Perspektiven auf Mehrsprachigkeit
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Individuum – Bildung – Gesellschaft

  1. 305 Seiten
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Individuum – Bildung – Gesellschaft

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Readers of this edited volume are invited to reflect on the current relevance, thematic complexity, and inherently hybrid nature of multilingualism, as well as to consider linguistic change, both past and present. The collected essays take an interdisciplinary as well as historically grounded approach.

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Information

Jahr
2018
ISBN
9783110533385
Nikolas Koch, Till Woerfel

Der Einfluss konstruktioneller Gebrauchsmuster in L1 und L2 auf die Verbalisierung intransitiver Bewegung bilingualer türkisch-deutscher Sprecher(innen)

1Einleitung

Die Deutsch-als-Zweitsprache-Forschung hat in den letzten Jahren zur Erklärung von Transferprozessen bilingual aufwachsender Sprecher(innen) vermehrt typologische Unterschiede zwischen der Erst- und Zweitsprache in den Fokus genommen. Einen Untersuchungsgegenstand stellt hier die Versprachlichung von intransitiver Bewegung in türkisch-deutschen Lerner(innen)varietäten dar. Den theoretischen Rahmen hierfür bildet die in der sprachtypologischen Forschung intensiv diskutierte Unterscheidung in sog. satellite-framed (S-Sprachen) und verb-framed (V-Sprachen) (vgl. Talmy 2003, 2008; Slobin 2004). Die Unterscheidung basiert auf der Versprachlichung von Bewegungsereignissen, wonach Sprecher(innen) in der jeweiligen standardsprachlichen Erscheinung typischerweise nach einem sprachspezifischen Muster verfahren. Sprecher(innen) germanischer Sprachen (z.B. Deutsch) drücken etwa neben der semantischen Komponente der Bewegung4, die ART UND WEISE oder die URSACHE einer BEWEGUNG im Verbstamm aus (z.B. rennen, s. Bsp. 1), während sie den WEG in verbalen Partikeln, in sog. Satelliten-Phrasen (z.B. in das Haus hinein), ausdrücken. Sprecher(innen) von romanischen Sprachen (z.B. Französisch) und Turksprachen (z.B. Türkisch) kodieren URSPRUNG und WEG bzw. WEG und ZIEL im Verbstamm (tr. gir- ‚sich hineinbewegen‘, s. Bsp. 2) sowie ART UND WEISE außerhalb des Verbs (tr. koşarak ‚rennend‘).
Nach Talmy lassen sich Sprachen typologisch zuordnen, je nachdem, wie diese semantischen Komponenten (und vor allem die Komponente WEG) auf syntaktischer Ebene abgebildet werden. Die typischen Muster einer Sprache geben, so Slobin (1996, 2000, 2004), nicht nur die sprachliche Organisation von Bewegungsereignissen vor, sondern haben darüber hinaus auch einen Einfluss auf die nicht-sprachlichen Vorgänge, also auf die kognitive Organisation. Eine Reihe von Studien liefert empirische Evidenz für die typologische Unterscheidung Talmys und zeigt darüber hinaus, dass Kinder schon in frühen Stadien des Erstspracherwerbs Mustern folgen, die denen erwachsener Sprecher(innen) ähneln (vgl. Choi & Bowerman 1991; Harr 2012; Hickmann 2006, 2007; Hickmann, Taranne & Bonnet 2009).
Im bilingualen Erstspracherwerb, frühen Zweitspracherwerb sowie Fremdsprachenerwerb werden Transferphänomene zwischen den Sprachen auf solche typologischen Unterschiede der erworbenen Sprachen zurückgeführt (vgl. u.a. Bernini, Spreafico & Valentini 2006; Brown & Gullberg 2008; Cadierno & Ruiz 2006; Cadierno 2008; Hohenstein, Eisenberg & Naigles 2006). Obwohl die Effektgröße des Transfers umso kleiner zu sein scheint, je früher eine weitere Sprache erworben wird oder je höher die Sprachkompetenz ist, finden Studien auch bei Sprecher(inne)n, die in frühester Kindheit zwei Sprachen ungesteuert erwerben, Abweichungen in der L1 und/oder der L2. Im Bereich des Deutschen als Zweitsprache stehen hier Sprecher(innen), die mit einer V-Sprache (Türkisch) und einer S-Sprache (Deutsch) bilingual aufwachsen, im Fokus jüngster empirischer Forschung.
Schroeder (2009) findet in schriftlichen deutschen Texten bilingualer türkisch-deutscher Jugendlicher die Vermeidung von Quellen- oder Zielergänzungen, wenn das finite Verb des Satzes ein expressives Bewegungsverb ist (z.B. er torkelte anstatt er torkelte in das Zimmer). In Bewegungsverbkonstruktionen mit direktionalen Ergänzungen verwenden die bilingualen Sprecher(innen) seiner Studie ausschließlich die Verben kommen und gehen. Die Tendenz der Bevorzugung solcher generischer Verben anstatt expressiver Verben sowie eine Vermeidung direktionaler Ergänzungen finden auch Goschler et al. (2013) in natürlichen mündlichen Gesprächen türkisch-deutscher Jugendlicher sowie Woerfel (2018a) in mündlichen Nacherzählungen türkisch-deutscher Kinder. Die sprachlichen Abweichungen werden in den drei Studien überwiegend auf die typologischen Unterschiede zurückgeführt. Die Studie von Goschler (2009) zeigt, dass türkisch-deutsche Jugendliche in mündlichen Nacherzählungen häufiger das Verb gehen und signifikant weniger direktionale Ergänzungen (hier Präpositionalphrasen) gebrauchen. Goschler stößt darüber hinaus Überlegungen an, ob die gefundenen Effekte in den oben genannten Studien tatsächlich den typologischen Eigenschaften der L1 oder L2 und damit verbundenen nichtsprachlichen kognitiven Vorgängen zuzuschreiben sind, oder ob hier nicht „direktere Transferprozesse zwischen den Sprachen in Form von Bevorzugung bestimmter Konstruktionstypen zugrunde liegen“ (Goschler 2009: 2; vgl. dazu auch Goschler 2013). Entsprechend läge bei den gefundenen Unterschieden eine Bevorzugung von Kombinationen semantisch leichter Verben+Satelliten bei Sprecher(inne)n von V-Sprachen bzw. von semantisch expressiven Verben+Satelliten in S-Sprachen vor (Goschler 2013: 125). Dieser Ansatz eröffnet auch eine alternative Sichtweise auf die Erklärung von Erwerbsprozessen, insofern bei bilingualen Sprecher(inne)n stärker der Transfer von Konstruktionen berücksichtigt werden muss. Damit ist dieser Ansatz in der Konstruktionsgrammatik zu verorten.
Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich die vorliegende Studie mit der Versprachlichung intransitiver Bewegung von bilingualen türkisch-deutschen und monolingualen deutschen Sprecher(inne)n. Die zentrale Frage ist hier, ob eine Bevorzugung bestimmter Verben nicht auf den direkten Transfer auf der Grundlage typologischer Unterschiede zurückzuführen ist, sondern auf die Prototypizität bzw. Generizität bestimmter Verben einer Konstruktion, die auf der Grundlage von konstruktionellen Gemeinsamkeiten in L1 und L2 beruht. Hierfür erfolgt zunächst eine Einführung in die Konstruktionsgrammatik und eine Beschreibung der intransitiven Bewegungskonstruktion sowie deren möglicher prototypischer Verben im Deutschen und Türkischen. Im Anschluss werden die spezifischen Fragestellungen und Hypothesen eingeführt, die Methodik vorgestellt und die Ergebnisse präsentiert. Eine Zusammenfassung und Diskussion der zentralen Ergebnisse der Studie findet sich am Ende des Beitrags.

2Die Bedeutung generischer und prototypischer Verben im Konstruktionserwerb

Die Konstruktion als fundamentale Einheit sprachlichen Wissens anzusehen, bildet den Kern konstruktionsgrammatischer Ansätze.5 Vor allem in der Erklärung von Spracherwerbsprozessen konnte in zahlreichen Studien die Bedeutung von Konstruktionen nachgewiesen werden (vgl. die Übersicht in Goldberg 2006; Tomasello 2000, 2003; sowie für das Deutsche in Koch i.E.). Eine Schlüsselrolle spielen hierbei die von Goldberg (1995) vorgeschlagenen Argumentstrukturkonstruktionen. Hierunter werden zusammenhängende abstrakte Muster verstanden, denen ein semantischer Kern inhärent ist (Goldberg 2006: 6). Für das Englische sind die in Tabelle 1 zusammengefassten Argumentstrukturkonstruktionen festgehalten, die die Grundaussage auf der Ebene der Äußerung determinieren:
Tab. 1: Argumentstrukturkonstruktionen des Englischen nach Goldberg (1995: 3f.)
Wie Tabelle 1 zu entnehmen ist, fällt auch die Versprachlichung intransitiver Bewegungsereignisse in den Geltungsbereich von Argumentstrukturkonstruktion. Goldberg (1995) schlägt vor, diesen einen generellen semantischen Gehalt (MOVE) sowie eine spezifische Form (Subj V Oblpath/loc) zuzuschreiben. Um nachfolgend beurteilen zu können, inwiefern die von Goschler (2009) vorgeschlagene Berücksichtigung bestimmter Konstruktionstypen zur Erklärung von Transferprozessen bei Bilingualen relevant ist, erfolgt zunächst eine Beschreibung der Intransitive Motion-Konstruktion aus konstruktionsgrammatischer Perspektive. Abbildung 1 zeigt dabei die grafische Darstellung der Intransitive Motion-Konstruktion als Form-Bedeutungspaar:
Abb. 1: Die Intransitive Motion-Konstruktion (Goldberg 1995: 78)
Ähnlich wie Talmy (2003) schlägt Goldberg (1995) eine Verbindung von semantischer und syntaktischer Ebene vor. Im Gegensatz zu anderen Grammatiktheorien sieht Goldberg diese Verbindung allerdings als einen integralen Bestandteil der Konstruktion selbst an. Der obere Bereich der Abbildung 1 enthält den semantischen Gehalt der Konstruktion (Bedeutung), der mit [MOVE] gekennzeichnet ist. Hieran sind spezifische Argumentrollen gebunden, die für eine Realisierung des semantischen Gehalts nötig sind (in Abbildung 1 theme und goal). Die Konstruktion selbst spezifiziert nun, welche ihrer Argumentrollen obligatorisch mit Partizipantenrollen6 eines Verbs fusionieren müssen. In Abbildung 1 ist dies mithilfe der durchgezogenen Pfeile dargestellt. Dies gilt folglich für das Thema (theme). Die Argumentrolle Ziel bzw. Richtung (goal) muss nicht zwingend mit einer Partizipantenrolle des Verbs verbunden sein, um auf der Formebene realisiert zu werden, da die Konstruktion selbst diesen semantischen Gehalt beisteuert.
Der untere Bereich (Form) beinhaltet die syntaktische Struktur der Konstruktion. Gemäß der Formseite der Intransitive Motion-Konstruktion [Subj V Oblpath/loc] sind hier Verb (V), Subjekt (SUBJ) und ein obliques Objekt (OBlpath/loc) realisiert. Die Formebene dieser Konstruktion kann somit in Anlehnung an Croft (2001: 17f.) als komplex schematisch bezeichnet werden, da sie Slots für das Einsetzen lexikalischen Materials bereitstellt. Dies wird auch durch die Variable PRED deutlich, die als Platzhalter für ein spezifisches...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. MehrSpracheN
  6. Fremdsprachenlernen in der Frühen Neuzeit: Bildungsverläufe, Lehrende und Lernende
  7. Was bedeutet sprachliche Grundbildung in einem mehrsprachigen Bildungskontext?
  8. Zum Panel MehrSpracheN und Erwerbsprozesse: Dynamik, Individualität und Variation
  9. Der Einfluss konstruktioneller Gebrauchsmuster in L1 und L2 auf die Verbalisierung intransitiver Bewegung bilingualer türkisch-deutscher Sprecher(innen)
  10. Deutsch- und Englischleistungen von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund im bilingualen Unterricht und im Fremdsprachenunterricht: Ein Vergleich
  11. Von ‚Sprachverfall‘ und Sprachwandel: Zum Panel MehrSpracheN als Varietäten des Deutschen
  12. Diglossie in der Deutschschweiz. Standardsprache versus Mundart – ein Problem in der Schule?
  13. geil, krass oder porno, alder? Veränderungen kommunikativer Strategien und Handlungskompetenz
  14. Zum Panel MehrSpracheN im historischen Wandel
  15. Kulturelle Wiedergeburt. Die mehrsprachigen Lehrbücher der griechischkatholischen Pfarrschulen in Galizien 1815–1848
  16. Handel, Technik und Mehrsprachigkeit. Fremdsprachenlernen in der Schweiz in der Zeit der zweiten industriellen Revolution 1880–1914
  17. Zum Panel MehrSpracheN im Fach
  18. Fach-ProSa: Ein Modell zur fachbezogenen Professionalisierung zur Sprachförderung in der Lehramtsausbildung der Fächer Chemie und Deutsch
  19. Textrezeptive Anforderungen in der Ausbildung. Eine Studie zur Bedeutung von Lesekompetenz in gewerblich-technischen Ausbildungsberufen
  20. Zum Panel MehrSpracheN im Zeichen von Migration. Die Verhandlung von Migration und Mehrsprachigkeit im Diskursfeld Schule
  21. Wie weit ist der Weg von der superdiversity zur Anerkennung der frühen Mehrsprachigkeit im französischen Vorschulkontext?
  22. Legitime und illegitime Sprachen in der Migrationsgesellschaft
  23. Kurzbiographien