Dokufiktionalität in Literatur und Medien
eBook - ePub

Dokufiktionalität in Literatur und Medien

Erzählen an den Schnittstellen von Fakt und Fiktion

  1. 355 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Dokufiktionalität in Literatur und Medien

Erzählen an den Schnittstellen von Fakt und Fiktion

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Der Begriff 'Dokufiktion' wird seit geraumer Zeit zur Kategorisierung medialer Produkte herangezogen und ist in verschiedenen Dispositiven wie dem Film, dem Fernsehen, dem Theater, der Literatur oder auch dem Gaming-Bereich weit verbreitet. Trotz seiner Resonanzstärke im medien- und literaturwissenschaftlichen Diskurs ist der Begriff an sich darüber hinaus bislang unscharf geblieben. In der Forschung besteht noch kein Konsens über seine Verwendungsweise, lediglich Einigkeit darüber, dass mit 'Dokufiktion' Erzählungen zwischen 'Fakt' und 'Fiktion' bezeichnet werden. Der analytische Mehrwert des Begriffs wird deshalb immer wieder in Frage gestellt und sein Gebrauch ist im wissenschaftlichen Diskurs umstritten. An diesem Punkt setzt der Band an: Er will mithilfe seines interdisziplinären Zugangs zu einer Konturierung und Schärfung des Konzepts beitragen. Hierfür spüren die literatur-, kommunikations- und medienwissenschaftlichen Beiträge den vielfältigen Formen und Funktionen dokufiktionalen Erzählens in Literatur und Medien nach und entwickeln so ein begriffliches Instrumentarium, um das Phänomen der Dokufiktionalität medienübergreifend beschreibbar zu machen.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Dokufiktionalität in Literatur und Medien von Agnes Bidmon, Christine Lubkoll im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Literatur & Theorie der Literaturkritik. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2021
ISBN
9783110693089

Teil I Theoriehorizonte

Zwischen Fiktion, Dokufiktion und Metafiktion: Umberto Ecos Roman Il cimitero di Praga im Kontext seiner Recherchen zu den Weisen von Zion

Monika Schmitz-Emans

1 Über Ecos Romane im Kontext des Rahmenthemas Fakten und Fiktionen

Ecos Romane, die als Darstellungen erfundener Ereignisse einerseits klar dem Bereich literarischer Fiktionen zuzuordnen sind, nehmen andererseits nicht allein Bezug auf vielfältige Wissensbestände, die im Kontext der „Enzyklopädie“ unserer Kultur als historisches „Fakten“-Wissen gelten (inklusive Faktenwissen über literarische und andere Fiktionen);1 diese Romane sind außerdem inhaltlich-thematisch vielfältig mit Ecos nicht-fiktionalen Texten vernetzt, erörtern analoge Gegenstände, bespiegeln dieselben epistemischen und semiologischen Fragen und wenden sich teilweise denselben historischen Problemen zu. Besonders deutlich wird dies an Ecos Texten über Verschwörungstheorien, über deren Implikationen und Funktionsmechanismen sowie über historische Beispiele -- also über ein Themenfeld, das dem Themenfeld um Fakten und Fiktionen per se eng affin ist.2
Ecos Werk steht zu weiten Teilen im Zeichen der Reflexion über die Geschichte des Wissens, über auf solch historischem Wissen basierende Beurteilungen von Informationen oder Darstellungen als faktual oder als fiktional sowie über die Transgressionen und Wechselwirkungen zwischen dem als ‚faktisch‘ Interpretierten und dem als ‚fiktional‘ Geltenden. Auch und gerade seine Romane bilden im Zeichen dieses Themengeflechts ein thematisches und motivisches Netzwerk. Interpretationsprozesse und ihre Gegenstände, Erfindungen zwischen Täuschung und ästhetischer Fiktion sowie in mehreren Werken auch Verschwörungstheorien stehen hier immer wieder im Mittelpunkt.3 Die jeweils konstruierten fiktionalen Geschichten nutzen als Basis dabei reale historische Quellen und die um diese bestehenden Zusammenhänge. Il nome della rosa (dt. Der Name der Rose, 1980) enthält vielfältige Reflexionen über Interpretationen und Fiktionen, und die Fabel illustriert die Rückwirkung von Interpretationen auf die interpretierte Realität. Hier nimmt das prophetische Szenario der Apokalypse die Rolle der Verschwörungstheorie ein, und im Sinn einer self-fulfilling prophecy kommt es zu apokalyptisch erscheinenden Ereignissen. In Il pendolo di Foucault (dt. Das Foucaultsche Pendel, 1988) basteln die drei Hauptfiguren mutwillig an einer an kollektive Phantasmen und Fiktionen anknüpfenden Weltauslegung, die sich wegen ihrer scheinbaren Konsistenz gegen eine rationalere Interpretation der Welt durchsetzt und zur dramatischen Realisierung des Erfundenen führt, ganz entsprechend Ecos theoretischen Modellierungen verschwörungstheoretischer Wirkungszusammenhänge. In Baudolino (2000) erfindet der Protagonist auf der Basis vorliegender Darstellungen, die zu seiner Zeit (dem frühen Mittelalter) als faktuale historiographische und topographische Zeugnisse gelten, ein Reich und seinen Herrscher (den Priesterkönig Johannes), und seine Fiktion macht Realgeschichte (im Rahmen des Romans, dies aber in Anlehnung eben an die reale Geschichte). In La misteriosa fiamma della regina Loana (dt. Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana, 2004) geht es eher nebenher um eine Verschwörungstheorie und ihren Einfluss auf die realen Verhältnisse im Italien der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, konkreter: um den Glauben von Anhängern Mussolinis an dessen mögliche Rückkehr, Jahrzehnte nach seinem Tod, und um die politischen Implikationen dieses Glaubens. Und in Numero zero (dt. Nullnummer, 2015) geht es um die lügenhaften Prognosen einer rechtspopulistisch gesteuerten Presse und deren Macht über das, was dann tatsächlich geschieht, also wiederum um die realitätsprägende Macht von Fiktionen; als Akteure im Spiel sind wiederum die Mitglieder einer verschwörerischen Geheimgesellschaft.
Wer sich für die Frage der Differenzierbarkeit zwischen und gleichzeitigen Verflechtung von Faktischem und Fiktionalem interessiert, findet in Verschwörungstheorien einen ergiebigen Gegenstand der Erörterung, insbesondere dann, wenn sie sich auf die Realgeschichte auswirken.4 Sie kreisen um Verschwörungen (respektive um ausgedachte Rahmenbedingungen von Verschwörungen), die sich ihre Urheber vorstellen, sei es, dass sie selbst daran glauben, sei es, dass sie die Komplotte bewusst in ihren Vorstellungen konstruieren. Wer an das Konstruierte glaubt, glaubt insofern an Fiktionen. Neben den echten Gläubigen stehen allerdings andere Rezipienten der jeweiligen Verschwörungstheorie: die, die aus ihnen politischen und kommerziellen Profit ziehen. Insofern Verschwörungstheorien oft konkrete politisch-praktische Folgen haben, nehmen sie letztlich eine eigentümliche Zwischenstellung zwischen Fiktionen und Fakten ein, denn zu ihren Folgen gehören Strategien zur Verhinderung des (fiktionalen) Verschwörerziels, Maßnahmen zur Bekämpfung der (vermeintlichen) Verschwörer, Bezichtigungen, Diffamierungen, Verfolgungen. Aus etwas Fiktionalem entwickelt sich Faktisches – vor allem auf der Basis einer Interpretation scheinbarer Dokumente, die als Beweise gelesen werden. Ecos Interesse an Verschwörungstheorien steht im Kontext seiner Reflexionen über Aushandlungsprozesse des „Faktischen“ und des „Fiktionalen“ und bildet zugleich ein wichtiges Scharnier zwischen theoretischen Modellierungen von Interpretationsprozessen und dem Wirken als politischer Aufklärer. Gerade am Beispiel verschwörungstheoretischer Fiktionen und ihrer realen politischen Konsequenzen verdeutlicht Eco die Notwendigkeit eines selbstkritischen und methodisch bewussten Interpretierens vermeintlicher Dokumente, Zeugnisse, Beweise.

2 Urteile über „Fakten“ und „Fiktionen“ als enzyklopädiebasierte Interpretationen

Reflexionen über Fakten und Fiktionen prägen Ecos Romane und stehen im Zentrum einer ganzen Reihe theoretischer Schriften, so etwa seiner Poetikvorlesungen mit dem Titel Im Wald der Fiktionen.5 Der Akzent liegt stets, wenn auch in kontextbedingt jeweils modifizierter Form, auf der Komplementarität beider Begriffe. Eco unterscheidet begriff‌lich das Fiktionale vom Nichtfiktionalen (Faktischen), auch wenn für ihn diese Differenzierung nicht auf einen ontologischen Unterschied verweist, sondern auf differierende Interpretationsmodi von (direkten oder indirekten) Erfahrungsinhalten – jeweils im Rahmen einer semiotischen Enzyklopädie. Die zentrale Frage ist die nach den Kriterien der Unterscheidung. Auch zwischen Ecos Strategien im Umgang mit der Differenzierung zwischen Faktischem und Fiktionalem ließe sich nochmals heuristisch differenzieren. Ein erster Ansatz (a) arbeitet mit dem Konzept des „Fiktionspaktes“, das eine Differenz zwischen Faktischem und Fiktionalem voraussetzt bzw. impliziert. Ein zweiter Ansatz (b) orientiert sich am Konzept der „Enzyklopädie“.
(a) Die Rezeption literarischer (und anderer künstlerischer) Fiktionen als Fiktionen begründet Eco im Rekurs auf S. T. Coleridge mit Fiktionsverträgen, was u. a. die Differenzierung zwischen Fiktionen und absichtsvollen Täuschungen bzw. Lügen möglich macht.6 „Fiktionalität“ bzw. „Lügenhaftigkeit“ sind also keine absoluten Zuschreibungen, sondern Resultate von Interpretationen. Vergleicht man im Horizont des von Eco bevorzugten Ansatzes des Welten-Vergleichs allerdings fiktionale und wirkliche respektive faktische Welten, so erweisen sich laut Eco die ersteren vielfach als geschlossener, konsistenter, bezogen auf ihre Merkmale einfacher beurteilbar als letztere; da sie von Texten konstituiert werden, ist klarer entscheidbar als bei letzteren, was zu ihnen gehört und wie sie beschaffen sind.7
(b) Urteile über Faktizität und Fiktionalität sind einem zweiten (und letztlich ergiebigeren) Ansatz zufolge Zuschreibungen auf der Basis begriff‌lich‐epistemischer Konstrukte, deren Bedeutung sich jeweils im Rahmen historisch-kultureller Kontexte profiliert. Als Basis entsprechender Zuschreibungen fungie...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Dokufiktionalität in Literatur und Medien – Einleitung
  5. Teil I Theoriehorizonte
  6. Teil II Mediale Inszenierungen
  7. Teil III Narrative und interaktive Verfahren
  8. Stichwortverzeichnis