Tradition – Verfassung – Repräsentation
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Tradition – Verfassung – Repräsentation

Kleine politische Schriften

  1. 428 Seiten
  2. German
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Tradition – Verfassung – Repräsentation

Kleine politische Schriften

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Edmund Burke ist vor allem als fortschrittsfeindlicher Kritiker der Französischen Revolution und als Vordenker des modernen Konservatismus bekannt. Der vorliegende Band versammelt politische Schriften Burkes, die ein komplexeres und widersprüchlicheres Bild ergeben. Sie zeigen ihn als vernunftkritischen Aufklärer, als Verfechter und zugleich als Kritiker des Britischen Empire, als politischen Reformer, der dennoch die traditionelle Ordnung verteidigt, und als liberalen Ökonomen, der die überkommenen Macht- und Eigentumsverhältnisse bewahren will.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783110379839

Einleitung

Olaf Asbach und Dirk Jörke

1Die Diskussion um das politische Denken Edmund Burkes

Edmund Burke war kein systematischer Denker. In kaum einer seiner Schriften hat er Fragen von Politik, Recht und Gesellschaft in einer systematischen Weise behandelt.1 Der größte Teil seiner Werke ist Resultat seiner Aktivitäten als einer der führenden Repräsentanten und über zwei Jahrzehnte hinweg als eine Art Chef-Ideologe der Whig Party unter dem Marquis of Rockingham (O’Gorman 1973: 23 ff.). Es handelt sich zumeist um Reden, die er im englischen Unterhaus oder zu Wahlkampfzwecken gehalten hat, oder um Pamphlete, die im Zusammenhang mit politischen Auseinandersetzungen entstanden sind. Dabei stellen Burkes berühmte Stellungnahmen zum amerikanischen Unabhängigkeitskrieg – On American Taxation (1774), On Conciliation with the Colonies (1775) –, seine Wahlkampfreden in Bristol (1774) und nicht zuletzt seine 1788 gehaltene Anklagerede im Verfahren gegen den Gouverneur der East India Company in Bengalen, Warren Hastings, nur einen Bruchteil der kaum zu überblickenden Menge von Reden dar, deren Vortrag sich mitunter über Tage erstreckt hat.2 Auch die großen Schriften, die er in den 1790er Jahren zur Französischen Revolution verfasst hat – die Reflections on the Revolution in France (1790), der Appeal from the New to the Old Whigs (1791) oder die Letters on a Regicide Peace (1795-1797) – zielten unmittelbar auf die Beeinflussung der praktischen Ausrichtung der britischen Politik und Regierung.
Burkes Werke sind mithin ohne Kenntnis der historischen Kontexte und der Anlässe, aus denen heraus sie jeweils entstanden sind, nicht zu verstehen. Zugleich werfen sie die grundsätzliche Frage auf, ob ihnen eine konsistente politische Theorie im Sinne systematisch begründeter theoretischer und normativer Prinzipien und Konzepte zugrunde liegt, die diesen in unterschiedlichen Zeiten aus verschiedensten Anlässen heraus entstanden Interventionen gemeinsam ist und sie begründet, oder ob Burke seine politischen Positionen und Argumente dem jeweiligen Anlass und den je verfolgten Zielen gemäß wählt und reformuliert. In der Rezeptionsgeschichte von Burkes politischen und sozialphilosophischen Schriften hat es nicht an Versuchen gefehlt, eine Antwort auf diese Frage zu geben, die freilich jeweils denkbar unterschiedlich, oftmals auch widersprüchlich ausfielen. So wurde Burke als Utilitarist (Morley 1867; Dinwiddy 1978), als Metaphysiker (Pappin 1993) oder als Naturrechtstheoretiker verstanden,3 aber auch als Vertreter der Tradition des Common Law und der Ancient Constitution (Pocock 1960), als Romantiker (Schmitt 1919; Bluhm 2012), als Besitzindividualist (Macpherson 1980) oder als Republikaner (Smith 1985; Altmann 1997), als liberaler Nationalist (Cobban 1960), als Kritiker des britischen Imperialismus (Mehta 1999; Whelan 1996; Pitts 2005) wie umgekehrt als Begründer einer spezifisch konservativen Logik des Empire (O’Neill 2016). Diese und weitere Sichtweisen werden nochmals komplizierter, wenn man das sogenannte Burke-Problem berücksichtigt (Kramnick 1977a: 13; Macpherson 1980; Winch 1985; vgl. dazu auch unten, S. 257 ff.). Schon seine Zeitgenossen standen vor der Frage, ob Burke einen fundamentalen Bruch mit seinen bisherigen liberalen Überzeugungen vollzogen habe, als er, der als oppositioneller Whig-Politiker stets für Parlamentsreformen und die Beschränkung der Macht des Königs eingetreten war und das Vorgehen der Regierung in den Kolonien in Amerika und Indien kritisiert hatte, seit Ausbruch der Französischen Revolution dann plötzlich mit einer radikalen Kritik aller Bewegungen zur Durchsetzung von Volkssouveränität und Demokratie und der Gleichheit politischer und sozialer Rechte hervortrat. Oder spricht der Umstand, dass sich alle wesentlichen Elemente seiner Kritik an der französischen Revolution bereits in seinen früheren Schriften finden lassen, dafür, dass er zeitlebens schon ‚liberale‘ und ‚konservative‘ Positionen vertreten hat – sei es, indem sie unvermittelt nebeneinanderstanden und je nach Gelegenheit verwendet wurden, sei es, dass sie Elemente eines gegebenenfalls sogar in sich konsistenten Denkens waren?
Diese schillernde Vielfalt der Verständnisweisen von Burkes politischem Denken zeigt sich auch in dem Bild, das man sich von ihm im Laufe der vergangenen zweieinhalb Jahrhunderte in der Öffentlichkeit gemacht hat, wie auch in der Art und Weise, in der man sich auf ihn berufen oder kritisch bezogen hat (Fitzpatrick/Jones 2017). Im angelsächsischen Sprachraum verblassten im 19. Jahrhundert die Irritationen, die Burkes radikale Ablehnung der ‚französischen Ideen‘ nach 1789 ausgelöst hatte. Schon im Laufe der 1790er Jahre, als die Sympathien, auf die die Ideen von Revolution, Verfassung und Volkssouveränität anfangs bis in die Eliten hinein gestoßen waren, im Gefolge der politischen und sozialen Unruhen in England und des Eintritts in die antifranzösische Allianz schnell abnahmen, hatte sich Burkes kritische Sicht zunehmend durchgesetzt und schwand der Eindruck, er habe sich von den einstigen Prinzipien abgewandt. Im 19. und bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurde er dementsprechend zur allgemein anerkannten Berufungsinstanz für eine liberale Whig-Politik. Indem er das Vertrauen auf die Freiheit garantierenden Institutionen des britischen Verfassungssystems als Produkt der Geschichte Englands und der Glorious Revolution von 1688 mit einer grundsätzlichen Offenheit gegenüber einem pragmatischen Reformismus und einer auf Handel und freie Märkte setzenden Wirtschaft verband, wurde Burke zu einer Galionsfigur des britischen Empire (Morley 1867). Im 20. Jahrhundert trat dann der ‚konservative‘ Burke ins Zentrum des öffentlichen Interesses, und insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er teils affirmativ, teils kritisch als ‚Vater‘ des modernen Konservatismus und als Vertreter einer spezifisch konservativen, naturrechtlich begründeten Auffassung von Politik, Staat und Gesellschaft in Anspruch genommen.4 Erst in jüngerer Zeit ändert sich, wie bereits angedeutet, diese vermeintlich eindeutige Verortung wieder und macht, wenn auch weniger in der Öffentlichkeit als in den wissenschaftlichen Debatten, einer komplexeren Sichtweise Platz, die die Genealogie ‚liberaler‘ und ‚konservativer‘ Positionen und ihrer Vorgeschichte im 17. und 18. Jahrhundert als einen widersprüchlichen Prozess aufarbeitet und nach der spezifischen Stellung Edmund Burkes und seines Denkens in ihm fragt.

2Ein Leben zwischen Politik und Publizistik

Die Schwierigkeit, Burkes Profil genau zu bestimmen, lässt sich auch an seiner Biographie erkennen.5 Schon das genaue Jahr seiner Geburt ist strittig. Der autoritativen Biographie von F. P. Lock zufolge wurde Burke am 12. Januar 1730 in Dublin geboren.6 Irland war, obgleich formell unabhängiges Königreich und nur durch Personalunion mit England verbunden, seit der Mitte des 17. Jahrhunderts faktisch eine englische Kolonie. Burke wurde anglikanisch getauft, wodurch ihm eine höhere Bildung ermöglicht wurde, die der katholischen Mehrheit Irlands verschlossen war. Abgesehen von einigen Jahren, die er aus gesundheitlichen Gründen in der Nähe von Cork im Süden Irlands verbrachte, wuchs er in Dublin auf. Er genoss eine exzellente Schul- und Universitätsausbildung. Ab 1741 besuchte er eine von Quäkern geleitete Boarding School in Bollitor/Kildram, etwa 30 Meilen südwestlich von Dublin, ab 1744 das Trinity College in Dublin, in dem er 1748 seinen Abschluss als Bachelor ablegte. Zu beiden Institutionen hatten nur Mitglieder der protestantischen Minderheit Irlands Zugang, wodurch Burkes Stellung von Anfang an von jenen Ambivalenzen geprägt war, die die damalige Gesellschaft durchzogen. Zum einen zählte er damit zu jener Schicht der Privilegierten, die in Ausbildung, Kirche und Politik Vorteile hatten, die anderen aufgrund ihrer Herkunft und religiösen Zugehörigkeit vorenthalten wurden. Zum anderen machte er als Ire, als Sohn einer katholischen Mutter und einer Familie aus dem Bürgertum direkt oder indirekt Erfahrungen mit den vielfältigen Diskriminierungen seiner Zeit. Er erlebte die Ungerechtigkeit der englischen Herrschaft gegenüber der katholischen Mehrheit, wie sie etwa in den Strafgesetzen und den ganz auf die Interessen Englands zugeschnittenen Wirtschafts- und Eigentumsverhältnissen zum Ausdruck kamen, die Burke im Laufe seiner politischen Laufbahn immer wieder thematisieren und bekämpfen sollte. Zudem war seine Zugehörigkeit zum Bürgertum ein wesentlicher Grund dafür, dass ihm der Zugang zu der dem Adel vorbehaltenen Welt und den ihnen vorbehaltenen höheren politischen Ämtern und Karrieren zeitlebens verschlossen blieb.7
Schon in der Zeit auf dem College in Dublin zeigte Burke ein starkes Interesse an Fragen der Literatur, Moral und Politik. Gemeinsam mit Studienkollegen gründete er 1747 einen literarischen Club, die Academy of Belles Lettres, der im Geiste der aufklärerischen Clubs, Gesellschaften und Akademien über Literatur, Moral und Religion und die Verbesserung der Gesellschaft debattierte. In diese Richtung zielte auch die Wochenschrift The Reformer, die Burke 1748 nach dem Vorbild von Zeitschriften wie Joseph Addisons Spectator gestaltete und die literarische Texte ebenso enthielt wie moral- und sozialphilosophische Abhandlungen und Buchbesprechungen.
Es ist deshalb nicht überraschend, dass es Burke nach seinem Studium ins politische und geistige Zentrum des britischen Empire zog und er 1750 nach London übersiedelte. Dort nahm er ein Studium des Rechts auf, um nach dem Willen seines Vaters eine juristische Laufbahn einzuschlagen. Sein Eifer für diesen Studien- und Berufsweg erlahmte jedoch schnell und trat hinter seine literarischen Interessen zurück. Spätestens in der Mitte des Jahrzehnts war die Entscheidung gefallen, das Rechtsstudium aufzugeben. Burke wandte sich ganz seinem Leben als Schriftsteller zu und suchte Zugang zu den einschlägigen literarischen Zirkeln und Publizisten. Er verfasste in diesen Jahren mehrere Werke, die ganz unterschiedlichen Literaturgattungen zugehörten und die Bandbreite seiner Interessen spiegeln. 1756 erschien als erste Veröffentlichung A Vindication of Natural Society, eine Satire, mit der er den Deismus und Rationalismus Lord Bolingbrokes, einem einflussreichen Politiker und politischen und moralphilosophischen Autor der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, ad absurdum führen wollte. Ein Jahr später erschien A Philosophical Inquiry into the Origin of our Ideas of the Sublime and the Beautiful. Burke skizziert hier eine Ästhetik, die, im Anschluss an Locke auf empirisch-sensualistischen Grundlagen beruhend, die Bedingungen menschlicher Erkenntnis und moralischen Urteilens aufzeigen wollte.
Im gleichen Jahr erschien in zwei Bänden der Account of the European Settlement in America, den Burke gemeinsam mit seinem Freund und Namensvetter William Burke verfasste. Wie viele Werke dieses Genres, deren berühmtestes wohl Raynals und Diderots Histoire des deux Indes (1770, 3., erw. Aufl. 1780) war, verband es eine Kompilation von Berichten und Informationen über die amerikanischen Kolonien mit politischen, geschichts- und kulturphilosophischen Reflexionen über ihre Legitimität und Vorteile. Und schließlich unterschrieb Burke 1757 bei Robert Dodsley, dem Verleger seiner bisherigen Veröffentlichungen, einen Vertrag über die Abfassung eines Abridgement of the History of England. Diese Schrift blieb jedoch unvollendet und wurde, den Zeitraum von der römischen Eroberung der britischen Inseln bis zur Herrschaft König Johanns im Jahre 1216 umfassend, erst 1812 als Fragment aus dem Nachlass herausgegeben. Unter dem Einfluss vor allem von Montesquieu und der Sozial- und Geschichtsphilosophie David Humes, der die ersten beiden Bände seiner History of England 1754 und 1757 veröffentlicht hatte, zielte Burke dabei auf eine Konstruktion der Geschichte der politischen Institutionen, der Verfassung und Zivilisation Englands – und bearbeitete damit Themen, die für sein weiteres politisches Denken von zentraler Bedeutung blieben.
1758 schließlich wurde Burke von Dodsley beauftragt, ein jährlich erscheinendes Periodikum, das Annual Register, herauszugeben. Bis 1765 fungierte er als Herausgeber dieses neuartigen Jahrbuchs und verfasste dabei die anonym publizierten Beiträge zum größten Teil selbst. Er blieb diesem Periodikum auch danach, als sein Freund Thomas English die Herausgeberschaft übernahm, weiterhin eng verbunden. Jeder Band deckte ein breites Feld an Themengebieten ab, so dass diese Tätigkeit es erforderlich machte, dass Burke sich auf allen Gebieten der Geschichte und des gesellschaftlichen Geschehens beständig auf dem Laufenden hielt. Im ersten Teil der jährlichen Bände wurden die wichtigsten Ereignisse und Entwicklungen des Jahres zusammengefasst, ergänzt um eine Chronologie und einen Dokumentenanhang. Im zweiten Teil wurden in sieben Rubriken kulturelle, historische, naturwissenschaftliche und literarische Entwicklungen, aber auch ‚useful projects‘ vorgestellt, ergänzt um Buchbesprechungen, die, da er aus der großen Zahl der jährlichen Neuerscheinungen nur vier bis sieben Werke auswählte, Burkes persönliches Interessenspektrum besonders deutlich widerspiegeln.
All diese Publikationen hatten Burke innerhalb weniger Jahre zu einem in der literarischen Welt Londons recht renommierten Autor gemacht. Die Einkünfte aus diesen journalistischen und literarischen Tätigkeiten jedoch reichten nicht aus, um seinen Lebensunterhalt zu sichern.8 1757 hatte er Jane Mary Nugent (1737-1812) geheiratet, 1758 wurden im Februar ihr Sohn Richard (1758-1794), im Dezember der zweite Sohn Christopher geboren, der 1764 im Kindesalter starb. Burke zögerte vermutlich auch deshalb nicht lange, als sich ihm die Perspektive einer politischen Karriere eröffnete. 1759 wurde er Sekretär von William Gerard Hamilton, einem Mitglied des House of Commons und des Board of Trade. Als Hamilton nach dem Machtantritt Georges III. 1760 seinem zum Lord-Lieutenant of Ireland ernannten Vorgesetzten am Board of Trade, dem Earl of Halifax, nach Irland folgte, nahm er während der Sitzungsperioden des irischen Parlaments Burke als seinen Privatsekretär mit sich. In dieser Zeit begann Burkes aktive politische Auseinandersetzung mit den Verhältnissen in Irland und der seines Erachtens ungerechten, sowohl für Irland als auch für England selbst nachteiligen Besatzungspolitik, die er dann als Abgeordneter im Unterhaus fortsetzen sollte.
Nach dem persönlich motivierten Bruch mit Hamilton begann 1765 das über drei Jahrzehnte währende Wirken Burkes im Dienste der Whig Party. Im Juli 1765 wurde er Privatsekretär des Marquis of Rockingham, der gerade zum First Lord of the Treasury und informellen Premierminister ernannt worden war und sein größter Förderer wurde. Rockingham war einer der wichtigsten Whig-Magnaten und, obwohl weder rhetorisch noch politisch besonders begabt, einer der bedeutendsten Whig-Politiker in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Nach ihm sind die Rockingham-Whigs benannt, bei denen es sich um einen losen Zusammenschluss von gleichgesinnten Mitgliedern des House of Commons handelte, der weniger durch eine spezifische politische Programmatik geprägt war als durch den Umstand, dass man gemeinsam für die Übernahme der Regierungsgeschäfte kämpfte. Dies gelang ihnen jedoch nur zweimal, und beide Male jeweils nur für wenige Monate: 1765 und 1782. Ein höheres Staatsamt, etwa ein Ministerposten, blieb Burke aber auch in diesem Falle aufgrund seiner bürgerlichen Herkunft verwehrt. Das einzige Regierungsamt, das er je innehatte, war das des Generalzahlmeisters der Streitkräfte 1782 in der zweiten kurzen Regierungsperiode der Rockingham-Whigs.
Die Unterstützung durch Rockingham macht es jedoch 1766 möglich, dass Burke einen Sitz im House of Commons erhielt und damit ein gesichertes Einkommen. Dabei kam ihm entgegen, dass die Parlamentsmitglieder im 18. Jahrhundert nicht aus freien Wahlen hervorgingen, sondern dass die aristokratische Oberschicht aus Hochadel und Gentry über den größten Teil der Sitze frei verfügen konnte (vgl. Kluxen 1983: 89 ff.). Burke behielt seinen Parlamentssitz ohne Unterbrechung von 1766 bis 1794, wobei er diesen einzig zwischen 1775 und 1780 nicht adliger Patronage verdankte, sondern als gewählter Abgeordneter der Stadt Bristol im Unterhaus innehatte (vgl. unten, Teil 3, S. 102 ff.). Dabei erfuhr er jedoch zugleich die Kehrseiten des Systems eines offenen Wahlkampfes. Er verlor nämlich im Verlaufe dieser Legislaturperiode das Vertrauen und die Unterstützung seiner Wähler, da er insbesondere in der Handelspolitik mit Irland und den amerikanischen Kolonien gegen den Willen von Bristols Kaufleuten agierte und erklärte, sich nicht an den Wählerwillen gebu...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Vorbemerkung
  5. Inhalt
  6. Einleitung
  7. Teil 1: Anfänge und Grundlagen von Burkes politischem Denken
  8. Teil 2: Über Repräsentation und Wahlkämpfe
  9. Teil 3: Burke und das Empire
  10. Teil 4: Politisches Denken gegen die Revolution
  11. Teil 5: Politik und Ökonomie bei Edmund Burke
  12. Bibliographie
  13. Drucknachweise
  14. Personenregister