Männliche Hauptfiguren im "Tristan" Gottfrieds von Straßburg
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Männliche Hauptfiguren im "Tristan" Gottfrieds von Straßburg

Charakterisierung, Konstellation und Rede

  1. 398 Seiten
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Männliche Hauptfiguren im "Tristan" Gottfrieds von Straßburg

Charakterisierung, Konstellation und Rede

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Über dieses Buch

Figuren und ihre Reden in mittelalterlichen fiktionalen Texten sind in der mediävistischen und sprachhistorischen Forschung lange nur randständig betrachtet worden. In den letzten Jahren gewinnen sowohl die narratologische Figurenforschung als auch die historische Dialogforschung an Aktualität und Relevanz. Die vorliegende Studie widmet sich in sprach- wie literaturwissenschaftlicher Perspektive der Erforschung der männlichen Hauptfiguren in Gottfrieds Tristan, die trotz der breiten Forschung zum Tristan ein Desiderat darstellt. Hierbei ermöglicht die Figurenrede den Zugang zu einer intensiven Analyse und Charakterisierung Tristans und Markes über Einzelepisoden hinaus, gleichermaßen öffnet die Figurenanalyse den Blick auf eine erstaunlich differenzierte, figuren- und situationsspezifische Gestaltung des Erzählelements Figurenrede aller sprachlichen Überformung des höfischen Textes zum Trotz.

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Information

III Figurencharakterisierung durch Figurenrede

Für die Charakterisierung einer Figur über ihr sprachliches Verhalten sind, wie gezeigt, unterschiedliche Aspekte und Teilbereiche der Kommunikation und ihrer literarischen Verschriftlichung relevant. Gemein haben diese Einzelaspekte, dass eine fundierte Aussage über die Figur in der Regel nicht durch eine separate Betrachtung und Analyse einzelner Elemente zu treffen ist, sondern erst die Summe und Kombination verschiedener Aspekte ein umfassendes Bild der Figur ermöglicht. Wie entwickelt sich die Figur, welche sozialen Voraussetzungen bringt sie mit, wie setzt sie sich zu anderen Figuren in Beziehung und welche Rolle spielt die sprachliche Interaktion überhaupt für die Figur? Wird sie in vielfältigen kommunikativen Rahmen gezeigt oder primär im selben Umfeld, in ähnlichen Konstellationen und Situationen? Bleibt sie in ihrem sprachlichen Umgang mit anderen Figuren und Situationen stringent oder ist sie eher wechselhaft gezeichnet? Wiederholen sich Merkmale oder bleiben sie vereinzelte Schlaglichter auf die Figur? Ist die Figurenzeichnung stereotyp und rein rollen- oder typengebunden oder lassen sich auch in einem mittelhochdeutschen Roman schon Reflexe von einer individuellen Figurenzeichnung erkennen?
Eine Annäherung an diese Fragen, vor allem aber an die Figuren selbst soll in einer umfassenden Analyse der Figuren Tristan und Marke im Kontext unterschiedlicher Redeszenen erfolgen. Die Wahl der beiden Figuren ist durch verschiedene Aspekte motiviert. Am offenkundigsten ist das besondere Beziehungsgefüge, die besondere Konstellation, in der Tristan und Marke sich befinden. Dieses Gefüge ist nicht nur diversen Entwicklungen unterworfen und Einflüssen ausgesetzt, sondern zeigt zwei Figuren, die erst in einem symbiotischen, später in einem antagonistischen Verhältnis zueinander stehen. Marke und Tristan sind bis zum Eintritt Isoldes in die Konstellation die primären Interaktionspartner füreinander, ein Großteil der dargestellten Figurenkommunikation zeigt beide Figuren im Austausch miteinander. Beide Figuren sind Männerfiguren, Tristan ist der Protagonist, Marke eine Nebenfigur, aber die wohl wichtigste männliche Nebenfigur im Roman. Sie werden über einen vergleichbaren Zeitraum gezeigt. Änderungen im Schicksal des einen Mannes wirken sich in der Regel auch mittelbar oder unmittelbar auf den anderen aus, so dass man im Grunde von einer teilweise gemeinsam vollzogenen Entwicklung und aufeinander aufbauenden Charakterisierung sprechen kann, wobei dies für Marke in einem stärkeren Rahmen als für Tristan zutrifft.
Das Hauptaugenmerk soll auf Tristan als männlichem Protagonisten liegen. Tristan erweist sich als sehr firm im Umgang mit Sprache, die er nicht nur in Lügen und Listen gut für sich zu nutzen weiß und die er geradezu virtuos einsetzt, um seine Ziele zu erreichen (vgl. Karin 2014: 83). Er sticht aus dem gesamten Figurenensemble im Tristan schon dadurch heraus, dass seine Geschichte von seiner Geburt an erzählt wird65 und auch seine Jugendzeit einen wesentlichen Teil der Narration einnimmt. König Marke begleitet Tristan als Förderer und Vaterfigur, bevor die Dreiecksgeschichte um Tristan, Marke und Isolde beginnt. Er unterliegt als Figur großen Wandlungen und ist durch eine ausgeprägte Ambiguität und (vermeintliche?) Inkonsistenzen gekennzeichnet: Er entwickelt sich vom „höfischen König schlechthin“ (Karg 1994: 71) zur Vaterfigur bzw. zum Onkel Tristans, weiter zum gehörnten Ehemann und unsympathischen (vgl. Kern 1988), schwachen Gegenspieler des Liebespaares (vgl. Karg 1994: 86 – 87). Er wird vom stummen, aber vorbildlichen Herrscher der Elternvorgeschichte zum sprechenden, aber unterlegenen König, vom Ersten im Reich zum Dritten in der Beziehung.
Die enge Verflechtung der Figuren bedeutet aber auch, dass ihre Entwicklung nicht unabhängig voneinander stattfindet und sich dies auch in der Charakterisierung der Einzelfiguren niederschlägt, da ein großer Anteil der Kommunikation im Tristan Kommunikation zwischen den genannten Figuren ist: Hierdurch ergibt sich, dass Bewertungen der einen Figur implizit wie explizit auch eine Bewertung der anderen enthalten oder nahelegen können, dass die Figuren Charakterisierendes in Gesprächen innerhalb dieser Konstellation äußern und ihr sprachliches Verhalten einem direkten Vergleich oder einer gemeinsamen Analyse unterzogen werden muss, um entsprechende Figureninformationen aus der Figurenrede ziehen zu können. In solchen Fällen wird in diesem Kapitel der Schwerpunkt jeweils auf die Figur gelegt, deren Charakterisierung aktiv untersucht wird – die anderen Figuren dienen in diesem Kontext nur der Vergleichsfolie (zur Konstellation vgl. insgesamt Kapitel IV: 344 – 367). Auch die übrigen Figuren, die als Gesprächspartner der jeweils behandelten Figuren fungieren, werden entsprechend in die Charakterisierung eingebunden, und hierfür relevante Informationen zu diesen Figuren werden ebenfalls einbezogen und ausgedeutet.
Die Untersuchung soll in zwei Teile gegliedert werden, in die Charakterisierung der Figur 1. über das Redeumfeld und 2. über ihre Reden selbst. Unter das Redeumfeld werden hier das inquit und alle im Zusammenhang mit der Rede stehenden, nicht-sprachlichen Handlungen der Figuren subsummiert. Diese werden durch den Erzähler wiedergegeben und können eine große Varianz vom einfachen über ein erweitertes inquit bis hin zu umfangreichen Beschreibungen der Figur selbst oder ihrer Handlungen aufweisen. Dass dieser Bereich zunächst eigenständig betrachtet werden soll, ist dem Umstand geschuldet, dass es sich hierbei immer um einen Erzählerkommentar handelt, dass die Perspektive auf die Figur also nicht über die Figur selbst, sondern quasi von außen erfolgt. Der Erzähler kommentiert und bewertet nicht nur die Rede, sondern situiert auch die Figur im Kontext ihrer Rede, so dass Redebewertungen implizit auch Figurenbewertungen transportieren. Der ‚eigenständige‘ Blick auf das Redeumfeld ist dergestalt zu verstehen, dass auf die Figurenreden selbst nur erläuternd eingegangen wird, um das Redeumfeld angemessen be- und auswerten zu können. Unterliegt die Bewertung der Figur und ihrer Reden durch den Erzähler großen Wandlungen? Bleibt sie stringent oder ist sie grundsätzlich variant?
In einem zweiten Schritt, in dem auch das Redeumfeld an angezeigter Stelle mit einbezogen wird, soll untersucht werden, wie die Figur durch ihre eigenen Reden und, wenn relevant, auch Gedankenreden charakterisiert wird. Welche Merkmale erweisen sich als figurenspezifisch? Zeichnet sich die Figur durch Besonderheit oder Konventionalität aus, wie bewusst und gezielt setzt sie ihre Sprache ein? Wie stark geht sie auf die Reden anderer Figuren ein und reflektiert diese? Ist das sprachliche Verhalten der Situation, der Stellung und Konstellation der Beteiligten adäquat und wie wird dies sprachlich manifest? Für die Beurteilung wird auch die Reaktion der anderen interagierenden Figuren einbezogen: Wie wird der Interaktant beurteilt oder gespiegelt? Welche Schlüsse lassen sich daraus auf die untersuchte Figur ziehen? Und was sagt der Gesprächsverlauf insgesamt über die untersuchte Figur aus? Die Ergebnisse der deskriptiven Einzelanalysen sollen für die jeweils untersuchte Figur abschließend insgesamt ausgewertet und zusammengestellt werden.

III.I Charakterisierung über inquit, Redeumfeld und redequalifizierende Hinweise

Im Kapitel „II.3 Redeumfeld“ (23 – 26) wurde deutlich, dass das Umfeld eine bedeutende Rolle spielt, um die Rede einer Figur durch den Erzähler kommentieren und einordnen zu lassen, ihre Rezeption zu steuern und Bewertungen zu platzieren (vgl. Miedema/Hundsnurscher 2007: 10). Diese Bewertungen können explizit sowohl die Rede selbst als auch die Figur betreffen oder durch die Art der Bewertung implizit beide zugleich. Dies gilt auch dann, wenn die Hinweise zunächst explizit nur auf entweder die Rede oder die Figur bezogen zu sein scheinen: Wird eine Rede als klug bezeichnet, ist dies etwa zunächst ein Urteil über die Rede, lässt aber auch Rückschlüsse auf den Sprecher zu.
Für die Figurencharakterisierung im Rahmen des Redeumfelds spielen vor allem folgende Aspekte eine Rolle, die im Kontext der Beschreibung der Rede durch den Erzähler vermittelt werden können:
  1. (allgemeine) redequalifizierende Hinweise,
  2. redequalifizierende Emotionshinweise,
  3. figurenqualifizierende Hinweise – hierzu zählen auch Hinweise auf (besondere) Fähigkeiten der Figur,
  4. die Einbeziehung redebegleitender Umstände inklusive des Figurengebarens,
  5. das Einsetzen besonderer verba dicendi.
Grundsätzlich sind diese Aspekte klar voneinander abgrenzbar, teilweise können sie aber auch in Kombination auftreten. Die entsprechenden Angaben können die Rede einleiten, in eingeschobener Position oder auch im Nachfeld der Rede stehen. Einige der Aussagen können als generelle Wertungen gedeutet werden und in gleicher oder ähnlicher Form wiederkehren, bei anderen ist der Situationsbezug ausschlaggebend und es muss überprüft werden, ob die Wertung aus der Situation heraus verallgemeinerbar ist oder ob sie situativ gebunden bleibt.
Exemplarisch lässt sich anhand von Tristans erster wörtlicher Rede vorführen, wie eng die Bewertungskriterien z. T. miteinander verknüpft werden. Auf dem Schiff norwegischer Kaufleute sieht Tristan ein Schachbrett, das ihn dazu veranlasst, die Kaufleute anzusprechen. Das aufmerksame Betrachten des Spiels kann als Initialmoment der folgenden Rede gewertet werden (Tr 2228 – 2229):
Tristan der tugende rîche
der sach ez vlîzeclîchen an.
Die folgende kurze Rede wird durch ein einfaches inquit an eingeschobener Position unterbrochen und durch einen Erzählerkommentar im Anschluss an die direkte Rede näher bestimmt (Tr 2230 – 2233):
„ei“ sprach er „edelen koufman,
sô helfe iu got! und kunnet ir
schâchzabelspil? daz saget mir!“
und sprach daz in ir zungen.
Die Rede wird hier durch eine Kombination mehrerer der oben genannten Kriterien gerahmt. Zunächst werden die redebegleitenden Umstände genannt (4), in diesem Kontext wird aber zugleich eine Figurenqualifikation vorgenommen (3) und die Rede bezüglich der verwendeten Sprache näher spezifiziert (1). Hierbei hängen alle Elemente miteinander zusammen und bauen aufeinander auf. Zuerst wird Tristan als der tugende rîche bezeichnet. Hierdurch wird in positiver Weise seine höfische Bildung hervorgehoben, die sowohl die höfische Wesensart als auch das Beherrschen besonderer Fertigkeiten umfasst.66 Sein Gebaren ist von Überlegtheit und Sorgfalt geprägt (vgl. hierzu Lexer 1878: 407). Auch das Interesse für das Schachspiel zeugt von Tristans Höfischkeit, wird doch im Zuge von Tristans Ausbildung explizit erwähnt, dass er auch in den höfischen Spielen unterrichtet ist (vgl. Tr 2121 – 2122). Der Eindruck der Höfischkeit Tristans wird durch die höfische Redegestaltung verfestigt. Hier wird der Eindruck durch die Anrede, das grüßende Anbefehlen der Kaufleute an Gott und Tristans ständische Überlegenheit, die sich darin äußert, dass er als Kind erwachsenen Männern gegenüber direkte Aufforderungen formulieren kann, evoziert (vgl. III.II.1.1: 96). Besonders herausgestellt ist der Verweis darauf, dass Tristan die Sprache der Kaufleute beherrscht und offenbar fließend spricht. Durch die Nachstellung des Erzählerkommentars und sprach daz in ir zungen wird betont, wie überraschend und außergewöhnlich dieses Können Tristans ist. Und außergewöhnlich ist es tatsächlich, denn Tristan ist nicht nur in der Lage, sein Anliegen formvollendet höfisch in der Sprache der Norweger, also auf Altnorwegisch, genauer Altwestnordisch oder Norrön (vgl. zur Abgrenzung, Bezeichnung und Unterteilung der nordischen Sprachen im Mittelalter Haugen 2015: 11 – 13; vgl. außerdem Werner 1985: 172), zu formulieren, er kennt darüber hinaus auch Fachbegriffe aus dem Feld höfischer Gesellschaftsspiele in der Sprache der Kommunikationspartner, deren Beherrschen für sich schon als Rarität zu werten ist (vgl. Wolf 1966: 136).67 Denn es ist eine Sprache, die lützel ieman kunde dâ (Tr 2237).68 Entsprechend weckt erst das Verwenden der Fremdsprache das Interesse der Kaufleute an Tristan (vgl. Tr 2234 – 2242).
Sowohl das redeeinleitende Betrachten des Schachbretts als auch der Verweis auf die Sprache, derer er sich bedient, rahmen Tristans Rede mit rede- und figurenqualifizierenden Hinweisen und situieren sie im Handlungsverlauf: Die Rede wird als fremdsprachlich klassifiziert und das Beherrschen der fremden Sprache qualifiziert ihren Sprecher als h...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Vorbemerkungen
  5. Inhalt
  6. Tabellenverzeichnis
  7. I Einleitung
  8. II Theoretische Grundlagen zur Figurencharakterisierung durch Figurenrede
  9. III Figurencharakterisierung durch Figurenrede
  10. IV Schlussüberlegungen: Figurenrede und Figurenkonstellation
  11. Literaturverzeichnis
  12. Index