Literater Sprachausbau kognitiv-funktional
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Literater Sprachausbau kognitiv-funktional

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Literater Sprachausbau kognitiv-funktional

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Aus einer soziokulturell-konstruktionsgrammatischen Perspektive rekonstruiert die Studie den literaten Sprachausbau des Mittelniederdeutschen, einen an das schriftliche Medium gekoppelten Sprachwandelprozess. Am Beispiel historischer Rechtstexte, bei denen es sich im Wesentlichen um spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Stadtrechtskodifikationen handelt, werden das Entstehen und der Wandel von Funktionswort-Konstruktionen beschrieben und erklärt. Diese sprachlichen Form-Funktions-Paare werden mit Blick auf das in der Arbeit entworfene historisch-grammatische Programm (Sociocultural Construction Grammar) als schriftsprachliche Entitäten gefasst, die sowohl kognitive Gestalten als auch sozial geteilte Größen sind.

Insgesamt versteht die Autorin die untersuchten Entwicklungen als soziogenetische Prozesse, die zur Ausdifferenzierung des kommunalen Konstruktikons der Recht-Schreiber beitragen. Dabei handelt es sich um ein sprachgemeinschaftliches Netzwerk an Konstruktionen, das – wie die Studie umfassend illustriert – an Komplexität zunimmt. Am historischen Beispiel vermittelt die Arbeit umfassende Einsichten in die kognitive und soziale Funktionalität von Grammatikalität.

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Information

Jahr
2018
ISBN
9783110572803

1Einführung

1.1Verortung der Arbeit im linguistischen Feld

Die vorliegende Dissertation versteht sich als eine primär kognitiv-funktional ausgerichtete Arbeit. Sie widmet sich dem historisch-grammatischen Phänomenbereich des literaten Sprachausbaus und berücksichtigt dabei soziopragmatische1 und -kulturelle2 Aspekte im besonderen Maße.3 Somit sieht sich die Arbeit den Prämissen und Herangehensweisen einer kulturwissenschaftlich fundierten Linguistik im Sinne eines kulturanalytischen Forschungsprojekts (Maas 1985a; Schröter 2014) verpflichtet. Angelehnt an Bybee (2010: 194) und Beckner et al. (2009) wird Sprache als komplexes adaptives Gebilde verstanden, das aus der Interaktion von Kognition, Kultur und Gebrauch im Kontext von Praktiken emergiert (vgl. Perkins 1992). Mit Hockett (1973: 675), einem der bedeutenden linguistischen Anthropologen des 20. Jhs., wird hinsichtlich des Verhältnisses von Sprachwissenschaft und Kultur bzw. Kulturanthropologie angenommen: „Linguistics without anthropology is sterile; anthropology without linguistics is blind“.4 Die Zuschreibung als steril kann an dieser Stelle im Sinne eines enthistorisierten Untersuchungsgegenstandes (Günthner/Linke 2006: 14) bzw. einer entkulturalisierten Sprachwissenschaft (Schröter 2014: 25; Jäger 2006; Ehlich 2006) verstanden werden. Dem entgegenwirkend wird postuliert, dass sich Sprachgeschichte zu einem hohen Grad als Kulturgeschichte5 konstituiert (von Polenz 2007; Gardt/Haß-Zumkehr/Roelcke 1999; darin v. a. Ágel 1999), wobei bzgl. des in dieser Arbeit zugrunde gelegten praxeologischen Kulturbegriffs auf Reckwitz (2003, 2008, 2010, 2014) zu verweisen ist: „Wenn wir von einer Kultur reden, dann reden wir über ein Phänomen, in dessen Mittelpunkt Praktiken stehen“ (Vogel 2007: 51). Sprache ist insbesondere für den Bereich der diskursiven Praktiken, also Praktiken der Konstruktion von Wissen – wie sie im Kontext der Rechtspraxis relevant sind –, von Bedeutung (Reckwitz 2010: 191).6
Auch Langacker (1994: 31) thematisiert den nicht von der Hand zu weisenden Zusammenhang von Kognition, Kultur und Sprache in der Kognitiven Linguistik7 – die linguistische Subdisziplin, in der die vorliegende Arbeit zu verorten ist:
However, the advent of cognitive linguistics can also be heralded as a return to cultural linguistics. Cognitive linguistic theories recognize cultural knowledge as the foundation not just of lexicon, but central facets of grammar as well. While I personally suspect that language has a substantial innate basis, I certainly envisage learning and culturally determined convention as having a far greater role. (ebd.)
Sprachlich-funktionale Anforderungen, die aus der Praxis erwachsen, spielen eine entscheidende Rolle hinsichtlich der Emergenz sprachlicher Konstruktionen. Der Konstruktionsbegriff – wie ihn u. a. Goldberg (1995, 1996, 2006) und Croft (2001, 2013) geprägt haben – ist entscheidend für das vorliegende Grammatikverständnis. Konstruktionen stehen in Form von Form-Funktions-Paaren als Lösungen kommunikativer Aufgaben, vor deren Hintergrund sie entstehen und sich weiterentwickeln, bereit.8 Sie sind sprachlicher Bestandteil zuvor angesprochener Praktiken. Besonders die historisch-diachrone Perspektive ermöglicht dabei einen Blick auf die kulturell- bzw. sozio-funktionalen Bezüge dieser Konstruktionen bzw. allgemeiner formuliert: der Grammatik (im Sinne von Ágel 1999: 179).9 Entsprechend dieser historisch-diachronen Perspektivierung wird auch ein Beitrag zur historischen Linguistik bzw. Sprachgeschichte geleistet, wobei v. a. die Geschichte bzw. Entwicklung des Mittelniederdeutschen (Mnd.) als zunehmend ausgebaute Schriftsprache des Spätmittelalters, deren Grammatik bzw. insbesondere Syntax allerdings bislang kaum erforscht ist (vgl. Schröder 2014: 150; Tophinke 2012: 19), fokussiert wird. Dabei ist zu betonen, dass Sprachgeschichte in diesem Kontext als Schriftsprachgeschichte aufzufassen ist.10 Ein Rückschluss auf Gesprochensprachliches auf Grundlage historischer schriftlicher Texte kann kaum bis nicht gezogen werden. Etwas anderes zu suggerieren, wäre schlichtweg falsch. Stattdessen wird die zunehmend konzeptionell schriftliche (Koch/Oesterreicher 1994) bzw. in der Terminologie nach Maas (2010) literate Sprache des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit bzw. genauer: deren Entwicklung hin zur literaten Formung als Sprachausbauphänomen in den Blick genommen. Untersucht wird die rechtsschriftliche Praxis zwischen 1227 und 1567.

1.2Untersuchungsgegenstand und -ziele

Somit steht der literate Sprachausbau des Mnd., das in historisch-grammatischer Perspektive einen bislang weitgehend marginalisierten Gegenstand darstellt, als zu untersuchender mediengebundener Sprachwandelprozess im Mittelpunkt. In einer diachronen Herangehensweise, die die soziokulturell bestimmte Praxis, die Ebene der Kognition und sprachliche Strukturen als Form-Funktions-Kopplungen in ihrem interdependenten sowie interaktiven, mitunter interkonstitutiven Zusammenwirken fokussiert, werden vor allem Grammem-Konstruktionen rund um nichtflektierbare Funktionswortarten als ein Phänomenbereich anzunehmender Ausbauprozesse in den Blick genommen. Dabei sind im Speziellen Schreibprodukte der historischen volkssprachlichen Rechtssetzungs-Praxis als ein für den literaten Ausbau prädestiniertes Untersuchungsmaterial einzustufen.11 Bei ihnen handelt es sich um Zeugnisse einer von besonderen Explizitheits- und Objektivitätsanforderungen motivierten Schreibpraxis (Tophinke 2012). Dass Funktionswortart-Konstruktionen wie subjunktionale oder präpositionale Konstruktionen eine wesentliche Rolle mit Blick auf die Formung expliziter Strukturen einnehmen, zeigen zahlreiche Forschungsbeiträge. Als relevante Größen im Kontext sich herausbildender Strategien des informationsdichten construal gehören sie dem Kernbereich des literaten Ausbaus an. Ebenso lassen sich anhand dieser Strukturen soziokulturelle Einflüsse auf Sprachwissen und -praxis ausmachen, die u. a. kollektivstilistische Überlegungen auf die Agenda rufen.
Ausgehend von diesem durchaus komplexen Untersuchungsgegenstand, dem – dies wird zu zeigen sein – bisherige grammatiktheoretische Ansätze ohne weitere grundlegende Modifizierungen nicht gerecht werden, ist die vorliegende Arbeit von den nachfolgenden Zielen motiviert. In Vorausschau auf die Theorie-Empirie-Gliederung der vorliegenden Dissertation lassen sich diese folgendermaßen bestimmen. Zu modellieren ist ein historisch-grammatisches Theoriegerüst, das im Rahmen eines „Grammatikgeschichte-anders-Schreibens“
a. die Ko(n)texteinbettung von Funktionswörtern relevantsetzt und auf diese Weise sowohl zur Annahme von Funktionswort-Konstruktionen (v. a. relevant: Kotext) als auch zu einer naheliegenden Prägung von Konstruktionen mit Blick auf (typische) Sprachverwendungszusammenhänge (v. a. relevant: Kontext) gelangt,
b. mit (synchronen) Gradienzphänomenen, die sich in unscharfen Grenzen zwischen diesen Funktionswort(art)-Konstruktionen sowie Überlappungsfällen äußern können und u. a. auf eine diachrone Gradualität in diesem Bereich zurückzuführen sind, umgehen kann,
c. und im Hinblick auf Sprachwandelprozesse sowohl individuell-/sozio-kognitive (Prototypisierung, Koerzionseffekte usw.) als auch soziopragmatische sowie -kulturelle Aspekte (u. a. Konventionalisierungsprozesse, Praktikergemeinschaften, kommunale Konstruktika) berücksichtigt.
Im Ergebnis soll ein theoretischer Rahmen entstehen, der für die weitere Arbeit relevante Beschreibungs- und Erklärungskategorien einführt und diese bereits mit Blick auf die Rechtsdomäne ausdifferenziert. Dieser sprachliche Funktionsbereich steht vor allem im Rahmen der tiefergehenden Auseinandersetzung mit dem mediengebundenen Sprachwandelprozess des literaten Sprachausbaus im Mittelpunkt des Interesses. Denn das zweite stärker theoriebezogene Ziel ist davon bestimmt, grundlegende, von unterschiedlichen Wissenschaftlern vorgelegte Überlegungen zum (literaten) Sprachausbau konstruktionsgrammatisch auszudeuten und in diesem Kontext ein Modell des sprachlichen Ausbaus zu entwerfen, dessen
a. sprachentwicklungstheoretisches Verständnis die linguistischen Ebenen übergreifend fundiert ist (Konstruktionsbegriff),
b. dessen zur Interpretation der sprachlichen Befunde heranzuziehende Bezugsgröße stets die sich ebenfalls entwickelnde (Lebens-)Praxis ist, wobei unter Berücksichtigung dieser Prämisse
c. der Fokus insbesondere auf eine anzunehmende Domänen-/Praktikentypik spezifischer Konstruktionalisierungen zu richten ist.
Zu klären ist in diesem Zusammenhang das Verhältnis von literaten Sprachausbaukonstruktionen und Annahmen einer durch Sprachausbau ggf. zunehmenden linguistischen Komplexität. Angestrebt wird eine für die relevantgesetzte Domänen-/Praktikentypik sensibilisierte Herangehensweise an komplexe Sprache, was Überlegungen zu einer funktionalen, sozialsymbolischen Motiviertheit sprachlicher Komplexität befruchtet.
Das empiriebezogene Ziel der Arbeit besteht in der Exemplifizierung der theoretischen Überlegungen auf Grundlage eines zur Untersuchung aufbereiteten Ausschnitts der mnd. Rechtsschriftlichkeit, d. h. darin,
a. mnd. Funktionswort-Konstruktionen im literaten Sprachausbau anhand eines rechtsschriftlichen Korpus, das sich aus Stadtrechtskodifikationen des Spätmittelalters sowie der Frühen Neuzeit (1227–1567) zusammensetzt, zu fassen,
b. deren Entwicklung korpusbezogen zu rekonstruieren, indem zu einzelnen Zeitpunkten empirisch attestierbare Konstrukte (Realisierungen von Konstruktionen) in ein diachrones Verhältnis zueinander gesetzt werden, und
c. dabei dem Anspruch eines kulturanalytischen Forschungsprojekts, in dessen Rahmen Grammatikgeschichte Einsichten in Kulturgeschichte ermöglicht, gerecht zu werden (u. a. Kontrastieren mit Ergebnissen eines mnd. Vergleichskorpus).
Vor diesem Hintergrund sind grundlegende Fragen nach der methodischen Umsetzung zu beantworten. Sie betreffen u. a. den korpusbezogenen sprachebenen-übergreifenden Zugriff auf Muster kookkurrenten Auftretens unterschiedlicher sprachlicher Merkmale, die Gewichtung von qualitativen und quantitativen Anteilen sowie den kulturanalytischen Untersuchungsschritt. Gleichfalls stellen sich in diesem Zusammenhang auch spezifischere Fragen, bspw. hinsichtlich der Auswahl an zu besprechenden Sprachausbaukonstruktionen im Funktionswortbereich, denen stets mit Blick auf die dargelegten theoretischen Prämissen nachzugehen ist. Zusammengefasst: In empirischer Hinsicht stehen die Analyse, Ergebnispräsentation und -diskussi...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
  6. Konventionen
  7. 1 Einführung
  8. 2 Forschungsstand
  9. 3 Theoretischer Rahmen: Kognitive und soziokulturelle Dimension
  10. 4 Literater Sprachausbau: Historische Rechtsschriftlichkeit
  11. 5 Korpusgrundlage und Methodik
  12. 6 Untersuchungsergebnisse
  13. 7 Im kulturanalytischen Horizont: Zu den herausgearbeiteten Konstruktionen
  14. 8 Zusammenfassung und Weiterführendes
  15. Literatur
  16. Sachregister