Heroismus und Arbeit in der Entstehung der Hegelschen Philosophie
eBook - ePub

Heroismus und Arbeit in der Entstehung der Hegelschen Philosophie

  1. 315 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Heroismus und Arbeit in der Entstehung der Hegelschen Philosophie

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Wie kann die Entstehung des kritischen Potentials der Hegelschen Philosophie historisch verständlich werden? In der Beantwortung dieser Frage wird Hegels Transformation der "Arbeit des Republikaners für das Allgemeine" (1795) über die "allgemeine Arbeit des Krieges" (1802) bis zur "Arbeit des Begriffes" (1807) rekonstruiert. Diese Transformation erfolgt in Hegels Teilnahme an revolutionshistorischen Heroismusformen, die Citoyen-Substitute für die bourgeoise Hegemonie begründen. Für Hegels Übergang vom jakobinischen zum napoleonischen Substitut spielt zunächst die "höhere Aufklärung" der "Vereinigung" (Hölderlin) die Schlüsselrolle, sodann die durch Schellings "Anschauung" ermöglichte Rezeption der manufakturbürgerlichen Ökonomie (A. Smith) im Unterschied zur handelsbürgerlichen Ökonomie (J. Steuart). Mit der Arbeit des Geistes beginnt die genuin Hegelsche Objektivierung des heroischen Idealismus durch die spekulativ-systematische Selbstbegründung des Begriffs. Daran konnte Marx in seiner Frage nach der Überwindung des Gegensatzes zwischen abstrakter und konkreter Arbeit durch Formen der "allgemeinen Arbeit" und der "unmittelbar gesellschaftlichen Tätigkeit" anschließen.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Heroismus und Arbeit in der Entstehung der Hegelschen Philosophie von Hans-Peter Krüger im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Philosophy & Modern Philosophy. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2014
ISBN
9783110412178

1. Kleinbürgerlich-republikanische Aufklärung durch Religion (Bern 1793–1796)

Jener Hegel noch, welcher längst seine Jugendillusionen überwunden hatte, parallelisiert Rousseau und Kant darin, dass sie „in der Freiheit schon das Absolute“ aufstellten: Allein, die Franzosen „haben den Sinn der Wirklichkeit, des Handelns, Fertigwerdens – die Vorstellung geht unmittelbar in Handlung über“, während in Deutschland „dasselbe Prinzip“ nur das „Interesse des Bewusstseins für sich genommen“ hat. Die Deutschen „haben allerhand Rumor im Kopfe und auf dem Kopfe; dabei lässt der deutsche Kopf eher seine Schlafmütze ganz ruhig sitzen und operiert innerhalb seiner“.26 Erst die konzeptionelle Wende vom Winter 1798/99 in Frankfurt leitet jenen Werdegang Hegels ein, der ihn in seiner Jenaer Periode eigenständig in die Tradition der klassischen deutschen Systeme stellt. Vor dieser Wende, begeistert von der Französischen Revolution und der Möglichkeit, diese in angenommener weltbürgerlicher Solidarität irgendwie auf Deutschland ausdehnen zu können, geht es dem frühen Hegel gerade um das noch beim reifen Hegel mit dem Namen Rousseau verknüpfte Problem: „die Vorstellung geht unmittelbar in Handlung über.“ Dem Berner Hegel ist es noch nicht um neue begriffliche Konstruktion eines philosophischen Systems zu tun, sondern um eine aufklärerisch-praktische Überführung des von Rousseau und im Anschluss an ihn von Kant begründeten Prinzips der Freiheit in Wirklichkeit.
Die vorrevolutionäre Auseinanderlegung der menschlichen Tätigkeitsvermögen, wie sie in Descartes’ rationalistischem Dualismus anhebt, um, ohne für die Überführung in gesellschaftlich-praktische Emanzipation konzipiert zu sein, erst ein gedankliches Reich theoretischer Vernunft von der theologischen Bevormundung freizugeben, und wie sie in Kants Werk enzyklopädisch systematisch hervortritt, genügt nicht der Forderung nach einem einheitlichen gesellschaftlichen Ideal, welches der notwendigen Handlungseinheit von Aufklärern und Volksschichten greifbar wäre. Zu den Regeln, die sich aus seiner Methode ergeben, rechnet Descartes, „den Gesetzen und Einrichtungen seines Vaterlandes zu gehorchen“ und sich „ganz an den Gedanken zu gewöhnen, dass außer unseren eigenen Gedanken nichts vollständig in unserer Gewalt steht“.27 Die philosophische Tradition einschließlich Kant, welche „in einem System der Moral reine Moralität von Sinnlichkeit in abstracto“ sondert, reicht für die von Hegel geforderte Aufdeckung und emanzipatorische Beherrschung der „Triebfedern“ (10)28 des Handelns der Völker nicht aus; Hegel sieht, insofern Philosophie überhaupt auf Wirkung ausgerichtet ist, das „Wirkenwollen durch Verstand“ (21) der Aufgabenstellung, Freiheit in Wirklichkeit zu überführen, geradewegs entgegenstehen.
Fichtes „Handeln! Handeln! das ist es, wozu wir da sind“ wird zwar dem frühen Hegel 1795/96 sympathischer Republikanismus, aber diese Forderung ist in einer theoretischen Form in Anschluss an Kant begründet, die unterstellt, „entweder ganz Denker (zu) seyn, oder es gar nicht (zu) seyn“, um sich durch Rousseau „nicht irre leiten zu lassen.“29 Der frühe Hegel ist im Sinne der Fichteschen „Prüfung der Rousseauschen Behauptungen über den Einfluss der Künste und Wissenschaften auf das Wohl der Menschheit“ von 1794/95 „Denker“ genug, um die Tradition philosophischer Systeme, vor allem Kants, dann Fichtes, als unverzichtbares Instrument der geistigen Selbstverständigung zu verwerten. Aber die angesichts der Französischen Revolution hoffnungsvolle, aufklärerisch-praktische Intention, die den frühen Hegel auszeichnet, knüpft unmittelbar an die Varianten sozialer Wirksamkeit der Aufklärung an, um gerade jene zu erreichen, die „gar nicht“ Denker sind.
Zwischen den Bewertungen „theologische Periode“ oder „republikanische Periode“ liegt das Spannungsfeld der Interpretationen des frühen Hegel.30 Die Priorität des zwar nicht theologischen, aber religionspraktischen und religionskritischen Charakters der frühen Schriften Hegels steht außer Zweifel, nicht weniger Lukács’ Nachweis der, angesichts der Französischen Revolution republikanischen Motive beim Berner Hegel. Doch die Französische Revolution wirft den religiösen Mantel der bürgerlichen Emanzipation ab. Bringt der junge Hegel diese Welten der Revolution und Religion zufällig zusammen? Laufen sie bei ihm nur äußerlich parallel? Waren es überhaupt zwei einander fremde Ansatzstränge des frühen Hegel? Oder erscheinen sie deshalb als nicht notwendig zusammen denkbar, weil der Standpunkt des Hegemons der Übergangsprozesse zum Kapitalismus, der Bourgeoisie, und erst recht der Standpunkt späterer Epochen keinen historisch adäquaten Zugang zur Religion als auch breitenwirksamer Ideologie der vor allem kleinbürgerlich-revolutionären Aktivität in diesen Übergangsprozessen ermöglicht?
Zudem begegnet uns das bekannte Problem der Differenz zwischen welthistorischer Entwicklungstendenz und deutschem Entwicklungsrückstand, das Problem, die Ausstrahlungskraft der Französischen Revolution, aber auf der Grundlage der immanenten Voraussetzungen der historischen Prozesse in den deutschen Ländern, zu berücksichtigen. Setzt in diesem Zusammenhang der Ausdruck „republikanische Periode“ eine zu starke Assoziationskraft frei, die die Entwürfe des jungen Deutschen namens Hegel an die welthistorisch-revolutionäre Praxis in einem Maß bindet, das Hegels reale, nicht phantasierte, so oder so geistige, selbst nicht revolutionär-praktische Bezugnahme auf die Französische Revolution gar nicht erreichen konnte?

1.1 Die Einheit von Aufklärern und Volk

Kommt Hegel in Berner Fragmenten auf Jean-Jacques Rousseau zu sprechen, so auf eine Seele voller „Hochachtung für Tugend und moralische Größe“, die es zu verteidigen gilt vor öffentlichen, „nach den Regeln der Vernunft“ verfahrenden Verurteilungen. Rousseau mit Rousseau verteidigend sieht Hegel in der aufklärerischen Vernunft „ein Zeichen unserer Zeit und weiter nichts – nicht hohe Kultur, nicht Annäherung zum Zweck der Menschheit, zur Vollkommenheit“. Diese Vernunft fordert „Verachtung der Menschen“ (438). 1793 formuliert Hegel ein wichtiges Rousseausches, mit dem Sturm und Drang korrespondierendes Thema: „Aufklärung des Verstands macht zwar klüger, aber nicht besser“. (21) Der Verstand ist ein „Hofmann“ (22). „Mit den Fortschritten der Vernunft gehen unaufhaltsam viele Empfindungen verloren“ (56). Oder 1796 stellt Hegel einander gegenüber, „dass, während alle menschlichen Künste vervollkommnet worden sind und eine Generation von der anderen gelernt hat, die Moralität der Menschen allein nicht sichtlich zugenommen hat“ (189).
Winden laut Rousseau die modernen Wissenschaften und Künste in dem falschen Glauben, durch ihre Entwicklung einen zwiespaltlosen gesamtgesellschaftlichen Fortschritt bewirken zu können, in Wirklichkeit nur „Blumengirlanden um die eisernen Ketten“ der zivilisiert versklavten Völker31, sieht Hegel die soziale Funktion oder das „Geschäft des aufklärenden Verstandes“ darin, alle Materialien zur Verfertigung und Verschnörkelung jenes gegenwärtigen „allgemeinen Baus“ herbeizuschaffen, „an dem die ganze Menschheit arbeitet“, der aber je weitschichtiger und zusammengesetzter er wird, desto weniger „jedem einzelnen zu eigen“ gehört (27 f.). Dieser „allgemeine Bau“ sind die feudalabsolutistischen, die ganze Aktivität des Bürgers auf sein Eigentum beschränkenden (206), bereits verbürgerlichten Großmonarchien Europas, deren Bürger ein „Wir“ nur heucheln können (433/39). Die aufgeklärten „Buchstabenmenschen“ aber fordern, diesen allgemeinen Bau zu kopieren, so dass jedes Individuum integriert zu einem unfreien, brauchbaren Rädchen riesiger Staatsmaschinen wird (206). Rousseaus Geißelung des Fortschritts der Gattung zu Ungleichheit und Verlust der Persönlichkeit sowie seine Geißelung der Emanzipation einer Verstandeskultur für wenige auf Kosten sowohl der Ganzheit des einzelnen unteilbaren Ichs als auch der Gesamtheit der Individuen werden vom Berner Hegel zentral zur Geltung gebracht.
Gleich Rousseau lehnt Hegel Aufklärung ab, die in höfischen Diensten oder denen der Konkurrenz auf dem entstehenden Meinungsmarkt schon bürgerlicher Öffentlichkeit steht. Anstelle „räsonierender Aufklärung“ zur allgemeinen Verbreitung berechnender Klugheit fordert Hegel an Rousseaus Erziehungsideal orientierte Weisheit, die aus „der Fülle des Herzens“ spricht, statt „auf dem allgemeinen Markt eingekauft (zu sein), wo man das Wissen an jeden, der richtig bezahlt, hergibt“ (25). Eben im Sinne von Rousseaus savoyischen Vikar – „Ich habe Dir schon gesagt, dass ich mit Dir nicht philosophiere, sondern Dir nur helfen will, Dein Herz zu befragen“32 – rebelliert Hegel gegen die Bedürfnisse verdrängenden Disziplinierungsversuche des Herzens, der Empfindungswelt, des ganzen Menschen durch den Verstand oder die aufgeklärte Vernunft, wodurch der Mensch „nicht selbst handeln“ kann, vielmehr als „bloße Maschine“ behandelt und so neu versklavt wird. Wer hat noch nicht „herumschnattern hören“, wie eitle „Schwätzer der Aufklärung“ einander mit kahlen Worten „von der unbegreiflichen Dummheit des Volkes“ speisen und dabei „das heilige, das zarte Gewebe der menschlichen Empfindung“ übergehen. „In unseren vollgeschriebenen Zeiten“ gibt das „aufgedunsene Ansehen“ dieser, nur schale Universalmedizin feilbietenden „Marktschreier“ vielleicht „den Schein der Gesundheit, aber in allen Gliedern lähmt ein saftloses Phlegma die freie Bewegung“ (27 f.).
Um jene, wie Rousseau schreibt, „Wahrheiten, von denen das Glück des ganzen Menschengeschlechts abhängt“, geht es auch Hegel, nicht aber um die „metaphysischen Spitzfindigkeiten“ aufgeklärter Aristokraten des Geistes. „O Tugend! Du erhabene Wissenschaft der schlichten Seelen, in alle Herzen geprägt.“33 Die Bemühungen des jungen Hegel stehen im Zeichen der Herstellung einer Einheit zwischen Aufklärern und Volk. „So müssen endlich Aufgeklärte und Unaufgeklärte sich die Hand reichen […] dann herrscht ewige Einheit unter uns. Nimmer der verachtende Blick, nimmer das blinde Zittern des Volks vor seinen Weisen und Priestern. Dann erst erwartet uns gleiche Ausbildung aller Kräfte, des Einzelnen sowohl als aller Individuen […] Dann herrscht allgemeine Freiheit der Geister“ (235 f.)34. Die Philosophie hat den Beweis zu explizieren, „dass der Nimbus um die Häupter der Unterdrücker und Götter der Erde verschwindet. Die Philosophen beweisen diese Würde, die Völker werden sie fühlen lernen und ihre in den Staub erniedrigten Rechte nicht fordern, sondern selbst wieder annehmen, – sich aneignen –“. Für das Volk „wird freilich eine esoterische Philosophie bleiben“35, aber wodurch kann sie so wirken, dass die Völker ihre Würde fühlen lernen?

1.2 Die Umfunktionierung der Religion zum massenwirksamen Band der Einheit von Aufklärern und Volk

Taugt Hegel der Empirismus „schlechterdings“ nicht zur.Aufstellung von metaphysischen Grundsätzen der Freiheit, so muss doch, davon geht Hegel aus, die Erfahrung eines allgemeinen Sittenverfalls seit dem Niedergang der griechischen Poleis, nämlich, dass sich aus den Menschen alles, sogar die „größte hierarchische und politische Sklaverei“ hat machen lassen (30 f.), „vorzüglich in Anschlag gebracht“ werden. Sinnlichkeit, d. h. „die Abhängigkeit des Menschen von der äußeren und inneren Natur“, stellt das „Hauptelement bei allem Handeln und Streben der Menschen“ dar. Die Natur des Menschen „ist mit den Ideen der Vernunft gleichsam nur geschwängert“. (10 f.) Wenn also „davon die Rede ist, wie man auf die Menschen zu wirken hat“, so müssen „die Triebfedern zum Guthandeln sinnliche sein, um auf die Sinnlichkeit wirken zu können“. (12) Hegel befragt innerhalb seines aufklärerischen Denkhorizonts, der die Revolutionierung der sozialökonomischen Basis nicht tangiert, die Wirkungsmöglichkelten von Philosophie, Wissenschaft, Kunst und Religion für die Vorbereitung und Sicherung der politischen Emanzipation. Philosophie und Wissenschaft können infolge ihres sozial separaten Status und rein geistigen Charakters als massenwirksam nicht infrage kommen. Aber auch künstlerische Versuche, die die Reste von sinnlich wirkungsfähiger „Mythologie“ und „politischer Phantasie“ aktivierten, wie bei Hölty oder Bürger, „gehen für unser Volk wohl ganz verloren, da es, um des Genusses derselben empfänglich zu sein, in seiner übrigen Kultur zu weit zurück ist, wie auch die Phantasie der gebildeteren Teile der Nation von der der gemeinen Stände ein völlig anderes Gebiet hat und Schriftsteller und Künstler, die für jene arbeiten, von diesen schlechterdings […] ganz und gar nicht verstanden werden“. (198)
Hier reproduziert der junge Hegel das Grundproblem des volksaufklärerischen, nicht nur auf gebildete Kreise ausgerichteten Anliegens, das der Wirkungschancen von Aufklärung überhaupt. Schon der junge Herder, dem der frühe Hegel verwandt ist, hatte entschieden das Thema „Die Philosophie und das Volk“ aufgeworfen. Längst nicht mehr, wie „in der ältesten Zeit der griechischen und römischen Republik“, sind die „Sprache des Schriftstellers und gemeinen Volkes einerlei“. Die historischen Metamorphosen seit jener Zeit haben den Schriftstellern „das Wort Volk entrissen“. Philosophen bilden einen „eigenen Ameisenhaufen“. Es herrscht die Entgegensetzung, dass „die intellektualische Welt der Himmel, die Republik des Volkes die Erde sei – gleichsam zwei Seiten ein und derselben Münze“. Da „nach den heutigen Staatseinrichtungen keine eigentliche Demokratie und Regierung des Volkes mehr möglich“, ist das Publikum der Alten „ausgestorben“, selbst „bei dem Parlament in England“. In den „Staatsplänen Lykurgs und Solons“, auf die sich ebenfalls Hegel durchgehend, auch in Übereinstimmung mit Rousseau bezieht, war, schreibt Herder, „die Stimme des Volkes eine Stimme des Staates“.36 Im Kontext der Frage, welche Erfahrung welcher Klasse von Lesern als allgemeine Erfahrung unterstellt werden kann, ob die der verständig Aufgeklärten oder die „heiliger Einfalt“, verweist Hegel ausdrücklich auf Herder. Herder gilt Hegel als „der erste, vielleicht der einzige, der das Alte Testament“ vom „Standpunkt der Freiheit der Einbildungskraft“ behandelt und die notwendige, jeweils historisch bestimmte Wahrheit der Religion für die Volksphantasie gezeigt hat. (201 u. 215) Findet Hegel die Wahrheit der Religion für die Volksphantasie bei Herder zu sehr auf subjektive Wahrheit vereinseitigt, hat aber auch der Rousseau folgende Versuch Kants, das Religiöse auf objektivere Weise ganz und gar der Idee der Freiheit zu subordinieren, nur die Resultate, nicht den Nachweis der eigentlichen sozial-praktischen Glaubensgründe erbracht.37 Bei aller Hochachtung vor Kants systematischen Ableitungen ähnelt der junge Hegel dem jungen Herder, dem es um die kritische Erhellung der in den Völkern praktisch wirksamen Religionssysteme zu tun ist, und den nicht Religion interessiert, die nur noch das Objekt „des szientifischen Systematikers“ darstellt oder zum selbstgezimmerten „Raritätenkasten der Dichter“ wurde. Zu dieser Art von Religion „sind zum Glück wenig Völker gestiegen“.38
Die neuerliche Möglichkeit, dass Kant, schließlich sogar Fichte wieder der Theologie verwendbar werden, was Schelling und Hegel in ihrem Briefwechsel 1795 bewegt, zeigt die in Hegels Verständnis entstandene Leerstelle an, die einen wiederholten Rekurs zur Aufklärung provoziert. Hegel steigert sich im Ausdruck seines Anliegens, wie er es Schelling in Briefen mitteilt, von dem alten theologischen „Sauerteig auf die Seite zu schaffen“, bis: die Theologen „aus jedem Ausfluchtswinkel herauszupeitschen“.39 Schelling bestärkt Hegel darin, die Aufdeckung der praktischen Glaubensgründe, dieser „letzten Türe des Aberglaubens“, so bald als möglich zu bewerkstelligen. Aber doch bestärkt Schelling schon mit Konzentration auf das Problem, die Philosophie selbst weiter zu entwickeln, denn sie sei mit Kant noch nicht am Ende. Hegel erinnert, ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. Impressum
  3. Inhaltsverzeichnis
  4. Vorwort
  5. 1. Kleinbürgerlich-republikanische Aufklärung durch Religion (Bern 1793–1796)
  6. 2. Von der Neubelebung und dem Scheitern der kleinbürgerlich-republikanischen Heroismusform zur „Versöhnung“ mit den großbürgerlichen Resultaten der Revolution (Frankfurt 1797–1800)
  7. 3. Der napoleonisch-heroische Charakter des frühen Jenenser Programms der Hegelschen Philosophie
  8. 4. Die napoleonisch-heroische Rezeption des Smithschen Arbeitsbegriffes im „System der Sittlichkeit“ (1802/1803)
  9. 5. Transformation und Integration der Heroismus- und Arbeitsformen in Hegels Jenenser Systementwürfen (1803–1806)
  10. Literaturverzeichnis
  11. Personenregister
  12. Sachregister