jahre. Die hierfür benutzten Daten sind etwa 20 Jahre neuer als die von Lorius und Mitautoren, bestätigen aber die früheren Messungen. Die Grafik gestattet die Interpretation, dass die CO2-Konzentrationen die Verursacher der Temperaturänderungen waren, oder auch, dass die Temperaturen die Verursacher der CO2-Konzentrationen waren.
Um die Kausalität empirisch festzustellen, eignen sich die Kurven von Abbildung 6. Die blaue („menschliche“) Kurve im unteren Bild zeigt die von menschlicher Aktivität (also nicht von atmosphärischer Wärme) verursachte CO2-Konzentration. Also ist die CO2-Dichte der Verursacher!
Abbildung 6: Unten die Faktoren, die die globale Erwärmung beeinflussen, oben die Erwärmung selber
Wettereskapaden, Meeresspiegelanstieg, schwere Schäden
In der Einführung ist der Klimawandel als sehr große Gefährdung unserer Erde skizziert worden. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat mit amerikanischen Kollegen schon vor einigen Jahren herausgefunden, dass die globale Erwärmung die Häufigkeit von Wetterextremen deutlich erhöht.13 Bestätigt wird dies im sechsten großen Bericht des Weltklimarates IPCC, veröffentlicht im August 2021.14
Wetterextreme sind inzwischen in praktisch allen Ländern erfahren worden. Die 2018 bis 2020 viel zu trockenen Sommermonate in Europa, die weltweiten Waldbrände – im halbtrockenen brasilianischen Cerrado, an der nordamerikanischen Westküste, in Sibirien, Australien und in den europäischen Mittelmeerländern (Abbildung 7) – haben das Thema Klima in die regelmäßige Nachrichtenberichterstattung gebracht. In Deutschland, China, Indonesien und Mosambik kam es 2020 und 2021 zu plötzlichen Sturzregen und großen Überschwemmungen.
Hinzu kommt die Gefahr eines nennenswerten Anstiegs des Meeresspiegels. Über eine Milliarde Menschen leben ganz nah an den Meeresküsten. Der genannte IPCC-Bericht von 2021 spricht von einer vervierfachten Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs in den letzten Jahrzehnten. Und es kann noch dramatischer werden: In der Erdgeschichte gab es hin und wieder (zum Glück sehr selten!) ein plötzliches Abbrechen oder Abrutschen großer Eismassen. Solche Ereignisse könnten durch die vom Menschen verursachte Erwärmung erneut auftreten. Wenn zum Beispiel das Eisvolumen des westantarktischen Thwaites-Gletschers abrutschen würde, stiege der Meeresspiegel etwa um 60 cm an. Das kann für manche Küsten große Flächenverluste und große Fluchtbewegungen bedeuten.
Abbildung 7: Verheerende Brände nahe Athen, 5. August 2021
Zur Klimaphysik und zur Klimageschichte gibt es außer den Berichten des Weltklimarates (IPCC)15 populäre Übersichtswerke und vernünftige Handlungsanleitungen.16 Der neueste IPCC-Bericht enthält auch eine absolut überzeugende Argumentation dafür, dass die beobachtete globale Erwärmung der letzten hundert Jahre im Wesentlichen auf die Einflussnahme von Menschen zurückzuführen ist.
Die Dynamik der Erwärmung hat sich sogar beschleunigt. Wenn man weiß, dass die Temperaturen seit vielen Jahrtausenden mit den CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre einhergehen, dann zeigt die berühmte und leicht nach oben gekrümmte Keeling-Kurve (Abbildung 8) diese Beschleunigung bereits an.
Wie wir in Deutschland insbesondere in den Jahren 2018 bis 2021 leidvoll erfahren haben, verursachen die Wetterkapriolen und die langanhaltenden Trockenperioden große Schäden. Allein für die Behebung der Schäden nach den Sturzfluten im Juli 2021 sowie für die finanzielle Unterstützung der geschädigten Familien und Betriebe mussten dreißig Milliarden Euro von den Staatskassen und Versicherungen aufgebracht werden.
Die Ernteausfälle der deutschen Landwirtschaft in den Dürresommern 2018 bis 2020 und die gleichzeitig durch Borkenkäfer verursachten Forstschäden lagen ebenfalls im Milliarden-Bereich.
Abbildung 8: Die nach Charles David Keeling benannte „Keeling-Kurve“ zeigt den Anstieg der CO2-Konzentrationen, gemessen vom Berg Mauna Loa im Pazifik, mehr als tausend Kilometer von den typischen Industrie- und Verkehrsabgasen entfernt
Abbildung 9: Küstenlinien Italiens während der letzten Eiszeit (links) und während einer Heißzeit (rechts)
Um Größenordnungen schlimmer werden die Schäden, wenn der Meeresspiegel deutlich ansteigt. Das war in den letzten zehntausend Jahren mit ihrer recht stabilen Klimalage kein Problem, aber es wird ein Problem, wenn sich die Erwärmung weiter beschleunigt. Abbildung 9 aus einem italienischen Schulatlas zeigt, wie sich die Küstenlinie verschieben kann. Während der letzten Eiszeit (linkes Bild) war Italien erheblich größer als heute. Aber während der letzten Heißzeit (rechtes Bild) war die Fläche des italienischen Festlandes kaum halb so groß wie heute.
Wenn wir solche Unterschiede auf die Niederlande, Norddeutschland, Dänemark, die baltischen Staaten oder gar auf Bangladesch, die pazifischen Inselstaaten, die Philippinen und sämtliche Küstengebiete Asiens, Afrikas und Amerikas projizieren, kommen wir auf riesige Landverluste: Die Wohnorte und Arbeitsstätten von mindestens einer Milliarde Menschen sind von Vernichtung bedroht. Die finanziellen Schäden wären im Bereich Tausender Billionen Euro. Ganz zu schweigen von den entsetzlichen Opfern an Menschen und Tieren.
Klimastabilisierung, Sonnenenergie und nachfolgender Strukturwandel
Angesichts solcher grauenvollen Perspektiven muss man die Frage stellen, wie das Unheil abgewendet oder gemildert werden kann. Das ist die große Frage der Klimapolitik. „Klimaleugner“ leben vielleicht bequemer, aber das ist moralisch nicht akzeptabel und rational-wissenschaftlich durch nichts zu rechtfertigen.
Glücklicherweise haben wir noch gute Chancen für die Vermeidung der ganz großen Katastrophen. Die Zielsetzungen des Pariser Klimaabkommens von 2015 und der Glasgower Klimakonferenz von 2021 sind plausibel. Sie haben aber die Schwäche, dass sich mehr als die Hälfte der Nationen der Welt, nämlich die Entwicklungsländer, bezüglich des Klimaschutzes nicht wirklich angesprochen fühlen. Ihre Repräsentanten sagen völlig zu Recht, dass die bisherige Klimaveränderung im Wesentlichen durch die alten Industrieländer ausgelöst worden ist, und dass ihre eigene Priorität die Verbesserung des Wohlstandes ihrer Bevölkerung ist. Kapitel 5 geht näher auf die politischen Notwendigkeiten einer weltweiten Klimapolitik ein.
Ein großer Schritt in Richtung Klimastabilisierung war in Deutschland im Jahr 2000 die Verabschiedung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Es sah eine kostendeckende Vergütung für die Netzeinspeisun...