Bankenaufsicht, unkonventionelle Geldpolitik und Bankenregulierung
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Bankenaufsicht, unkonventionelle Geldpolitik und Bankenregulierung

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Bankenaufsicht, unkonventionelle Geldpolitik und Bankenregulierung

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Über dieses Buch

In dieser Studie wird die Höhe von Risikoprämien in Industrieländern, die Rolle von Quantitative Easing und die Bedeutung der veränderten Bankenregulierung nach der Bankenkrise sowie im Kontext des Brexit untersucht.Vor dem Hintergrund der Geldpolitik in den USA, in GB und in der Eurozone werden neue Politikperspektiven entwickelt und Reformen vorgeschlagen.
Die Studie richtet sich an Wirtschaftswissenschaftler, Politologen, Banker und Bankenaufseher.

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Information

Jahr
2018
ISBN
9783110579307

1Einführung

Fragen der Bankenstabilität gehören seit der Transatlantischen Bankenkrise und auch wegen der Eurokrise – mit einer sichtbaren Verbindung von hohen Staatsschuldenquoten und latenter Bankeninstabilität infolge hoher Investitionen von Banken in nationale Staatsschuldtitel – zu den für Wirtschaft und Wirtschaftspolitik in Europa bzw. Deutschland wichtigen Kernproblemen. Dabei konnten nach der Transatlantischen Bankenkrise dank Reformen zur Bankenaufsicht in den USA und der EU28 sowie angekündigten institutionellen Neuerungen bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (im Vorfeld zunächst bei G20) Stabilisierungserfolge über eine verbesserte Banken-Aufsichtsstruktur erreicht werden. In den USA und UK erfolgte eine relativ zügige Stabilisierung der jeweiligen Bankensysteme nach der Transatlantischen Bankenkrise 2007-09, während in der Eurozone Banken mit hohen Anteilen an nicht einbringlichen Forderungen auch 2017 in einigen Ländern noch eine wichtige Rolle spielten: etwa in Spanien (Abwicklung der Banco Popular – ohne Nutzung von Steuergeldern), Portugal, Zypern, Griechenland und auch in Italien, wo im Sommer 2017 von der Europäischen Kommission nationale Bankenrettungen bzw. Rekapitalisierungen bei zwei nicht systemrelevanten Regionalbanken in der Region Veneto ebenso erlaubt wurden. Die Staatshilfen betragen 17 Mrd. € - wie von der EU und der EZB staatliche Hilfen für die Großbank Monte dei Paschi di Siena genehmigt worden sind; sie erhielt 8,8 Milliarden Dollar an staatlicher Rekapitalisierung, was auf einen Staatsanteil von etwa 70% für die älteste Bank der Welt (gegründet 1472) hinausläuft. Ein im EU-Regelwerk (Bankenabwicklungsrichtlinie: BRRD) eigentlich vorgesehenes Bail-in privater Bank-Anleihe-Investoren unterblieb bei den vorrangigen Anleihe-Haltern, was man als Regelverstoß der Bankenunion werten könnte.
Die Anreiz-Funktion für Bankanleihe-Käufer, sich nämlich genauer mit der Solvenz und Liquidität des emittierenden Institutes zu beschäftigen, entfällt durch die großzügige Staatsrettung für die beiden italienischen Regionalbanken. Italiens Staatsverschuldung steigt hier wegen der Bankenrettungen und ob die Probleme der Banken dauerhaft gelöst werden können, ist noch unklar; die Problemaktiva der beiden Regionalbanken werden einer „Bad Bank“ übertragen, die gesunden Aktiva/Passiva gehen ansonsten an die Banca Intesa. Hier fallen Entscheidungsmacht und Haftung wieder einmal auseinander, denn die Investoren in nachrangige Bankanleihen werden bei den genannten Problemfällen teilweise noch vom Staat entschädigt und indirekt kann man das Thema gemeinsame EU-Einlagensicherung noch weiter von sich weisen als bisher – Italiens Verhalten steht für Moral Hazard (Moral-Risiko). Im Vergleich zu den USA fehlt in der Eurozone eine energisch handelnde Gemeinschaftsinstitution, die als supranationale Behörde nach technokratischen Aspekten bzw. ohne Politisierung insolvente Banken abwickelt (Die langjährige Wachstumsschwäche Italiens, die seit 1995 besteht, und der anderen genannten Krisenländer spielt natürlich für das Thema Forderungsausfälle bei Banken in Italien eine wichtige Rolle. Es ist nicht ausgeschlossen, dass bei fehlendem wirtschaftspolitischen Reformprogramm Italien in einigen Jahren aus der Eurozone austritt, wobei manche Kritiker der Eurozone schon jetzt argumentieren, dass dann Italien über Abwertungen seine internationale Wettbewerbsfähigkeit wird wiederherstellen können. Während eine reale Abwertung mittelfristig die Netto-Güterexporte in der Regel steigert – bei Geltung der Marshall-Lerner-Elastizitätsbedingungen –, ist jedoch zu bedenken, dass etwa im QUEST-Modell der Europäischen Kommission eine Abwertung langfristig zu Kostensteigerungen bei importierten Vorprodukten und damit zu weniger Wettbewerbsfähigkeit führt; mehr Innovationsdynamik also ist hier das Schlüsselwort.
Aus Sicht Deutschlands, wo man sich auf Seiten der Bundesregierung bei der Bankenunion um die „Altfälle-Kosten“ sorgt, ist man vermutlich nunmehr noch weniger bereit als bisher, eine gemeinsame Einlagensicherung mit zu tragen. Das wiederum hieße, dass man letztlich auch bei der Stabilisierung der Währungsunion nicht richtig voran kommt, was umso problematischer ist, da nach dem BREXIT der Druck auf osteuropäische EU-Länder steigen wird, in die Eurozone einzutreten – vor allem um eine weitere politische Isolation zu vermeiden. Man wird es aber kaum klug nennen können, wenn in eine unzureichend reparierte Währungsunion auch noch zahlreiche neue Mitglieder aus Osteuropa eintreten werden.
Was die Stabilität der EU-Finanzmärkte bzw. des Banken- und Versicherungssystems angeht, so sind angemessene Regulierungen wichtig; insbesondere solche, die die Unterlegung von Risiken durch Eigenkapital betreffen. Die seit der Transatlantischen Bankenkrise vorgenommenen regulatorischen Verschärfungen in den USA, der EU und der Schweiz sollte man im Rahmen einer Überprüfung nochmals seitens der Aufsichtsbehörden genauer betrachten. Die potenzielle Eigenkapitalstärkung des Bankensektors bzw. die Minderung des Systemrisikos durch Contingent Convertible Bonds (Coco Bonds: bei bestimmten kritischen Bankentwicklungen erfolgt die Umwandlung dieses Bank-Bonds in Eigenkapital, was im Fall einer Systemkrise die Systemstabilität des Bankensektors mit wiederherstellen kann) ist ein ökonomisch vernünftiger Ansatzpunkt. Das Umwandlungsrisiko bei Coco-Bonds in Bank-Eigenkapital wird sich im Markt durch einen Zinssatz oberhalb des Standard-Bondszinssatzes abbilden. Zu fragen ist allerdings einerseits, weshalb etwa in der EU auch Banken solche Coco-Bonds halten dürfen, da ja für die Systemstabilisierung in einer Krise gerade die Zuführung von mehr Eigenkapital in den Bankensektor insgesamt für eine Stabilisierung des Sektors entscheidend ist. Andererseits stellt sich die Frage, wie die Regulierungsvorschriften bei der Eigenkapitalunterlegung sind, soweit institutionelle Anleger wie Versicherungen oder Rückversicherungen in Coco-Bonds investieren wollen. Wie man mit Default-Risiken und Volatilitätsrisiken von Seiten der Aufsichtsbehörden umgeht, ist eine wichtige Frage, wobei hier Versicherungsaufsichtsfragen mit Bankenstabilitätsfragen verbunden sind.
Infolge des BREXIT bzw. des wohl absehbaren EU-Austritts Großbritanniens am 29. März 2019 sowie der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten hat sich das Interesse an Fragen der Stabilität bzw. der Deregulierung von Bankensystemen nochmals verstärkt. Denn die Trump-Administration hat durchblicken lassen, dass man wohl eine gewisse Deregulierung des US-Finanzsystems anstrebt bzw. Teile des Dodd-Frank Act aufheben will. Großbritannien, das schon gegen die neue Bonus-Begrenzungsregel der EU vor den Europäischen Gerichtshof gehen wollte – allerdings dann unter der Cameron-Regierung darauf letztlich verzichtete –, dürfte im Verlauf des BREXIT zu neuer Deregulierung des Bankensektors schreiten, um die im Zuge des BREXIT absehbaren Wachstumsverlangsamung bzw. dem drohenden Abzug internationaler Banken aus London entgegen zu wirken. Solche Banken sind für den Finanzplatz London traditionell wichtig, wobei der BREXIT für die Großbanken in London wohl den Verlust des bisherigen EU Passports – erlaubt von London aus Aktivitäten im gesamten EU-Binnenmarkt – bringen wird. Der BREXIT wird wohl eine deutliche Beschränkung beim EU27-Marktzugang von London aus für die Zukunft bzw. nach der Realisierung des BREXIT bedeuten und führt zu einer Verlagerung von Bankaktivitäten von UK in einige EU27-Länder mit attraktiven Standortbedingungen für Banken und andere Finanzdienstleister. Diese Verlagerungsdynamik selbst kann in der Bankenaufsichtspraxis durchaus zu einer gewissen Aufweichung der neuen Regeln führen, denn die Konkurrenz mehrerer EU-Länder um umsiedlungswillige Banken aus Großbritannien mag einen Teil der Aufsichtspraxis in der Eurozone bzw. der EU auflockern lassen.
Es stellt sich die Frage, wie sich die neue Aufsichts-Architektur in Europa bzw. den G20- bzw. den OECD-Ländern entwickelt und wie die neueren EU-Entwicklungen sich auswirken dürften; und zwar in einem zinsmäßig unnormalen extremen Niedrigzinsumfeld für USA, UK – verstärkt durch den BREXIT bzw. das Referendum von 2016 – und für die EU27 bzw. die Eurozone. Dass die Europäische Zentralbank (EZB) seit 2010 deutlich an Einfluss in der Wirtschaftspolitik gewonnen hat, ist unverkennbar, da neben der Aktivitätssäule der Geldpolitik auch die Großbankenaufsicht bei der mikroprudenziellen Aufsicht zu einem Hauptfeld der EZB geworden ist; ergänzend um die ohnehin von der EZB angeführte makroprudenzielle Aufsicht. Die Rolle einzelner Zentralbanken aus EU-Ländern ist dabei weiterhin wichtig, wobei etwa die Deutsche Bundesbank wie die Banque de France oder die Nederlandsche Bank hohe Reputation in die Sachdebatte zu geld- und aufsichtspolitischen Fragen einbringen können. Für die Stabilität von Finanzsystemen wichtig sind:
eine Begrenzung und Kontrolle von systemischen Externalitäten;
hinreichende Eigenkapitalquote bzw. Schock-Abfederungsmöglichkeiten bei Banken und anderen Anbietern im Finanzsystem: hier ist etwa an zusätzliche Eigenkapitalanforderungen für systemrelevante Finanzakteure zwecks Begrenzung eines denkbaren Aufbläheffektes zu denken;
Verankerung von sinnvollen Anreizen für Investoren und Finanzdienstleister; so sind etwa kontrazyklische Kapitalpuffer-Vorgaben mit Blick auf wünschenswerte Eindämmungen von Prozyklus-Effekten erwägenswert (auch sind z.B. Loan-to-Value-Obergrenzen oder Debt-to-Income-Grenzen oder Debt service to income-Grenzen denkbar);
ausreichende internationale Verzahnungen der aufsichtsrechtlichen Akteure wie nationale Zentralbanken, Europäische Zentralbank, BIZ und IMF/G20.
Im Europäischen System der Finanzaufsicht (European System of Financial Supervision: ESFS) wirken auf der mikroprudenziellen Ebene 28 nationale Aufsichtsbehörden plus drei EU Institutionen zusammen; makroprudenziell wirken der Europäische Ausschuss für Systemstabilität (European System Risk Board: mit Fokus auf Banken, Versicherungen, Marktinfrastruktur) unter EZB-Führung und das Financial Stability Committee der EZB (FSC: zuständig für Banken bzw. Möglichkeit, verstärkte Aufsicht bei nationaler Regulierung anzumahnen) mit den nationalen Finanzstabilitätskomitees und sechs EU-Institutionen, inklusive EZB, zusammen. In Deutschland sind im German Financial Stability Committee die Deutsche Bundesbank – mit Vetorecht – das Finanzministerium (Vorsitz) und die BaFin sowie die als bundeseigene Abwicklungsanstalt wirkende FSM (siehe Anhang) vertreten; dieses Committee realisiert auf nationaler Ebene die makroprudenzielle Finanzmarktaufsicht bzw. ist Ansprechpartner für die EZB bzw. den European Systemic Risk Board (ESRB). Bei der Verschärfung der Bankenaufsicht nach der Bankenkrise ist normativ gesehen darauf zu achten, dass die Aufsichtsvorgaben bzw. –belastungen für die eher regional agierenden Banken adäquat ausfallen; jedenfalls nicht durch sachlich nicht gerechtfertigte übermäßige Komplexität zu einem Bremsfaktor der Kreditvergabe etwa bei Sparkassen und Volksbanken werden. Natürlich werden aber sehr große Banken oder Sparkassen ab den relevanten Schwellenwerten gleichen Vorschriften der EZB unterliegen wie die Großbanken, wobei insgesamt Wettbewerbsverzerrungen in der Kreditwirtschaft zu vermeiden sind.
Die Transatlantische Bankenkrise 2007-09 hat zu erheblichen negativen realwirtschaftlichen Effekten und markanten Anstiegen bei den Staatsschuldenquoten vieler OECD-Länder geführt – letzteres weil der Staat in diesen Ländern über massive kreditfinanzierte Konjunkturprogramme intensive Rezessionsphasen zu bekämpfen hatte und destabilisierte Großbanken über Kapitaleinschüsse oder Beteiligungen (oder gar umfassende Verstaatlichungen) rekapitalisierte. Die EU-Bankenaufsicht hat sich durch die weitgehende Übernahme der Großbankenaufsicht durch die Europäische Zentralbank verändert bzw. ist damit teilweise zentralisiert worden, wobei die EZB auch federführend beim European Systemic Risk Board aktiv ist, dem die makroprudenzielle Aufsicht in der Eurozone obliegt: also die im makroökonomischen Kontext wesentlichen Risiken für die Banken- bzw. Finanzmarktstabilität – zusammen mit nationalen Behörden-/ Bankenaufsehern – auf dem Analyse-Radar hat. Geht man davon aus, dass die im G20-Rahmen bzw. bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich vereinbarten Grundlinien für die internationale Bankenaufsicht sinnvoll entwickelt werden, so sollte sich international ein effizienz- und innovationsförderlicher Wettbewerb unter Banken und anderen Finanzmarktakteuren ergeben; jedenfalls sofern auch die nationalen bzw. supranationalen Akteure der Bankenaufsicht ihre Aufgaben erfüllen, wozu auch das Aufnehmen neuartiger Finanzmarktanbieter – wie der Fintechs – oder die Nutzung der neuen digitalen Währung Bitcoin gehört. Die EU wie die USA sind seit dem Lehman-Brothers Konkurs am 15. September 2008 – dem sichtbaren Kern der Transatlantischen Bankenkrise – von dem Bemühen um eine verbesserte Bankenaufsicht geprägt, wobei in der Eurozone noch besondere Anstrengungen zur Umsetzung einer Kapitalmarktunion hinzukommen.
Es gab nur wenige Ökonomen, die die Bankenkrise vorher sahen, wobei insbesondere Rajan (2005) mit seinem Beitrag auf der Jackson Hole-Konferenz zu erwähnen ist und zudem Artus/Virard (2005). Schon Rajan hatte betont, dass die zunehmende Verbriefung von Krediten und deren Platzierung in Bank-Töchtern bzw. Spezialgesellschaften (Special Purpose Vehicles: SPV) außerhalb der Bankbilanzen zu Intransparenz bei Kredit-Risiken bzw. negativen Anreizen bei der Kreditvergabe-Sorgfalt von Banken führte. Hinzu kam die Gefahr, dass ähnliche Bonus-Entlohnungssysteme von großen Fonds und Banken zu einem möglicherweise problematischen Herdenverhalten auf den westlichen Finanzmärkten führen konnten. Auch dies könnte ein Destabilisierungsfaktor werden.
Die Basel-II-Eigenkapitalvorgaben, die mit Blick auf eine Mindesteigenkapitalquote von 8% eine risikodifferenzierte Eigenkapitalunterlegung von verschiedenen Bank-Bilanzpositionen vorsahen, wurden letztlich dadurch ausgehebelt, dass viele Großbanken vor allem eine Expansion des Kreditgeschäfts über langfristige Kredit-verbriefungen bzw. die Platzierung der entsprechenden Papiere im Kapitalmarkt realisierten. Dabei haben die SPVs in der Regel eine Refinanzierung über kurzfristige Commercial paper betrieben – zu meist guten Konditionen in Normalzeiten, die mit auf einer jeweils großen Kreditlinie der Mutterbank an die jeweilige SPV-Tochter basierte.
Dieses Geschäftsmodell des Originate-and-Distribute (Verbriefungsstrategie inklusive Verbriefungsproduktabsatz im Kapitalmarkt) begünstigte ungewöhnlich niedrige nominale und reale Zinssätze und damit einen kreditfinanzierten Boom, der in den USA, Irland, Großbritannien, Spanien, Griechenland und einigen anderen EU-Ländern wesentlich zu einer Blase an den Immobilienmärkten und entsprechendem starkem Wachstum der Hypothekenkredite führte. Denn viele Verbriefungen betrafen private Hypothekenkredite. Die nominalen Kreditvolumina stiegen in der EU vor allem in Irland und Spanien (siehe Anhang 2) in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts absolut und relativ zum nominalen Bruttoinlandsprodukt enorm an. In Spanien spielten Korruptionsprobleme (Garicano, 2012) und eine schwache nationale Bankenaufsicht eine wichtige Rolle, so dass sich beim ersten Punkt, Korruption, ein wichtiges Teilelement der Asienkrise 1997/98 nun in einem Teil der Eurozone wiederholte. Transaparency International weist für viele Länder regelmäßig Analyseergebnisse zu Korruptionsgraden in Ländern aus. Nach der Asienkrise hatte der IWF mit dem neuen Monitoring-Instrument des Financial Sector Assessment Program (FSAP) ein Signal für mehr Transparenz und Qualität der nationalen Bankenaufsicht gegeben – eine Wiederholung der Asienkrise sollte so vermieden werden. Das FSAP-Instrument des IWF kann grundsätzlich als sehr wertvoll gelten, sofern es analytisch sauber aufgesetzt wird; Zweifel hieran ergaben sich etwa im Irland-Kontext, wo der FSAP des IWF noch Mitte 2006 bekundete, dass es im Bankenbereich keine Probleme gebe; nur im Bereich Rückversicherung. Zur Qualität der FSAP-Arbeiten des IWF besteht wenig Transparenz und das FSAP in Europa war im Vorfeld der Bankenkrise nicht nur im Fall Irland sonderbar zweifelhaft. Solide Datenverfügbarkeit zu Schlüsselfeldern von Wirtschaft und Finanzen ist wesentlich, wobei einige besonders interessante Daten von der OECD bereitgestellt werden.
Damit die meist bankeigenen SPVs eine günstige Finanzierung im US/EU- Kapitalmarkt durch Commercial papers erhielten, gab die Muttergesellschaft bzw. Bank dem eigenen SPV jeweils eine großzügige Kreditlinie, stattete jedoch SPVs meist mit sehr wenig Eigenkapital aus. Für Außenstehende weithin unsichtbar – und nicht abgebildet in Bankbilanzen – blieben faktisch die Kreditvergaberisiken aus den Verbriefungen letztlich doch im Zweifelsfall bei den Großbanken, die sich häufig selbst verdeckt Klumpenrisiken geschaffen hatten, wobei die oft schwachen Prüfungen der Kreditwürdigkeit von Kreditnehmern etwa im Immobilienbereich die eigenen Risiken erhöhten: Denn spätestens wenn ein SPV die Kreditlinie der Mutterbank ziehen wollte, musste diese die Geschäfte und damit auch die Anleihenbestände wieder in die eigene Bilanz holen. Über Geschäftsbeziehungen unter den Großbanken entstanden wiederum potenzielle Infektionsmechanismen im ganzen Bankensystem und in dem Augenblick, wo fast jede Großbank in westlichen OECD-Ländern ähnlich riskante verdeckte Kreditgeschäfte bei Konkurrenzbanken vermutete, waren die Interbankenmärkte bald wie eingefroren (Liquiditätskrise). Damit wiederum sank der Geldangebotsmultiplikator für die exogene Geldbasis der jeweiligen Zentralbanken – etwa in UK oder in der Eurozone sowie in anderen EU-Ländern.
Neuere Befunde zu den Ursachen der Bankenkrise 2007-09 (siehe Kapitel 2) haben auch die Wichtigkeit bzw. Rolle der Leistungsbilanzungleichgewichte bei der Entstehung der Banken- und Finanzkrise nochmals verdeutlicht. Die Ungleichgewichte wurden nur zum Teil abgebaut, so dass der Druck, der auf den Defizitländern liegt, nach wie vor groß ist. Jeder Leistungsbilanzüberschuss ist bei flexiblen Wechselkursen mit einem Netto-Kapitalabfluss bzw. Netto-Kapitalexport verbunden. Das Kapital fließt wiederum den Defizitländern zu und erhöht somit tendenziell auch das Risiko einer weiteren Krise. Auch Goodhart (2011) geht in seinem Papier auf diese Thematik zum Teil ein. Ein Mehr an verbesserter makroprudenzieller Aufsicht dürfte unabdingbar Teil von mehr Finanz- und Systemstabilität in der Zukunft sein – in der EU und in den OECD-Ländern insgesamt.
Wegen der Ähnlichkeit der Geschäftsmodelle in den Großbanken in den USA und wichtigen EU-Ländern entstand dann später – nach dem Konkurs der US-Investmentbank Lehman Brothers – das Problem, dass der nach bekannt gewordenen Rückzahlungsproblemen bei privaten Immobilienkrediten einsetzende Kollaps des SPV-Refinanzierungsprozesses über den austrocknenden Commercial paper-Markt in 2007/2008 in den USA und dem Vereinigten Königreich zu einem Zusammenbruch des Interbankenmarktes auch in EU- Ländern führte. Da jede Großbank wusste, dass andere Großbanken die eigenen fragwürdigen Geschäftsmodelle mit gewissen Modifikationen ebenfalls realisiert hatten, nun aber von den refinanzierungslosen SPVs die risikomäßig relativ schlechten Kreditverbriefungsprodukte auf die eigene Bilanz zurücknehmen mussten, war die Bereitschaft zu der bis dahin üblichen ungesicherten Interbanken-Kreditvergabe im Herbst 2008 dann kaum noch vorhanden.
Das aber bedeutete mit Blick auf die Eurozone, dass Banken mit Überschussliquidität diese im Kern vor allem bei der Europäischen Zentralbank halten wollten: Der Geldangebotsmultiplikator n’, der die Geldmenge M beschreibt über die Gleichung M= n’Bex (mit Bex für exogene Geldbasis) wird daher entsprechend sinken, so dass eine Ausweitung der Zentralbank-Bilanz nicht die früher übliche Erhöhung der Geldmenge haben sollte – vereinfachende Inflationswarnungen im Kontext der Ausweitung der Zentralbank-Bilanz waren von daher fehl am Platze. Der Geldangebotsmultiplikator hängt im einfachsten Modell von wenigen Parametern ab, auf die einerseits die Zentralbank einen Einfluss hat, aber auch solche Parameter, die Stellgrößen des privaten Bankenverhaltens widerspiegeln. Daher führten die im weiteren sich ergebenden Ausweitungen der Zentralbank-Bilanzen, etwa im Zuge des Ankaufs von Staatsanleihen (zunächst in den USA und UK, später auch in der Eurozone) keineswegs zu inflationären Entwicklungen, wie sie viele Kritiker der unkonventionellen Geldpolitik bzw. des Quantitative Easing befürchteten. Die US-Zentralbank fürchtete im Anschluss an die Bankenkrise eher Deflationsdruck, wobei auch in der Eurozone mittelfristig – teilweise auch beeinflusst von der Eurokrise – sehr geringe Inflationsraten nahe Null beobachtet wurden und temporär leichte Deflationsphänomene zu beobachten waren...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Abbildungsverzeichnis
  6. Tabellenverzeichnis
  7. 1 Einführung
  8. 2 Risikoprämien-Entwicklung in USA, UK und der Eurozone
  9. 3 Die Rolle der Kapitalverkehrsströme für Finanzmarktkrisen
  10. 4 Quantitative Easing: Analytische Aspekte
  11. 5 EU-Bankenaufsichtsreform und Aspekte der Wirtschaftspolitik
  12. 6 Perspektiven für Europa nach dem BREXIT
  13. 7 Anhang 1: Risikoprämien
  14. 8 Anhang 2: Kreditentwicklung in dem privaten und nicht finanziellen Sektor
  15. 9 Anhang 3: Trend Output Decline after the Banking Crisis
  16. 10 Anhang 4: Makroprudenzielle Aufsicht
  17. 11 Anhang 5: FDI restriction indices
  18. 12 Anhang 6: Wirtschaftswachstum, Direktinvestitionen und Finanzmärkte
  19. 13 Anhang 7: Profitabilität im Banken-, Versicherung- und anderen Finanzsektoren
  20. 14 Anhang 8: Auswirkung der Bankenunion auf Fusionen und Übernahmen in der Eurozone
  21. Literaturverzeichnis