Hitlers Steuerstaat
eBook - ePub

Hitlers Steuerstaat

Die Steuerpolitik im Dritten Reich

  1. 668 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Hitlers Steuerstaat

Die Steuerpolitik im Dritten Reich

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Die Studie analysiert die Steuerpolitik im Dritten Reich und arbeitet sowohl deren Bedeutung für die Staatsfinanzierung als auch die Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft heraus. Sie zeigt, dass auch die Steuerpolitik im Dritten Reich kein von Fachleuten betriebener ideologiefreier Politikbereich darstellte, sondern dass das Reichsfinanzministerium die Steuerpolitik vielfach zur Realisierung nationalsozialistischer Ziele wie etwa einer höheren Geburtenrate einsetzte. Hierfür werden die fiskalischen Ziele und die Entscheidungsprozesse in zahlreichen finanzpolitischen Fragen (Kriegsfinanzierung, Steuerbelastung der Bevölkerung etc.) untersucht, aber auch die durchaus nicht machtlose Stellung des Reichsfinanzministeriums innerhalb des NS-Regimes betrachtet, das deren Kriegskurs erst ermöglichte. Auch der Beitrag von Minister Schwerin von Krosigk und dessen Staatssekretär Reinhardt sowie der Ministerialbürokratie an NS-Unrechtstaten wie der steuerlichen Diskriminierung von Juden wird detailliert herausgearbeitet. Schließlich nimmt die Studie verschiedene steuerpolitische Einzelmaßnahmen wie z.B. die Reaktion der Steuerzahler oder die Strafverfolgung von Steuerhinterziehungen unter dem Gesichtspunkt der NS-Ideologie in den Blick.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Hitlers Steuerstaat von Ralf Banken im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus History & 20th Century History. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2018
ISBN
9783486992601

1.Einleitung

„... but in this world nothing can be said to be certain, except death and taxes.“ Benjamin Franklin (1706–1790)
Steuern sind eine der Universalien der Menschheitsgeschichte. Auch wenn sie unter verschiedenen Bezeichnungen und Formen (Opfer, Tribut, Zehnt oder Bede) erhoben wurden und sich von heutigen Steuern deutlich unterschieden, waren sie bereits in vor- und frühgeschichtlichen Gesellschaften ein Teil jedweder Herrschaft. Der moderne Steuerstaat entstand jedoch erst sukzessive in der Neuzeit, und seine Ausbildung war ein essenzieller Teil des Staatswerdungsprozesses, der auch in Europa vielfach erst im 19. Jahrhundert zum Abschluss kam. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Staatsausgaben zahlreicher deutscher Territorien weniger als zur Hälfte durch Steuern finanziert.
Das heutige Steuersystem ist noch jünger und besteht seit der grundlegenden Steuerreform Matthias Erzbergers 1921 noch nicht einmal 100 Jahre. Wie in den meisten anderen industrialisierten Ländern basierte auch der Reichs- und Bundeshaushalt seitdem – mit Ausnahme des Zweiten Weltkriegs – zu 80 bis 90% auf Steuereinnahmen. Erst diese ständige und stark sprudelnde Einnahmequelle erlaubt die zahlreichen Leistungen des heutigen Interventions- und Sozialstaats.
Um die staatlichen Maßnahmen zu finanzieren, sind daher zahlreiche wirtschaftliche Aktivitäten und Tatbestände mit Steuern belegt, die in fast alle Lebensbereiche eingreifen und den Bürger den Staat und seine Macht unmittelbar spüren lassen. Wie in der Vergangenheit entzünden sich deswegen auch heute noch zahlreiche politische Diskussionen und Konflikte an Steuerfragen, die immer auch die Entscheidung implizieren, wie der Staat ausgestaltet sein soll, welches Verhältnis zwischen Staat und Bürger herrscht und welche Leistungen Ersterer für Letztere übernimmt. Da Steuern zudem nie verteilungspolitisch neutral erhoben werden können, d. h. dass durch steuerliche Maßnahmen immer auch einige Bevölkerungsteile stärker als andere belastet werden, ist die Steuerpolitik stets ein zentrales Thema des politischen Systems. Daher ist die Frage, wie das Steuersystem und die einzelnen Steuern konkret ausgestaltet werden, trotz der Komplexität moderner Steuersysteme alles andere als eine rein technische Angelegenheit und politisch stets umstritten.
Hieran ändern auch die von der Finanzwissenschaft in den letzten 250 Jahren aufgestellten Grundsätze einer gerechten und bestmöglichen Besteuerung (Leistungsfähigkeitsprinzip, Effizienz, Leistungsfreundlichkeit, Gleichheit, Transparenz, Unabhängigkeit vom Nutzen einer staatlichen Leistung) wenig, da sie zum einen allgemein bleiben und sich zum anderen in der Praxis widersprechen können. So steht dem Gleichheitsgrundsatz eine Besteuerung nach Leistungsfähigkeit diametral entgegen, wenn Bürger wegen ihres höheren Einkommens nicht nur absolut mehr Steuern, sondern aufgrund einer progressiven Besteuerung auch anteilig mehr zahlen und deshalb einem höheren Steuersatz unterliegen als Bürger mit geringerem Einkommen. Das Bemühen um Steuergerechtigkeit führt wiederum zu zahlreichen Einzelfallregelungen, die das Steuerrecht verkomplizieren und das Steuersystem für den Steuerzahler undurchschaubar werden lassen.
Das heutige deutsche Steuersystem entstand in seinen Grundzügen nach dem Ersten Weltkrieg, als durch eine neue Finanzverfassung die Steuerertragshoheit und zugleich die wichtigsten und ertragreichsten Steuern auf das Reich übergingen. Anders als zuvor war das Reich von diesem Zeitpunkt an nicht mehr Kostgänger der Länder. Es entschied seitdem nicht nur selbst über die eigenen Einnahmequellen, sondern auch über die Finanzausstattung der Länder und Kommunen. Mit der Erzbergerschen Finanzreform waren – zur Begleichung der deutschen Kriegslasten und aufgrund der neuen Aufgaben des Weimarer Sozialstaats – zudem erhebliche Steuererhöhungen verbunden, die vor allem nach dem Ende der Hyperinflation 1923 von der Bevölkerung als drückend empfunden wurden und politisch heftig umstritten waren. In diesem schwierigen Umfeld musste nach dem Ende der großen Inflation 1924 manche Unzulänglichkeit des neuen Finanzsystems beseitigt und ein dauerhafter Finanzausgleich zwischen Reich und Ländern ausgehandelt werden. Diese und andere Finanzreformen wurden wegen der politischen Differenzen der Weimarer Parteien und aufgrund der 1929 ausgebrochenen Weltwirtschaftskrise jedoch nur zum Teil verwirklicht. Zum Ausgleich des Reichshaushalts in der schweren Depression erhöhte die Finanzverwaltung zudem die Steuern stark.
Nach der Stabilisierung ihrer politischen Herrschaft setzten die Nationalsozialisten neben der ideologischen Umgestaltung bis 1936 steuerpolitische Maßnahmen um, die dem Reformstau der Weimarer Zeit geschuldet waren und eine organische Weiterentwicklung des Weimarer Finanz- und Steuersystems bildeten. Vor allem aber zielte die Politik des Reichsfinanzministeriums auf eine Stärkung der Reichsfinanzen: Sie zog deshalb bereits vor dem Zweiten Weltkrieg einen Großteil der Steuereinnahmen an sich und trocknete die Länder- und Gemeindefinanzen aus. Diese und andere steuerpolitische Maßnahmen wie z. B. die zahlreichen Steuererhöhungen bis 1941 waren bei den NS-Finanzpolitikern nicht unumstritten. Allerdings verzichtete man erst im Verlauf des Zweiten Weltkriegs aus mehreren Gründen – nicht zuletzt, damit die Stimmung in der Bevölkerung nicht kippte – auf weitere Erhöhungen der Einkommensteuer für den Großteil der Steuerzahler.
Obgleich die Finanzverfassung der Bundesrepublik nach 1948 wieder föderaler gestaltet wurde, blieben zahlreiche steuerpolitische Maßnahmen der NS-Zeitweiter in Kraft – selbst die Reichsfluchtsteuer wurde erst 1953 aufgehoben – und stärkten die Finanzkraft des Bundes, ohne dass dies ein Anlass größerer Kritik in der bundesdeutschen Öffentlichkeit bildete. Vielmehr herrschte in der Finanzwissenschaft sowie allgemein in den 1950er- und 1960er-Jahren die Meinung vor, dass es genüge, wenn man durch die Aufhebung einzelner Gesetze und ideologisch motivierter Paragrafen das NS-Steuer-Unrecht beseitige.
Diese Auffassung wurde auch durch das vom letzten Reichsfinanzminister Schwerin von Krosigk und den Mitarbeitern seines Ministeriums nach 1945 gebetsmühlenartig vorgebrachte Argument gestützt, dass das Reichsfinanzministerium eine reine Fachbehörde gewesen sei und die eindeutig ideologisch begründeten Bestandteile des NS-Steuerrechts auf das Wirken des Staatssekretärs Fritz Reinhardt, eines überzeugten Nationalsozialisten und alten Kämpfers, zurückgingen. Diese Entschuldungsstrategie der eigenen Finanzpolitik, die Schwerin von Krosigk mit großem Geschick durch zahlreiche Publikationen untermauerte, funktionierte – noch besser als die Speerschen Erzählungen – auch über die unmittelbare Nachkriegszeit hinaus bis zum Ende des 20. Jahrhunderts.
Auch wegen des Forschungsdesiderates zur Geschichte des Reichsfinanzministeriums zwischen 1933 und 19451, stärker aber wohl aufgrund der öffentlichen Kontroverse um die Rolle des Auswärtigen Amtes im Dritten Reich veranlasst, entschied das Bundesfinanzministerium im Jahr 2009, die Geschichte der eigenen Institution in der NS-Zeit im Rahmen eines größeren Forschungsprojekts untersuchen zu lassen. Hierfür wurde ein wissenschaftlicher Beirat gebildet, der verschiedene Forschungsprojekte zur NS-Finanzpolitik und zum Reichsfinanzministerium konzipierte und Bearbeiter hierfür auswählte.2 Neben zwei Untersuchungen zum Vermögensentzug jüdischer Bürger und anderer verfolgter Bevölkerungsgruppen (Sinti und Roma, Gewerkschafter, Sozialisten oder Kommunisten) wird im Gesamtprojekt in einer weiteren Studie die institutionelle Entwicklung des Ministeriumsim Dritten Reich mitsamt der Haushaltspolitik umfassend in den Blick genommen. Die Rolle des Reichsfinanzministeriums in den von Deutschland besetzten Ländern ist wiederum das Thema zweier weiterer Teilstudien, sodass mit der hier vorliegenden Monografie zur NS-Steuerpolitik die wichtigsten Politikfelder und Beteiligungen am NS-Unrecht durch die verschiedenen Untersuchungen abgedeckt sind.
Analog zum Forschungsauftrag des Bundesfinanzministeriums steht die Frage nach der Rolle des Reichsfinanzministeriums bei der NS-Steuerpolitik im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung zur Fiskalpolitik im Dritten Reich, wobei im Schlussteil auch kurz thematisiert wird, inwieweit die bundesdeutsche Steuerpolitik nach 1949 in der Kontinuität der NS-Maßnahmen stand. Die Arbeit zielt daher nicht allein auf eine Darstellung der ideologischen Bestandteile der NS-Steuerpolitik. Vielmehr will sie die längerfristigen Kontinuitäten herausarbeiten, die aus der Weimarer Zeit stammend Eingang in die SteuerverfassungenNS-Deutschlands und der Bundesrepublik fanden. Deswegen und weil dies andernfalls den Umfang der Untersuchung sprengen würde, bietet die Arbeit keine Gesamtgeschichte der NS-Steuerpolitik, sondern konzentriert sich auf wichtige Aktionsfelder. So wird die Entwicklung der einzelnen Länder- und Gemeindesteuern lediglich im Überblick skizziert und nur insoweit berücksichtigt, wie sie die Aktivitäten des Reichsfinanzministeriums tangierte. Das Gleiche gilt für die Entwicklung der Zölle, deren Bedeutung infolge der Autarkiepolitik desDritten Reichs stark zurückging. Gänzlich außen vor bleibt die Steuerpolitik außerhalb der zeitgenössisch jeweils geltenden Reichsgrenzen, da die Steuerpolitik in den besetzten Gebieten an anderer Stelle des Gesamtprojekts behandelt wird. Schließlich wird die Umsetzung der ministeriellen Vorgaben durch die Reichsfinanzverwaltung nicht berücksichtigt, da für mehrere Regionen oder Städte (Bayern, Hessen, Münster, Hannover, Koblenz) bereits neuere Untersuchungen über die Tätigkeit der dortigen Finanzbehörden existieren.
Trotz dieser Einschränkungen ist das bearbeitete Aufgabengebiet sehr umfangreich. So werden im Folgenden sowohl die quantitative Entwicklung der Steuereinnahmen als auch die Entscheidungsprozesse sowie die ökonomischen und gesellschaftlichen Wirkungen des NS-Steuerrechts nachgezeichnet. Zudem wird im Detail die Bedeutung der Steuern als Mittel zur Diskriminierung gesellschaftlicher Gruppen herausgearbeitet.
Da Steuern ein Grundelement moderner Gesellschaften darstellen, haben sich die Finanz- und Sozialwissenschaften seit dem 19. Jahrhundert intensiv mit der staatlichen Fiskalpolitik beschäftigt. Sie bieten nicht nur verschiedene Theoreme, sondern auch viele nützliche Definitionen, Kategorisierungen und Methoden an, auf welche die vorliegende Arbeit zurückgreift. Zudem ist es eine grundlegende Erkenntnis der Finanzwissenschaft, dass Steuern nicht nur die Funktion haben, den Staat zu finanzieren, sondern in der heutigen Zeit darüber hinaus weitere Steuerungsaufgaben erfüllen sollen; der Fiskalzweck stellt aber bei Weitem die wichtigste Funktion dar. Unter Steuerung – ein Begriff aus der Politologie, dem Staatsrecht und der Systemtheorie – wird die zielgerichtete, zweckorientierte und intentionale Gestaltung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher (Rahmen-) Bedingungen durch Regierungen und staatliche Verwaltungen zur Erreichung politischer Ziele mittels gesetzlicher Maßnahmen verstanden, die häufig auch in Zusammenarbeit mit anderen gesellschaftlichen Institutionen wie Parteien oder Interessengruppen durchgeführt werden.3 In der Literatur werden drei zentrale Steuerungsinstrumente aufgeführt:
1.die Steuerung durch politische Überzeugungs- und Informationsstrategien, Werbung und Appelle,
2.eine Steuerung durch staatliche Regulierungen mittels Gesetzen, Verordnungen, Geboten und Verboten sowie
3.eine Steuerung durch staatliche Finanzierung, d. h. die Umsetzung politischer Ziele durch finanzielle Förderung oder Steueranreize.
Werner Plumpe hat in der Forschungsdiskussion um die Handlungsspielräume von Privatunternehmen in der Zeit des Nationalsozialismus diesen drei Steuerungsinstrumenten noch ein viertes hinzugefügt:
4.die Steuerung durch Macht- und Zwangsmaßnahmen.4
Er geht davon aus, dass der Anspruch des NS-Regimes, Gesellschaft und Wirtschaft durch politische Entscheidungen zu steuern, sich in einer modernen Industriegesellschaft als (unlösbares) Koordinationsproblem darstellte. Dieser politisch beanspruchte Steuerungsanspruch äußerte sich im Primat der Politik gegenüber allen anderen gesellschaftlichen Teilbereichen (Privat- und Arbeitsleben der Bevölkerung, Wirtschaft, Recht, Wissenschaft, Sport) und war für das Regime auch deshalb wichtig, da es so gegenüber der Öffentlichkeit – und sich selbst – die Illusion einer politischen Steuerung für die Machtsicherung als Legitimation der eigenen Herrschaft aufrechterhielt. Die NS-Spitzen erkannten keine Grenzen der Steuerbarkeit an, sondern sahen in Ineffizienzen der Steuerung nur behebbare Fehler der politischen Instrumentierung (fehlende Information, schlechte Planung, falsche Instrumente, persönliche Fehler, Zufälle), die durch die richtigen Personen und eine Neuorganisation der Institutionen abzustellen seien.
Es stellte sich den Nationalsozialisten von Beginn an das Problem, nicht nur Wirtschaft und Gesellschaft in die von ihnen gewünschte Richtung zu lenken, sondern gleichzeitig die Funktionsfähigkeit der dezentral organisierten und funktional stark ausdifferenzierten Gesellschaft inklusive einer hohen Effizienz der Wirtschaft zu gewährleisten. Dies setzten bis etwa 1937 vor allem die nationalkonservativen Eliten in der Regierung, etwa Schacht, mit einem pragmatischen Policy-Mix um, während danach vielfach Ad-hoc-Lösungen vorherrschten. Insgesamt wurden seitdem nicht nur die nötigen Steuerungsinstitutionen (Vierjahresplanbehörde, Sonderbeauftragte, Generalbevollmächtigte) neu eingesetzt, sondern auch die erforderlichen Programme geschaffen (Neuer Plan, Devisenbewirtschaftung, Vierjahresplan, Speersche Kriegswirtschaftsorganisation). Dies führte schließlich zu den NS-typischen polykratischen Strukturen, inkonsistenten, häufig wechselnden Programmen, flukturierendem Personal und – gemessen an den NS-eigenen Zielen – wiederkehrenden Fehlschlägen, auf die man mit der Einführung neuer Programme, Institutionen und Personen reagierte.
Trotz der zahlreichen Steuerungsprobleme gelang es dem Regime, durch die Kombination unterschiedlicher Programme und Steuerungsmedien die einzelnen gesellschaftlichen Institutionen und Individuen nachhaltig zu beeinflussen; anders wären die politischen, ökonomischen und militärischen Erfolge bis Anfang der 1940er-Jahre nicht möglich gewesen. Umdie operierenden Teilsysteme bzw. dezentral agierenden Institutionen und Individuen der weiterhin funktional ausdifferenzierten Gesellschaft auf den gewünschten Kurs zu bringen – dies ist systemtheoretisch nur als strukturelle Kopplung der Teilsysteme möglich –, setzte der NS-Staat nach Plumpe vor allem vier Steuerungsmedien ein:
  1. die Beeinflussung der öffentlichen Meinung und Wertevorstellungen durch Propaganda,
  2. die Ausübung staatlicher Macht,
  3. die rechtliche Regelung zahlreicher Lebensbereiche,
  4. die Schaffung pekuniärer Anreizsysteme.
Tatsächlich setzte das NS-Regime im gesellschaftlichen Teilbereich der Wirtschaft nicht nur auf die Wirkung der Propaganda (z. B. die Ächtung der Geschäfte mit Juden), der rechtlichen Ausgestaltung der Märkte (Bewirtschaftungsmaßnahmen, Produktionsverbote) und der Macht (Enteignungen, Austausch von Unternehmensleitu...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. 1. Einleitung
  6. 2. Steuereinnahmen
  7. 3. Grundsätze der Steuerpolitik
  8. 4. Steuerpolitik
  9. 5. Ökonomische Wirkungen des NS-Steuerrechts
  10. 6. Steuern als Diskriminierungsinstrument
  11. 7. Fazit
  12. Abkürzungen
  13. Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen
  14. Quellen- und Literaturverzeichnis
  15. Danksagung