Wie war das eigentlich damals?
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Wie war das eigentlich damals?

Manchmal fragen mich unsere Kinder zum Weltkrieg

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Wie war das eigentlich damals?

Manchmal fragen mich unsere Kinder zum Weltkrieg

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Über dieses Buch

"1939 begann der 2. Weltkrieg. Dieser schreckliche Krieg, der unser aller Leben auf grausame Weise in völlig andere Bahnen geworfen hat. Heute, im Jahr 1994, bin ich fast 70Jahre. Ich kann also auf ein recht langes Leben zurückblicken. Es war so ereignisreich, dass ich- wenn ich das Talent zum Schreiben hätte- ein dickes Buch füllen könnte. Was mir blieb, sind diese Tagebuchaufzeichnungen."

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Information

Verlag
tredition
Jahr
2022
ISBN
9783347642034
DER BEFÜRCHTETE KRIEG
GEGEN POLEN BEGANN
AM 1. SEPTEMBER 1939
Es war ein ruhiger, friedlicher Tag. Die Angst vor einem Krieg hatte aber schon viele Menschen erfasst. Auch meine Eltern waren sehr besorgt und hatten große Angst. Mein Vater, der schon im ersten Weltkrieg vier Jahre in Frankreich war – täglich den Tod vor Augen und Kameraden sterben sah – wusste, was Krieg heißt. Die meisten jungen Männer und Familienväter wurden zur Musterung und danach zur Wehrmacht eingezogen. Hier in Klein Kreidel, unserem Heimatort im schönen Schlesien.
In den ersten Kriegstagen war es nicht ausgeschlossen, dass wir Kinder evakuiert wurden, da Schlesien an Polen grenzte. Hier waren die deutschen Truppen jedoch überall im Vormarsch, so dass diese große Befürchtung nicht eintraf. Es kam zu einem schnellen Sieg. Die Regierung Hitlers und viele Bürger waren in einem Freudentaumel.
Eines Tages erhielt unser Dorf Einquartierung. Eine Einheit deutscher Soldaten kam mit vielen Militärfahrzeugen vom Polenfeldzug zurück. Sie belegten den großen Hof eines Gutes in der Nachbarschaft. Das war natürlich für uns Kinder ein großes Ereignis. Die ganzen Tage verbrachten wir bei den Soldaten. Ein Erlebnis, welches ich nie vergesse werden war, wie ein Soldat, der sich ohne Erlaubnis Zigaretten kaufte, vom Feldwebel hart bestraft wurde. Man nannte dies „Strafexerzieren“. Für uns Kinder war das grausam. Wir guckten über die Mauer und wurden schließlich weggejagt.
Es war Pflicht, dass die Zivilbevölkerung die Einheiten aufnahmen und verpflegten. Meine Eltern bekamen zwei Offiziere und drei Soldaten zugeteilt. Sie wurden von unserer Mutter bestens bekocht. Die Offiziere schliefen in unserer besten Oberstube (dem Gästezimmer) und die Soldaten in anderen Räumen. Ein Offizier vertraute meinem Vater an, dass sie auf dem Weg zur deutsch-französischen Grenze seien.
Monate später ging der Krieg erst richtig los. Gegen Frankreich. Gegen England. Gegen Holland, Belgien und Luxemburg. Nach nur kurzen Kämpfen wurden vorerst die kleineren Länder eingenommen. Wochen später ergaben sich auch die Franzosen und boten einen Waffenstillstand an. Deutsche Truppen zogen sodann in Paris ein. — Die Franzosen hätten ihren Marschall Pétain nach dem Krieg nicht verurteilen sollen! Ein Denkmal wäre passender gewesen, denn durch seine Kapitulation hat er in weiser Voraussicht das Land und das schöne Paris vor der sinnlosen Zerstörung bewahrt.
Eines Tages wurden aus den umliegenden Dörfern die Pferde der Zivilbevölkerung für das Militär eingezogen. Die Musterung aller der Pferde fand auf der Straße vor genau unserem Hof statt. Natürlich mussten auch wir unsere Pferde mustern lassen und schließlich Feingold, einen jungen Hengst, abgeben. Der amtierende Major bezeichnete ihn als „Reitpferd 1a“. Er schüttelte Vater die Hand und mit Wehmut und vielen Tränen verabschiedete sich Vater von diesem schönen Tier.
Unser Kreis Wohlau war ganz bekannt in der Pferdezucht. „Hauptstammbuch Pferde“ hieß es immer wieder. In Leubus, 5 km von uns entfernt, war ein großes Gestüt mit über 100 Zuchthengsten verschiedenster Rassen. Es waren ganz edle Pferde. Viele Hengste waren einige Monate auf Außenstationen. In Friedenszeiten fanden dort jeden September Hengstparaden statt. Jedes Jahr ein großes Ereignis; ein richtiges Volksfest mit dreistündigem Programm. Dressurreiten und die schönsten Kutschwagen wurden sechs, acht, zehnspännig gefahren; mit Pagen vorn und hinten. Römische Wagen usw. Natürlich alle mit wunderschöner Kleidung. Alles von einer großen Blaskapelle mit flotter Marschmusik begleitet. Mich faszinierten immer die voltigierenden Mädchen.
Zum diesem Gestüt gehörte auch eine Reitschule, wo den jungen Leuten, meistens Landwirts-Söhne, das Reiten gelehrt wurde. Die Kinder der vielen Gestütswärter wuchsen quasi schon im Sattel auf. Sie waren auch ganz aktiv bei den Paraden und zeigten ihre Leistungen.
Unser Vater hingegen züchtete Hannoveraner und hatte so manchen Preis bei der jährlichen Pferdeschau erhalten. Leider hat unsere Mutter die geretteten Urkunden, aus Lastenausgleichsgründen an die Heimatauskunftsstelle Hannover schicken müssen. Es waren nur Beweisstücke, gebracht hat es nichts.
Als wir eines Tages die Sterbeglocke hörten, erfuhren wir, dass der erste Soldat gefallen sei. Das war eine Schockmeldung, obwohl man ja wusste, dass Krieg ist. Irgendwie dachte niemand, dass es noch weitere Kriegstote im Dorf geben wird. — Am Ende waren es viele Kriegstote.
In jener Zeit wurde viel Radio gehört. Da nicht alle Leute ein Radio besaßen, ging man zum Nachbarn. Ständig gab es Sondermeldungen. Meistens waren es Siegesmeldungen, denn Verluste wurden verschwiegen.
ALLES WIRD RATIONALISIERT
Als schon während des Polenfeldzugs bekannt gegeben wurde, dass jetzt Lebensmittelmarken und Bezugscheine für Bekleidung und Schuhe eingeführt wurden, konnte man sich denken, dass der Krieg noch lange dauern sollte. Die Lebensmittelmarken waren gestaffelt in Normalverbraucher1, in Schwerarbeiter und Schwerstarbeiter mit Kindern. Sie erhielten dann zusätzliche Rationen, wie z.B. Milch für die Kinder. Rationiert wurden nahezu alle Lebensmittel wie: Fett, Butter, Fleisch, Milch, Zucker, Hülsenfrüchte, Marmelade, Käse und sogenannte Nährmittel, wie Gries, Graupen, Haferflocken, Nudeln und so weiter. Kakao, Schokolade, Bohnenkaffee und Südfrüchte gab es gar nicht mehr.
Wer im Krieg nur von den Lebensmittelkarten leben musste, war übel dran. Jeder sah zu, dass er sich zusätzlich was beschaffen konnte. Gärten wurden zu Gemüsegärten umgearbeitet. Manch einer, der ländlich wohnte, hielt sich Kleinvieh. Hatte jemand mehr Hühner, als ihm zustand, mussten die Eier abgeliefert werden. Dafür gab es auch jährliche Viehzählungen.
Wir Landwirte waren natürlich viel besser dran, denn wir waren von Beruf Erzeuger. Wir hatten Schweine, Schafe, Getreide und Zuckerrüben. In Friedenszeiten hielten wir an Geflügel nur Hühner und Gänse, doch während des Krieges noch zusätzlich eine Schar von Enten, Puten und Perlhühnern. Natürlich wurden auch wir kontrolliert. Der Viehbestand wurde festgestellt und danach richtete sich dann das, was wir abliefern mussten und behalten durften. Milch musste jedoch täglich komplett abgegeben werden. Ein Milchwagen brachte diese in die Molkerei. Dafür erhielten wir dann direkt Magermilch für das Vieh und Buttermilch für uns zurück. Selbstbuttern war verboten, wir bekamen eine wöchentliche Butterzuteilung.
Auch das Getreide (außer Saatgut und Futtergetreide) musste abgeliefert werden. Dennoch hatten wir immer genügend Mehl zum Brotbacken. Mein Vater war gut Freund mit dem Müller. Seine große schöne Windmühle stand auf dem Berg, kilometerweit sichtbar.
Brennmaterial, wie Steinkohle oder Briketts, wurde natürlich auch rationiert. Doch wir hatten immer genügend Holz und Reisig aus unserem Wald für die Öfen zum Brotbacken. Da wir auch Zuckerrübenlieferant waren, erhielten wir unseren Zucker einmal jährlich von der Zuckerfabrik.
Da viele Leute zu unserem Haushalt gehörten, durften wir mehrere Male im Jahr (in kühlen und kalten Jahreszeiten) Schweine schlachten. Der Fleischermeister kam mit einem Gesellen zu uns ins Haus. Ich weiß noch heute, dass 110 kg Lebendgewicht eines Schweines auf die Personenzahl angerechnet wurden – aber unsere Schlachtschweine waren oft doppelt so schwer. Das war dann unser Gewinn.
Die Arbeitskräfte in der Landwirtschaft waren nur Polen, Russen oder auch kriegsgefangene Franzosen. Im Volksmund nannte man sie immer nur Ausländer aber ohne sie dadurch herabsetzen zu wollen. Sie haben gut mit uns gearbeitet und für uns heimlich so manches Schaf geschlachtet. Schafe geben kein Angstgebrüll von sich, das man draußen hätte hören können. Das Schwarzschlachten stand unter Bestrafung, aber keiner unserer Arbeitskräfte hat uns verraten. Schließlich kam ihnen selbst das Fleisch ja auch zu Gute. Wir behandelten die Zwangsarbeiter immer respektvoll und fast schon wie Familienangehörige.
Im weiteren Verlauf des Krieges wurden dann für alle wichtigen Dinge der Lebenshaltung Karten und Ausweise eingeführt. Verwaltet wurde dies alles vom eigens im Krieg eingerichteten Kreiswirtschaftsamt mit vielen Angestellten. — Dieses Kartensystem hat uns auch noch nach Kriegsende einige Jahre begleitet.
Der noch heutige Ausspruch „Otto-Normalverbraucher“ stammt aus dieser Zeit
DER FURCHTBARE KRIEG BREITETE SICH IMMER WEITER AUS
Dänemark, Norwegen, die baltischen Länder, die Tschechoslowakei, Frankreich und Polen waren mittlerweile von den deutschen Truppen besetzt. Auf dem Balkan fanden Kampfhandlungen statt. Auch im Norden Afrikas kämpften deutsche Soldaten. Im Juni 1941 begann dann der deutsche Angriff auf die Sowjetunion ohne vorherige Kriegserklärung.
Aber auch Deutschland wurde schwer heimgesucht. Die schweren Bombenangriffe – anfangs auf Industrieanlagen des Ruhrgebietes – breiteten sich über fast ganz Deutschland aus. Seit Anfang des Krieges wurde „totale Verdunkelung“ angeordnet. Kein noch so kleiner Lichtschein aus einem Gebäude durfte draußen sichtbar sein – denn dies hätten Angriffsziele feindlicher Flugzeuge sein können. So saßen wir jeden Abend in absoluter Dunkelheit und Stille in unseren Häusern. Die Alliierten aber antworteten mit dem Abwurf von an Fallschirmen hängenden Leuchtraketen, die ein ganzes Gebiet erhellten. Man nannte sie Christbäume. Vielerorts gab es fast täglich Fliegeralarm. Die Menschen wurden aus dem Schlaf gerissen und mussten mit kleinen Kindern und alten Leuten Hals über Kopf in die Bunker oder Keller flüchten. Oftmals wurden genau diese nach einem Angriff komplett verschüttet und die Geflohenen kamen nicht mehr raus. Bei jedem Angriff gab es Schwerverletzte und natürlich auch Tote. Die Menschen verloren ihre Wohnungen, Häuser und oftmals ihre letzten Habseligkeiten. Viele Städte glichen einzigen Trümmerhaufen. Noch brauchbare Wohnungen brachte man notdürftig instand, um sie halbwegs wieder bewohnbar zu machen.
Nach den Fliegerangriffen waren jedesmal viele Menschen auf der Suche nach Angehörigen und Freunden. Kreide-Inschriften an verbrannten Hausmauern erhielten Hinweise und Anschrifte...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Urheberrechte
  3. Titelblatt
  4. DER BEFÜRCHTETE KRIEG GEGEN POLEN BEGANN AM 1. SEPTEMBER 1939
  5. ALLES WIRD RATIONALISIERT
  6. DER FURCHTBARE KRIEG BREITETE SICH IMMER WEITER AUS
  7. FÜR UNS GAB ES KEINE HOFFNUNG, DASS DER KRIEG NOCH GEWONNEN WERDEN KONNTE
  8. DIE FRONT RÜCKTE IM LAUFE DER JAHRE IMMER TIEFER INS SOWJETREICH.
  9. DIE FLUCHT
  10. LOSE ERINNERUNGEN NACH KRIEGSENDE
  11. DIE GROSSE AUSWEISUNG
  12. ALLES FAND HIER STATT: