Mitteleuropa denken: Intellektuelle, Identitäten und Ideen
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Mitteleuropa denken: Intellektuelle, Identitäten und Ideen

Der Kulturraum Mitteleuropa im 20. und 21. Jahrhundert

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Mitteleuropa denken: Intellektuelle, Identitäten und Ideen

Der Kulturraum Mitteleuropa im 20. und 21. Jahrhundert

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Über dieses Buch

Der Band widmet sich dem Kulturraum 'Mitteleuropa'. Das Thema wird nicht als geopolitisches Problem abgehandelt, sondern fokussiert werden politische, soziale und kulturelle Konzepte der Geschichte, der personalen, nationalen und (mittel)europäischen Identität, wie sie von Politikern, Soziologen, Philosophen, Schriftstellern und Literaturwissenschaftlern im 20. und 21. Jahrhundert diskutiert werden. Mitteleuropa wird gekennzeichnet durch Konflikte, kulturelle Interaktionen, die Mischung von Kulturen sowie unterschiedliche Traditionen, religiöse Orientierungen, nationale Interessen, Ideologien und Ideen. Das führte zwar zu zahlreichen Kontroversen, Spannungen und Konflikten, schuf aber auch ein auf seine Weise einzigartiges intellektuell und kulturell inspirierendes Umfeld. Kulturelle Vielfalt (Sprache, Religion, Kunst, Literatur) und ethnische Minderheiten wurden innerhalb der mitteleuropäischen Staaten bis in das frühe 20. Jahrhundert zumindest als existenzberechtigt angesehen. Der Fokus liegt auf Persönlichkeiten, die als "hybrid border crossers" den Kulturraum prägten und weiterhin prägen. Das Ziel des Bandes geht über eine Bestandsaufnahme hinaus und fragt auch nach der Wirkungsgeschichte und den Auswirkungen für die Gegenwart.

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Information

Jahr
2018
ISBN
9783110535082
Auflage
1
Thema
History


1 Formation einer mitteleuropäischen Kultur

Norbert Nußbaum

Der ‚mitteleuropäische‘ Charakter der Prager Residenzarchitektur um 1500

Unter dem Blickwinkel der Residenzforschung betrachtet, stehen die Prager Jahrzehnte um 1500 unter dem Stern der jagiellonischen Dynastie, die 1386 die polnische Königskrone erstritten hatte und im Lauf des 15. Jahrhunderts nach Süden expandierte. Wladislaw II. Jagiello wurde 1471 zum böhmischen, 1490 dann zum ungarischen König gewählt. Bis zum Tod seines Sohnes und Nachfolgers Ludwig II. Jagiello im Jahr 1526 wurden beide Monarchien mit den ihnen anhängenden Ländern in Personalunion regiert. Im Verbund mit dem Königreich Polen reichte das Dominium der Dynastie vom Deutschordensland im Norden bis nach Kroatien und Siebenbürgen im Süden. Für einige Jahrzehnte war Mitteleuropa damit als flächengrößte Herrschaft Europas unter der Ägide eines im Ursprung litauischen Adelsgeschlechtes umschrieben, das in Krakau und Buda/Ofen Hof hielt. In Prag als Hauptort Böhmens nahm Wladislaw nur ausnahmsweise und für kurze Zeit Aufenthalt − nach seiner Übersiedlung nach Ungarn im Jahr 1490 lediglich dreimal in den Jahren 1497, 1502 und 1509 – 1510. Doch hinterließ er auf dem Hradschin als Stellvertreter seiner abwesenden Majestät eine phänomenale Residenzarchitektur, ausgezeichnet durch die heraldischen Zeichen seiner Person. Weil Wladislaws Quartiere in Ofen die massiven kriegerischen Auseinandersetzungen der nachfolgenden Zeiten nicht überdauerten, bilden die Prager Bauten die heute noch anschaulichen Zeugnisse der jagiellonischen Hofarchitektur in den neu erworbenen Territorien, wurden sie auch kaum jemals in Gebrauch genommen, sondern lediglich vorgehalten für den zu erwartenden Landesherrn.

1 Stellvertreter des Fürsten

Maßstab eines modernen Adelssitzes war zu jener Zeit in Mitteleuropa die Meißener Albrechtsburg, die sich die Wettiner Ernst und Albrecht seit 1471 durch Arnold von Westfalen hatten errichten lassen. Hochmodern war in Meißen die Entscheidung, mehrräumige Wohneinheiten und Säle öffentlicher Funktion zu einem Cluster zu vereinen, dem ein expressives, radikal mit den Stillagen der internationalen Gotik brechendes Architekturvokabular eignet. Jenes erfasst Pfeilerformen, Fensterkonturen, komplexe Treppenformationen und dramatische Gewölbelandschaften, lässt also kaum ein Bauteil unberührt. Weil das Bauwerk nie als Residenz genutzt wurde, stand es den Zeitgenossen vor allem als Hoheitszeichen der Wettiner Kurfürstenwürde vor Augen und hatte insofern eine in hohem Maße emblematische Funktion. Dies verbindet die Albrechtsburg mit dem Prager Hradschin Wladislaws II.
Abb. 1: Meißen, Albrechtsburg. Im rechten Vordergrund das Nordostappartement
Markant in der Außenwirkung war in Meißen der Kunstgriff, das Nordostappartement in den Hang des Burgberges vorzuschieben und derart aus dem Hauptbaukörper herauszudrehen, dass es auf drei Seiten durchfenstert werden konnte (Abb. 1). Aus diesen Räumen boten sich also in drei Himmelsrichtungen weite Blicke übers Land. Vielleicht waren es ursprünglich Gastgemächer – empfahlen sie sich doch dafür, dem dort Logierenden das weitläufige Territorium der Hausherrn vor Augen zu führen.57
Das Beispiel der Wettiner machte in Zentraleuropa Schule in Hinblick sowohl auf die Entscheidung, Repräsentanz durch exklusives architektonisches Detail auszudrücken als auch auf die Konzeption von ebensolchen Flügeln, die sich wie jener der Albrechtsburg aus den üblicherweise geschlossenen und befestigten Fronten lösen und einen mehrseitigen Ausblick von erhöhter Position aus gewähren58. Zu den Projekten, die in beiderlei Aspekten mit der Albrechtsburg konkurrieren, zählt abermals der jagiellonische Umbau der Prager Burg (Abb. 2).59 Wladislaw selbst gibt uns zur Bestimmung des Umbaus über die Logierfunktion hinaus den sichersten Hinweis. In einem 1504 an seinen Burggrafen Heinrich von Jindřichův Hradek gerichteten Schreiben formulierte er: „Unser Schloss haben wir für uns selbst um jene Räume ausgebaut, deren Zimmer wir benutzen, mit besonderen, sehr großen und vortrefflichen Aufwendungen, uns und dieser Krone zur Rechtschaffenheit, zu unsrem und den zukünftigen böhmischen Königen Vergnügen und Anmut und zu Ehren dieses Königreiches“60.
Abb. 2: Der Prager Hradschin, von der Karlsbrücke aus gesehen. Mitte und rechts: Ludwigstrakt und Wladislawsaal
Für die Präsenz des Königs in der Kathedrale St. Veit auf dem Prager Burgberg ließ Wladislaw eine neue Herrscherempore mit höchst artifiziellem Astwerkdekor installieren (Abb. 3), und der alte Königspalast an der Südkante des Plateaus wurde grundlegend umgestaltet. Der noch aus hochmittelalterlicher Zeit überkommene, nach Brand 1303 unter Karl IV. wiederaufgebaute Saalgeschossbau nahm nun den größten Saal Mitteleuropas auf, den durch Bauinschrift an der Hoffassade 1493 datierten Wladislawsaal, für dessen Gründung das gesamte Gefüge des Altbaus konstruktiv ertüchtigt werden musste – eine an Maßstab und Imposanz unvergleichliche aula regia (Abb. 4). Die den Saalbau einfassenden Risalit-Flügel beherbergten die Audienz- und Wohngemächer, die das Schreiben Wladislaws von 1504 wohl anspricht. Markenzeichen des Umbaus sind neben konventionelleren Ziergewölben vor allem solche Gewölbebildungen, die mit komplexen Schlingrippenfigurationen operieren, und die in der zum Saal hinaufführenden Reiterstiege aufs Virtuoseste gesteigert anmuten (Abb. 5). Daneben treten in geradezu radikaler formaler Konfrontation Portale und Fensterfronten mit antikischen Ordnungen, welche die in Italien aktuelle Kunst in eigenwilliger Weise uminterpretieren (Abb. 6). Durchaus fraglich ist, ob diese frühe Adaption von Renaissanceformen unmittelbaren Kontakten nach Italien zu verdanken ist oder über den Hof in Buda/Ofen vermittelt wurde, wo bereits vor Wladislaws Königtum italienische Künstler bezeugt sind61. Unzweifelhaft scheint hingegen, dass der Prager Saaltrakt in einem großen Saalbau der Burg von Buda ein direktes Vorbild hatte.
Dies legt ein in die Südwand des Wladislawsaales in den frischen Putz eingeritztes Graffito nahe, das die Prager Burg in einer Ansicht von Südwesten abbildet (Abb. 6), und zwar gedeckt mit einer Staffel steiler Zeltdächer. Dieses Dachwerk fiel 1541 dem Brand der Prager Burg zum Opfer und wurde in dieser elaborierten Form nicht wiedererrichtet62. Ein solches Dach muss die Königsburg in Buda bereits 1493 besessen haben. Jedenfalls zeigt ein Holzschnitt mit der Ansicht Budas in der Weltchronik des Hartmann Schedel die Burg bereits in diesem Zustand (Abb. 7).63
Abb. 3: Prag, Veitsdom. Oratorium Wladislaws II.
Abb. 4: Prag, Hradschin. Wladislawsaal
Abb. 5: Prag, Hradschin. Grundrissausschnitt der Burg und des Domchores mit den markantesten Gewölben Benedikt Rieds. Farbig angelegt die durch Bauer/Lauterbach/Nußbaum tachymetrisch vermessenen Partien. 1 Wladislawsaal, 2 Böhmische Kanzlei, 3 Reiterstiege, 4 Wladislaw-Oratorium
Nicht weniger spektakulär als der große Saal, doch in seiner Bedeutung für die Genese der frühneuzeitlichen Residenzarchitektur kaum erkannt ist der so genannte Ludwigstrakt, der wohl bald nach 1500 als nach Süden in den Berghang hineingebauter Querflügel am Westende des Saales konzipiert wurde (Abb. 2). An diesem Trakt zeigt sich im Anschluss an die Neuerungen der Meißener Albrechtsburg exemplarisch die radikale Wende im Verständnis herrschaftlicher Repräsentanz, welche die Transformation des befestigten Adelssitzes zur offenen, durchlichteten Schlossfront einleitete. Hatte der Umbau der Prager Burg unter Wladislaw II. zunächst mit der Befestigung der langen Nordflanke des Burgberges begonnen, so zeigen die Maßnahmen auf dieser stadtzugewandten Südseite das genaue Gegenteil einer Fortifikation, nämlich das Freistellen eines Wohnflügels, der den Burgbering durchbricht und die Stadt am Fuß des Berges wie von einer Kanzel aus in den Blick nehmen lässt. Innen ist für bestmöglichen Komfort gesorgt. Eine Podesttreppe modernster italienischer Bauart verbindet die Geschosse und verbannt die engen Spindeltreppen der mittelalterlichen Burgen in die Degagements (Abb. 8) Der Flügel war dem 1506 geborenen jagiellonischen Thronfolger Ludwig zuge...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titlesite
  3. Copyright
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Einleitung: Mitteleuropa als Verlusterfahrung und Utopie
  7. 1 Formation einer mitteleuropäischen Kultur
  8. 2 Politische Geschichte: Mitteleuropäische Neuorientierungen im 20. Jahrhundert
  9. 3 Europäische Soziologie und Ideengeschichte in Mitteleuropa
  10. 4 Schriftsteller und Kultur(politik)
  11. 5 (Wert)Systeme: Sprach- und Literaturwissenschaft
  12. 6 Mitteleuropäische Literatur: Textanalysen
  13. 7 Literatur und (mittel)europäische Identität