Periphere Räume in der Amerikanistik
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Periphere Räume in der Amerikanistik

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Dieser Band beschäftigt sich mit dem Begriff der Peripherie als kulturwissenschaftlichem Konzept sowie mit den diskursiven und narrativen Dimensionen peripherer Räume. Spätestens seit dem spatial turn ist der Konstruktionscharakter von Räumen evident, was auch und insbesondere die Raumvorstellungen von Zentrum und Peripherie betrifft. Als periphere Räume betrachtet man in der Kulturgeographie und den Kulturwissenschaften Räume, die von den Zentren nur bedingt kontrolliert und gesteuert werden können und in denen sich folglich Prozesse der Auflösung z.B. kultureller und normativer Setzungen, der Mischung und Hybridisierung sowie der Entstehung von alternativen Formen kollektiver Identität abspielen können. Gleichzeitig sind periphere Räume Orte der Abgrenzung und Exklusion gegenüber anderen Systemen, aber auch der Berührung mit diesen.

Die vorliegende Untersuchung zeigt am Beispiel der USA die Zentralität von Vorstellungen über Peripherien oder periphere Räume für kollektive Selbstbestimmungsprozesse. Sie wirken prägend auf die Imagination des Nationalen Selbst und stehen so für die Legitimation spezifischer politischer und kulturhistorischer Projekte zur Verfügung.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783110651812
Auflage
1

1 Einleitung

Dieser Band beschäftigt sich mit dem Begriff der Peripherie als kulturwissenschaftlichem Konzept sowie mit den diskursiven und narrativen Dimensionen peripherer Räume. Spätestens seit dem spatial turn ist der Konstruktionscharakter von Räumen evident, was auch und insbesondere die Raumvorstellungen von Zentrum und Peripherie betrifft. Als periphere Räume betrachtet man in der Kulturgeographie und den Kulturwissenschaften Räume, die von den Zentren nur bedingt kontrolliert und gesteuert werden können und in denen sich folglich Prozesse der Auflösung z. B. kultureller und normativer Setzungen, der Mischung und Hybridisierung sowie der Entstehung von alternativen Formen kollektiver Identität abspielen können. Gleichzeitig sind periphere Räume Orte der Abgrenzung und Exklusion gegenüber anderen Systemen, aber auch der Berührung mit diesen.
Wie in der Geographie werden in den Kulturwissenschaften Räume als Ergebnis kultureller Produktions- und sozialer Aneignungsprozesse verstanden, die eng mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen verschränkt sind. Sie werden als im Handeln erzeugte Räume (Raumpraktiken) oder als medial erzeugte, imaginierte Räume begriffen und auf Repräsentationsstrategien, Wahrnehmungen und Instrumentalisierungen hin untersucht. Raumordnungsprozesse sind damit wesentlich in kulturellen Vorstellungen verortete Prozesse, an deren Konstruktion fiktionale Medien einen maßgeblichen Anteil haben.1 Unser Interesse gilt im Folgenden konkreten räumlichen Peripherien auf dem amerikanischen Kontinent. Als Amerikanisten mit dem Schwerpunkt Nordamerika betrachten wir die Ausprägung kultureller Raumordnungsprozesse als zentrales Moment der US-amerikanischen Kulturgeschichte. Brian Jarvis spricht in diesem Zusammenhang von einer „textualisierten Räumlichkeit“ (textualized spatiality) in der geographischen Imagination der amerikanischen Kultur und verweist auf die Schlüsselrolle geographischer Konzepte wie Frontier, wilderness, Wild West, small town, open road etc. in der Konstruktion nationaler Identität.2 Die vorliegende Untersuchung zeigt am Beispiel der USA die Zentralität von Vorstellungen über Peripherien oder periphere Räume für kollektive Selbstbestimmungsprozesse. Sie wirken prägend auf die Imagination des Nationalen Selbst und stehen so für die Legitimation spezifischer politischer und kulturhistorischer Projekte zur Verfügung.
Im Folgenden wird zunächst einführend das Begriffspaar Zentrum/Peripherie aus verschiedenen disziplinären Perspektiven mit besonderem Schwerpunkt auf die Kultur- und Literaturwissenschaften dargestellt. Im Anschluss richten wir den Blick auf periphere Räume in den Amerikas und insbesondere auf die USA. Anhand zentraler Raummetaphern wie Frontier und Borderlands beleuchten wir zudem die kulturelle Produktivität peripherer Räume an den Grenzen von Kulturräumen mit territorialem Charakter.

2 Zum Begriff der Peripherie/ des peripheren Raums

Der Begriff der Peripherie ist grundsätzlich als relational zu verstehen, das heißt periphere Räume werden als solche immer in Bezug auf ein Zentrum oder einen zentralen Orientierungspunkt definiert, wobei man von einer (unterschiedlich definierten) Asymmetrie zwischen Zentrum und Peripherie ausgeht. Zentrum und Peripherie bezeichnen sowohl räumliche Lagebeziehungen als auch relationale Verhältnisse in sozialen, kulturellen oder ökonomischen Kontexten. Das Konzept der Peripherie spielt in verschiedenen Disziplinen eine Rolle und wird mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen verwendet: International durchgesetzt hat sich in der Geographie die Unterscheidung von Zentrum und Peripherie im Zuge der Rezeption der funktionalistisch ausgerichteten Theorie der „Zentralen Orte“, die 1933 von Walter Christaller (1893 – 1969) veröffentlicht wurde. Dabei unterschied er aufgrund von quantifizierbaren, vor allem an Reichweiten orientierten Kriterien zwischen „zentralen Orten“ und den sie umgebenden „Ergänzungsgebieten“. Erstere beziehen ihren „Bedeutungsüberschuss“ gegenüber ihren Ergänzungsgebieten aus der höheren Anzahl an Dienstleistungen, die ihnen zur Verfügung stehen.3 Ein weiteres explizites „core-periphery“-Modell stammt aus den Wirtschaftswissenschaften und wurde von John Friedmann in den 1960er Jahren entwickelt. Friedmann sah die Relation zwischen Zentrum und Peripherie als eine von vier Stufen in der historischen Entwicklung des heutigen globalen Wirtschaftssystems.4 In der Geographie wird der Begriff der Peripherie heute für Räume verwendet, welche sich am Rand oder weiter entfernt von zentralen Agglomerationsräumen befinden. Neben geographischer Distanz werden dabei häufig auch schwache Infrastruktur, ökonomische Marginalität sowie demografische und damit politische Bedeutungslosigkeit verbunden.5 Paul Krugmans Ansatz aus der Neuen Ökonomischen Geographie inkludiert variable Faktoren wie geänderte Produktionsfunktionen, Transportkosten und Marktstrukturen in die Bestimmung des Verhältnisses von Zentrum und Peripherie und ermöglicht damit differenziertere Analysen.6 Alain Raynaud definierte 1981 in Société, Espace et Justice Zentrum und Peripherie als relative und dynamische Konzepte, die sich abhängig von unterschiedlichen räumlichen Maßstäben ändern. So hat ein Ort regelmäßig sowohl Zentrum als auch Peripherie; der Ort selbst kann aber sowohl Zentrum als auch Peripherie auf einer größeren oder kleineren räumlichen Skala sein.
In der Soziologie wurde das Zentrum-Peripherie-Modell zuerst von Edward Shils verwendet, der damit das Funktionieren zentraler Wertesysteme innerhalb von Gesellschaften beschrieb. Nach Shils fungiert das Zentrum nicht hierarchisch, sondern als „Mitte“ der Gesellschaft, die – getragen von Eliten – zentrale Werte und Symbole vermittelt sowie Handlungsmöglichkeiten vorgibt und steuert. Je weiter die Peripherien vom Zentrum entfernt sind, so Shils, umso geringer ausgeprägt sind auch Autorität und Einfluss des Zentrums im Hinblick auf diese Steuerungsmechanismen.7
Das „Zentrum-Peripherie-Modell“ spielt zudem eine entscheidende Rolle in Immanuel Wallersteins ebenfalls stark von ökonomischen Perspektiven geprägten World System Theory. Darin bestimmt der amerikanische Sozialwissenschaftler das Verhältnis zwischen Zentrum und Peripherie nach dem Grad ökonomischer Kontrolle, wobei die kapitalistischen Zentren (Zentralstaaten) in Beziehung zu halbperipheren und peripheren Weltregionen gesetzt werden. Während die Zentralstaaten sich durch eine überwiegend kapitalintensive Produktion sowie durch das Vorhandensein einer starken Staatsmaschinerie in Verbindung mit einer Nationalkultur auszeichnen, sind die Peripheriegebiete durch schwache, dysfunktionale oder nicht vorhandene Staatsgemeinschaften (z. B. Kolonialgebiete) sowie eine kapitalschwache, arbeitsintensive Produktionsweise gekennzeichnet. Semiperipherien, welche Merkmale beider Kategorien aufweisen, wirken hierbei als „Mittelgebiete“8 oder Pufferzonen zwischen Zentralstaat und Peripherie und leiten als solche politischen Druck aus den Peripherien auf den Zentralstaat ab.9 Staaten wie die USA oder Deutschland, die zunächst zur Semiperipherie gehörten, stiegen im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu Zentrumstaaten auf, die USA wurden nach dem Ersten Weltkrieg gar zum hegemonialen Zentrum des Welt-Systems.10
Aus historischer Perspektive unterscheidet Osterhammel11 zwischen drei grundlegenden Manifestationsformen von Grenzen, die jeweils die Grenze zwischen Innen und Außen sowie zwischen Eigenem und Anderem markiert.12 Erstens die sogenannte „imperiale Barbarengrenze“, welche den Beginn des Barbarentums an der Peripherie der antiken Imperien markierte. Zweitens der „nationalstaatlichen Territoriengrenze“ als Demarkationslinie zwischen zwei ähnlich organisierten politischen Gebilden und schließlich der „Erschließungsgrenze“ an den beweglichen Rändern europäischer Siedlungsgebiete als Teil des neuzeitlichen Kolonialismus. Historisch steht der Begriff der Peripherie natürlich in sehr engem Zusammenhang zum Begriff der Grenze: „Klassische“ periphere Regionen sind häufig ebenfalls Grenzregionen.13 Nicht jede Peripherie ist aber auch gleichzeitig Grenze im engeren Sinn, wie etwa Stadtränder oder innerstaatliche Peripherien. Zudem kann man manche Grenzen auch als Berührungspunkte zwischen peripheren Gebieten betrachten, welche sich wiederum im Gravitationsfeld eigener Zentren befinden.
In der Kulturtheorie hat sich vor allem Jurij Lotmans Modell der Semiosphäre als einflussreich erwiesen. Der estnische Semiotiker bezog bereits mehrere Jahrzehnte vor dem spatial turn raumtheoretische Überlegungen in die Analyse kultureller Räume ein.14 Lotmans Konzept der Semiosphäre beschreibt die Gesamtheit aller Zeichenbenutzer, Texte und Codes einer Kultur, d. h. den gesamten semiotischen Raum.15 Diese Sphäre ist nach außen hin durch eine unsichtbare semiotische Grenze abgeschottet, welche „das Wesen der Semiosphäre bestimmt“ und deren Funktion im „Trennen des Eigenen vom Fremden“ sowie der „Beschränkung des Eindringens“16 liegt. Im Vorwort zu Folie et déraison bezeichnete Michel Foucault kulturelle Grenzziehungen als „Gründungsakte“,17 welche einer Kultur räumliche Kontur und Konkretheit verleihen.18 Entsprechend konstatiert Edward Said: „[The] universal practice of designating in one’s mind a familiar space which is ‚ours‘ and an unfamiliar space beyond ‚ours‘ which is ‚theirs‘“.19 Ähnlich argumentiert auch Osterhammel, der Grenzen als „Distanzierungszonen zwischen Imperien und ihren Umwelten“ versteht.20 Die Funktion von Grenzen als Stabilisatoren der eigenen Kultur wird durch die Imagination von ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Contents
  5. 1 Einleitung
  6. 2 Zum Begriff der Peripherie/ des peripheren Raums
  7. 3 Periphere Räume in den Amerikas
  8. 4 Die Beziehung von Zentrum und Peripherie im Fall der USA
  9. 5 Räumliche Peripherie als diskursives Zentrum: Die amerikanische Frontier
  10. 6 Die kulturelle Produktivität der US-mexikanischen Borderlands
  11. 7 Zusammenfassung