Das Martyrium und seine Stellung im kirchlichen Reformdenken des ausgehenden Mittelalters
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Das Martyrium und seine Stellung im kirchlichen Reformdenken des ausgehenden Mittelalters

Eine ideengeschichtliche Untersuchung mit Fallstudien von Marsilius von Padua bis Savonarola

  1. 185 Seiten
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Das Martyrium und seine Stellung im kirchlichen Reformdenken des ausgehenden Mittelalters

Eine ideengeschichtliche Untersuchung mit Fallstudien von Marsilius von Padua bis Savonarola

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Über dieses Buch

Die Untersuchung behandelt das Thema der Opfer- und Martyriumsbereitschaft im Kontext kirchlicher ReformbemĂŒhungen des ausgehenden Mittelalters. Den Ausgangspunkt bildet dabei die Beobachtung, dass das fĂŒnfzehnte Jahrhundert im Gegensatz zum vorangehenden Jahrhundert eine Reihe an namhaften Akteuren aus dem spĂ€tmittelalterlichen Gelehrtenmilieu hervorgebracht hat, die ihren Einsatz fĂŒr die Durchsetzung selbst ausformulierter kirchlicher Reformanliegen mit dem Leben zu bezahlen hatten. Auf der Basis personenbezogener Fallstudien werden ErklĂ€rungsansĂ€tze fĂŒr diesen Befund erarbeitet. Im Zentrum steht dabei die These, dass die fĂŒr das fĂŒnfzehnte Jahrhundert zu attestierende Zunahme an gewaltsam zu Tode gekommenen kirchlichen Reformvertretern in einem engen Zusammenhang mit der Art ihres Reformdenkens und den Realisierungsoptionen von Reformen zu sehen ist. Es lĂ€sst sich in Bezug auf das Reformdenken eine im Vergleich zum vierzehnten Jahrhundert deutlich zu unterscheidende Vorgehensweise herausarbeiten, die auf die Betonung der Opfer- und Martyriumsbereitschaft als ein zentrales Instrument zur Umsetzung kirchlicher Reformanliegen setzt

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Information

Jahr
2022
ISBN
9783110786460
Auflage
1

1 Einleitung

1.1 Ausgangslage der Untersuchung

Als ob sie zum Mahl geladen wĂ€ren, eilten sie auf den Scheiterhaufen und gaben kein Wort von sich, das als Zeichen der Verzweiflung gedeutet werden könnte. Sobald die Flammen loderten, sangen sie ein Loblied, das vom Geprassel des Feuers kaum ĂŒbertönt werden konnte. Kein Philosoph soll den Tod so tapfer ertragen haben wie diese den Scheiterhaufen.1
Mit diesen Worten schildert der italienische Humanist und Kirchenmann Aeneas Silvius Piccolomini (1405–1464) in der 1458 fertiggestellten Historia Bohemica2 den Tod zweier MĂ€nner, deren Bekanntheit bereits unter Zeitgenossen weit ĂŒber die Grenzen ihrer böhmischen Heimat hinausreichte. Die Rede ist vom Theologen und Prediger Johannes Hus (um 1370–1415) und seinem Freund und Mitstreiter, dem UniversitĂ€tsgelehrten Hieronymus von Prag (um 1379–1416). Beide bezahlten ihren entschlossenen Einsatz fĂŒr eine grundlegende Reform der aus ihrer Sicht vollstĂ€ndig degenerierten Kirche ihrer Zeit mit einem qualvollen – von Piccolomini pathetisch ĂŒberhöhten – Tod auf dem Scheiterhaufen, den sie im Abstand von gut einem Jahr als verurteilte Ketzer auf dem Konstanzer Konzil (1414–1418)3 starben.4
In den beiden in Konstanz hingerichteten (und nach offizieller katholischer Lesart bis heute als HĂ€retiker geltenden) Reformatoren Johannes Hus und Hieronymus von Prag hat das noch junge fĂŒnfzehnte Jahrhundert seine ersten prominenten kirchenpolitischen MĂ€rtyrerfiguren gefunden.5 Ihnen sollten im Lauf der folgenden Jahrzehnte weitere wirkmĂ€chtige Akteure folgen, deren entschiedene BemĂŒhungen um eine VerĂ€nderung der bestehenden kirchlichen VerhĂ€ltnisse ebenfalls Verfolgung, Haft und einen gewaltsamen Tod nach sich zogen.
Neben ebenso prominenten Figuren wie dem Florentiner Dominikanermönch Girolamo Savonarola (1452–1498), dessen ReformbemĂŒhungen in einer öffentlichkeitswirksamen Ketzerhinrichtung auf der Piazza della Signoria in Florenz endeten,6 lassen sich in der Gruppe der Opfer auch heute weitestgehend in Vergessenheit geratene Namen finden, wie das Beispiel des kroatischen Erzbischofs und Diplomaten Andreas Jamometić (um 1420–1484) zeigt. Mit zunĂ€chst bemerkenswertem Erfolg hatte dieser in den 1480er Jahren versucht, das lange beendete Basler Reformkonzil (1431–1449)7 mit dem Ziel der Absetzung des berĂŒchtigten Rovere-Papstes Sixtus IV. (1414–1484) neu ins Leben zu rufen; ein Versuch, an dessen Ende der – vermeintlich durch Suizid verursachte – gewaltsame Tod des selbsternannten Konzilsinitiators in einer Basler GefĂ€ngniszelle steht.8
Durch ihre Kritik an den bestehenden VerhĂ€ltnissen in der Kirche und ihren Reformeifer, den sie in Briefen, Predigten und Abhandlungen artikulierten, gerieten besagte ReformkrĂ€fte allesamt in schwere Konflikte mit den bestehenden kirchlichen Strukturen. FĂŒr das fĂŒnfzehnte Jahrhundert spezifisch erscheinen dabei nicht diese Konflikte per se, sondern vielmehr ihre radikale Austragung, im Rahmen derer vor allem auch seitens der Kirche auf gewaltsame Mittel zurĂŒckgegriffen wurde. Was diesen Punkt anbelangt, scheint sich das genannte Jahrhundert deutlich vom vorausgehenden zu unterscheiden, lĂ€sst sich in diesem doch kein vergleichbares Vorgehen gegen reformerische KrĂ€fte beobachten. Zwar kennt auch die Kirchengeschichte des vierzehnten Jahrhunderts Opfer von Verfolgung und gewaltsamem Tod, wie die zahlreich ĂŒberlieferten FĂ€lle von Ketzerverbrennungen etwa im Umfeld franziskanischer Spiritualen9, religiöser Laienbewegungen wie den Apostolikern und Dolcinianern10, Beginen und Begarden11 sowie nicht zuletzt des Templerordens12 eindrĂŒcklich belegen, doch lassen sich auf der kirchenpolitischen BĂŒhne keine vergleichbar wirkungsreichen Akteure ausmachen, die ihren Einsatz fĂŒr die Durchsetzung selbst ausformulierter Reformanliegen mit dem Leben bezahlt hĂ€tten.
Der vorgenannte Umstand erscheint vor allem insofern bemerkenswert, als es auch dem vierzehnten Jahrhundert nicht an radikal reformorientierten Köpfen mangelte, die den zeitgenössischen Diskursen ĂŒber die Gestalt der Kirche einen prĂ€genden Stempel aufdrĂŒckten. Sei es der italienische Staatstheoretiker Marsilius von Padua (1275/90–1342/43) oder seien es die englischen Philosophen und Theologen Wilhelm von Ockham (um 1288–1347) und John Wyclif (um 1330–1384): Sie alle formulierten in ihren Schriften gefĂ€hrliche theoretische Angriffe auf die Amtskirche, die sie letztlich ebenfalls in Konflikt mit deren Vertretern brachten, doch starben sie am Ende allesamt eines natĂŒrlichen Todes. Es ist die auffĂ€llige Diskrepanz im Hinblick auf das Schicksal radikaler Reformdenker innerhalb der lateinischen Christenheit des vierzehnten und fĂŒnfzehnten Jahrhunderts, die den Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung bildet.

1.2 Zielsetzung, Aufriss und Methode

Ziel dieser Arbeit ist es, ErklĂ€rungsansĂ€tze fĂŒr das in Relation zum vierzehnten Jahrhundert auffĂ€llige Vorkommen gewaltsamer TodesfĂ€lle unter wirkungsreichen Reformakteuren im theologisch-gelehrten Umfeld des fĂŒnfzehnten Jahrhunderts zu liefern. Dem Vorhaben wird ein qualitativ-biographischer Forschungsansatz zugrunde gelegt, der von ausgewĂ€hlten Protagonisten beider Jahrhunderte ausgeht, die im Rahmen personenbezogener Fallstudien behandelt werden.
Mit dem italienischen Reformdenker Marsilius von Padua und dem englischen Reformator John Wyclif nehmen diese Studien zunĂ€chst zwei der wohl bedeutendsten Vertreter der großkirchlich-oppositionellen Reformbewegung des vierzehnten Jahrhunderts in den Blick. Beide Protagonisten haben sich als Autoren kirchenpolitischer Schriften nicht nur intensiv mit praktischen Wegen einer grundlegenden VerĂ€nderung der bestehenden kirchlichen VerhĂ€ltnisse befasst, sondern darĂŒber hinaus auch die aus ihrer Sicht mit einem solchen Vorhaben verbundenen persönlichen Gefahren fĂŒr Leib und Leben reflektiert. Ausgehend von einer Analyse ihrer kirchenpolitischen Texte unter dem Aspekt der Opfer- und Martyriumsbereitschaft fragt die Untersuchung nach BezĂŒgen und Verbindungen zwischen der Opfer- und Reformthematik. In welchen Quellentexten werden diese greifbar und welche Aussagen lassen sich ĂŒber ihre IntensitĂ€t treffen?
Die sich anschließenden Fallstudien zum fĂŒnfzehnten Jahrhundert behandeln den böhmischen Reformator Johannes Hus sowie die beiden Dominikanermönche Girolamo Savonarola und Andreas Jamometić. Sie gehen der Frage nach, ob sich im Fall dieser gewaltsam zu Tode gekommenen ReformkrĂ€fte Hinweise auf einen möglichen Wandel im Hinblick auf die Relevanz der Martyriumsidee finden lassen. Welche Rolle spielt die Frage nach dem Einsatz des eigenen Lebens im Reformdenken Hussens, Savonarolas und Jamometićs und inwieweit bedingen sich Martyriumsidee und biographische Konsequenz im jeweiligen Fall? Damit gelangt man zur Kernfrage der Untersuchung: Liegen die gewaltsam herbeigefĂŒhrten TodesfĂ€lle letztlich auch in einem Wandel des Reformdenkens selbst begrĂŒndet?
Die aufgeworfenen Fragen zeigen, dass der biographische Zugang der Arbeit neben einem kirchenhistorischen vor allem auch in einen ideengeschichtlichen Kontext eingebettet ist. Das HerzstĂŒck der Studie besteht in der systematischen Analyse von Quellentexten aus dem Umfeld kirchlicher Reformdebatten des ausgehenden Mittelalters, die im Hinblick auf die Bedeutung der Martyriumsthematik fĂŒr das Reformdenken ihrer Verfasser untersucht werden. Die dabei vorgenommene Konzentration auf einzelne herausragende Akteure aus dem spĂ€tmittelalterlichen Gelehrtenmilieu und das auf sie zurĂŒckgehende umfassende Quellenmaterial bildet die Voraussetzung einer tiefgehenden komparatistischen Analyse, die fĂŒr ideologiegeschichtliche Analogiebildungen nutzbar gemacht werden soll.
Was den letztgenannten Punkt anbelangt, so sei an dieser Stelle unter Vorwegnahme spĂ€terer Resultate der Arbeit exemplarisch auf die herausgehobene Bedeutung hingewiesen, die dem neutestamentlichen Bild des „guten Hirten“ („bonus pastor“)13 als einem christlichen Sinnbild fĂŒr die maximale Opferbereitschaft in den reformerischen Quellentexten des fĂŒnfzehnten Jahrhunderts zukommt. Zur Schar der kirchlichen Akteure, die sich dieser Metapher im genannten Kontext bedienten, gehört auch der eingangs erwĂ€hnte Chronist Piccolomini wĂ€hrend der Zeit seines Pontifikats, den er noch im Jahr der Fertigstellung der Historia Bohemica unter dem Namen Pius II. antrat.14 Auch wenn er sich als Papst auf den ersten Blick einer Einbeziehung in die vorliegende Untersuchung entzieht, so fördert doch gerade der Blick auf seine Person interessante Erkenntnisse zutage, die mit den hier skizzierten Befunden zum kirchlichen Reformdenken im ausgehenden Mittelalter in gewinnbringender Weise in Beziehung gesetzt werden könn...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. 1 Einleitung
  5. 2 Begriffliche Grundlagen und historische Kontexte der Untersuchung
  6. 3 Stellung und Bedeutung des Martyriums im kirchlichen Reformdenken des ausgehenden Mittelalters
  7. 4 Synopse: Von der Legitimierung exekutiver AutoritĂ€t zur Akzentuierung persönlicher Opferbereitschaft als reformatorischer Akt
  8. Personenregister