Lydien
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Ein altanatolischer Staat zwischen Griechenland und dem Vorderen Orient

  1. 521 Seiten
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Ein altanatolischer Staat zwischen Griechenland und dem Vorderen Orient

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Über dieses Buch

In diesem Buch wird das Reich der Lyder zum ersten Mal nicht mehr als Anhängsel der Kolonialgeschichte Ioniens, nämlich als hellenisiertes Barbarenreich am östlichen Rand der griechischen Kulturwelt, dargestellt, sondern als eigenständiges Mitglied des Alten Orients. Die Hochschätzung des Orients, wie sie die griechische Dichterin Sappho für das Lydische Reich um 600 v. Chr. empfand, schlug nach dem Sieg über die Perser bei den Griechen in Überheblichkeit um. Wer nicht Grieche war, der galt ab nun als Barbar. In Wirklichkeit aber waren die Lyder Träger einer hohen Kultur gewesen. Durch unser wachsendes Verständnis der Inschriften in lydischer Sprache sowie von Götternamen, Herrschertitel und anderem mehr beginnen nämlich in unserem Jahrzehnt zum ersten Mal auch die Lyder selbst zu uns zu sprechen. Es wird immer deutlicher, dass sie nicht nur in ihrer Sprache den Hethitern und Luwiern verwandt waren, sondern auch in ihrer geistigen und religiösen Kultur noch in deren Tradition standen. Deutlich wird das an den Götternamen sowie den Staatsverträgen, die durch die Lyder auch an Sparta und dann auch Athen vermittelt wurden. Die wichtigste Quelle für die Lyder bleibt aber nach wie vor der griechische Historiker Herodot, auch wenn er erst mehr als 120 Jahre nach dem Untergang des Lydischen Reiches schrieb. Erst er entwarf in seinem Geschichtswerk das zeitliche und räumliche Koordinatensystem, in dem er auch das Lyderreich verorten konnte. Angeregt wurde er dazu durch den schnellen Wechsel der Ereignisse innerhalb dieser 120 Jahre, was ihn auf die Idee des Kreislaufs (kyklos) der menschlichen Dinge brachte, und nicht zufällig steht das lydische Reich in seinem Geschichtswerk an erster Stelle.

Was wir heute besser erkennen können als Herodot zu seiner Zeit, das ist die relative Einheitlichkeit der Staaten des Alten Orients, die zur Zeit des Lydischen Reiches bestand. Der orientalische Raum hat nämlich wegen der Bedrohung durch iranische Reitervölker im Norden und arabische Kamelreiter im Süden relativ gleichförmige Einrichtungen geschaffen, insbesondere durch die Aufstellung einer regulären Reiterei als Teilstreitkraft seiner Heere. Aber auch sonst wird in diesem Buch versucht, aus unserem heutigen Wissen über den Alten Orient im Allgemeinen und die Hethiter im Besonderen heraus die Aussagen Herodots besser zu verstehen und nicht selten auch in ihrer griechisch ausgerichteten Sinnrichtung zu korrigieren. Dabei galt aber immer das Prinzip des Respekts gegenüber dieser unersetzlichen Quelle.

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Information

Jahr
2018
ISBN
9783110435481
Auflage
1

1 Die Thronaufstiegsgeschichte des Gyges

Doch bald, in frischem Glanze,
Geheimnisvoll
In goldenem Rauche, blühte
Schnellaufgewachsen,
Mit Schritten der Sonne,
Mit tausend Gipfeln duftend,
Mir Asia auf, und geblendet sucht
Ich eines, das ich kennete, denn ungewohnt
War ich der breiten Gassen, wo herab
Vom Tmolos fährt
Der goldgeschmückte Paktol
Und Tauros steht und Messogis
Und voll von Blumen der Garten
(Friedrich Hölderlin, Patmos, Tübingen 1803)

Die „Frau des Kandaules“

Die herodoteische Novelle (Hdt. 1,8 – 13), die früher auch schon einmal „Vom Weib des Kandaules“ genannt wurde, enthält sicher mehr Dichtung als geschichtliche Wahrheit. Historisch könnte es so gewesen sein, dass der nicht aus der königlichen Dynastie stammende Mermnade Gyges den König „Kandaules“ ermordete, und dass dabei die Frau des Kandaules irgendeine Rolle spielte, den Usurpator anschließend heiratete und dadurch in einem gewissen Sinne legitimierte. Literarisch eindrucksvoll ist dagegen die daraus entwickelte Geschichte von dem sonderbaren Wunsch des Kandaules, der zu seinem tragischen Ende geführt haben soll.71 Ob sie ursprünglich von einem Lyder oder Griechen erdichtet wurde, wissen wir nicht. Vielleicht stammt sie auch von Herodot selbst, der ja auch sonst einen Sinn für effektvolle Erzählmotive hatte. Nikolaos von Damaskos,72 vermutlich auf einer verlorenen Textstelle Xanthos’ des Lyders fußend, berichtet, dass sich der Mermnade Gyges in die Frau des letzten Heraklidenkönigs Sadyattes verliebt habe. Als der König davon erfuhr und Gyges deshalb töten lassen wollte, tötete dieser seinerseits den König und heiratete die Frau. Das klingt etwas realistischer. Wenn wir der Novelle Herodots hier dennoch einige Überlegungen widmen, so deshalb, weil Teile der von ihm erzählten Variante doch irgendetwas Wahres enthalten könnten.
Herodot erzählt, dass Gyges gesehen hat, was er nicht sehen durfte: die Königin nackt. Kandaules, der lydische König, liebte seine Frau über alle Maßen und hielt sie für die schönste Frau der Welt. Er hatte zu Gyges gesagt: „Gyges, du glaubst mir anscheinend nicht … Sieh doch zu, dass du sie einmal nackt sehen kannst!“ Kandaules drängte ihn dazu, er legte ihm einen genauen Plan vor, wie Gyges ungesehen von der Frau diese genau betrachten könne, dann nämlich, wenn sie ihre Kleider vor ihm ablegte und zu ihrem Bett ginge. Es war so sehr bis ins Kleinste durchgeplant, dass der Leser bereits ahnt, dass es schiefgehen musste. Und so kam es denn auch. Die Frau, die keinen Namen trägt, sondern einfach nur die „Frau“ (gyne) heißt, bemerkte Gyges gerade in dem Moment, als er aus seinem Versteck hinter der Tür hervorkam und das Schlafzimmer verließ. Zutreffender als der Vergleich mit Klytaimnestra oder, aus der Moderne, mit Hamlets Mutter ist derjenige mit der alttestamentlichen Batseba: Die Geschichte von König David und Batseba, der Frau des Hethiters Urija, setzt so ein. „Und zur Abendzeit erhob sich David und er ging auf dem Dach des Königshauses auf und ab. Da sah er vom Dach aus eine Frau, die sich wusch. Und die Frau war von sehr schönem Aussehen“ (2 Sam 11,2). Die Schönheit der Frauen, ein Habitus, der sehr selten im Alten Testament angesprochen ist, verknüpft die beiden Erzählungen. Verführerisch schön ist Batseba, aber sie setzt ihre Schönheit nicht ein, um David zu verführen. Davon steht nichts im Text. Sie ist schön nur für sich. David schickt Boten, sie zu holen. Dadurch wird die Idylle der sich Waschenden zerstört. David nimmt Batseba geschlechtlich, ein Sohn wird gezeugt. Der Prophet Natan tritt auf. Er bezichtigt David nicht nur des Ehebruchs, sondern auch des gezielten Mordes an Batsebas Ehemann. Darauf bekennt David offen, gesündigt zu haben. Die Absolution erteilte Natan, indem er verkündete. „So sieht der Herr über deine Sünde hinweg.“ Dafür hatte David aber Buße zu leisten: Sein und der Batsebas Sohn wurde mit schwerer Krankheit geschlagen und sieben Tage später war er tot (2 Sam 10 – 12). Das ist der Anfang eines Erzählkranzes, der zur Thronbesteigung Salomos gehört. Ihn, Salomo, hatte Batseba, die inzwischen zur Königsgemahlin aufgestiegen war, dem David geboren.73 Dass sie übrigens eine Frau von Tatkraft war, wird die Erzählung von der Thronfolge Davids zeigen. Sie bringt den Spätgeborenen Salomo in einer Zeit der Anarchie, wie sie in den letzten Jahren Davids existierte, auf den Thron seines Vaters, baut mit an der Gründung der Dynastie und beendet den drohenden Staatsnotstand.
R. Harder, der einem größeren Kreis bekannt wurde durch seine kleine Schrift „Eigenart der Griechen“, postum erschienen 1962 (zuerst 1949), und K. Reinhardt, der mit seiner Aufsatzsammlung „Vermächtnis der Antike“ (postum 1960) seine uns jetzt eher fremd anmutende Geisteswelt in einem ganz eigenen Aufsatzstil darbietet, haben sich mit der herodoteischen Novelle auseinandergesetzt. Dabei beschäftigten sie sich auch mit der Frage, wo ihr Ursprung zu suchen sei, den sie beide im Vorderen Orient sahen. Nur war R. Harder der Ansicht, dass der alte Stoff wegen starker herodoteischer Gestaltung nicht mehr greifbar sei,74 während K. Reinhardt meinte, dieser ließe sich trotz Überarbeitung in Einzelzügen sehr wohl noch erkennen. So hätte Herodot den Gyges als einen Vasallen des Kandaules dargestellt, den ein besonderes Treueverhältnis an seinen Herrn band. Da aber ein solches Treueverhältnis die Griechen nicht kennen würden, hätte Herodot hier unbeabsichtigt etwas Orientalisches stehen lassen und damit auch etwas Historisches bewahrt.75 Das muss man heute doch etwas differenzierter sehen. Ein Vasall ist ein Lehnsmann, der nicht ohne das Lehnswesen zu denken ist. Das Lehnswesen ist aber ein die ganze soziale Ordnung einer Gesellschaft durchdringender Ordnungsbegriff; er sollte allein dem hohen Mittelalter vorbehalten bleiben, wie S. Patzold (2012) richtig betont. Der Begriff „Vasall“ wurde freilich in der Altorientalistik für lange Zeit für fast alle Formen von Abhängigkeit verwandt.76 Bei den Hethitern suchte man ganz besonders nach Hinweisen auf feudale Elemente. Ob das Wort sahhan-, das zuerst in den Hethitischen Gesetzen des Alten Reiches (um/vor 1600 v. Chr.) genannt wird, und behelfsmäßig mit ‚Lehen(sdienst)‘ übersetzt wurde, wirklich das Lehenswesen meinen kann, ist mehr als fraglich.77 Auch die hethitischen „Landschenkungsurkunden“ verzeichnen keine Vergabe von Lehen. Wir kennen solche Landvergaben aus anderen Ländern, so vor allem aus Ägypten aus der Zeit des Neuen Reiches (vornehmlich die XVIII. Dynastie). Hier fallen besonders Landschenkungen an hochverdiente Offiziere auf. Soweit unser Überblick reicht, hat noch niemand den Feudalismus ins Spiel gebracht, und das gilt selbst für die besonders dem Militär verpflichtete XVIII. Dynastie, deren bekanntester Pharao Thutmosis III. (1458 – 1426 v. Chr.) war. Damit dürfte diese Position K. Reinhardts erledigt sein. Übrig bleibt nur noch seine Meinung, dass die Treue einem Herrn gegenüber dem Griechen fremd sei. Das ist nicht so schnell zu entkräften. Untreue Mägde etwa trifft man zwar im Haus (oikos) des Odysseus auf Ithaka an, aber zurechtgerückt wird das Bild durch den „göttlichen“ (dios) Schweinehirt Eumaios, der ein Musterfall für Treue ist (etwa Hom. Od. 14,3 – 5). Zum Treuebund und Treueversprechen (pistis) unter Gleichen neigten die Griechen dagegen weit weniger stark, stärker sind sie dafür im Einfordern von Treue.78 Griechisch pistis meint denn auch nicht Treue, schon gar nicht im germanischen Sinne, sondern viel nüchterner, und zwar im Sinne von „Zuverlässigkeit“. In attischen Staatsverträgen findet sich die besonders knebelnde Bestimmung, dass der Bündner den „Treueid“ (pisteis) zu schwören hatte.79 In der Reihenfolge der Tugenden, das wird man pauschalisierend sagen dürfen, bringen es die Griechen mit ihrer Treue nicht gerade zu Spitzenwerten. Was die lydische Treue angeht, so grenzt es ans Komische, dass ausgerechnet hinter dem Wort tyrannos, das aus lydisch *trwanna- bzw. hieroglyphen-luwisch tarrawann(i)- stammt, eine Bedeutung ‚der Aufrichtige, der Loyale‘ steckte (s. unten), Treue hier also offensichtlich höher geschätzt wurde als bei den Griechen.
Oben wurde R. Harder mit seiner Ansicht zitiert, dass die Frau des Kandaules eine „dämonisch stumme Aktivität“ entfaltet habe. Aber Vorsicht: Es ist ja noch nicht ausgemacht, dass wir von Herodot fehlgeleitet werden. Natürlich musste die Frau sich nackt, weil ohne schützende Hülle, in ihrer aidos (Scham) verletzt fühlen, und das ausgerechnet durch ihren zeigesüchtigen Ehemann und vor einem Untergebenen. Das musste bestraft werden, und wenn man einmal den hethitischen Staatsvertrag mit Hukkana von Hayasa vergleicht, dann ist das höchste Strafmaß rechtens.
Bei den Hethitern mussten die „Großen“ der Majestät einen Treueid leisten, dergestalt, dass sie unverzüglich dem König Meldung darüber machten, was sich im Inneren des Palastes an Auffälligem ereignete.80 Dass entsprechende Verfehlungen in Hattusa nicht unbedingt die Todesstrafe bedeuteten, machen die Hethitischen Gesetze klar, die sich deutlich vom Codex Hammurapi, der drakonische Strafen, d. h. Todesstrafen, für sehr viele Vergehen, vorsah, im Sinne des Humanum unterschied. Die biblische Erzählung von der Thronfolge Davids ist aber ein Lehrbeispiel dafür, welche Zustände in Palast und Reich einreißen mussten, wenn das rechte Strafmaß nicht zur Anwendung kam. Richtig dämonisch wird die Frau des Kandaules dargestellt, nicht zuletzt durch die grelle, griechische Bühnenbeleuchtung, wenn sie Gyges vor die Wahl stellte, entweder den Kandaules zu töten oder selbst augenblicklich von ihrer eigenen „Schutztruppe“ (oiketai) hingerichtet zu werden.81 Herodot lässt die genaueren Verhältnisse des Palastes im Dunkeln. Gyges entschied sich bekanntlich für das Leben (Hdt. 1,11 – 12). R. Harder hat die zwar sonst kaum belegte passive Bedeutung von „Scham“ (aidos) richtig erkannt: Die „Frau“ war nicht schamlos, sondern wurde schamlos von Gyges betrachtet. R. Harder irrt in dem Urteil, dass Herodot hier überhaupt nichts Orientalisches bewahrt habe. Er übersieht, dass Gyges für den Fall, dass er Kandaules tötet, sie, die Königin, zur Frau bekommt und dazu die Königsherrschaft über die Lyder (Hdt. 1,11,2).
Man fragt sich, welchen Status die Frau hatte, auf Grund dessen sie einem Mann wie Gyges die „Königsherrschaft über die Lyder“ antragen konnte.82 W. Burkert hat in einem Diskussionsbeitrag einmal den Verdacht geäußert, dass die „Frau“ ursprünglich eine Göttin gewesen sei: „Die Göttin hat sich einen neuen König gewählt.“83 Wir haben diesen Einfall mit der Göttin zunächst aufzunehmen versucht – inspirierend war der Titel eines Buches von S. Böhme „Die nackte Göttin“ –, haben dann aber den Eindruck gewonnen, dass diese geistreiche Idee eine unnötige Belastung für eine vorurteilsfreie Analyse des Textes darstellen würde. Gerade Altanatolien hat nämlich machtvolle, mythische ebenso wie historische Frauengestalten vorzuweisen, die mit klugem Rat und entschiedener Tat ihren Sitz in dieser Welt einnahmen.84 Der erste Platz in einer Frauenliste gebührte zweifellos der hethitischen Großkönigin Puduhepa. Als mitregierende Königin mit menschlichem Format hat sie vor allem durch ihre Briefe an Ramses II. und ihre Gebete an die Sonnengöttin von Arinna nach Jahrtausenden des Vergessens einen Platz unter den großen Frauengestalten gefunden. Puduhepa war die Tochter eines hurritischen Priesters aus Kizzuwatna (griechisch Kilikia Pedias). Theologisch war sie hochgebildet. Nur so konnte sie beten: „Sonnengöttin von Arinna, meine Herrin, Herrin der hethitischen Länder, Königin des Himmels und der Erde …, im Hethiterland setzest du dir den Namen Sonnengöttin von Arinna, jedoch im Lande, das du zu dem der Zeder machtest, setzest du dir den Namen Hepat. Ich aber, Puduhepa, bin deine Dienerin von Anfang an.“85 Das dürfte zu den frühesten Beispielen von sog. Gleichsetzungstheologie gehören. Die sumerisch-akkadische Götterliste AN=Anum ‚Himmelsgott‘ mit ihren vielen Gleichungen des sumerischen und babylonischen Pantheons wird etwas später datiert (12. Jh. v. Chr.?).86 Puduhepa vertraute ihre Sorgen und Nöte Briefen an, die an Ramses II. abgingen. So schreibt sie einmal zum Zeitpunkt einer Hungersnot: „Schicke Getreide, meine Länder leiden Hunger!“ Oder sie schreibt Pharao in einem geharnischten, an manchen Stellen fast verleumderischen Brief, der eine Antwort auf seine Unterstellung ist, sie verzögere absichtlich die in Aussicht gestellte Heirat mit ihrer Tochter. Dort schreibt sie in dem sehr langen Brief begründend, dass das „Schatzhaus des Landes Hattusa“ leer sei und „dass ich kein Getreide in (meinen) Ländern habe“, um „die Kolonen, das Großvieh (und) das Kleinvieh, die ich der Tochter geben werde“ (gemeint ist als Mitgift), auf dem weiten Weg nach Ägypten zu verproviantieren. Sie spricht als „Königin des Landes Hattusa“ und als besorgte Brautmutter. Denn Ramses hat viele Frauen, darunter Prinzessinnen aus Babylon und Assur, in seinem Harem herrsche Gefühlskälte, und Ramses sei hinter dem Geld her, wie Puduhepa ihm eiskalt vorwirft.87
In einem weiteren Brief an Ramses II., der auch schön zeigt, wie es in einem wirklichen Palast zugeht, der kein griechisches Bühnenhaus ist, schreibt si...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Vorwort
  5. Inhalt
  6. Einleitung: Grundvorstellungen, Hauptprobleme, Lösungsansätze
  7. 1 Die Thronaufstiegsgeschichte des Gyges
  8. 2 Wer waren die Lyder?
  9. 3 Das lydische Reich in Statik und Funktion
  10. 4 König, Heerwesen und Verfassung
  11. 5 Das Schatzhaus und die Eudaimonie der Könige. Griechische Moral vs. orientalische Pragmatik
  12. 6 Lydiens Kriege im Osten. Der Untergang des lydischen Reiches
  13. Schluss: Versuch, eine Epoche darzustellen
  14. Literaturverzeichnis
  15. Analytisches Glossar (mit integriertem Sachindex in Auswahl)
  16. Eigennamen (Personen, Götter)
  17. Geographische und Völkernamen
  18. Sachbegriffe