JUDENTUM
Häufigstes jüdisches Symbol ist die Menora (Mehrzahl: Menorot), die schon im Stiftszelt der Frühgeschichte stand. Und zwar stand sie dort und später in allen Tempelbauten und Synagogen als Zeichen des Lebens und des Auftrags Jehovas an sein „auserwähltes Volk”: Ihr sollt ein Licht werden (Jesaja 42,6). Die sechs Arme an beiden Seiten des Leuchters meinen die vier Himmelsrichtungen sowie das Oben und das Unten der Schöpfung. Der mittlere Arm, also die Hauptachse, verlängert sozusagen den Beter und seine Ausrichtung hin zu Gott. Heute ist die Menora offizielles Emblem des Staates Israel.
Das auserwählte Volk
Glaubenseinheit über Jahrtausende bewahrt
Die älteste monotheistische Religion (siehe Kasten), Mutter von Christentum wie Islam, ist das Judentum. Es basiert auf der These von der göttlichen Erwähltheit des jüdischen Volkes, ausgedrückt im Bund des Stammvaters Abraham mit Jahwe (Gott) und der Übergabe der Gesetzestafeln am Berge Sinai an sein Volk. Diese Erwählung wurde von den Juden als Auftrag begriffen, spornte zu ungewöhnlichen Leistungen an, kollidierte aber auch mit dem Selbstwertgefühl anderer Völker und führte zu wachsender Feindschaft. Sie entfaltete sich nach der Vertreibung der Juden aus Palästina seit der römischen und später der islamischen Eroberung, die das Judentum als Volkseinheit zerstörten und seine Zerstreuung (Diaspora) in alle Welt zur Folge hatten.
Strikte Gesetzlichkeit
Gemeinsamer Glaube und Ritus schützten die verstreuten Gemeinden unter ihren geistlichen Führern, den Rabbinern, vor dem Verlust der religiösen Identität. Ihre Fundamente sind die heiligen Schriften und Vorschriften (Tora, Talmud): Strikte Einhaltung der Gesetze, Vermeidung der Vermischung, Abschließung von allem Fremden. Die Gesetze bestimmen das Leben der Gläubigen bis in die täglichen Verrichtungen: Regelmäßige Gebete, Sabbatheiligung, korrekte Kopfbedeckung, Beschneidung der Knaben, Genuss nur koscherer Speisen, Einhaltung bestimmter Feste. Zwei religiöse Hauptrichtungen lassen sich unterscheiden: die streng dem Talmud folgende und die Kabbala, aus der sich der Chassidismus mit seinen Wunderrabbis und der volksnahen Frömmigkeit entwickelte. Sie haben jedoch den Wesenskern des Judentums nicht gespalten, das die Jahrtausende einheitlich überdauerte. Aus der dafür erforderlichen Nichtanpassung aber speiste sich der Judenhass, der umgekehrt zum Zusammenhalt der Juden und zum Überleben des Judentums trotz der Verfolgungen beitrug.
Monotheismus
Das Erstaunlichste am Judentum für die Religionshistoriker ist der Glaube an einen einzigen Gott (Monotheismus), und das bereits zu einer Zeit, als fast alle Völker noch eine unüberschaubare Zahl von Himmlischen verehrten. Nach der jüdischen Tradition war dieser eine und alleinige Gott vor allem Anfang und der Anfang von allem. Das Bewusstsein dafür hatte sich, so sehen es die Juden, nach dem Sündenfall bei den Menschen nur verloren und musste erst durch Gott bei seinem „Knecht“ Abraham durch Offenbarung wieder geweckt werden. Die Erkenntnis also, dass nur ein Gott ist und nur ein Herr über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sowie alles, was unter dem Himmel und darüber ist – diese Erkenntnis ist nicht menschliche Einsicht, sondern göttliche Gabe. Gott hat sie allen Menschen angeboten, doch nur Abraham und die Seinen haben das Angebot angenommen. Daraus leitet sich der jüdische Anspruch ab, das „auserwählte Volk“ zu sein (2. Mose, 19, 5): „Werdet ihr nun meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern.”
In tödliche Gefahr geriet es mit Aufkommen des „wissenschaftlichen“ Antisemitismus im 19./20. Jahrhundert, der eine „jüdische Rasse“ entdeckt zu haben glaubte, die „von Grund auf fremdartig und verdorben“ sei. Lange wollten viele Juden die Bedrohung nicht sehen, und der jüdische Publizist Theodor Herzl fand zunächst mit seinem Konzept des Zionismus, der „Heimkehr“ nach Israel, wenig Resonanz. Erst die nationalsozialistische Judenverfolgung, der ein Drittel des europäischen Judentums zum Opfer fiel, zerstörte alle Hoffnungen auf eine Anpassung (Assimilation) und führte zur Wiederversammlung der Juden im „gelobten Land“ Palästina.
Tora-Lesung während des Laubhüttenfestes (Sukkot) am 18. Tischri (6.10.2006) an der Klagemauer in Jerusalem. Der Vorleser weist mit einem silbernen Torazeiger (Jad) auf eine Stelle der Textrollen im Toraschrein (Aron ha-Kodesch).
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Unter Gottes Führung
Abrahams Wanderung nach Palästina
Die mythische Vorgeschichte des jüdischen Volkes erzählen die fünf Bücher Mose, die Tora oder der Pentateuch (siehe Kasten), Grundlage des jüdischen Glaubens und erster Teil des christlichen Alten Testaments. Direkt auf das Volk Israel beziehen sich erst spätere Passagen, in denen vom Urvater (Patriarchen) Abraham die Rede ist. Ihm offenbarte sich Gott (Jahwe) als Herr des Himmels und der Erde. Abraham vertraute sich ganz seiner Führung an und verließ seine Heimstadt Ur in Chaldäa am Unterlauf des Euphrat. Heute ist von dieser einst mehr als zehntausend Einwohner zählenden Stadt nur noch der Ruinenhügel Tell Mukajir erhalten.
Tora
Eigentliche heilige Schrift des Judentums ist die Tora (Lehre, Gesetz); alles andere erreicht ihren Rang nicht. Ihre fünf Bücher (griechisch Pentateuch) sind im christlichen Alten Testament durchgezählt, heißen im Judentum nach ihren Anfangsworten und im Lateinischen nach ihrem Inhalt: 1. Buch Mose/ Bereschit (Im Anfang)/ Genesis (Entstehung): Schöpfung, Sintflut, Turmbau zu Babel, Erzählungen von den Patriarchen. – 2. Buch Mose/ Schemot (Er rief)/ Exodus (Auszug): Flucht aus Ägypten, Übergabe der Gesetzestafeln an Mose, Tanz um das Goldene Kalb, Strafe und Vergebung, Festvorschriften, Bundeslade. – 3. Buch Mose/ Waijkra (Namen)/ Leviticus: Tempeldienst, Opfergesetze, Weihen, Speisevorschriften, Reinigungsgesetze, Ahndung von Sünden, Kulthandlungen, Heiligung des Volkes Israel. – 4. Buch Mose/ Bemidbar (In der Wüste)/ Numeri: Zählung der wehrfähigen Männer des Volkes Israel, Ordnung der Stämme, Sonderstellung der Leviten, Passahvorschriften, Erkundung des Landes Kanaan, Berufung Josuas zum Nachfolger von Mose. – 5. Buch Mose/ Debarim (Reden)/ Deuteronomium: Erläuterung der Sinai-Offenbarung, Erneuerung der Zehn Gebote, Verbot der Gemeinschaft mit Heiden, Ehegesetze, Abschiedsrede und Tod des Mose.
Warum sie untergegangen ist und warum Abraham sie verließ, lässt sich nur vermuten. Angriffe von außen spielten sicher eine Rolle, vielleicht aber auch innere Zerfallserscheinungen und möglicherweise Umweltprobleme, wie sie eine solche Bevölkerungsballung mit sich bringt. Ausgrabungen weisen auf Kanalisationsschwierigkeiten hin, und aus dem Gilgamesch-Epos, einer Sagensammlung etwa aus der Abraham-Zeit, wissen wir, dass es in Ur recht bewegt zuging. Da heißt es an einer Stelle, dass die Himmlischen darüber nicht sonderlich erbaut waren: „Enlil hörte das Getöse und sagte zu den Mitgöttern im Rat: ‚Dieser Tumult der Menschheit ist unerträglich, und es ist nicht mehr möglich zu schlafen.‘ Und so wurden die Götter bewegt, die Flut zu schicken.”
Konfliktträchtige Region
Es muss auch keineswegs ein bestimmter Abraham aus Chaldäa mit Familie nach Norden gezogen sein, seine Wanderung steht wohl für die vieler Stämme, die eine neue Heimat suchten. Irgendwann in der ersten Hälfte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends – die letzte Blütezeit von Ur lag um 2000 v.Chr. – wanderte Abrahams Stamm über Babylon ins Reich Mari am Oberlauf des Euphrat, von dort noch weiter nördlich nach Haran und dann in weitem Bogen über Aleppo und Damaskus nach Süden ins heutige Palästina. Gefolgt waren die Nomaden dabei der Ergiebigkeit der Weidegründe. Sonst hätten sie sich nicht ausgerechnet hier angesiedelt, wo sich die Machtlinien der großen Reiche von Ägyptern im Süden, Hethitern im Norden, Assyrern im Nordosten und Babyloniern im Osten schnitten und bewaffnete Konflikte an der Tagesordnung waren.
Dem Patriarchen Abraham wurde die Geburt eines Sohnes durch seine dafür eigentlich längst viel zu alte Frau Sarah geweissagt. Die Szene mit den drei Engeln hat Ludovico Carracci (1555-1619), ein Vertreter des italienischen Barock, um 1600 wirkungsvoll arrangiert.
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Rettung durch den verlorenen Sohn
Auszug (Exodus) der Juden aus Ägypten
Zur Belohnung für seine Glaubensfestigkeit schenkte Gott Abraham und seiner hochbetagten Frau Rebekka den nicht mehr erwarteten Sohn Isaak. Ihm wiederum wurden die Söhne Esau und Jakob geboren. Jakob erschlich sich das Erstgeburtsrecht und wurde aufgrund einer sehr großen Kinderschar zum eigentlichen Stammvater des Volkes Israel, wie es nach ihm, dem „Streiter mit Gott”, benannt wurde. Nach Zeugnis der Tora verkauften elf seiner Söhne Joseph, den Zweitjüngsten und Lieblingssohn, nach Ägypten in die Sklaverei, wo dieser aber große Karriere am Hofe des Pharao machte. Er wurde zur Rettung, als in Palästina eine Hungersnot ausbrach und als der inzwischen uralte und über den Verlust Josephs untröstliche Jakob mit seiner Sippe ebenfalls nach Ägypten zog und dort Hilfe und den verlorenen und inzwischen mächtigen Sohn wiederfand.
Das Meer teilte sich
Jakob starb. Joseph und seine elf Brüder waren nun die Patriarchen je eigener Stämme, die in Ägypten zu einem großen Volk heranwuchsen. Da sie aber die bunte Vielgötterwelt der Ägypter nicht anzunehmen bereit waren, blieben sie Fremde und Verachtete. Die „Kinder Israel”, wie sie sich nach Jakob bezeichneten, fassten daher den Entschluss, in ihre Heimat Palästina zurückzukehren. Doch würden die Ägypter sie so einfach ziehen lassen? Sie waren billige Arbeitskräfte und zudem geschickt in allerlei Techniken. Die Israeliten waren sich der Gefahr bewusst und machten sich heimlich unter ihrem Anführer Mose auf den Weg. Ihr Verschwinden aber war bald bemerkt, und der Pharao sandte ihnen ein Heer nach. Es hätte die Flüchtigen sicher eingeholt, wäre nicht das Wunder der Teilung des Roten Meeres für den Durchzug geschehen. Die Juden erreichten das Ostufer. Hinter ihnen schlossen sich die Fluten wieder, die Verfolger ertranken. Wie sich der Exodus historisch abgespielt hat, darüber lassen sich nur Vermutungen anstellen. Kaum vorstellbar ist, dass der mit 600 000 Menschen angegebene Zug geschlossen aufbrach. Es werden wohl mehrere Auswanderungswellen gewesen sein, wodurch sich auch die laut Bibel folgende vierzigjährige Wanderschaft erklären würde. In diese Zeit fiel das Schlüsseldrama am Berge Sinai. Dort erhielt Moses von Gott die Tafeln des Gesetzes (siehe Kasten), während seine Leute sich heidnischen Tänzen um das Goldene Kalb hingaben. Gott zürnte daraufhin den Abtrünnigen (2. Mose, 32): „Ich werde aber ihre Sünde heimsuchen, wenn meine Zeit kommt.“ Viele, die sich am Götzendienst beteiligt hatten, erreichten das „gelobte Land“ nicht. Selbst Mose durfte es nur von einem fernen Berg aus sehen, ehe er starb und die israelitischen Stämme das Land Kanaan besetzten.
Dekalog
Kern aller Weisungen Jahwes an sein Volk sind die Zehn Gebote (der Dekalog), wie sie im 20. Kapitel des 2. Buches Mose und mit kleinen Abweichungen im 5. Kapitel des 5. Buches Mose stehen: „Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft geführt habe. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. – Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht unnützlich führen, denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht. – Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest. – Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass du lange lebest in dem Lande, das der Herr, dein Gott, dir geben wird. – Du sollst nicht töten. – Du sollst nicht ehebrechen. – Du sollst nicht stehlen. – Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. – Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. – Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was dein Nächster hat.”
Nach Meinung des...