Schloß Hubertus
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Schloß Hubertus

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Schloss Hubertus ist ein Heimatroman von Ludwig Ganghofer aus dem Jahr 1895. Er handelt von einem Grafen, der seine Jagdleidenschaft als Sucht auslebt und darüber zugrunde geht.

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Information

ISBN
9789635263066

Teil 1

Kapitel 1

Schwül und dunstig lag der heiße Nachmittag über dem Bergwald. An den Buchen rührte sich kein Blatt, an den dunklen Fichten schwankte kein Wipfel.
Aus der Tiefe des Tales klang zuweilen ein verschwommener Laut herauf – die schwere Luft erstickte jeden Ton zu einem unbestimmten Geräusch. Sonst keine Stimme des Lebens, kein Vogelruf im Bergwald. Nur manchmal ein leises Rascheln, wenn ein dürrer Zweig durch die Blätter fiel.
In dieser Stille ein leichter Schritt. Auf dem tiefer liegenden Pfad, zwischen sonnigem Laubwerk, schimmerte ein weißes Gewand.
»Gundi?«
Der fragende Ruf klang durch den stillen Wald wie der Ton einer silbernen Glocke. Dann ein perlendes Lachen. An einer Wendung des Pfades erschien eine schlanke Mädchengestalt in duftigem Sommerkleid. Hut und Fächer flogen ins Moos, und zu Füßen einer riesigen Buche, die mit weitgespannten Ästen den Platz überschattete, ließ sie sich niedersinken. Leuchtend hob sich die weiße Gestalt mit ihren feinen Linien aus dem grünen Grund; unter dem Saum des Kleides lugten die schmalen Füßchen hervor, deren zierliche Schuhe von den scharfen Steinen des Bergpfades übel gelitten hatten; zwischen dem kurzen, fein gefälteten Ärmel und dem hohen blaßgelben Lederhandschuh zeigte sich ein schmaler Streif des rosigen Armes; unter raschen Atemzügen, von denen sie jeden wie eine Erquickung zu genießen schien, hob und senkte sich die junge Brust. Gleich einer Blume, die in der Sonne dürstet, hing das Köpfchen auf die Schulter; ein schmales, edles Gesicht, nun freilich glühend wie Purpur, umrahmt von aschblondem Haar, dessen losgesprungene Löckchen sich schimmernd um die Stirne kräuselten; darunter zwei große blaue Augen, lichter als das Blau der Veilchen, dunkler als die Bläue des Himmels und staunend, strahlend in heiterer Lebensfreude.
Als sie den Schatten gesucht, war es diesen lachenden Augen entgangen, daß an dem Stamm der Buche ein Täfelchen befestigt hing, ein »Marterl«. Das verwitterte Bild mit der halb erloschenen Schrift erzählte, daß an dieser Stelle vor Jahr und Tag der Tod ein Leben zerbrochen habe. Hier ruhte sie, lächelnd und träumend in ihrer Jugend und Schönheit. Und die Erde, auf der sie ruhte, hatte Blut getrunken.
Gewannen die dunklen Schatten, die den Ort umschwebten, Macht über die junge Seele? Das Lächeln schwand von den Lippen des Mädchens, der Frohsinn ihres Gesichtes verwandelte sich in sinnenden Ernst. Ihre Augen blickten ziellos durch eine Bresche des Waldes hinunter in die Tiefe, in der zwischen steilen Ufern der schöne Bergsee gebettet lag, umwoben von Dunst und Sonnenglast. Der glatte Spiegel des Wassers war anzusehen wie straff gespannte, schimmernde Seide.
Da flog es dunkel über den See. Ein schwerer Wolkenball hatte sich vor die Sonne geschoben, die schon nahe dem Grat der westlichen Berge stand. Und das ganze Bild der Landschaft war plötzlich verwandelt. Es schien, als hätte der See sich emporgehoben aus der Tiefe, sein Glanz und Schimmer war erloschen, wie ein riesiger Smaragd, tiefgrün und düster, dehnte sich die wellenose Flut zwischen den steilen Felsenufern, die näher gerückt erschiene und schwermütige Farben zeigten. Trüber Schatten dämmerte, ein sachtes Flüstern erhob sich in den Blättern, die Wipfel und Zweige der Fichten begannen zu schwanken, und wie eine Unglückskunde den sorglosen Schläfer weckt, so flog ein rauschender Windstoß durch den Wald. Dann wieder Stille. Nur fern aus den Lüften klang noch ein murrender Hall.
Die Einsame blickte scheu umher, hinunter auf den See, den schon ein feines Netz von Linien überkräuselte, und empor zum Himmel, der sich rasch mit Gewölk zu umziehen begann. Ihre Stimme hatte sorgenden Klang, als sie gegen den Pfad hinunterrief:
»Tante Gundi?«
Ein ächzender Laut war die Antwort. Aus der Senkung des Pfades tauchte eine rundliche Gestalt hervor. Ein schillerndes Seidenkleid von altmodischem Schnitt umzwängte die ausgiebigen Formen der ältlichen, mehr als wohlgenährten Dame. Den Strohhut hatte sie am Gürtel befestigt, und während sie mit den Händen das Kleid gerafft hielt, trug sie den Sonnenschirm unter den Arm geklemmt. Die zu einem Nest geschlungenen Zöpfe hatten sich gegen das linke Ohr verschoben, und ihr tiefes Schwarz stach gegen die ergrauende Farbe der glatt über die Schläfe gescheitelten Haare sehr bedenklich ab. Das hochgeborene Fräulein Adelgunde von Kleesberg schien auch sonst mit Toilettenkünsten sehr vertraut; das verrieten die schwarzen Striche über den kleinen, hurtigen Augen und der weiße, flaumige Teint der gepolsterten Wangen. Das war nun freilich eine Kunst, die sich wenig schickte für eine Wanderung durch den steilen Bergwald. Die reichlichen Perlen, die der Erschöpften von der Stirne sickerten, hatten Furchen durch den weißen Teint gezogen, und wo dieser Perlen Weg gegangen war, glühte eine dunkelrote Linie der erhitzten Haut durch den Puder.
Der Anblick, den die alternde Dame bot, rechtfertigte das Lachen, mit dem sie von ihrem harrenden Schützling empfangen wurde. »Tante Gundi, wie siehst du aus!«
Fräulein von Kleesberg schien eine wütende Entgegnung auf der Zunge zu haben, aber Erschöpfung und Atemnot benahmen ihr die Sprache. Sie ließ den Sonnenschirm fallen und sank mit einem Seufzer in das Moos. Da verwandelte sich die heitere Laune des Mädchens in Erbarmen.
»Armes Tantchen! Nun mach' ich mir wahrhaftig Gewissensbisse!«
»Kitty! Du bist ein Ungeheuer!« Fräulein von Kleesberg keuchte noch was von »Narretei«, von »Hitze« und »schattigem Park«, von »Schaukelstuhl« und »verwünschten Bergen«, von »Eigensinn« und »kindischer Ungeduld«. Dabei zerrte sie das Taschentuch hervor, um Stirn und Wangen zu trocknen; als sie das Tüchlein sinken ließ, glich ihr brennendes Vollmondgesicht einer Palette, auf dem man Weiß und Rot und Schwarz in konfusen Mischungen durcheinandergerieben hatte.
Mühsam unterdrückte Kitty das Lachen. »Wie kannst du mir böse sein, weil ich Papa eine Stunde früher sehen wollte. Seit vier Monaten, seit der Hahnenjagd, hab' ich ihn nicht mehr gesehen. Und denk' nur, die Freude, die es ihm machen wird, wenn ich ihn so überrasche, mitten im Bergwald –« Ihre Worte erloschen unter einem dumpfen Rauschen, das den Wald durchzog. Sie warf einen Blick zum Himmel; dort oben sag es schon bedrohlich aus. Spähend blickte sie zur Höhe des Waldes und sagte kleinlaut: »Lange kann Papa nicht mehr ausbleiben. Hier müssen wir mit ihm zusammentreffen. Er hat keinen anderen Weg, um vom Jagdhaus herunter an den See zu kommen.«
Auch Gundi Kleesberg schien das dumpfe Rauschen, das über den Wald gefallen, nicht geheuer zu finden und vergaß alle Müdigkeit. »Herr du mein Gott im Himmel, da kommt ein Gewitter! Fort! Nach Hause!«
»Tantchen, ich bitte dich –«
»Nein! Ich bleibe keine Sekunde mehr!« Mühselig raffte Gundi Kleesberg sich auf und jammerte: »Ich hab' es mir gleich gedacht, daß bei dieser Narrheit so was herauskommt!« Stöhnend hob sie ihren Sonnenschirm von der Erde und trippelte hastig davon, jeden unsicheren Tritt mit leisem Aufschrei begleitend.
In Mißvergnügen blickte Kitty ihr nach, unschlüssig, ob sie folgen sollte. Ein rollender Donner entschied ihren Zweifel. Sie warf noch einen sehnsüchtigen Blick empor durch den wogenden Bergwald und rief mit glockenheller Stimme: »Papa!« Nur das Rauschen des Windes gab ihr Antwort. Schon wollte sie gehen; da fiel ihr Blick auf das Martertäfelchen an der Buche. Neugierig bog sie einen überhängenden Zweig beiseite. Mit ländlicher Kunst war auf dem Täfelchen eine waldige Berggegend abgebildet; ein grün gekleideter Mann, die Büchse im Arm, lag ausgestreckt auf der Erde, und über seiner Stirn schwebte ein rotes, von einem Schein umzogenes Kreuzlein. Unter dem Bilde stand in verwaschener Schrift zu lesen:
»Hier an dieser Stelle wurde Anton Hornegger, Gräflich Egge-Sennefeldischer Förster, am heiligen Johannistag erschossen aufgefunden.
Böse Tat ist hier geschehen,
Und der Mörder ist entflohn,
Gottes Aug' hat ihn gesehen,
Gottes Zorn erreicht ihn schon!
R. I. P.
Wanderer, ein Vaterunser!«
Unwillkürlich bekreuzte sich Kitty. Ein leises Grauen kam ihr aus dem Gedanken, daß sie hier geruht hatte, auf dieser Erde, die getränkt war mit dem Blut eines Ermordeten. »Tante Gundi!« stammelte sie und fing zu laufen an.
Hinter ihr rauschte der Bergwald, und über das finstere Gewölk leuchtete der Schein des ersten Blitzes, der sich in der Ferne entlud.
Eine Minute, und Kitty hatte Tante Gundi eingeholt, die der erste Blitz um das letzte Restchen ihrer Fassung brachte. Wie eine Verzweifelte beteuerte sie, daß ihr Leben eine grausame Qual, daß sie nur zum Elend geboren wäre. Eine Lungenentzündung war das Gelindeste, was sie für sich als Ende dieses »neuen Unglücks« prophezeite, in das sie »wieder einmal aus blinder Liebe« hineingerannt wäre.
Kitty schwieg und half nach Kräften, um diesem ausgewachsenen Häuflein Jammer den Niederstieg auf dem unbequemen Wege zu erleichtern. Nur einmal, als Tante Gundis Klagelied sich in scheltende Gereiztheit gegen die »Anstifterin des Unglücks« verwandelte, bracht Kitty ihr Schweigen: »Ich habe dir doch gesagt: bleib du zu Hause und laß mich allein gehen!«
Auch im Stadium hochgradiger Verzweiflung vergaß Adelgunde von Kleesberg nicht, was sie ihrer Stellung schuldig war. Zürnend hob sie das brennende Gesicht und erklärte: »Eine Gräfin Egge-Sennefeld in deinem Alter geht nicht allein.«
Schmollend verzog Kitty das Mäulchen. »Ach was, hier im Gebirge, in Papas eigenem Walde!« Und nach kurzem Schweigen fügte sie bei: In meinem Alter? Siebzehn Jahre! Wie alt muß man denn werden, um allein gehen zu dürfen?«
»So alt wie deine Mutter war, als sie ihre eigenen Wege ging.«
»Nein, Tante Gundi sagte das nicht; es blieb in ihren Gedanken; sie sagte nur: »Ich hoffe, daß du dieses Alter niemals erreichen wirst!«
Kitty fand nicht Zeit, über den Sinn dieser unverständlichen Wendung nachzudenken. Die ersten schweren Tropfen fielen klatschend auf die Blätter. Ohne ein ausgiebiges Bad schien das Abenteuer nicht ablaufen zu wollen. Kitty faßte die Gundi Kleesberg, die jetzt dem Weinen näher war als dem Schelten, energisch unter dem Arm, um sie in rascheren Gang zu bringen. An einer Biegung des Pfades jubelte sie: »Wir sind gerettet!«
Zwischen Büschen schimmerten die grauen Bretter einer Scheune, die im Winter zur Fütterung des Hochwildes diente. Hundert Schritt seitwärts durch den Wald, und das schützende Dach war erreicht, ehe das Unwetter begann. Die Scheune war von drei Seiten geschlossen. Da hatten die beiden Flüchtlinge auch den Sturmwind nicht zu fürchten, der den schwer fallenden Regen in schiefen Strähnen über den Berghang peitschte. Erschöpft sank Adelgunde von Kleesberg auf ein Restchen Heu, das vom Wildfutter des letzten Winters noch verblieben war; das Gesicht drehte sie gegen den finsteren Winkel, um die Blitze nicht zu sehen. Kitty hatte rasch ihre gute Laune wiedergefunden. »Das ist lieb von Papa, daß er so zärtlich für seine Hirsche sorgt – und für mich, wenn ich zufällig in den Regen komme!« Sie lauschte.
Was war das? Eine Stimme? Dazu noch eine singende! Und eine jener Weisen, wie sie in den Bergen heimisch sind. Nun erblickte Kitty den Sänger. Geradeswegs kam er den steilen Bergwald heruntergestürmt, den Schutz der Hütte suchend. Es war ein Jäger in grauer Lodenjoppe und kurzer Lederhose, die Büchse hinter dem Rücken, in den Händen den Bergstock, den er klirrend zwischen die Steine stieß, um sich auf dem abschüssigen Hang hinwegzuschwingen über Felsbrocken und gestürzte Bäume. Mit großen Augen sah Kitty ihm entgegen und wußte nicht, ob sie mehr über die eiserne Kraft dieses Burschen staunen sollte oder über den sorglosen Mut, mit dem er bei jedem Sprung um Hals und Glieder spielte.
Jetzt hatte er die Hütte erreicht. Ohne die Damen zu gewahren, trat er unter das vorspringende Dach. Gewehr und Bergstock lehnte er an die Bretterwand, schüttelte sich, daß die Tropfen von der Joppe flogen, und während er das grüne Filzhütl abnahm, um das Wasser fortzuschleudern, das sich in der hohlen Krempe angesammelt hatte, lachte er: »Sakra noch amal, jetzt hätt mich aber 's Wetter bald erwischt!«
Bald erwischt? Er troff vor Nässe am ganzen Leib. Dabei trug er den aus grobem Loden geschnittenen Wettermantel sorgfältig gerollt zwischen den Riemen des Rucksackes. Für sich selbst hatte er nicht gesorgt; aber das blaue Taschentuch hatte er um das Schloß der Büchse gebunden, damit die Waffe von der Nässe nicht leiden möchte. Lachend blickte er hinaus in das Strömen und Gießen. Die lichtbraunen Haare, die sich sonst in widerspenstigen Ringeln durcheinanderkräuselten, klebten ihm feucht und glatt an Stirn und Schläfen, ein hübsches, männliches Gesicht umrahmend. Aufgezwirbelt saß ein braunes Bärtchen über dem lachenden Mund. Hell und offen blitzten die Sterne seiner dunklen Augen in die Welt, und ihr froher Blick milderte den Ernst der Stirne.
Ein greller Blitz fuhr über den Bergwald hin, der Donner schmetterte, und aus dem Schuppen klang Tante Gundis Wimmerschrei.
Der Jäger spitzte die Ohren. »Mir scheint, da hör ich wen?« Rasch griff er nach Bergstock und Büchse und trat in die Hütte.
Kitty erkannte ihn. »Aber das ist doch unser Franzl!«
Der Jäger machte verblüffte Augen. »Mar' und Joseph! Gnädigs Fräuln! Ja, wie kommen denn Sie daher?«
»Das Gewitter überraschte uns. Ich wollte Papa erwarten.«
»Da hätten S' lang warten dürfen! Der Herr Graf kommt heut nimmer runter.«
»Kommt nicht?« Ein Schatten flog über Kittys Züge. »Er weiß doch, daß ich gestern in Hubertus eingetroffen bin. Ich habe heut früh den alten Moser mit der Nachricht zur Hütte hinaufgeschickt.«
»Ja, der Herr Graf hat 's Briefl kriegt.«
»Und kommt nicht?« Kitty fragte erschrocken: »Papa ist krank?«
Franzl lachte. »Aber Fräuln Konteß! Unser Herr Graf? Und krank? Der reißt Bäum aus mit seine sechzig Jahr. Ah na! Dem fehlt kein Haarl net!«
»Aber weshalb kommt er nicht? Es muß ihm doch Freude machen, mich wiederzusehen.«
Betroffen schaute Franzl in Kittys Augen; der Klang ihrer Worte brachte ihn aus seiner fröhlichen Ruhe. »Aber freilich,« stammelte er, »gwiß freut er sich! Aber gwiß!«
Kitty stand schweigend; ihre Finger knitterten an den Blättern des Fächers.
»Aber schauen S', Fräuln, deswegen müssen S' Ihren Hamur net verlieren!« tröstete Franzl. »Der Herr Graf hat halt an sakrisch guten Gamsbock im Wind. Sie wissen ja, wie er is. Da laßt er net aus, bis der Bock sein Kügerl net droben hat.«
»Ein Gemsbock!« Kittys Augen füllten sich mit Tränen.
»Aber Fräuln Konteß!« Franzl nahm den Hut ab und kraute sich hinter dem Ohr. »Ich kann ja nix dafür!« Nun hörte er aus der Tiefe des Schuppens ein leises Gewimmer. »Was is denn?« Er trat näher. »Jegerl, 's alte Fräuln!« Gundi Kleesberg hielt das Gesicht tief eingedrückt in das Heu, und Franzl suchte die Wimmernde aufzurichten. »Fräuln! Um Herrgotts willen! Was haben S' denn? Is Ihnen was gschehen?«
Die Kleesberg stöhnte: »O Gott, o Gott, dieses entsetzliche Gewitter!«
Nun mußte der Jäger lachen. »Aber sind S' doch gscheit! Dös hört schon wieder auf. In die Berg kommt so was gschwind, aber lang dauert's net. Da, es wird schon aber bißl lichter im Gwölk!«
Zögernd richtete Tante Gundi sich auf. Im gleichen Augenblick fuhr nahe bei der Hütte ein Blitz herunter; aller Grund schien verwandelt in Flammen, und Erde und Luft erzitterten unter einem rasselnden Donnerschlag. Ächzend warf Gundi Kleesberg sich wieder über das Heu; auch Kitty wich mit einem leisen Aufschrei in die Tiefe der Hütte zurück.
»Macht nix!« lachte Franzl. »Is schon gschehen!«
Mit diesem letzten Schlag hatte das Unwetter sich ausgetobt. Es folgten nur noch schwache Blitze, die matt hinleuchteten über das wogende Gewölk und einen sanft verrollenden Donner weckten.
Während Franzl unter gedu...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. Teil 1
  3. Teil 2